Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.761/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_761/2014

Urteil vom 26. Februar 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Schöbi,
Gerichtsschreiberin Griessen.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Rita Gettkowski,
Beschwerdeführerin,

gegen

Bezirksgericht Luzern, Einzelrichter Abteilung 3,
Beschwerdegegner 1,

und

Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung,
Beschwerdegegner 2.

Gegenstand
unentgeltliche Rechtspflege (vorsorgliche Massnahmen, Persönlichkeitsschutz),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom
22. August 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. Mit Eingabe vom 10. Oktober 2013 ersuchte A.________ beim Bezirksgericht
Luzern gestützt auf Art. 28 ff. ZGB und Art. 265 ZPO um Erlass vorsorglicher
respektive superprovisorischer Massnahmen (Kontakt-, Annäherungs- und
Rayonverbot) gegen ihren von ihr getrennt lebenden Ehemann. Gleichzeitig
ersuchte sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.

A.b. Das Bezirksgericht forderte die Rechtsanwältin von A.________ mit
Schreiben vom 11. Oktober 2013 auf, das in der Beilage enthaltene Formular
betreffend unentgeltliche Rechtspflege (UR-Formular) vollständig ausgefüllt und
mit Urkundenbelegen bis am 24. Oktober 2013 zu retournieren. Andernfalls werde
Verzicht auf die unentgeltliche Rechtspflege angenommen. Die am 24. Oktober
2013 beantragte Fristerstreckung zwecks Besorgung der benötigten Belege wurde
bis am 13. November 2013 gewährt. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 erklärte
die Rechtsanwältin von A.________, in der Beilage zu diesem Schreiben innert
Frist anstelle des geforderten Formulars eine Bestätigung der Sozialen Dienste
der Stadt Luzern über den Bezug von wirtschaftlicher Sozialhilfe vom 29.
Oktober 2013 sowie das aktuelle Budget Oktober-Dezember 2013 der Sozialen
Dienste der Stadt Luzern einzureichen. Aus diesen Dokumenten folge, dass
A.________ wirtschaftliche Sozialhilfe beziehe.

A.c. Mit Entscheid vom 9. Mai 2014 wies das Bezirksgericht Luzern das Gesuch um
Erlass vorsorglicher Massnahmen und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
ab. Die Kosten des Massnahmeverfahrens wurden A.________ auferlegt.

B.

B.a. Gegen die verweigerte unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung erhob
A.________ beim Kantonsgericht des Kantons Luzern am 30. Mai 2014
Kostenbeschwerde gemäss Art. 121 ZPO. Sie beantragte, die Ziff. 2 und 3 des
erstinstanzlichen Entscheides seien aufzuheben, soweit das Gesuch der
A.________ um unentgeltliche Rechtspflege betreffend, und die Sache zur
erneuten Überprüfung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege an das
Bezirksgericht zurückzuweisen. Ferner beantragte sie die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren und kündigte an, als
Beleg eine aktuelle Bestätigung der Sozialen Dienste der Stadt Luzern
einzureichen. Am 3. Juni 2014 reichte A.________ eine aktuelle Bestätigung der
Sozialen Dienste der Stadt Luzern vom 2. Juni 2014 über den Bezug von
wirtschaftlicher Sozialhilfe sowie das aktuelle Budget ab Mai 2014 der Sozialen
Dienste der Stadt Luzern ein.

B.b. Mit Entscheid vom 22. August 2014 (zugestellt am 2. September 2014) wies
das Kantonsgericht die Beschwerde und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
für das Beschwerdeverfahren ab und verurteilte A.________ zur Bezahlung der
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren.

C.

C.a. Dagegen erhebt A.________ (Beschwerdeführerin) am 30. September 2014
Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheides, soweit dieser die Nichtgewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
vor Bezirksgericht und Kantonsgericht betrifft (Ziff. 1, 2 und 3.1), und die
Rückweisung zwecks erneuter Überprüfung an die Vorinstanz. Zudem beantragt die
Beschwerdeführerin die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auch für das
Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht - unter Beilage einer aktuellen
Bestätigung über den Bezug wirtschaftlicher Sozialhilfe und einem aktuellen
Budget der Sozialen Dienste der Stadt Luzern.

