Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1095/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1095/2014

Urteil vom 24. März 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Arbonerstrasse 33, 9315 Neukirch (Egnach),
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan La Ragione, Fichtenstrasse 13, 8570
Weinfelden,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510
Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22.
September 2014.

Sachverhalt:

A.

 X.________ fuhr am 30. April 2013 um 21:24 Uhr auf der Hauptstrasse in
Steinebrunn in Richtung Amriswil mit einer Geschwindigkeit von 175 km/h. Er
überschritt die ausserorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 95 km
/h.

B.

 Das Obergericht des Kantons Thurgau erklärte X.________ am 22. September 2014
zweitinstanzlich der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln
schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 9
Monate mit bedingtem Vollzug.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei mit einer
bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten und einer Busse vom maximal Fr.
3'500.-- zu bestrafen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu
erteilen.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerdeführer wurde zwischen 2006 und 2010 fünf Mal wegen
Verkehrsdelikten verurteilt. Das erstinstanzliche Gericht hielt fest, dass -
obwohl frühere Strafen und Entzüge des Führerausweises kein adäquates Mittel
zur Vermeidung von Rückfällen dargestellt hätten - ein teilbedingter Vollzug
der achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe eine günstige Prognose einschliesse und
vermöge, den Beschwerdeführer von weiteren schweren Delikten abzuhalten. Die
Vorinstanz erwägt diesbezüglich, dass aufgrund der strafrechtlichen
Vorbelastung des Beschwerdeführers insgesamt nur von einer ungünstigen Prognose
gesprochen werden könne und auch nur bei einer sehr grosszügigen
Betrachtungsweise davon auszugehen sei, dass der teilbedingte Vollzug ohne
Weiteres eine günstige Prognose einschliesse. Die von der ersten Instanz
ausgesprochene Strafe erscheine als ausgewogen und angemessen; jedenfalls seien
keine ernsthaften Gründe zu erkennen, welche eine andere Lösung rechtfertigen
würden.

2.

 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe nicht berücksichtigt, dass er -
anders als zum Zeitpunkt, an welchem der Strafbefehl erlassen (recte: Anklage
erhoben) wurde - wieder über ein Einkommen verfüge. Er habe einen Anspruch,
einen Teil der Strafe in Form einer Busse zu leisten. Hinsichtlich seines
Verschuldens sei zu berücksichtigen, dass es zum Tatzeitpunkt nicht dunkel,
sondern dämmrig war. Eine unbedingte Freiheitsstrafe hätte verheerende Folgen.
Selbst in Halbgefangenschaft wäre es ihm nicht möglich, sein eigenes
Unternehmen aufrechtzuerhalten. Die Vorinstanz gehe aufgrund seines Einkommens
zu Unrecht davon aus, es falle nicht soviel Arbeit an, dass er rund um die Uhr
für seine Kunden erreichbar sein müsse. Sein Strafregisterauszug weise keine
Geschwindigkeitsüberschreitung auf, welche als "Raserei" (im Sinne von Art. 90
Abs. 3 und 4 SVG) zu qualifizieren sei. Erstmalige Raser würden praxisgemäss
nicht mit unbedingten Freiheitsstrafen geahndet. Aus den erwähnten Gründen sei
die gesamte Freiheitsstrafe bedingt aufzuschieben und mit einer Busse zu
verbinden.

3.

3.1. Nach Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe,
von gemeinnütziger Arbeit oder einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs
Monaten und höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe
nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen
oder Vergehen abzuhalten. Es kann eine Strafe von mindestens einem Jahr und
höchstens drei Jahren nur teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um
dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 Abs. 1 StGB).
Im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42 und 43 StGB (zwischen einem
und drei Jahren) ist der Strafaufschub nach Art. 42 StGB die Regel, die
grundsätzlich vorgeht. Der teilbedingte Vollzug bildet dazu die Ausnahme. Sie
ist nur zu bejahen, wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der Strafe aus
spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der andere Strafteil unbedingt
ausgesprochen wird. Ergeben sich - insbesondere aufgrund früherer
Verurteilungen - ganz erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters, die
bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände eine eigentliche Schlechtprognose noch
nicht zu begründen vermögen, so kann das Gericht an Stelle des Strafaufschubs
den teilbedingten Vollzug gewähren. Auf diesem Wege kann es im Bereich höchst
ungewisser Prognosen dem Dilemma "Alles oder Nichts" entgehen. Art. 43 StGB hat
die Bedeutung, dass die Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des
gleichzeitig angeordneten Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere
Prognose erlaubt. Erforderlich ist aber stets, dass der teilweise Vollzug der
Freiheitsstrafe für die Erhöhung der Bewährungsaussichten unumgänglich
erscheint. Das trifft nicht zu, solange die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs, kombiniert mit einer Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (Art. 42
Abs. 4 StGB), spezialpräventiv ausreichend ist. Diese Möglichkeit hat das
Gericht vorgängig zu prüfen (BGE 134 IV 1 E. 5.5.2).
Erkennt das Gericht auf eine teilbedingte Strafe, hat es im Zeitpunkt des
Urteils den aufgeschobenen und den zu vollziehenden Strafteil festzusetzen und
die beiden Teile in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Als Bemessungsregel
ist das Verschulden zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist
(Art. 43 Abs. 1 StGB). Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass
darin die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung des Täters einerseits und
dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger
die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der
auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf dabei
das unter Verschuldensgesichtspunkten (Art. 47 StGB) gebotene Mass nicht
unterschreiten (BGE 134 IV 1 E. 5.6).
Sowohl bei der Gewährung des bedingten Strafvollzugs als auch bei der
Festsetzung des aufzuschiebenden und des zu vollziehenden Strafteils gemäss
Art. 43 StGB steht dem Sachrichter ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu.
Das Bundesgericht greift in dieses nur ein, wenn das Sachgericht es über- bzw.
unterschreitet oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt (BGE 134 IV 1 E.
5.6; 136 IV 55 E. 5.6 mit Hinweis; Urteil 6B_251/2012 vom 2. Oktober 2012 E.
5.4).

