Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.997/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_997/2014

Urteil vom 27. August 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Buss.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwälte Patrik Odermatt und Sandro E. Obrist,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Parteikostensicherheit / unentgeltliche Rechtspflege (Bestreitung neuen
Vermögens),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 4. Kammer, vom 28. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. B.________ reichte am 28. Dezember 2012 beim Bezirksgericht Rheinfelden
Klage auf Bestreitung neuen Vermögens gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG ein.
Beklagte in diesem Verfahren ist die A.________ AG. Mit Verfügung vom 10. April
2013 bewilligte das Bezirksgericht B.________ die unentgeltliche Rechtspflege.
Am 6. Mai 2013 setzte es lic. iur. C.________ als unentgeltlichen
Rechtsbeistand ein. Innert erstreckter Frist reichte B.________ am 3. Juni 2013
eine verbesserte Klage ein.

A.b. Mit Eingabe vom 11. Juni 2013 unterbreitete die A.________ AG dem
Bezirksgericht namentlich das Gesuch, B.________ zu verpflichten, für ihre
Parteikosten eine angemessene Sicherheit zu leisten. Das Bezirksgericht räumte
der A.________ AG daraufhin eine Frist zur Stellungnahme zum Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ein. Diese beantragte am 8. Juli 2013, B.________
die unentgeltliche Rechtspflege nicht zu gewähren. B.________ beantragte am 12.
August 2013 seinerseits, die Entscheide über die unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung zu bestätigen und das Sicherstellungsgesuch abzuweisen. Mit
Verfügung vom 18. November 2013 bewilligte das Bezirksgericht B.________
weiterhin die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Gleichzeitig wies
es das Sicherstellungsgesuch der A.________ AG ab.

B.

B.a. Die A.________ AG erhob am 6. Dezember 2013 Beschwerde an das Obergericht
des Kantons Aargau und verlangte die Aufhebung der Verfügung vom 18. November
2013. Das Gesuch von B.________ um unentgeltliche Rechtspflege sei abzuweisen
und B.________ zu verpflichten, ihr für die nach gerichtlichem Ermessen
festzusetzende Parteientschädigung Sicherheit zu leisten.

B.b. Mit Entscheid vom 20. Januar 2014 trat das Obergericht auf die Beschwerde
mangels Bezifferung des Sicherstellungsbegehrens nicht ein. Dagegen gelangte
die A.________ AG mit Beschwerde in Zivilsachen vom 12. Februar 2014 an das
Bundesgericht, welches den Entscheid des Obergerichts mit Urteil vom 10. Juli
2014 aufhob und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückwies (
BGE 140 III 444).

B.c. B.________ beantragte mit rechtzeitiger Beschwerdeantwort vom 26.
September 2014, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Mit
Entscheid vom 28. Oktober 2014 bestätigte das Obergericht die gewährte
unentgeltliche Rechtspflege für das erstinstanzliche Verfahren teilweise in dem
Sinne, dass B.________ von der Pflicht zur Leistung des
Gerichtskostenvorschusses und der Sicherheit für eine allfällige
Parteientschädigung befreit blieb. Hingegen entzog es ihm die unentgeltliche
Rechtspflege für die Gerichts- und eigenen Parteikosten mit Wirkung ex tunc.

C. 
Mit Eingabe vom 17. Dezember 2014 ist die A.________ AG an das Bundesgericht
gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt, den Entscheid des Obergerichts mit
Bezug auf die Befreiung von der Pflicht zur Leistung der Sicherheit für die
Parteientschädigung aufzuheben. B.________ (Beschwerdegegner) sei zu
verpflichten, für die nach gerichtlichem Ermessen festzusetzende
Parteientschädigung samt Auslagen, mindestens in der Höhe der
Grundentschädigung von Fr. 10'515.30.-- gemäss dem Dekret über die
Entschädigung der Anwälte des Kantons Aargau, Sicherheit zu leisten.
Es wurden die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 140 IV 57 E. 2 S. 59; 139
III 133 E. 1 S. 133).

