Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1056/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1056/2014

Urteil vom 11. Februar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bolzern,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Gehilfenschaft zu versuchtem Diebstahl usw.; willkürliche Beweiswürdigung;
Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
2. Kammer, vom 20. August 2014.

Sachverhalt:

A.

 Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte X.________ am 20. August 2014
im Berufungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs, Gehilfenschaft zu versuchtem
Diebstahl, Gehilfenschaft zur Sachbeschädigung und Gehilfenschaft zum
Hausfriedensbruch zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr.
150.- sowie zu einer Busse von Fr. 600.-.

 Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

 In der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 2012 zwischen ca. 0.00 Uhr und 0.40 Uhr
wuchtete eine unbekannte Täterschaft mit einem Flachwerkzeug die Tür zum
Kunden-WC einer Tankstelle mit Supermarkt in Oberentfelden auf und versuchte
mittels Äxten und Vorschlaghammer die Innenwand zu durchbrechen, um in die
Ladenräumlichkeiten zu gelangen. X.________ wurde von einer Polizeipatrouille
auf dem Flachdach eines Autocenters entdeckt, das 50 m von der Tankstelle
entfernt liegt. X.________ versuchte zu fliehen und habe ein eingeschaltetes
Funkgerät weggeworfen, bevor er sich auf den Boden legte und festnehmen liess.
Er trug unter anderem eine schwarze Wollmütze und grobe Handschuhe.

B.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt zusammengefasst, das
obergerichtliche Urteil sei aufzuheben, und er sei von allen Vorwürfen
freizusprechen. Für die zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft von 16 Tagen sei
ihm eine Entschädigung zuzusprechen. Eventualiter sei die Geldstrafe auf 70
Tagessätze zu reduzieren. (Sub-) Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerderührer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und damit
verbundene Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Sämtliche
Ausführungen der Vorinstanz würden bestritten, sofern sie nicht ausdrücklich
als richtig anerkannt würden. Willkürlich und völlig unhaltbar sei, er habe
seine Kollegen tatsächlich vor der Polizei gewarnt, denn er habe die
Polizeibeamten erst bemerkt, als diese auf dem Flachdach gestanden hätten,
andernfalls er ja selber rechtzeitig geflüchtet wäre. Zudem hätten die
Haupttäter nicht ermittelt werden können. Es sei für ihn auch nicht erkennbar
gewesen, dass er das über eine Rampe leicht zugängliche Flachdach des
Autocenters unrechtmässig betrete. Die Vorinstanz verletze den Grundsatz "in
dubio pro reo", wenn sie ihm vorwerfe, "einen unbewiesenen Sachverhalt" zu
bestreiten und seine Schutzbehauptungen und Hypothesen nicht beweisen zu
können. Es gebe zwar Indizien, die für seine Beteiligung am versuchten
Einbruchdiebstahl sprechen könnten, jedoch gäbe es genauso gut Indizien, die
darauf hinwiesen, dass er mit dem Delikt nichts zu tun habe. Daher sei es
durchaus denkbar - und auch der Fall -, dass er sich auf das Dach des
Autocenters begeben habe, um nachzuschauen, ob es sich bei den Männern, die um
sein Auto geschlichen seien, um Freunde des Ex-Freundes seiner Begleitung
A.________ gehandelt habe.

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellungen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG). Als
"offensichtlich unrichtig" gelten die vorinstanzlichen Feststellungen, wenn sie
willkürlich erhoben worden sind (Art. 9 BV; BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; zur
Willkür bei Beweiswürdigung BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; 135 III 127 E. 1.5 S.
129 f.). Der Beschwerdeführer muss substanziiert begründen, inwiefern der
angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel
leidet (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Dazu genügt es nicht, einen
von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu
behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1
S. 356). Auf eine bloss appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt
das Bundesgericht nicht ein (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 136 II 489 E. 2.8 S.
494; je mit Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner
Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine
über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (vgl. BGE 138 V
74 E. 7 S. 82 mit Hinweisen).

