Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 5D.160/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5D_160/2014

Urteil vom 26. Januar 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,

Zivilgericht Basel-Stadt, Einzelrichter in Zivilsachen.

Gegenstand
Abweisung des Gesuchs um schriftliche Begründung,

Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, vom 27. August 2014 (BEZ.2014.56).

Sachverhalt:

A. 
Am 28. November 2013 erhob der Verein A.________ gegen B.________ beim
Zivilgericht Basel-Stadt Klage auf Zahlung von Fr. 305.-- zuzüglich Zinsen und
Betreibungskosten sowie auf Beseitigung des Rechtsvorschlags in der Betreibung
Nr. xxx des Betreibungsamtes Bad Ragaz.

 Der a.o. Zivilgerichtspräsident trat an der Verhandlung vom 24. Februar 2014
auf die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Der Entscheid wurde
den Parteien an der Verhandlung mündlich eröffnet und kurz begründet.
Anschliessend fertigte das Zivilgericht den Entscheid im Dispositiv aus,
verbunden mit dem Hinweis, wonach eine schriftliche Begründung nachgeliefert
werde, sofern eine der Parteien eine solche innert zehn Tagen ab Zustellung
verlange. Der Versand erfolgte am 25. Februar 2014. Nachdem sich der Verein
A.________ weigerte, den Empfang der Gerichtsurkunde mittels Unterschrift auf
dem elektronischen Display (Touchscreen) der Post zu bestätigen, wurde ihm der
Entscheid am 23. April 2014 per A-Post nochmals zugestellt.

 Mit Eingabe vom 29. April 2014 verlangte der Verein A.________ die
schriftliche Urteilsbegründung, welches Gesuch der a.o. Zivilgerichtspräsident
mit begründeter Verfügung vom 13. Mai 2014 abwies.

B. 
Am 1. Juli 2014 gelangte der Verein A.________ an das Zivilgericht, das die
Eingabe an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt weiterleitete,
welches auf seine Beschwerde wegen Verspätung nicht eintrat.

C. 
Mit Eingabe vom 10. Oktober 2014 hat sich der Verein A.________ an das
Bundesgericht gewandt. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des
appellationsgerichtlichen Entscheides vom 27. August 2014 und die Anweisung an
das Gericht, auf seine Beschwerde einzutreten.

 Das Zivilgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das
Appellationsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. B.________ hat sich
nicht vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer hat eine Replik eingereicht.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Nichteintretensentscheid,
der auf eine Beschwerde in einer Zivilsache hin ergangen ist (Art. 72 Abs. 1
BGG). Der Streitwert in der Hauptsache erreicht die gesetzliche Grenze nicht
(74 Abs. 1 lit. b BGG). Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen nicht gegeben.
Indes steht von der Sache her die Verfassungsbeschwerde zur Verfügung (Art. 113
BGG), womit allerdings einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt
werden kann (Art. 116 BGG).

1.2. Vor dem Appellationsgericht war die Abweisung des Gesuchs um
Urteilsbegründung durch den erstinstanzlichen Richter angefochten. Gegenstand
des kantonalen Verfahrens und Anlass der vorliegenden Beschwerde bildet die
Qualifikation dieser erstinstanzlichen Verfügung. Dabei handelt es sich nach
Ansicht der Vorinstanz um eine prozessleitende Verfügung, welche einen nicht
leicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann und daher gemäss Art. 319
lit. b Ziff. 2 ZPO mit Beschwerde bei ihr anfechtbar ist. Für die Beantwortung
der Eintretensfrage ist aus Sicht des Bundesgerichtes einzig entscheidend, ob
die strittige Verfügung einen Endentscheid (Art. 90 BGG) oder einen
Zwischenentscheid (Art. 93 Abs. 1 BGG) darstellt. Allein der Umstand, dass die
Vorinstanz einen Nichteintretensentscheid gefällt hat, lässt diesen mit Blick
auf den Gang an das Bundesgericht jedoch nicht ohne weiteres zu einem
Endentscheid werden (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 381 f.). Vielmehr sind in diesem
Stadium die Auswirkungen des angefochtenen Entscheides auf die Hauptsache zu
prüfen. Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer im Ergebnis der
Rechtsmittelweg in der Hauptsache abgeschnitten, indem die Rechtzeitigkeit
seines Gesuchs um Urteilsbegründung infolge Verspätung nicht geprüft wurde.
Darin liegt ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Auf die
Verfassungsbeschwerde ist demnach einzutreten.