1.1. Der angefochtene Entscheid des Obergerichts über die Erteilung der
unentgeltlichen Rechtspflege und die Befreiung von der Sicherheitsleistung ist
im Rahmen eines Verfahrens betreffend eine Schuldbetreibungs- und Konkurssache
gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG mit einem Streitwert von über Fr. 30'000.--
(Art. 51 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) ergangen, schliesst
dieses jedoch nicht ab. Der angefochtene Entscheid ist daher als
Zwischenentscheid zu qualifizieren. Gegen Zwischenentscheide ist die Beschwerde
in Zivilsachen wie auch die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (hierzu Art. 117
BGG) nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder - was hier ausser Betracht fällt - die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).

 Beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln, der sich auch mit
einem späteren günstigen Entscheid nicht gänzlich beseitigen lässt (BGE 138 III
333 E. 1.3.1 S. 335 mit Hinweisen). Ein bloss tatsächlicher Nachteil durch die
Verzögerung oder die Verteuerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 137 III 380
E. 1.2.1 S. 382; 138 III 190 E. 6 S. 192, je mit Hinweisen). Die Erfüllung
dieser Voraussetzung ist in der Beschwerde darzutun, es sei denn, dass sie
offensichtlich sei (BGE 133 III 629 E. 2.3.1 S. 632 mit Hinweis).

1.2. Nach der Rechtsprechung begründet die Verweigerung der unentgeltlichen
Verbeiständung im kantonalen Verfahren für den Gesuchsteller einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 133 IV 335
E. 4 S. 338; Urteil 8C_422/2009 vom 30. November 2009 E. 1.2 mit Hinweisen).
Ein solcher Nachteil entsteht der Gegenpartei, wenn sie durch die Bewilligung
der unentgeltlichen Rechtspflege ihren verfahrensrechtlichen Anspruch auf
Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung einbüsst (Urteile 5A_126/
2014 vom 10. Juli 2014 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 140 III 444; 4A_290/2008 vom
4. Mai 2009 E. 3.3). Dies kann vorliegend ohne weiteres angenommen werden. Im
Sinne einer gesetzlichen Vermutung liegt der hier einschlägige Kautionsgrund
der Zahlungsunfähigkeit u.a. dann vor, wenn Verlustscheine (Pfändungs- und
Konkursverlustscheine) bestehen (Art. 99 Abs. 1 lit. b ZPO; Urteil 4A_414/2011
vom 5. Oktober 2011 E. 5.2). Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat,
ist die Pflicht zur Leistung der Sicherheit für eine Parteientschädigung bei
Klagen nach Art. 265a Abs. 4 SchKG auch nicht kraft der gesetzlichen Vorschrift
von Art. 99 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen, weil im Unterschied zum
Bewilligungsverfahren gemäss Art. 265a Abs. 1 SchKG nicht das summarische (vgl.
Art. 251 lit. d ZPO), sondern je nach Streitwert das vereinfachte oder
ordentliche Verfahren zur Anwendung gelangt. Der Beschwerdegegner wurde
folglich nur durch (teilweise) Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege von
der Kautionspflicht befreit. Die Beschwerde gegen den Entscheid über die
unentgeltliche Rechtspflege und die Prozesskaution ist daher unter dem
Gesichtspunkt von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig.

1.3. Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist die
Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zulässig und auf die ebenfalls erhobene
subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten (Art. 113 BGG).

1.4. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Mit der Beschwerde kann
u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).

2. 
Vor der Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin kein Sistierungsbegehren
gestellt. Soweit sie vor Bundesgericht sinngemäss die Sistierung des
erstinstanzlichen Verfahrens für zwölf Monate verlangt, damit der in dieser
Zeit anfallende Überschuss des Beschwerdegegners für die Hinterlegung der
Sicherheitsleistung verwendet werde, handelt es sich somit um ein neues und
damit unzulässiges Begehren (Art. 99 Abs. 2 BGG). Insoweit kann auf die
Beschwerde nicht eingetreten werden.