1.3. Die Sachverhaltsrügen genügen den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42
Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG nicht. Der Beschwerdeführer setzt sich mit den
nachvollziehbar begründeten Erwägungen der Vorinstanz nicht auseinander,
sondern beschränkt sich darauf zu schildern, wie sich der Sachverhalt nach
seiner Auffassung abgespielt haben soll. Das Bundesgericht ist keine
Appellationsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt.
Zudem zeigt der Beschwerdeführer (wohl unbewusst) selbst auf, dass die
Sachverhaltsfeststellungen im Lichte der zitierten bundesgerichtlichen
Rechtsprechung nicht willkürlich sind. Er räumt ein, es gäbe Indizien, die
sowohl für als auch gegen ein Mitwirken am versuchten Einbruchdiebstahl
sprächen, weshalb "es daher genauso gut denkbar sei", er habe sich nicht zur
Deliktsbegehung, sondern wegen der Freunde des Ex-Freundes seiner nicht (mehr)
vor Ort angetroffenen Begleitung A.________ auf das Dach des Autocenters
begeben. Eine lediglich mögliche andere (und vorliegend nicht einmal
naheliegende) Sachverhaltsalternative ist von vornherein ungeeignet, eine
willkürliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz
aufzuzeigen. Zudem setzt sich der Beschwerdeführer mit dieser
Sachverhaltsschilderung in Widerspruch zu seinen Rügen in der
Beschwerdeschrift, wonach er die unbekannte Täterschaft nicht habe warnen
können, da er die Polizeibeamten zu spät bemerkt und nicht mehr habe flüchten
können.

 Unzutreffend erweist sich die Rüge, die Vorinstanz verstosse gegen den
Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweislastregel. Sie erachtet den Sachverhalt
nicht deshalb als erwiesen, weil der Beschwerdeführer seine Schutzbehauptungen
nicht beweisen konnte, sondern weil sie die von ihm vorgebrachten
Eventualvarianten zum Geschehensablauf aufgrund entgegenstehender Beweise und
Indizien für nicht glaubwürdig bzw. widerlegt erachtet.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz wende Art. 186 StGB falsch an.
Es sei nicht erkennbar, dass das Flachdach des Autocenters nicht betreten
werden dürfe, da es über eine frei zugängliche Rampe für jedermann erreichbar
sei. Zudem sei das Tatbestandsmerkmal der Unrechtmässigkeit des Betretens nicht
erfüllt, da der Berechtigte seinen Willen, das Dach dürfe nicht betreten
werden, nicht kundgetan habe. Weder der objektive noch der subjektive
Tatbestand des Hausfriedensbruchs seien erfüllt.

2.2. Die Vorinstanz erwägt, dem Einwand des Beschwerdeführers, das Flachdach
sei nicht Bestandteil des Gebäudes, sondern ein nicht umfriedeter Parkplatz,
könne nicht gefolgt werden. Hierauf käme es im Übrigen auch nicht an, da der
Beschwerdeführer das Flachdach nicht wegen der (auf dem Firmengelände)
abgestellten Gebrauchtfahrzeuge betreten habe, sondern um "Schmiere" zu stehen.
Dass der Wille des Berechtigten verletzt sei, wenn jemand ein fremdes Flachdach
zur Unterstützung eines Einbruchdiebstahls betrete, sei offensichtlich.

2.3. Die vorinstanzlichen Erwägungen erweisen sich als bundesrechtskonform.
Gegen den Willen des Berechtigten dringt im Sinne des Art. 186 StGB ein, wer
den geschützten Bereich ohne die erteilte Einwilligung des Trägers des
Hausrechts betritt. Wo bestimmte Bereiche dem Publikum nur für bestimmte Zwecke
offenstehen und ihre Zweckbestimmung für jedermann ohne jeden Zweifel klar
zutage tritt, handelt gegen den Willen des Berechtigten, wer zu einem anderen
Zweck in sie eindringt (vgl. BGE 108 IV 33 E. 5b; Urteil 6B_1056/2013 vom 20.
August 2014 E. 2.1; je mit Hinweisen). Selbst wenn das Betreten des Autocenters
zur Besichtigung der Gebrauchtfahrzeuge keinen Hausfriedensbruch darstellt,
durfte die Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung - insbesondere auch wegen des
gestellten Strafantrags - davon ausgehen, dass das Betreten des Flachdaches,
auf dem keine Gebrauchtfahrzeuge abgestellt waren, zur Begehung respektive
Unterstützung einer Straftat nicht vom Willen des Berechtigten gedeckt ist.