2. 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Frage nach der Pflicht des
Richters, seinen Entscheid mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Nicht
Gegenstand des Verfahrens bildet hingegen die materielle Beurteilung der
Beschwerde an die Vorinstanz.

2.1. Eröffnet das Gericht seinen Entscheid ohne schriftliche Begründung, indem
es den Parteien das Dispositiv zustellt (Art. 239 Abs. 1 lit. b ZPO), so können
diese innert zehn Tagen seit der Eröffnung eine solche verlangen. Wird keine
Begründung verlangt, so gilt dies als Verzicht auf die Anfechtung des
Entscheides durch Berufung oder Beschwerde (Art. 239 Abs. 2 ZPO). Die
Zustellung der Begründung löst demgegenüber die jeweiligen Rechtsmittelfristen
aus (Art. 311 Abs. 1 ZPO und Art. 321 Abs. 1 ZPO).

2.2. Nach Ansicht der Vorinstanz stellt der Entscheid, keine schriftliche
Begründung auszufertigen, eine prozessleitende Verfügung dar und muss
demzufolge nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen werden. Sie stützt
sich in ihrer Begründung auf eine in der Lehre verschiedentlich geäusserte
Ansicht und auf ein Urteil des Bundesgerichts (Urteil 5A_783/2014 vom 4.
November 2014 E. 1).

2.3. Gemäss Art. 124 Abs. 1 ZPO leitet das Gericht den Prozess und erlässt die
notwendigen prozessleitenden Verfügungen zur zügigen Vorbereitung und
Durchführung des Verfahrens. Die Art der Verfahrensleitung liegt weitgehend im
Ermessen des Gerichts. Dazu gehört beispielsweise die Erhebung eines
Kostenvorschusses (Art. 98 ZPO; BGE 140 III 159 E. 4.2 S. 162). Ebenso wird die
Gewährung der Fristerstreckung als prozessleitende Verfügung behandelt (Urteil
5A_783/2014 vom 4. November 2014 E. 1). In der Lehre wird beispielsweise die
Beurteilung des Ausstandsgesuchs und die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege hier eingereiht (STECK, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 13 zu Art. 237 ZPO). Prozessleitende
Verfügungen beziehen sich nicht auf den Streitgegenstand an sich und äussern
sich nicht zur Begründetheit der Klage (KILLIAS, in: Berner Kommentar,
Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 19 zu Art. 237 ZPO). Sie
können nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen (Art. 50 Abs. 2 ZPO) oder bei
Drohung eines nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils (Art. 319 lit. b
Ziff. 2 ZPO) mit Beschwerde an die obere Instanz weitergezogen werden. Diese
ist beispielsweise in Bezug auf den Ausstand (Art. 50 Abs. 2 ZPO), den
Kostenvorschuss und die Sicherheit (Art. 103 ZPO), die unentgeltliche
Rechtspflege (Art. 103 ZPO), die Sistierung (Art. 126 Abs. 2 ZPO), die
Überweisung (Art. 127 Abs. 2 ZPO) und die Ordnungsbusse (Art. 128 Abs. 4 ZPO)
geregelt.

2.4. Demgegenüber wird mit einem Zwischenentscheid eine formelle oder
materielle Vorfrage vorab beantwortet, von welcher der weitere
Verfahrensverlauf abhängt. Der Zwischenentscheid schliesst das Verfahren nicht
ab, sondern stellt lediglich einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid dar.
Als Zwischenentscheid gilt in der Lehre etwa die Bejahung der örtlichen
Zuständigkeit oder die Verneinung der Verjährung (KILLIAS, a.a.O., N. 3, 8 zu
Art. 237 ZPO). Eröffnet das Gericht den Zwischenentscheid in selbständiger
Form, so hat es die Anforderungen von Art. 238 ZPO zu erfüllen, namentlich eine
Rechtsmittelbelehrung anzubringen (lit. f). Sodann muss er direkt angefochten
werden und nicht erst zusammen mit dem Endentscheid (Art. 237 Abs. 2 ZPO).