3. 
Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdegegner erziele einen monatlichen
Überschuss von Fr. 941.60 bzw. in zwei Jahren einen solchen von Fr. 22'598.40.
Dieser Überschuss reiche aus, um die von ihm in seiner Beschwerdeantwort auf
rund Fr. 20'000.-- bezifferten Gerichts- und eigenen Anwaltskosten für das
erstinstanzliche Verfahren zu bezahlen. Die ihm vom Bezirksgericht mit
Verfügungen vom 10. April 2013 und 6. Mai 2013 bewilligte unentgeltliche
Rechtspflege bzw. Verbeiständung sei daher zu entziehen, soweit sie für die
Gerichts- und eigenen Parteikosten für das erstinstanzliche Verfahren erteilt
worden sei, wobei der Entzug aufgrund ursprünglicher Unrichtigkeit mit Wirkung
ex tunc anzuordnen sei. Die gesuchstellende Partei müsse aber mit dem ihr
verbleibenden Überschuss in der Lage sein, nicht nur die zu erwartenden
Gerichts- und eigenen Parteikosten innert ein bis zwei Jahren zu bezahlen,
sondern auch die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert
absehbarer Zeit zu leisten. Der Beschwerdegegner sei mit dem ihm verbleibenden
Überschuss von Fr. 941.60 kaum in der Lage, die anfallenden Gerichts- und
Anwaltskostenvorschüsse für das erstinstanzliche Verfahren innert angemessener
Frist zu leisten; damit reiche er auch nicht aus, die Sicherheit für die
Parteientschädigung der Beschwerdeführerin für das erstinstanzliche Verfahren
innert angemessener Frist zu leisten. Da die Klage entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin nicht als aussichtslos bezeichnet werden könne, sei dem
Beschwerdegegner die unentgeltliche Rechtspflege teilweise zu bewilligen, indem
er von der Pflicht zur Leistung des Gerichtskostenvorschusses für das
erstinstanzliche Verfahren und von der Pflicht zur Leistung der Sicherheit für
die Parteientschädigung befreit werde.

4.

 Anlass zur Beschwerde gibt die teilweise Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege an den Beschwerdegegner im Sinne einer Befreiung von Vorschuss-
und Sicherheitsleistungen (Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO) und - damit verbunden -
die Abweisung des Begehrens der Beschwerdeführerin um Sicherstellung der
allfälligen Parteientschädigung nach Art. 99 ZPO.

4.1. Eine Person hat gemäss Art. 117 ZPO Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a)
und ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Sofern es zur Wahrung
der Rechte notwendig ist, besteht darüber hinaus ein Anspruch auf einen
unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).

 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 29 Abs. 3 BV, die auch für
die Auslegung von Art. 117 lit. a ZPO zu berücksichtigen ist (vgl. zur Frage
der Aussichtslosigkeit: BGE 139 III 475 E. 2.2 S. 476; 138 III 217 E. 2.2.4 S.
218), gilt eine Person dann als bedürftig, wenn sie die Kosten eines Prozesses
nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung
des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie
erforderlich sind (BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232; 127 I 202 E. 3b S. 205 mit
Hinweisen). Für die Beurteilung der prozessualen Bedürftigkeit ist die gesamte
wirtschaftliche Situation der gesuchstellenden Partei zu würdigen, wobei nicht
schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abzustellen, sondern
den individuellen Umständen Rechnung zu tragen ist. Der Teil der finanziellen
Mittel, der das zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse Notwendige übersteigt,
muss mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten
verglichen werden; dabei sollte es der monatliche Überschuss der
gesuchstellenden Partei ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwändigen
Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen (zum
Ganzen BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f., in: Pra 2010 Nr. 25 S. 171 mit
Hinweisen). Zudem muss es der monatliche Überschuss der gesuchstellenden Partei
erlauben, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert
absehbarer Zeit zu leisten und gegebenenfalls - wenn, wie hier, ein
entsprechendes Begehren gestellt wurde - zusätzlich die Parteikosten der
Gegenpartei sicherzustellen (vgl. BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; 118 Ia
369 E. 4a S. 370 f.; LUKAS Huber, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO],
Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 17 zu Art. 117 ZPO).