C.b. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten eingeholt und das Bezirks- und
Kantonsgericht mit Verfügung vom 30. Januar 2015 zur Vernehmlassung eingeladen.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2015 respektive 5. Februar 2015 verweisen beide
Gerichte auf die Begründung des angefochtenen Entscheides und verzichten im
Übrigen auf eine Vernehmlassung. Das Kantonsgericht beantragt die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen
Instanz (Art. 75 BGG) über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege
und Verbeiständung. In Bezug auf die Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche
Rechtspflege für das Verfahren vor dem Bezirksgericht urteilte die Vorinstanz
als Rechtsmittelinstanz (Art. 75 Abs. 2 BGG). Die Beschwerde erweist sich aber
auch gegen die Nichtgewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das
Beschwerdeverfahren als zulässig (vgl. zur Ausnahme vom Erfordernis der double
instance BGE 138 III 41 E. 1.1 S. 42; 137 III 424 E. 2.2 S. 426).

1.2. Da der Entscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege
vor Bezirksgericht zusammen mit dem Urteil in der Hauptsache erging, handelt es
sich nicht um einen Zwischenentscheid (Art. 93 BGG; vgl. Urteil 5A_32/2014 vom
8. April 2014 E. 1 mit Hinweisen). In der Sache betrifft der angefochtene
Entscheid eine Klage auf Anordnung vorsorglicher Massnahmen zum Schutz der
Persönlichkeit vor widerrechtlicher Verletzung (Art. 28 ff. ZGB), und damit
eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) nicht vermögensrechtlicher Natur (zu Art.
28 ZGB vgl. BGE 127 III 481 E. 1a S. 483; Urteil 5A_456/2013 vom 7. März 2014
E. 1; zu aArt. 28c ZGB vgl. Urteil 5A_526/2009 vom 5. Oktober 2009 E. 1 in: SJ
2011 I S. 65, mit Hinweisen; zu Art. 28b ZGB vgl. Urteil 5A_886/2011 vom 20.
Februar 2012 E. 1). Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG zur
Beschwerde berechtigt und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1
BGG). Insofern kann auf die Beschwerde eingetreten werden.

1.3. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Angelegenheit zur Überprüfung ihres
Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege im erst- und zweitinstanzlichen
Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen. Da das Kantonsgericht den Anspruch
auf unentgeltliche Rechtspflege vor erster Instanz - wie diese - mit der
Begründung der fehlenden Mitwirkung abgewiesen hat, hat sich das Kantonsgericht
- wie auch die erste Instanz - nicht mit den Anspruchsvoraussetzungen für die
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung auseinander
gesetzt. Insbesondere fehlen Ausführungen des Bezirksgerichts zum Sachverhalt,
der einer summarischen Beurteilung der Aussichtslosigkeit im Zeitpunkt der
Gesuchseinreichung zugrunde zu legen ist. Somit kann das Bundesgericht im Falle
der Gutheissung der Beschwerde - unter Vorbehalt von Art. 105 Abs. 2 BGG - kein
Sachurteil fällen, weshalb das Rechtsbegehren den formellen Anforderungen
genügt (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 137 II 313 E. 1.3 S. 317; 134 III 379 E. 1.3 S.
383). Im Übrigen sind Rechtsbegehren unter Berücksichtigung der
Beschwerdebegründung auszulegen (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 136) und es ist
vorliegend eindeutig, dass die Beschwerdeführerin um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege für die kantonalen Verfahren ersucht.