3.2. Der Beschwerdeführer weist im Strafregister fünf Vorstrafen auf. Er wurde
in der Schweiz im Jahr 2006 mit Bussen von Fr. 1'300.-- und Fr. 1'000.-- und in
Deutschland in den Jahren 2007, 2009 und 2010 mit unbedingten Geldstrafen von
35, 100 und 40 Tagessätzen bestraft. Diese Verurteilungen erfolgten wegen
Fahrens in fahrunfähigem Zustand, (mehrfacher) Verletzung der Verkehrsregeln,
pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall und Fahrens trotz Entzug des
Führerausweises. Es handelt sich hierbei ausschliesslich um Verkehrsdelikte.
Dass im Strafregister keine Verurteilung wegen einer im Sinne von Art. 90 Abs.
3 und 4 SVG qualifizierten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
eingetragen ist, spielt keine Rolle, zumal selbst Vorstrafen, welche
andersartige Delikte betreffen, bei der Frage der Prognose nicht belanglos sind
(BGE 100 IV 133 E. 2d; Urteil 6B_1058/2010 vom 1. März 2011 E. 2.3 mit
Hinweisen). Aufgrund der - einschlägigen und bereits unbedingt ausgesprochenen
- Vorstrafen durfte die Vorinstanz auf eine nur teilbedingte Strafe erkennen.
Ebenso durfte sie berücksichtigen, dass frühere Administrativmassnahmen
wirkungslos waren. Die Vorinstanz missbraucht das ihr zustehende Ermessen nicht
und verletzt kein Bundesrecht. Irrelevant ist daher, dass erstmalige Raser
angeblich von einem vollständigen Aufschub der Strafe profitieren.

3.3. Eine erhöhte Strafempfindlichkeit ist gemäss der Rechtsprechung nur bei
aussergewöhnlichen Umständen zu bejahen, da die Verbüssung einer
Freiheitsstrafe für jede arbeitstätige und in ein familiäres Umfeld
eingebettete Person mit einer gewissen Härte verbunden ist (Urteil 6B_1032/2014
vom 8. Januar 2015 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Eine ausserordentliche
Strafempfindlichkeit ist nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer legt auch nicht
dar, inwiefern dies der Fall sein soll. Er macht lediglich geltend, die
Vorinstanz schliesse aufgrund seines Einkommens zu Unrecht auf eine geringe
Arbeitslast, welche keine permanente Erreichbarkeit rechtfertige. Er setzt sich
aber nicht mit dem Argument der Vorinstanz auseinander, er könne seinen
Geschäftspartner und seine Angestellten so instruieren, dass eine Weiterführung
des Betriebes während seiner Halbgefangenschaft ohne Einschränkung möglich ist
und er seiner Arbeit bis zu einem gewissen Grad auch im Gefängnis nachgehen
könne. Auf die Rüge ist mangels ausreichender Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG)
nicht weiter einzugehen.

3.4. Art. 90 Abs. 3 SVG sieht eine Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren
vor. Ein Anspruch, einen Teil der Strafe in Form einer Busse zu leisten,
besteht entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht. Die Kombination
einer teilbedingten Strafe nach Art. 43 StGB mit einer Busse oder einer
unbedingten Geldstrafe im Sinne von Art. 42 Abs. 4 StGB ist ausgeschlossen (
THOMAS MANHART, Bedingte und teilbedingte Strafen sowie kurze unbedingte
Strafen, in: Tag/Hauri [Hrsg.], Die Revision des Strafgesetzbuches Allgemeiner
Teil, 2006, S. 119 ff., 132; Urteil 6B_327/2011 vom 7. Juli 2011 E. 4.2 mit
Hinweisen). Die Rüge, die Vorinstanz habe das Einkommen des Beschwerdeführers
nicht berücksichtigt und deshalb die Freiheitsstrafe nicht mit einer Busse
verbunden, ist unbegründet.

3.5. Hinsichtlich des Verschuldens erwägt die Vorinstanz, der Beschwerdeführer
könne daraus, dass zum Tatzeitpunkt nicht komplette Dunkelheit, sondern
Dämmerung herrschte, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Sie begründet dies
damit, dass die Lichtverhältnisse bei Dämmerung schlecht seien und selbst wenn
die Geschwindigkeitsüberschreitung bei Tag stattgefunden hätte, diese so gross
war, dass gute Licht- und Sichtverhältnisse keinen Strafminderungsgrund
dargestellt hätten. Der Beschwerdeführer wiederholt vor Bundesgericht, es sei
zum Tatzeitpunkt nicht dunkel, sondern dämmrig gewesen, ohne sich mit den
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz auseinanderzusetzen. Die Beschwerde
enthält diesbezüglich keine den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG genügende
Begründung. Darauf ist nicht einzutreten.

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Mit dem
Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos
geworden. Die Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. März 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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