4.2. Gemäss Art. 118 Abs. 2 ZPO kann die unentgeltliche Rechtspflege auch bloss
teilweise gewährt werden. Kann eine Partei die Prozesskosten teilweise selber
aufbringen, ist ihr die unentgeltliche Rechtspflege nur im nicht selber
finanzierbaren Umfang zu gewähren (Bericht zum Vorentwurf der
Expertenkommission, Juni 2003, S. 61 zu Art. 106 ZPO; Botschaft vom 28. Juni
2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7221 ff., 7302
Ziff. 5.84 zu Art. 116 des Entwurfs [nachfolgend Botschaft ZPO]). Umstritten
ist vorliegend die konkrete Ausgestaltung dieser Teilgewährung.

4.3.

4.3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vorinstanzliche Ausgestaltung
der Teilgewährung verletze Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO und Art. 118 Abs. 2
ZPO. Zur Begründung führt sie aus, die Vorinstanz habe Art. 118 Abs. 1 lit. a-c
ZPO in rechtlich zu beanstandender Weise nur selektiv angewendet, obwohl die
entsprechende ZPO-Bestimmung dies nicht vorsehe. Zwar sei die Teilgewährung in
Art. 118 Abs. 2 ZPO explizit erwähnt, diese teilweise Gewährung beziehe sich
jedoch nicht auf die unterschiedlichen Positionen von Art. 118 Abs. 1 lit. a-c
ZPO sondern nur auf die betragsmässige Höhe. Die Befreiung lediglich von
einzelnen Positionen innerhalb von Art. 118 Abs. 1 ZPO sei, so die
Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine Lehrmeinung ( STAEHELIN/STAEHELIN/
GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Auflage 2013, § 16 Rz. 59), von vorne herein
unzulässig. Der Umstand, dass im Gesetzestext von Art. 118 Abs. 1 ZPO zwischen
den einzelnen Buchstaben keine Verbindungswörter wie "und/oder" verwendet
würden, zeige deutlich auf, dass es Meinung des Gesetzgebers gewesen sei, dass
eine Partei bei Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege von allen Punkten
(lit. a und b) befreit werde, bzw. sofern notwendig einen unentgeltlichen
Rechtsbeistand zugesprochen (lit. c) erhalte. Das Gericht könne folglich auch
bei der Ausgestaltung der Teilgewährung nicht einfach frei zwischen den
Varianten von Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO wählen. Die gegenteilige Auffassung
führe zum völlig stossenden Ergebnis, dass das Gericht - wie im vorliegenden
Fall - die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. b und
c ZPO verweigern, jedoch zum Nachteil der Gegenpartei im Sinne von Art. 118
Abs. 1 lit. a ZPO vollumfänglich gewähren könne. Sofern die unentgeltliche
Rechtspflege nur teilweise gewährt werden könne, so sei zumindest anteilsmässig
Sicherheit zu leisten.

4.3.2. Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, der Wortlaut und
die Systematik des Gesetzes spreche gegen die Möglichkeit des Gerichts, die
unentgeltliche Rechtspflege auf einzelne der im Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege enthaltenen Teilansprüche (Befreiung von Vorschuss- und
Sicherheitsleistungen [Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO], Befreiung von den
Gerichtskosten [Art. 118 Abs. 1 lit. b ZPO] und Bestellung eines
Rechtsbeistandes [Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO]) zu begrenzen, vermag dies nicht
zu überzeugen. Wenn das Gesetz in Art. 118 Abs. 2 ZPO allgemein davon spricht,
dass die unentgeltliche Rechtspflege teilweise gewährt werden kann, so liegt im
Gegenteil der Schluss nahe, dass das Gericht bei nur teilweise vorhandenen
Mitteln auch die Möglichkeit haben soll, die unentgeltliche Rechtspflege
lediglich für eine oder zwei der drei gesetzlich vorgesehenen Teilansprüche
(lit. a, b, c) zu gewähren (in diesem Sinne auch FRANCESCO TREZZINI, in:
Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [...], 2011, S.
477 f. zu Art. 118 ZPO, der einzig die Möglichkeit von zusätzlichen
Beschränkungen innerhalb der einzelnen Teilansprüche hinterfragt). Die
unentgeltliche Rechtspflege kann somit namentlich auch nur die Befreiung von
Kostenvorschüssen für die Gerichtskosten beinhalten (vgl. aber E. 4.3.3
sogleich) oder sich allein auf die Gewährung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistandes beziehen. Diese Auffassung entspricht auch der herrschenden
Lehre ( ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische
Zivilprozessordnung, 2012 N. 122 zu Art. 118 ZPO; ISAAK MEIER, Schweizerisches
Zivilprozessrecht, 2010, S. 423; Lukas Huber, a.a.O., N. 21 zu Art. 118 ZPO).

