Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1044/2014
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1044/2014

Urteil vom 14. Januar 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Andreas Imobersteg,
Beschwerdeführerin,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Verletzung von Verkehrsregeln; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung,
1. Strafkammer, vom 24. September 2014.

Sachverhalt:

A.

 Das Regionalgericht Bern-Mittelland (Einzelgericht) bestrafte am 13. November
2013 X.________ wegen einfacher Verkehrsregelverletzung (Fahren auf dem
Trottoir mit Fahrrad sowie Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die
Sichtverhältnisse wegen einer Hecke) mit einer Busse von Fr. 100.--.

B.

 Das Obergericht des Kantons Bern stellte auf Berufung von X.________ am 24.
September 2014 die Rechtskraft des regionalgerichtlichen Schuldspruchs wegen
einfacher Verkehrsregelverletzung durch Fahren auf dem Trottoir fest (Ziff. I
des Dispositivs) und erklärte sie schuldig der einfachen
Verkehrsregelverletzung durch "Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die
Sichtverhältnisse als Fahrradlenkerin" (Ziff. II des Dispositivs). Es
verurteilte sie zu einer Übertretungsbusse von Fr. 100.-- und den erst- und
zweitinstanzlichen Verfahrenskosten.

C.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, Ziff. II des
obergerichtlichen Urteilsdispositivs aufzuheben und sie vom Vorwurf der
einfachen Verkehrsregelverletzung durch Nichtanpassen der Geschwindigkeit
freizusprechen, eventualiter Ziff. II des Dispositivs aufzuheben und die Sache
an die Vorinstanz oder die Erstinstanz zurückzuweisen, jeweils unter
Auferlegung der Verfahrenskosten an den Kanton Bern und Ausrichtung einer
Entschädigung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet den Vorwurf des Nichtanpassens der
Geschwindigkeit an die Sichtverhältnisse. Sie bringt vor, die Vorinstanz habe
dem Antrag auf Rückweisung der Sache zur Einvernahme der Zeugin A.________
nicht entsprochen, aber deren schriftliche Angaben (kantonale Akten, act. 43
ff. und 132 ff.) als Beweismittel akzeptiert, ohne sich jedoch damit in der
Beweiswürdigung auseinanderzusetzen, und habe damit das rechtliche Gehör
verletzt (Beschwerde Ziff. 16), denn sie halte lediglich fest: "Bereits an
dieser Stelle sei erwähnt, dass die sich in den Akten befindlichen Angaben von
A.________ (Pag. 132 ff.) nach Auffassung der Kammer die folgenden Ausführungen
bzw. den als erwiesen erachteten Sachverhalt nicht zu ändern vermögen"
(Beschwerde Ziff. 13 mit Hinweis auf Urteil S. 13). Dagegen müsse davon
ausgegangen werden, dass sie mit ca. 5 km/h unterwegs war, auf dem Trottoir
links fuhr und nach der Kollision auf der Strasse und nicht auf dem Trottoir zu
liegen kam. Ihre Geschwindigkeit sei somit angepasst gewesen. Mit dieser
Geschwindigkeit habe der Fahrzeuglenker rechnen müssen. Wäre sie auf der
rechten Seite des Trottoirs gefahren, wäre es naheliegender gewesen, dass sie
nach der Kollision auf dem Trottoir und nicht auf der Strasse zu liegen kam. Da
der Fahrzeuglenker sie frontal erfasst habe, sei sodann davon auszugehen, "dass
er ohne anzuhalten über die Wartelinie fuhr und dabei etwas nicht gesehen hat,
was er als Vortrittsbelasteter hätte sehen müssen" (Beschwerde Ziff. 19).

1.2. Das Berufungsgericht weist die Sache nur an die Erstinstanz zurück, wenn
das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel aufweist, die im
Berufungsverfahren nicht geheilt werden können (Urteil 6B_20/2014 vom 14.
November 2014 E. 2.2).

 Ist die Kognition der Vorinstanz im Rahmen von Art. 398 Abs. 4 StPO auf
Willkür beschränkt, prüft das Bundesgericht frei, ob sie zu Unrecht Willkür des
erstinstanzlichen Urteils verneint hat. Diese Prüfung läuft regelmässig darauf
hinaus zu beurteilen, ob die Erstinstanz die Beweise willkürlich gewürdigt hat.
Die Beschwerdeführerin müsste sich daher auch mit den Erwägungen der
Erstinstanz auseinandersetzen (Urteil 6B_907/2013 vom 3. Oktober 2014 E. 2.3).

 Das Bundesgericht ist an die Tatsachenfeststellungen unter Vorbehalt von Art.
97 Abs. 1 BGG gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Bei der Geltendmachung einer
Bundesrechtsverletzung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG
gilt das strenge Rügeprinzip (BGE 140 III 264 E. 2.3). Die Rüge muss in der
Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden. Das
erfordert eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Urteil gestützt auf die
genau bezeichneten, massgebenden Akten, die von der Vorinstanz verkannt oder
unhaltbar gewürdigt sein sollen. Die Begründung muss in der Beschwerde
enthalten sein (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 133 II 396 E. 3.2). Auf appellatorische
Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 140 III 264 E.
2.3).