2.5. Der Beschwerdeführer hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, von der
Erstinstanz nach Erhalt des Dispositivs eine Urteilsbegründung zu verlangen.
Diese hat das Gesuch als verspätet erachtet und es mittels Verfügung
abgewiesen. Dem Beschwerdeführer war daher der Rechtsmittelweg verschlossen
(Art. 239 Abs. 2 ZPO). Dass mit dieser Verfügung kein Zwischenentscheid im
dargelegten Sinne (E. 2.4) gefällt worden ist, liegt auf der Hand. Nur wenn es
sich dabei wirklich um eine bloss prozessleitende Verfügung handelt, ist die
Frage zu beantworten, ob in einem solchen Fall regelmässig keine
Rechtsmittelbelehrung erforderlich ist (  verneinend STECK, a.a.O., N. 23 zu
Art. 238 ZPO; REETZ, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung
[ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 23
Vorbemerkungen zu Art. 308-318;  kritisch dazu TAPPY, in: Code de procédure
civile commenté, 2011, N. 20 zu Art. 238 ZPO). Immerhin ist der Klarheit halber
festzuhalten, dass das Bundesgericht in dem von der Vorinstanz angeführten
Urteil (5A_783/2014 vom 4. November 2014 E. 1) die Pflicht zur
Rechtsmittelbelehrung nur in Bezug auf den Zwischenentscheid erwähnte, nicht
aber mit Blick auf prozessleitende Verfügungen.

2.6. Ausgangspunkt bildet die Abweisung einer Klage des Beschwerdeführers durch
die Erstinstanz. Diesbezüglich liegt zweifellos ein Endentscheid vor, der den
Parteien vorerst im Dispositiv eröffnet worden war. Das Gesuch um nachträgliche
Begründung ist eng damit verbunden und wird am Ende des erstinstanzlichen
Verfahrens gestellt. Mit der Abweisung des Gesuchs um eine Urteilsbegründung
findet das erstinstanzliche Verfahren seinen definitiven Abschluss. Die
entsprechende Verfügung stellt daher einen Endentscheid dar, der einer
Rechtsmittelbelehrung bedarf (Art. 238 lit. f ZPO). In diese Richtung weist
bereits das Urteil 5A_253/2013 vom 12. August 2013 (E. 1.1). In jenem Fall war
die Abweisung der Wiederherstellung der Frist für das verpasste Gesuch um
Urteilsbegründung strittig. Da das Verfahren damit abgeschlossen war, ging das
Bundesgericht von einem Endentscheid aus.

2.7. Konkret geht es weniger um den Anspruch auf rechtliches Gehör, den der
Beschwerdeführer geltend macht, sondern um den sinngemäss ebenfalls erhobenen
Vorwurf der Willkür in der Rechtsanwendung (Art. 9 BV). Aufgrund der fehlenden
Rechtsmittelbelehrung kann die Beschwerde an das Appellationsgericht im
Ergebnis nicht als verspätet erachtet werden. Der angefochtene Entscheid
erweist sich daher angesichts der fehlenden Rechtsmittelbelehrung nicht als
haltbar und ist aufzuheben. Das Appellationsgericht wird damit die Vorbringen
des Beschwerdeführers in seiner Eingabe vom 1. Juli 2014 zu prüfen haben. Zu
diesem Zweck wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Den weiteren
Verfassungsrügen des Beschwerdeführers kommt an dieser Stelle keine
selbständige Bedeutung zu, so dass auf die entsprechenden Vorbringen nicht
einzugehen ist.

3. 
Nach dem Dargelegten ist die Verfassungsbeschwerde gutzuheissen. Dem
Gemeinwesen werden keine Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem
Beschwerdeführer ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden, weshalb
von der Zusprechung einer Parteientschädigung abzusehen ist (Art. 68 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfassungsbeschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 27. August 2014 wird
aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Eine Parteientschädigung ist nicht zu leisten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Zivilgericht Basel-Stadt, Einzelrichter in
Zivilsachen, und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Januar 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Levante

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