4.3.3. Sehr umstritten sind die Gestaltungsmöglichkeiten der bloss teilweisen
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege in der Lehre allerdings dann, wenn -
wie hier - zusätzlich eine Sicherheitsleistung für eine allfällige
Parteientschädigung zur Debatte steht. Einige Autoren erachten es in diesem
Fall als unzulässig, die unentgeltliche Rechtspflege nur für die Sicherstellung
der Parteikosten der Gegenpartei zu gewähren, für die Gerichtskosten und Kosten
der unentgeltlichen Verbeiständung hingegen zu verweigern ( ALFRED BÜHLER,
a.a.O., N. 123 zu Art. 118 und N. 125a zu Art. 119 ZPO; DANIEL WUFFLI Die
unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2015,
Rz. 588 S. 249; FRANK EMMEL, in: Kommentar zur Schweizerischen
Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2.
Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 118 ZPO; Staehelin/ STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., § 16
Rz. 59). Zur Begründung wird angeführt, dass sich die unentgeltliche
Rechtspflege nicht einseitig und unter Schonung der Staatskasse zu Lasten der
Gegenpartei auswirken dürfe. Demgegenüber vertritt TAPPY ohne nähere Begründung
die Ansicht, das Gericht könne auch einzig von der Sicherheitsleistung für eine
allfällige Parteientschädigung befreien (Denis Tappy, in: CPC, Code de
procédure civile commenté, 2011, N. 24 zu Art. 118 ZPO). Nach einer
vermittelnden Ansicht soll immerhin die Möglichkeit ausgeschlossen sein, den
Gerichtskostenvorschuss (Art. 98 ZPO) voll zu fordern, die Kaution (Art. 99
ZPO) hingegen zu erlassen (Ingrid Jent-Sørensen, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.],
2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 118 ZPO; Gasser/Rickli, Schweizerische
Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 118 ZPO; Lukas Huber,
a.a.O., N. 21 zu Art. 118 ZPO).

 Die letztgenannte Auffassung überzeugt und ist mit Art. 118 ZPO vereinbar. In
der Tat schiene es nicht sachgerecht, wenn die Vorschusszahlung einer teilweise
unentgeltlich prozessführenden Partei, trotz Vorliegens eines Kautionsgrundes
bzw. eines darauf gestützten Sicherstellungsbegehrens, nur für die
Gerichtskosten, nicht aber auch für die Parteientschädigung der Gegenpartei
verwendet würde. Eine dergestalt selektive Beschränkung des Teilanspruchs von
Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO auf die Befreiung von der Sicherheitsleistung würde
sich auch vom Wortlaut der auszulegenden Norm entfernen, der Vorschuss- und
Sicherheitsleistungen auf die gleiche Stufe stellt. Hingegen lässt sich dem
Gesetz kein Verbot entnehmen, die teilweise mittellose Partei zwar von der
Bevorschussung der Gerichtskosten und der Sicherstellung der Parteikosten der
Gegenpartei zu befreien, ihr aber keinen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu
bewilligen. Dem von einem Teil der Lehre dagegen ins Feld geführten Grundsatz
der Verfahrensfairness (Art. 29 Abs. 1 BV) ist diesfalls Genüge getan, da
mangels Einforderung eines Gerichtskostenvorschusses gegebenenfalls auch der
Staat einen Ausfall erleiden kann. Etwas Gegenteiliges lässt sich den
Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl. Botschaft ZPO, a.a.O., S. 7302). Zwar
betrifft eine solche Befreiung neben dem Staat auch die Gegenpartei, die durch
die Kaution für ihre allfällige Parteientschädigung sichergestellt worden wäre.
Allein dies steht einer derartigen Ausgestaltung der Teilgewährung jedoch nicht
entgegen. Mutet das Gesetz es der Gegenpartei einer gänzlich mittellosen und
daher unter (vollständiger) unentgeltlicher Rechtspflege prozessierenden Partei
zu, den Prozess ohne Sicherung zu führen, so ist nicht ersichtlich, weshalb
dies der Gegenpartei einer zwar nicht gänzlich mittellosen, aber doch zur
Bezahlung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen binnen nützlicher Frist
unfähigen Partei, nicht zuzumuten sein soll. In beiden Fällen ist der Verlust
des Schutzes vor dem Insolvenzrisiko der grundsätzlich kautionspflichtigen
Partei als Konsequenz ihres Anspruchs auf Zugang zum Gericht und auf Wahrung
ihrer Parteirechte in Kauf zu nehmen (vgl. zum Zweck der unentgeltlichen
Rechtspflege auch BGE 135 I 1 E. 7.1 S. 2; 131 I 350 E. 3.1 S. 355 und Alfred
Bühler, Unentgeltliche Rechtspflege - Voraussetzungen, neue und alte Probleme,
Defizite, in: Haftpflichtprozess 2015, 2015, S. 89 f.). Im Rahmen dieser
Grundsätze verbleibt dem Gericht bei der Ausgestaltung der Teilgewährung im
konkreten Einzelfall ein weiter Spielraum des Ermessens.

4.3.4. Die Beschwerdeführerin argumentiert, die Befreiung des Beschwerdegegners
von der Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung erweise sich
vorliegend deshalb als bundesrechtswidrig, weil er gemäss Feststellung der
Vorinstanz einen monatlichen Freibetrag von Fr. 941.60 erziele, der es ihm
erlaube die auf Fr. 10'515.30 festzusetzende Parteikostensicherheit innert
eines Jahres ratenweise zu bezahlen. Die Vorinstanz habe das ihr diesbezüglich
zustehende Ermessen gar nicht ausgeübt.

 Die Einwände sind unbehelflich. Die Vorinstanz hat dem monatlichen
Nettoeinkommen des Beschwerdegegners von Fr. 5'823.30 den prozessualen
Notbedarf von Fr. 4'881.70 gegenübergestellt und so eine verfügbare Quote von
Fr. 941.60 ermittelt. Auszugehen ist gemäss der unbestritten gebliebenen
vorinstanzlichen Prognose sodann von mutmasslichen Gerichts- und eigenen
Anwaltskosten des Beschwerdegegners von rund Fr. 20'000.--. Die
Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass nach der - wie vorstehend gezeigt
(vgl. E. 4.3.3) grundsätzlich nicht zu beanstandenden - Verweigerung der
unentgeltlichen Verbeiständung, der Beschwerdegegner aus seinem
Einkommensüberschuss von monatlich Fr. 941.60 bereits seine eigenen
Vertreterkosten (vorschussweise) zu finanzieren hat. Wie er unter diesen
Umständen innert nützlicher Frist auch noch einen Gerichtskostenvorschuss bzw.
die von der Beschwerdeführerin verlangte Sicherheit für eine allfällige
Parteientschädigung leisten könnte, ist mithin weder dargetan noch ersichtlich,
woran der pauschale Hinweis auf die Möglichkeit von Ratenzahlungen nichts zu
ändern vermag. Die Vorinstanz hat folglich ihr Ermessen pflichtgemäss ausgeübt
und den ihr zustehenden Spielraum nicht überschritten, wenn sie dem
Beschwerdegegner für die nicht aussichtslose Streitsache die unentgeltliche
Rechtspflege im Sinne einer Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen
(Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO) gewährt und gleichzeitig von der Auferlegung von
Ratenzahlungen abgesehen hat.

5. 
Hinsichtlich der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens
präsentiert die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde keinerlei Begründung. Es
ist somit davon auszugehen, dass sie diese nicht unabhängig vom Ausgang der
Sache anfechten will. Jedenfalls wäre auf die Beschwerde insoweit mangels
Begründung nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 1 BGG).

6. 
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit
darauf einzutreten ist. Die Beschwerdeführerin hat für die Gerichtskosten
aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegner hat keinen Anspruch auf
eine Parteientschädigung, zumal ihm aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein
Aufwand erwachsen ist (act. 10; Mandat niedergelegt).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. August 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Buss

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