Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.948/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_948/2014

Urteil vom 1. April 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Herrmann, Schöbi,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

SARL B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michel Czitron,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Definitive Rechtsöffnung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer,
vom 17. Oktober 2014 (ZSU.2014.229).

Sachverhalt:

A.

A.a. Mit Urteil der Cour d'appel de Dijon vom 25. Juni 2013 wurde die
A.________ AG mit Sitz in Oftringen verurteilt, der SARL B.________ in
U.________/Frankreich Schadenersatz in der Höhe von Euro 300'000.--, wovon Euro
50'000.-- in solidarischer Haftung mit der SARL C.________, zu bezahlen. Weiter
wurde die A.________ AG in solidarischer Haftung mit der SARL C.________ zur
Zahlung von Prozessentschädigungen von Euro 3'000.-- für das erstinstanzliche
Verfahren und Euro 5'000.-- für das zweitinstanzliche Verfahren verpflichtet.

A.b. Mit Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes Oftringen Nr. xxx vom 28. Januar
2014 betrieb die SARL B.________ die A.________ AG für den Betrag von Fr.
361'634.-- nebst Zins zu 5.04 % seit 29. Januar 2014, die Zinsen auf diesem
Betrag von Fr. 4'479.42 bis 28. Januar 2014 sowie die Prozessentschädigungen
von Fr. 3'668.46 bzw. Fr. 6'114.10. Als Forderungsgrund wurde das Urteil der
Cour d'appel de Dijon vom 25. Juni 2013 bezeichnet. Die A.________ AG erhob
Rechtsvorschlag.

A.c. Am 17. April 2014 verlangte die SARL B.________ beim Gerichtspräsidium
Zofingen die definitive Rechtsöffnung für die im Zahlungsbefehl aufgeführten
Beträge. Die A.________ AG ersuchte am 5. Juni 2014 um die Bewilligung, den
Betrag von Fr. 303'409.88 nebst Zins zu 5 % seit 29. Januar 2014 in 23
Monatsraten von Fr. 13'000.-- und einer 24. Monatsrate für den Rest zu
bezahlen.

B. 
Mit Entscheid vom 30. Juni 2014 erteilte das Bezirksgericht Zofingen die
definitive Rechtsöffnung für den Betrag von insgesamt Fr. 369'781.50 nebst Zins
zu 5.04 % auf Fr. 361'634.-- seit dem 29. Januar 2014. Das Obergericht des
Kantons Aargau wies die daraufhin von der A.________ AG erhobene Beschwerde am
17. Oktober 2014 ab.

C. 
Die A.________ AG ist mit Eingabe vom 1. Dezember 2014 an das Bundesgericht
gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäss die Aufhebung des
obergerichtlichen Entscheides und erneuert das im kantonalen Verfahren
gestellte Begehren um Ratenzahlung und ersucht das Bundesgericht, die laufenden
Zahlungen zu berücksichtigen.

 Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende
Wirkung verzichtet. Die SARL B.________ als Beschwerdegegnerin beantragt,
dieses abzuweisen. Mit Präsidialverfügung vom 16. Dezember 2014 ist der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

 Es sind die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen in der Sache
eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Rechtsöffnungsentscheid,
mithin eine Zwangsvollstreckungssache gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG. Die
gesetzliche Streitwertgrenze wird erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die
Beschwerde in Zivilsachen ist gegeben.

1.2. Mit vorliegender Beschwerde kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht
gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Nichtanwendung von ausländischem Recht
kann nur geltend gemacht werden, soweit es das schweizerische internationale
Privatrecht vorsieht (Art. 96 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter
Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42
Abs. 2 BGG). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu
begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III
589 E. 2 S. 591).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Zulässig ist einzig die Rüge, dass
eine Tatsachenfeststellung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruhe oder eine Tatsache offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG). Dies ist bei den Ausführungen zu den zwischenzeitlich
angeblich von der SARL C.________ geleisteten Zahlungen nicht der Fall. Das
Bundesgericht nimmt auch keine Beweise ab, womit dem Antrag auf eine
Parteibefragung nicht zu folgen ist.

2. 
Das Obergericht kommt zum Schluss, dass bei der vorfrageweisen Anerkennung und
Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheide im Rechtsöffnungsverfahren die
Bestimmungen über die Vollstreckung bzw. Art. 38 ff. des Übereinkommens über
die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ) nicht
anwendbar sind. Das Verfahren richtet sich gemäss Obergericht nach Art. 84
SchKG und schliesst das Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 ff. LugÜ aus (mit
Hinweis auf STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 68a zu Art. 80).

3. 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anwendbarkeit des französischen
Rechts, wonach dem Schuldner im Vollstreckungsverfahren eine Ratenzahlung
bewilligt werden kann.

3.1. Das Gesuch um Erteilung der provisorischen als auch der definitiven
Rechtsöffnung wird im summarischen Verfahren beurteilt (Art. 251 lit. a ZPO).
Das Bundesrecht regelt die Ausgestaltung im Einzelnen und abschliessend (Art.
248 ff. ZPO sowie Art. 84 Abs. 2 SchKG). Innerstaatlich ist der Richter am
Betreibungsort zwingend zuständig (Art. 84 Abs. 1 SchKG). Im (euro-)
internationalen Verhältnis sind für die Vertragsstaaten ausschliesslich die
Gerichte anzurufen, in deren Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt
werden soll (Art. 22 Ziff. 5 LugÜ). Wird das Gesuch um definitive Rechtsöffnung
auf einen Entscheid aus einem andern Staat gestützt, können zusätzlich zu den
Einwendungen der Stundung, Tilgung und Verjährung (Art. 81 Abs. 1 SchKG)
überdies die Einwendungen erhoben werden, die der betreffende Staatsvertrag
vorsieht oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz über das Internationale
Privatrecht (IPRG) vorgesehen ist, sofern nicht ein schweizerisches Gericht
bereits darüber entschieden hat (Art. 81 Abs. 3 SchKG).

3.2. Die Beschwerdeführerin besteht darauf, dass sich (im Fall der
Anerkennbarkeit des ausländisches Urteils) die Modalitäten der Vollstreckung
nach dem Recht des entscheidenden Staates (Ursprungsstaat) richten. Sie weist
insbesondere darauf hin, dass nach französischem Recht der
Vollstreckungsrichter Ratenzahlungen bewilligen könne (Art. 1244-1 des
französischen Code Civil [  fr. CC]), was im konkreten Fall geschehen sei. Das
Tribunal de Grande Instance de Pontoise habe nämlich der SARL C.________ im
Vollstreckungsverfahren am 24. Januar 2014 gestützt auf Art. 1244-1  fr. CC
bewilligt, die nach Abzug der bereits geleisteten Beträge verbleibende Summe in
zwölf Monatsraten zu begleichen. Sollte diese Regelung für sie nicht auch
gelten, so wäre sie gegenüber ihrer Schwestergesellschaft und
Solidarschuldnerin in Frankreich schlechter gestellt. Der Sinn des LugÜ sei
aber gerade die Gleichbehandlung aller in- und ausländischen Schuldner. Der
Rechtsöffnungsrichter habe daher gemäss dem Vollstreckungsrecht des urteilenden
Staates den Antrag auf Ratenzahlung zu prüfen.

3.3. Soweit sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf Art. 38
Ziff. 1 LugÜ beruft, kann ihr nicht gefolgt werden. Diese Bestimmung regelt
einzig die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit eines Entscheides in einem
anderen Vertragsstaat. Entgegen deren Titel geht es nicht um die Vollstreckung,
sondern um die Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheide. Die
Durchführung der eigentlichen Vollstreckung richtet sich nach dem nationalen
Recht. In der Schweiz gilt demnach für Forderungen auf Geld- oder
Sicherheitsleistung das SchKG und für die übrigen Forderungen die ZPO (vgl.
BUCHER, in: Commentaire romand, LDIP/CL, 2011, N. 6 f. zu Art. 38; STAEHELIN/
BOPP, in: Lugano-Übereinkommen, 2. Aufl. 2011, N. 2, 6 zu Art. 38; PLUTSCHOW,
in: Lugano-Übereinkommen zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Kommentar,
2011, N. 1 zu Art. 38; HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar,
Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 298 zu Art. 38).

3.4. Im konkreten Fall strebt die Beschwerdeführerin eine Ratentilgung ihrer
von einem französischen Gericht festgelegten Verpflichtung an. Dabei handelt es
sich nicht um eine der im Rechtsöffnungsverfahren möglichen Einwendungen (E.
3.1). Die Beschwerdeführerin beruft sich ausdrücklich auf französisches Recht
(Art. 1244-1  fr. CC) und weist darauf hin, dass das Tribunal de Grande
Instance de Pontoise ihrer Schwestergesellschaft SARL C.________ am 24. Januar
2014 eine Ratenzahlung bewilligt habe. Dabei lässt sie nicht nur ausser Acht,
dass nur das Urteil der Cour d'appel de Dijon vom 25. Juni 2013 einen
Rechtsöffnungstitel darstellt und sich der genannte Entscheid überdies nicht an
sie, sondern an eine andere Gesellschaft richtet. Dass das französische Urteil
vom 25. Juni 2013 gegenüber der Beschwerdeführerin vollstreckbar bzw. dagegen
kein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist, steht nicht in Frage.
Entscheidend ist vor allem, dass der Rechtsöffnungsrichter das Gesuch der
Beschwerdegegnerin hier nach schweizerischem Vollstreckungsrecht zu prüfen hat.
Der (zumindest sinngemäss) erhobene Vorwurf, ausländisches Recht nicht
angewendet zu haben (Art. 96 lit. a BGG), ist somit nicht berechtigt. Da das
LugÜ sich einzig zur Vollstreckbarkeit eines ausländischen Entscheides in einem
andern Vertragsstaat äussert, geht die Anrufung des Grundsatzes der materiellen
Gleichbehandlung aller in- und ausländischen Schuldner an der Sache vorbei. Der
Vorinstanz kann somit durch die Nichtgewährung der Ratenzahlung keine
Verletzung des hier ausschliesslich massgebenden Vollstreckungsrechts
vorgeworfen werden.

4. 
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss
trägt die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der
Beschwerdegegnerin ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden, da
sie nicht zur Vernehmlassung in der Sache eingeladen worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. April 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante

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