1.3. Die Beschwerdeführerin rügt, die Erstinstanz habe den Antrag auf
Einvernahme der Zeugin willkürlich abgewiesen (Beschwerde Ziff. 12). Die Zeugin
sei unmittelbar hinter ihr (der Beschwerdeführerin) gegangen und habe ihre
Aussagen bestätigt, dass sie mit "ca. Gehgeschwindigkeit" gefahren sei und
"zwischen Gehsteig und der Strasse zu liegen gekommen sei" (Beschwerde Ziff.
14).

 Die Vorinstanz stellt fest, die Beschwerdeführerin habe vor der Polizei eine
Geschwindigkeit von rund 10 km/h als durchaus realistisch bezeichnet.
Differenzen ergäben sich bezüglich der auf dem Trottoir gefahrenen Strecke
(Urteil S. 6). Besonders auffallend seien Unstimmigkeiten bezüglich
Kollisionsort und Unfallendposition (Urteil S. 7). Ein letzter Widerspruch
ergebe sich für die Position des Unfallfahrzeugs (Urteil S. 7 f.). Der
Fahrzeugführer sei nach seinen Aussagen von der seiner Meinung nach schnellen
Velofahrerin überrascht worden (Urteil S. 8). Da der Fahrzeugführer die vor
sein Auto fallende Beschwerdeführerin nicht noch einmal traf und mithin sofort
zum Stillstand kam, sei davon auszugehen, dass er sich in langsamem
Schritttempo auf das Trottoir "hinaustastete". Die Beschwerdeführerin müsse mit
rund 10 km/h gefahren sein (Urteil S. 9). Die Vorinstanz führt die vom
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren vorgetragenen
Aussagen der Zeugin auf, insbesondere zur Unfallendlage und einer
Gehgeschwindigkeit von 5 km/h (Urteil S. 10 f.). Der Rechtsvertreter führte
weiter aus, die "mittlerweile in schriftlicher Form vorliegenden glaubwürdigen
Aussagen der Zeugin" würden die Aussagen der Beschwerdeführerin betreffend
Fahrgeschwindigkeit, Unfallendlage und die Hilfe der Passanten stützen, so dass
diese Zeugenaussage als wichtiges Beweismittel zu werten sei (Urteil S. 12).

 Die Vorinstanz kommt zum Ergebnis, dass keine relevanten Schlüsse aus dem
Aussageverhalten der beiden Beteiligten gezogen werden könnten. Die in den
Akten befindlichen Aussagen der Zeugin (act. 132 ff.) vermöchten an dem
Sachverhalt nichts zu ändern (Urteil S. 13).

1.4. Die Beschwerdeführerin nimmt offenbar an, dass die Vorinstanz ihren Antrag
auf Einvernahme der Zeugin in antizipierter Beweiswürdigung abwies bzw. diese
Einvernahme im Zusammenhang mit der Ablehnung des Eventualantrags erforderlich
gewesen wäre (Beschwerde Ziffn. 12 und 18).

 Dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass die Beschwerdeführerin einen
solchen Beweisantrag stellte. Nach dem Eventualantrag war das erstinstanzliche
Urteil "aufzuheben und zur Beweisabnahme und neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen" (Urteil S. 3 mit den Anträgen in der
Berufungsbegründung). Ein (formeller) Beweisantrag findet sich weder in der
Anmeldung der Berufung (act. 110), der Berufungserklärung (act. 124 f.) noch in
der Berufungsbegründung im schriftlichen Verfahren (act. 152). Ob sich ein
solcher Antrag anderen Aktenstellen entnehmen liesse, hat das Bundesgericht
mangels Begründung (oben E. 1.2) nicht zu untersuchen. Die Beschwerdeführerin
erhob somit vor der Vorinstanz keinen Beweisantrag, und die Vorinstanz wies
einen solchen auch nicht in antizipierter Beweiswürdigung ab. Vielmehr nahm sie
eine ausführliche Beweiswürdigung vor und setzte sich sowohl mit den Einwänden
der Beschwerdeführerin als auch mit den "mittlerweile in schriftlicher Form
vorliegenden glaubwürdigen Aussagen der Zeugin" (oben E. 1.3) auseinander.
"Gehgeschwindigkeit" und Unfallendlage bildeten den wesentlichen Teil der
vorinstanzlichen Beurteilung. Dabei hielt die Vorinstanz ausdrücklich fest,
dass die in den Akten befindlichen Aussagen der Zeugin nichts zu ändern
vermöchten (oben E. 1.3). Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kann
nicht die Rede sein. Die Vorinstanz begründet ihre Entscheidung hinreichend.
Eine Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung erweist sich als willkürlich
(Art. 9 BV), wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels
offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und
entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf
der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen
gezogen hat. Dass diese hingegen nicht mit der eigenen Darstellung der
Beschwerdeführerin übereinstimmen, belegt keine Willkür (BGE 140 III 264 E.
2.3).

1.5. Auf den Eventualantrag (oben Bst. C) ist nicht mehr einzutreten.

2.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der
Beschwerdeführerin sind die Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Januar 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben