Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.795/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_795/2014

Urteil vom 14. April 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke,
Beschwerdeführer,

gegen

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bern.

Gegenstand
Kombinierte Beistandschaft,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 9. September 2014.

Sachverhalt:

A. 

A.a. A.________ (geb. 1973), geschieden und Vater von zwei Kindern (geb. 2009
und 2010), ist Bezüger einer Invalidenrente und von Ergänzungsleistungen. Er
leidet an einer paranoiden Schizophrenie mit Angstzuständen und wird deswegen
psychologisch behandelt und von einer psychiatrischen Spitex betreut. Der
Sozialdienst der Stadt Bern teilte der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
(KESB) Bern mit, der Betroffene riskiere, "die Bereiche Gesundheit,
Wohnfähigkeit und Finanzen völlig zu vernachlässigen" (Schreiben vom 17.
Dezember 2013).

A.b. Mit Kammerentscheid vom 11. Juni 2014 errichtete die KESB eine kombinierte
Beistandschaft (Art. 397 ZGB) in Form einer Begleitbeistandschaft (Art. 393
ZGB) und einer Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und
Vermögensverwaltung (Art. 394 und 395 ZGB).
Im Rahmen der  Begleitbeistandschaft übertrug sie der Beistandsperson die
Aufgaben (Dispositiv-Ziff. 2),
"a) stets für eine geeignete Wohnsituation besorgt zu sein und A.________ bei
allen in diesem Zusammenhang auftretenden Handlungen zu begleiten;
b) A.________ bei Angelegenheiten betreffend seinem gesundheitlichen Wohl zu
begleiten und ihn beim Aufgleisen einer ausreichenden medizinischen Betreuung
in Zusammenarbeit mit Hr. B.________ von der Spitex zu unterstützen;
c) A.________ bei seinem sozialen Wohl zu unterstützen, insbesondere auch beim
Aufgleisen von Kontakten zu Drittpersonen, allfällig auch zu seinen Kindern."
Im Rahmen der  Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und
Vermögensverwaltung übertrug die KESB der Beistandsperson die Aufgaben
(Dispositiv-Ziff. 3),
"a) A.________ beim Erledigen der finanziellen Angelegenheiten zu vertreten,
insbesondere das Einkommen und Vermögen sorgfältig zu verwalten und nach
Möglichkeit eine Schuldensanierung sowie einen Steuererlass in die Wege zu
leiten;
b) A.________ beim Erledigen der administrativen Angelegenheiten zu vertreten,
insbesondere auch im Verkehr mit Behörden, Ämtern, Banken, Post, (Sozial-)
Versicherungen, sonstigen Institutionen und Privatpersonen."
Des Weitern ermächtigte die KESB die Beistandsperson, soweit erforderlich die
Post des Betroffenen zu öffnen (Dispositiv-Ziff. 4), und entzog diesem den
Zugriff auf alle Konti, ausgenommen dasjenige, auf welches die Beträge zu
seiner freien Verfügung überwiesen werden. Bis auf Weiteres wurde der
Beistandsperson das alleinige Verfügungsrecht über die zu verwaltenden
Vermögenswerte überantwortet (Dispositiv-Ziff. 5). Die Handlungsfähigkeit wurde
nicht eingeschränkt (Ziff. II/6 und 9).

B. 
Am 20. Juli 2014 liess A.________ beim Obergericht des Kantons Bern (als
Kindes- und Erwachsenenschutzgericht) gegen den Beschluss der KESB vom 11. Juni
2014 Beschwerde erheben. Er beantragte, der angefochtene Beschluss sei dahin
abzuändern, dass lediglich eine Begleitbeistandschaft errichtet werde. Diese
habe einerseits (wie von der KESB vorgesehen) die Bereiche Wohnen, Gesundheit
und soziales Wohl abzudecken; anderseits sei (darüber hinaus und anstelle der
angeordneten Vertretungsbeistandschaft) eine Unterstützung in finanziellen
Angelegenheiten (insbesondere Sicherstellung der Bezahlung von Mietzinsen und
anderen laufenden Kosten wie Krankenkassenprämien) einschliesslich einer
Hilfestellung bei Schuldensanierung und Steuererlass vorzusehen.
Gleichentags liess A.________ um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung
und Verbeiständung) ersuchen.
Das kantonale Gericht wies die Beschwerde und das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege ab (Urteil vom 9. September 2014).

C. 
A.________ führte am 13. Oktober 2014 Beschwerde in Zivilsachen. Er erneuerte
die vorinstanzlich gestellten Anträge. Ausserdem sei ihm für den
vorinstanzlichen Prozess die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen resp.
eine Parteientschädigung zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zur materiellen
Neubeurteilung resp. Festsetzung einer angemessenen Entschädigung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten
kantonalen Instanz (Art. 75 BGG). Der erwachsenenschutzrechtliche Entscheid ist
öffentlich-rechtlich, steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
Zivilrecht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Die Angelegenheit ist nicht
vermögensrechtlicher Natur (Urteil 5A_357/2011 vom 7. Oktober 2011 E. 2). Der
Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen (vgl. Art.
450 ZGB). Er ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 76 Abs. 1
BGG). Auf die rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde ist
insoweit einzutreten. Dies gilt auch, soweit die im Rahmen des Urteils in der
Hauptsache erfolgte vorinstanzliche Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege angefochten ist (Urteil 5A_761/2014 vom 26. Februar 2015 E. 1.1
und 1.2).

2. 
Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f.
BGG geltend gemacht werden. Für Vorbringen betreffend die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte gilt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die
rechtsuchende Partei muss präzise angeben, welches verfassungsmässige Recht
durch den angefochtenen kantonalen Entscheid verletzt wurde, und im Einzelnen
darlegen, worin die Verletzung besteht. Das Bundesgericht prüft nur klar und
detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen, jedoch keine rein
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid (BGE 134 II 244 E. 2.2 S.
246).

3. 

3.1. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer zeige ein ernsthaftes
Beschwerdebild; er beziehe eine Invalidenrente und lebe sozial isoliert. Es
bestehe die Gefahr, dass er Medikamente nicht regelmässig einnehme. Der
Beschwerdeführer sei nicht fähig, sein Einkommen alleine zu verwalten. Ohne
fremde Hilfe nehme er häufig Termine nicht wahr. Krankheitsbedingt habe er sich
auch nicht in der Lage gesehen, eine Anmeldung für Ergänzungsleistungen zu
unterzeichnen; der Sozialdienst habe dies für ihn erledigen müssen. Er habe
Schulden in Höhe von etwa Fr. 24'000.-- bei Privatpersonen. Im Wesentlichen aus
diesen Tatsachenfeststellungen schloss das kantonale Gericht, neben der
(unbestrittenen) Begleitbeistandschaft erscheine auch die
Vertretungsbeistandschaft als angemessene und zum Schutz der gesundheitlichen
und materiellen Interessen des Beschwerdeführers notwendige Massnahme (E. IV./
4. und 5.).

3.2. Der Beschwerdeführer lässt einwenden, auch der Begleitbeistand übe eine
gewisse Kontrolle über die Vermögenssorge aus. Sei der Verbeiständete nicht
kooperativ oder erfordere es seine Situation anderweitig, könne der Beistand
weitere behördliche Vorkehrungen beantragen. Vorher aber genüge es, wenn dieser
ihn in seinen finanziellen Angelegenheiten  begleitend unterstütze. Die
Anordnung einer Vertretungsbeistandschaft sei daher nicht verhältnismässig.

4. 
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer in persönlichen und finanziellen
Belangen auf Hilfe angewiesen ist. Zu prüfen ist einzig, ob seine finanziellen
und administrativen Angelegenheiten im Rahmen einer Begleitbeistandschaft
hinreichend zuverlässig geregelt werden können, oder ob es dafür
weiterreichender Vorkehrungen im Sinne der vorinstanzlich bestätigten
Vertretungsbeistandschaft bedarf.

4.1. 

4.1.1. Die Erwachsenenschutzbehörde errichtet eine Beistandschaft, wenn eine
volljährige Person wegen einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung
oder eines ähnlichen in der Person liegenden Schwächezustandes ihre
Angelegenheiten nur teilweise oder gar nicht besorgen kann (Art. 390 Abs. 1
Ziff. 1 ZGB; Urteil 5A_617/2014 vom 1. Dezember 2014 E. 4.2 letzter Absatz und
E. 4.3 mit Hinweisen). Die Behörde umschreibt die Aufgabenbereiche der
Beistandschaft (Personensorge, Vermögenssorge, Rechtsverkehr) entsprechend den
Bedürfnissen der betroffenen Person (Art. 391 Abs. 1 und 2 ZGB).

4.1.2. Zentrales Anliegen des neuen Erwachsenenschutzrechts ist das
Selbstbestimmungsrecht. Das Gesetz verzichtet daher weitgehend auf gesetzlich
umschriebene, starre Massnahmen zum Schutz hilfsbedürftiger Menschen (Urteil
5A_667/2013 vom 12. November 2013 E. 6.1). Als mildeste Massnahme sieht es die
Begleitbeistandschaft vor (Art. 393 Abs. 1 ZGB). Diese kann nur mit Zustimmung
der hilfsbedürftigen Person errichtet werden und bezweckt, ihr für die
Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung zu
gewährleisten. Demgegenüber wird eine Vertretungsbeistandschaft (Art. 394 Abs.
1 ZGB) angeordnet, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten
nicht selbst erledigen kann und deshalb vertreten werden muss. Diese Form der
Beistandschaft kann auch gegen den Willen der hilfsbedürftigen Person
angeordnet werden. Auch diese Massnahme schränkt aber die Handlungsfähigkeit
der verbeiständeten Person nicht ein, sofern die Erwachsenenschutzbehörde nicht
eine andere Anordnung trifft (Art. 394 Abs. 2 ZGB). Im vorliegenden Fall hat
die Behörde ausdrücklich festgehalten, dass die angeordnete
Vertretungsbeistandschaft die Handlungsfähigkeit nicht tangiere.

4.2. In Art. 389 ZGB unterstellt der Gesetzgeber alle behördlichen Massnahmen
des Erwachsenenschutzes den Maximen der Subsidiarität und der
Verhältnismässigkeit.

4.2.1. Subsidiarität (Art. 389 Abs. 1 ZGB) heisst, dass behördliche Massnahmen
nur dann anzuordnen sind, wenn die Betreuung der hilfsbedürftigen Person auf
andere Weise nicht angemessen sichergestellt ist (Botschaft vom 28. Juni 2006
zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz,
Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7042 Ziff. 2.2.1). Ist die gebotene
Unterstützung der hilfsbedürftigen Person anderweitig - durch die Familie,
andere nahestehende Personen (vgl. dazu Urteil 5A_663/2013 vom 5. November 2013
E. 3) oder private oder öffentliche Dienste - gewährleistet, so ordnet die
Erwachsenenschutzbehörde keine Massnahme an (Art. 389 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Der
Grundsatz der Subsidiarität betrifft somit das Verhältnis der
erwachsenenschutzrechtlichen Massnahmen zu - sofern zielführend - vorrangig zu
verwirklichenden alternativen Lösungen.
Kommt die Erwachsenenschutzbehörde zum Schluss, die vorhandene Unterstützung
der hilfsbedürftigen Person reiche nicht aus, so muss ihre Massnahme
verhältnismässig, das heisst erforderlich und geeignet sein (Art. 389 Abs. 2
ZGB). Es gilt der Grundsatz "Soviel staatliche Fürsorge wie nötig, so wenig
staatlicher Eingriff wie möglich" (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 7017 Ziff. 1.3.4
a.E.; BGE 140 III 49 E. 4.3.1 S. 51). Die angeordnete Massnahme ist auf die
Hilfsbedürftigkeit der betroffenen Person abzustimmen (Art. 391 Abs. 1 ZGB).
Unter verschiedenen geeigneten Varianten ist die zurückhaltendste zu wählen;
diese muss zudem in einem vernünftigen Verhältnis zur Einschränkung des
Selbstbestimmungsrechts stehen. Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung sind
ferner die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten zu
berücksichtigen (Art. 390 Abs. 2 ZGB); diese Interessen können eine
weitergehende Massnahme rechtfertigen, jedoch nicht die Massnahme an sich
begründen (erwähntes Urteil 5A_617/2014 vom 1. Dezember 2014 E. 4.1 mit
Hinweis).

4.2.2. Eine Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 ZGB darf daher nicht
errichtet werden, wenn für die Bedürfnisse der betroffenen Person eine
Begleitbeistandschaft genügt. Indessen bleibt die Wahl der richtigen Massnahme
ein Ermessensentscheid (Art. 4 ZGB), der stark von der genauen Kenntnis des
Sachverhalts abhängt. Angesichts dieses Beurteilungsspielraums hält sich das
Bundesgericht bei der Überprüfung solcher Entscheide zurück: Es greift nur ein,
wenn die kantonale Instanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten
Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die
keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie rechtserhebliche Umstände
ausser Acht gelassen hat. Aufzuheben und zu korrigieren sind ausserdem
Ermessensentscheide, die im Ergebnis offensichtlich unbillig, in stossender
Weise ungerecht sind (BGE 138 III 669 E. 3.1 S. 671 mit Hinweisen; erwähntes
Urteil 5A_667/2013 E. 6.2).

4.3. 

4.3.1. Nach dem Gesagten erfolgt die Priorisierung von gleichermassen in
Betracht fallenden, aber unterschiedlich weitgehenden Varianten der
Beistandschaft nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Dieser fordert
nicht, dass die einschneidendere Massnahme generell erst zum Zuge kommt,
nachdem sich die mildere als unzureichend herausgestellt hat; die Vorkehr muss
zwar so zurückhaltend wie möglich, gleichzeitig aber auch so wirksam wie nötig
sein (erwähntes Urteil 5A_617/2014 E. 4.2 mit Hinweisen). Anzuordnen ist somit
von Beginn weg eine erfolgversprechende Massnahme. Eine unter dem Aspekt der
Selbstbestimmung schonendere Variante indessen, die prognostisch grundsätzlich
geeignet erscheint, das festgestellte Schutzbedürfnis im Einzelfall vollständig
abzudecken, darf im Regelfall nicht - gewissermassen auf Vorrat (vgl. Helmut
Henkel, Basler Kommentar Erwachsenenschutz, 2012, N. 11 zu Art. 389 ZGB) -
zugunsten einer weitergehenden Massnahme zurückgestellt werden, nur weil sie
noch unter dem Vorbehalt der praktischen Bewährung steht. Solange ein
unverhältnismässiges Arrangement den angestrebten Zweck erfüllt, träte die
Frage, ob dessen Umfang allenfalls übermässig sei, in der Praxis zu sehr in den
Hintergrund; es käme daher kaum je zu einer nachträglichen Korrektur im Sinne
der Verhältnismässigkeit. Auch deshalb ist regelmässig zuerst die
zurückhaltendere Variante der Begleitbeistandschaft zu erproben, bevor
allenfalls, vor allem bei mangelnder Mitarbeit des Betroffenen, eine
Vertretungsbeistandschaft ins Auge gefasst wird (vgl. Philippe Meier, Les
curatelles du nouveau droit de la protection de l'adulte: quelques notions/
dispositions-pièges pour la pratique, in: FamPra 2012 S. 952). Vorbehalten
bleiben Fälle, in denen die mildere Massnahme einen - nicht mehr rechtzeitig
abwendbaren - erheblichen Schaden begünstigen könnte, wenn sie sich als
unzureichend erweisen sollte; hier ist die weitergehende
erwachsenenschutzrechtliche Vorkehrung prioritär anzuordnen.

4.3.2. Der Beschwerdeführer anerkennt zu Recht, dass er in den Bereichen
Gesundheit (vor allem Sicherstellung der Medikamenteneinnahme) und Wohnen eine
Begleitbeistandschaft braucht. Der umschriebene Schwächezustand führte in der
Vergangenheit auch dazu, dass der Beschwerdeführer den Zahlungsverkehr und
andere administrative Belange vernachlässigt hat. Das ergibt sich aus den Akten
und ist im Übrigen auch nicht bestritten. Den konkreten Gegebenheiten nach
schadet es mithin nicht, dass der psychische Schwächezustand und seine
erwachsenenschutzrechtlich erheblichen medizinischen Auswirkungen nicht
fachärztlich abgeklärt worden sind (zum grundsätzlichen Erfordernis eines
Gutachtens: erwähntes Urteil 5A_617/2014 E. 4.3 a.E.).

4.3.3. Im Rahmen der bestehenden Hilfsbedürftigkeit soll die strittige
Vertretungsbeistandschaft im Wesentlichen sicherstellen, dass der
Beschwerdeführer die Rechnungen bezahlt und damit vor allem sein Obdach und den
Krankenversicherungsschutz nicht gefährdet. Der angefochtene Entscheid enthält
keine Hinweise auf fehlenden Zahlungswillen; der Bestand von
Dauerzahlungsaufträgen wäre damit auch im Rahmen einer Begleitbeistandschaft
nicht gefährdet. Insofern rechtfertigt ein Mangel an "adäquater
Selbstwahrnehmung" (Beschluss vom 11. Juni 2014, Ziff. II./6.) noch keine
weitergehende Massnahme.
Soweit die erwachsenenschutzrechtliche Betreuungsbedürftigkeit des
Beschwerdeführers mit seiner Verschuldung begründet wird, ist massgeblich, wie
die Schulden zustande gekommen sind. Die Vorinstanz legt nicht dar, welcher Art
die Schulden über Fr. 24'000.-- sind und ob sie mit dem psychischen
Schwächezustand im Sinne von Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB zusammenhängen. Damit
kann nicht beurteilt werden, ob eine Vertretungsbeistandschaft in
Vermögensangelegenheiten notwendig ist, um eine (weitere) Zunahme der
Verschuldung zu verhindern oder um eine - allerdings noch nicht aktuelle (vgl.
Entscheid der KESB vom 11. Juni 2014, E. 8) - Schuldensanierung dereinst
anzugehen. Immerhin hielt die KESB fest, in den ihr vorliegenden Berichten
fänden sich keine Hinweise auf Handlungen, welche eine Einschränkung der
Handlungsfähigkeit rechtfertigen würden (a.a.O. E. 6 a.E.). Dieser Aspekt wird
im Rahmen einer späteren Überprüfung der Frage, ob die Massnahme im
angeordneten Umfang weiterhin erforderlich sei, zu vertiefen sein.

4.3.4. Unter den dargelegten Umständen ist die Verhältnismässigkeit der
Vertretungsbeistandschaft fraglich. Im Ergebnis jedoch ist sie (gerade noch) zu
bestätigen: Die auf freiwilliger Basis funktionierende Begleitbeistandschaft
deckt das Schutzziel jedenfalls nur solange ab (vgl. oben E. 4.3.1), als die
relativ engmaschige Betreuung (Therapie und Psychiatrie-Spitex) die Situation
soweit stabilisiert, dass die Mitwirkung des Betroffenen gewährleistet bleibt.
Aus dem Bericht des Sozialdienstes der Stadt Bern vom 17. Dezember 2013 geht
hervor, dass der Beschwerdeführer den Vertreter der Psychiatrie-Spitex
anfänglich "vermehrt" nicht in die Wohnung gelassen habe und kaum zu Terminen
bei Behörden und Ärzten erschienen sei (vgl. auch den Bericht des städtischen
Amtes für Erwachsenen- und Kindesschutz vom 4. Februar 2014). Das habe sich
zwar leicht gebessert. Eine nachhaltige Stabilisierung ist jedoch nicht
ausgewiesen; nach Lage der Akten schwankt der psychische Zustand des
Betroffenen stark. Vor diesem Hintergrund durfte das kantonale Gericht zwar
nicht direkt vom Unvermögen, das Einkommen alleine zu verwalten, auf die
Notwendigkeit einer Vertretungsbeistandschaft schliessen. Hingegen durfte es
(sinngemäss) annehmen, die Verfügbarkeit des Beschwerdeführers und seine
Mitwirkung (dazu Yvo Biderbost, Massschneidern im Kindes- und
Erwachsenenschutz, in: Jusletter 31. März 2014 Rz. 18) sei zu wenig gefestigt,
als dass eine Begleitbeistandschaft auch in finanziell-administrativen Belangen
erfolgversprechend erscheine. Damit bewegt sich der Entscheid innerhalb des
Beurteilungsspielraums der sach- und fachkundigen Behörde (oben E. 4.2.2),
welche zuhanden der Vorinstanz ausgeführt hatte, "eine Beistandschaft mit einer
Begleitung in den Bereichen Administration sowie Einkommens- und
Vermögensverwaltung", wie sie der Beschwerdeführer beantrage, stelle "aufgrund
dessen psychischer Krankheit und den damit einhergehenden Ausfällen ein nicht
führbares Mandat dar" (Beschwerdeantwort vom 28. Juli 2014).
Hinzu kommt Folgendes: Wenn die Behörde aufgrund des in E. 4.3.1 und 4.3.3
Gesagten gerichtlich verpflichtet würde, den Umfang der Beistandschaft
gleichsam "auf Probe" zu reduzieren, drohte sich ein solches Vorgehen
kontraproduktiv auszuwirken. Auch mit Blick auf das konkrete Krankheitsbild
bestünde nämlich die Gefahr, dass ein inzwischen aufgebautes
Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beistand als
Repräsentanten der KESB nachhaltig beeinträchtigt würde; den Akten ist zu
entnehmen, dass der Beschwerdeführer dazu neigt, sich "benachteiligt und
hintergangen durch die Behörden" zu fühlen (Bericht des Sozialdienstes der
Stadt Bern vom 17. Dezember 2013). Die für das Funktionieren der
Begleitbeistandschaft unerlässliche Erreichbarkeit und Kooperation des
Beschwerdeführers würde dadurch zusätzlich gefährdet.

5. 
Strittig ist auch der vorinstanzliche Kostenentscheid.

5.1. Im Verwaltungsverfahren hatte die KESB die unentgeltliche Prozesshilfe
gewährt und dem Betroffenen einen amtlichen Rechtsbeistand beigeordnet
(Präsidialentscheid vom 17. März 2014). Für das kantonale Beschwerdeverfahren
verweigerte die Vorinstanz hingegen die unentgeltliche Rechtspflege. Sie
begründete dies mit Aussichtslosigkeit der Beschwerdeführung.

5.2. Das ZGB sieht keine Regelung über die Kosten vor der gerichtlichen
Beschwerdeinstanz vor (vgl. Art. 450 ff. ZGB). Die Bestimmungen der ZPO kommen
nur zum Tragen, soweit die Kantone nichts anderes bestimmen (Art. 450f ZGB).
Art. 70 Abs. 1 des bernischen Gesetzes vom 1. Februar 2012 über den Kindes- und
Erwachsenenschutz (KESG; BSG 213.316) verweist auf das Gesetz vom 23. Mai 1989
über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21). Nach dessen Art. 111 Abs.
1 und 2 wird die gesuchstellende Partei von den Kosten- und allfälligen
Vorschuss- sowie Sicherstellungspflichten befreit, wenn sie nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint. Unter den gleichen Voraussetzungen kann einer Partei eine Anwältin
oder ein Anwalt beigeordnet werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse es rechtfertigen (vgl. Markus Müller, Bernische
Verwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 2011, S. 254, und Merkli/Aeschlimann/Herzog,
Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, 1997, N.
19 zu Art. 111 VRPG).
Das kantonale Recht (vgl. auch Art. 26 Abs. 3 der Verfassung des Kantons Bern
vom 6. Juni 1993) deckt sich mit den Mindestanforderungen von Art. 29 Abs. 3
BV. Danach hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt,
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat
sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (zum Verhältnis der
verschiedenen Rechtsgrundlagen: BGE 129 I 129 E. 2.1 S. 133; vgl. auch Gerold
Steinmann, St. Galler Kommentar zur BV, 3. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 29 BV;
Stefan Meichssner, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs.
3 BV], 2008, S. 25 ff.). Während die Anwendung von kantonalem Recht
letztinstanzlich nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (Art. 9 BV) beurteilt
werden kann (BGE 138 I 143 E. 2 S. 149; Urteil 5A_130/2014 vom 20. März 2014 E.
2.2), überprüft das Bundesgericht rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der
Verfahrensgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV frei (vgl. aber Art. 106 Abs. 2 BGG).

5.3. Aus dem in E. 4.3 Gesagten ergibt sich ohne Weiteres, dass das
vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren nicht von vornherein aussichtslos war;
die Gewinnaussichten waren nicht beträchtlich geringer als das Risiko des
Unterliegens (vgl. BGE 140 V 521 E. 9.1 S. 537). Die Sache ist daher an das
kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es eine Entschädigung unter dem Titel
der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das kantonale Beschwerdeverfahren
festlege (vgl. Art. 112 Abs. 1 VRPG).

5.4. Entgegen einem weiteren Antrag des Beschwerdeführers besteht unter dem
Titel einer vorinstanzlich geheilten Verletzung des rechtlichen Gehörs
(angefochtener Entscheid E. IV./3.) kein Anspruch auf Parteientschädigung. Wie
die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, betraf die Gehörsverletzung keinen
entscheidungserheblichen Punkt. Sie konnte somit auch nicht Anlass zur
Beschwerdeführung bilden (vgl. Urteil 1C_564/2013 vom 30. August 2013 E. 2.3).

6. 

6.1. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren
ist zu entsprechen: Die Beschwerde ist nicht aussichtslos, die Rechtsvertretung
zur Wahrung der Rechte des Beschwerdeführers notwendig und dessen Prozessarmut
aktenkundig (vgl. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG; Urteil 5A_684/2014 vom 3. Dezember
2014 E. 5). Rechtsanwalt Oliver Lücke ist daher als amtlicher Rechtsbeistand
für das bundesgerichtliche Verfahren zu bestellen.

6.2. In der Hauptsache unterliegt der Beschwerdeführer. Insoweit trägt er
grundsätzlich die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zufolge Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege werden sie indessen vorläufig auf die
Gerichtskasse genommen. Die Partei leistet dieser Ersatz, wenn sie später dazu
in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). Was sodann den Verfahrensausgang
hinsichtlich der vorinstanzlichen Kostenverlegung angeht (oben E. 5.3), so
trägt der Kanton Bern, der in seinen wirtschaftlichen Interessen betroffen ist,
ebenfalls einen Teil der bundesgerichtlichen Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 4
BGG; Urteil 5A_732/2009 vom 4. Februar 2010 E. 4, nicht publ. in BGE 136 III
155).
Dementsprechend hat der Kanton Bern dem Rechtsvertreter des (im Armenrecht
prozessierenden) Beschwerdeführers eine reduzierte Parteientschädigung zu
bezahlen. Im Übrigen ist ihm für das bundesgerichtliche Verfahren ein Honorar
aus der Bundesgerichtskasse zu entrichten (vgl. wiederum Art. 64 Abs. 4 BGG).
Der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bern ist keine Entschädigung
geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und Dispositiv-Ziff. 2 des
Entscheids des bernischen Obergerichts vom 9. September 2014 (betreffend
unentgeltliche Rechtspflege) aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz
zurückgewiesen, damit sie dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine
Entschädigung für das kantonale Beschwerdeverfahren zuspreche. Im Übrigen wird
die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. Dem
Beschwerdeführer wird Rechtsanwalt Oliver Lücke als amtlicher Rechtsbeistand
bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden im Umfang von Fr. 250.- dem Kanton
Bern auferlegt. Im Umfang von Fr. 750.- werden sie dem Beschwerdeführer
auferlegt, jedoch vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Der Kanton Bern hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.- zu entschädigen. Rechtsanwalt Oliver
Lücke wird für seine Bemühungen im bundesgerichtlichen Verfahren überdies ein
Honorar von Fr. 1'500.- aus der Bundesgerichtskasse entrichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern
(Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. April 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Traub

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