 Ohne Erfolg ist der Einwand, der Beschwerdeführer habe nicht vorsätzlich
gehandelt, da er den entgegenstehenden Willen nicht erkannt habe. Was der Täter
weiss, will und in Kauf nimmt, betrifft eine innere Tatsache und ist Tatfrage
(vgl. BGE 137 1 E. 4.2.3; 133 IV 9 E. 4.1 S. 17; je mit Hinweisen). Der
Beschwerdeführer weicht mit seiner Rüge von den verbindlichen
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ab (Art. 105 Abs. 1 BGG), ohne
darzutun, inwieweit diese willkürlich sein sollen.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Die Vorinstanz
habe seine Tatbeteiligung rechtlich zutreffend als Gehilfenschaft qualifiziert,
würdige diese bei der Strafzumessung jedoch tatsächlich als Mittäterschaft. Die
ausgesprochene Geldstrafe von 150 Tagessätzen sei nicht mehr
verschuldensangemessen. Entsprechend dem erstinstanzlichen Urteil sei eine
bedingte Geldstrafe von höchstens 70 Tagessätzen auszufällen.

3.2. Die Vorinstanz erwägt, mehrere Beteiligte hätten in unterschiedlicher
Funktion bei dem komplexen und aufwendig organisierten Diebstahlversuch in
professioneller Art zusammengewirkt, was von einer erheblichen kriminellen
Energie zeuge. Der Beschwerdeführer habe einen nicht unwesentlichen Tatbeitrag
geleistet, denn die Haupttäter hätten den (versuchten) Einbruchdiebstahl ohne
ihn nicht in gleicher Weise planen können. Er habe eine durchaus als komplex zu
bezeichnende Überwachungs- und Warnfunktion wahrgenommen, was von einem
besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten zeuge. Wenngleich der
Beschwerdeführer nachweisbar nur als Gehilfe und damit in untergeordneter
Stellung in Erscheinung getreten sei, sei der von ihm geleistete Tatbeitrag
doch von einer gewissen Erheblichkeit und lasse auch mit einer Mittäterschaft
vereinbare Elemente erkennen, weshalb die wegen Versuchs und Gehilfenschaft
jeweils vorzunehmende Strafminderung nicht übermässig ausfalle. Für die
Gehilfenschaft zum versuchten Diebstahl erscheine eine Einsatzstrafe von 60
Tagessätzen angemessen, die angesichts des geschätzten Sachschadens von Fr.
10'000.-, der dem Beschwerdeführer jedoch nur teilweise zum Vorwurf gemacht
werden könne, asperierend um 40 Tagessätze zu erhöhen sei. Auch der
Beschwerdeführer selbst habe wesentliche kriminelle Energie gezeigt, indem er
zur Erfüllung seines Tatbeitrags einen Hausfriedensbruch begangen und dazu
beigetragen habe, dass die Haupttäter hätten fliehen können. Die Einsatzstrafe
sei wegen des von ihm selbst begangenen Hausfriedensbruchs um 30 Tagessätze und
wegen der Gehilfenschaft zu demjenigen der Haupttäter um 10 auf 140 Tagessätze
zu erhöhen. Unter Berücksichtigung der täterbezogenen Strafzumessungskriterien
der fehlenden Einsicht und Reue sei insgesamt eine Geldstrafe von 150
Tagessätzen zu Fr. 150.- auszusprechen. Die von der Staatsanwaltschaft nicht
angefochtene Verbindungsbusse von Fr. 600.- sei zu bestätigen.

3.3. Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass das Strafmass auffällig hoch
ausfällt. Die Vorinstanz verhängt eine mehr als doppelt so hohe Geldstrafe wie
das erstinstanzliche Gericht und geht deutlich über das von der
Staatsanwaltschaft geforderte Strafmass hinaus. Das Bundesgericht greift auf
Beschwerde in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen
Strafrahmen über- oder unterschritten hat, von rechtlich nicht massgebenden
Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen
bzw. durch Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat
(BGE 136 IV 55 E. 5.6; 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1). Der
Beschwerdeführer legt mit seinen allgemeinen Ausführungen und seiner pauschalen
Kritik am Strafmass nicht dar, inwieweit die Geldstrafe von 150 Tagessätzen
nicht mehr vom sachrichterlichen Ermessen gedeckt oder aus anderen Gründen
bundesrechtswidrig sein soll. Dass die Vorinstanz dem Tatbeitrag eine an der
Grenze zur Mittäterschaft liegende Erheblichkeit zumisst und dies bei der
Strafzumessung berücksichtigt, ist nicht zu beanstanden. Auch angesichts des
auffallend hohen Strafmasses kann daraus nicht geschlossen werden, die
Vorinstanz habe den Beschwerdeführer entgegen ihrer Begründung als Mittäter und
nicht als Gehilfe bestraft. Weitere Rügen gegen die Strafzumessung erhebt der
Beschwerdeführer nicht.

4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden
kann. Mangels Freispruchs ist das unbegründete Entschädigungsbegehren nicht zu
behandeln. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Februar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Held

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