1.4. Da die Beschwerde betreffend die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege in der Hauptsache ein Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen
(Art. 261 ZPO i.V.m. Art. 28b ZGB) zum Gegenstand hat, kann auch mit der
vorliegenden Beschwerde betreffend die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden
(Art. 98 BGG). Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip. Das bedeutet, dass das
Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte
Rügen prüft. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 IV 265
E. 2.5 S. 266 f.; 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 135 III 232 E. 1.2 S. 234; 134 II
244 E. 2.2 S. 246; je mit Hinweisen). Wer sich auf eine Verletzung des
Willkürverbots (Art. 9 BV) beruft, kann sich daher nicht darauf beschränken,
den angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen. Vielmehr ist anhand
der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen darzutun, inwiefern das kantonale
Gericht willkürlich entschieden haben soll und der Entscheid an einem
qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 137 V 57 E. 1.3 S. 60;
136 I 49 E. 1.4.1 S. 53; 134 II 244 E. 2.2 S. 246 mit Hinweisen). Nach dem
Gesagten ist es unzulässig, wenn die Beschwerdeführerin die blosse Verletzung
von Bundesrecht (Art. 117 und Art. 119 Abs. 2 ZPO) rügt. Ebenfalls ungenügend
ist es, ohne weitere Ausführungen zu rügen, die Vorinstanz sei in Willkür
verfallen. Somit verbleibt die Überprüfung der Rüge, die Vorinstanz habe gegen
das Verbot des überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV) und damit auch
sinngemäss gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege gemäss Art. 29 Abs. 3 BV verstossen.

2. 
Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem
Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV). Umstritten
ist, ob die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungsobliegenheit zur
Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit entsprochen hat.

2.1.

2.1.1. Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin habe der Aufforderung des
Bezirksgerichts Luzern, das UR-Formular vollständig auszufüllen und mit Belegen
zu den finanziellen Verhältnissen an das Bezirksgericht zu retournieren, nicht
entsprochen. Indem sie anstelle der geforderten Unterlagen eine Bestätigung des
Sozialamtes sowie ein aktuelles Budget eingereicht habe, sei sie ihrer
Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht nicht nachgekommen. Die Beschwerdeführerin
sei auf die einzureichenden Unterlagen und die Folgen einer Nichteinreichung
hingewiesen worden. Unter diesen Umständen sei das Bezirksgericht nicht
verpflichtet gewesen, ihr eine weitere Nachfrist zur Einreichung des Formulars
anzusetzen. Den Gerichten sei es ferner freigestellt, die zur Bestimmung der
Bedürftigkeit erforderlichen Unterlagen zu definieren. Allein aus dem Umstand,
dass die Beschwerdeführerin Sozialhilfe beziehe, könne nicht auf ihre
Bedürftigkeit geschlossen werden (Urteil 9C_606/2013 vom 7. März 2014 E.
2.1.3). Darüber hinaus lasse sich den eingereichten Unterlagen nichts
betreffend allfälligem Vermögen der Beschwerdeführerin entnehmen. Schliesslich
sei irrelevant, ob in anderen Einzelfällen die eingereichten Unterlagen genügt
hätten, denn die Beschwerdeführerin sei vorliegend zur Einreichung des
UR-Formulars inklusive Beilagen aufgefordert worden.

2.1.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Rechtsmittelverfahren
wies die Vorinstanz mit der Begründung ab, die Beschwerde erweise sich nach dem
Gesagten (vgl. E. 2.1.1) von vornherein als aussichtslos.

2.2.

2.2.1. Die Beschwerdeführerin rügt, sie habe die Mitwirkungs- und
Offenlegungspflicht nicht verletzt, sondern die Bedürftigkeit mit den
eingereichten amtlichen Unterlagen anstelle des geforderten UR-Formulars
nachgewiesen. Die Vorinstanz habe mit der gegenteiligen Auffassung das Recht
auf unentgeltliche Prozessführung verletzt und dabei überspitzt formalistisch
gehandelt. Aus dem von der Vorinstanz zitierten Entscheid 9C_606/2013 vom 7.
März 2014 lasse sich nichts für den vorliegenden Fall entnehmen, da dort
lediglich das Einreichen eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege ohne
Belege als unzureichend erachtet wurde. Vorliegend seien aber amtliche Belege
eingereicht worden. Die Sozialhilfe sichere das soziale Existenzminimum,
welches zwar das absolute Existenzminimum übersteige. Aus dem ebenfalls
eingereichten Budget folge jedoch, dass die Beschwerdeführerin ausschliesslich
den Grundbedarf für den Lebensunterhalt und die Wohnungskosten erhalte. Aus dem
eingereichten Budget seien die Berechnung des sozialen Existenzminimums sowie
die Einnahmen und die Höhe der Unterstützungsleistungen ersichtlich. Ferner
werde im Rahmen der Erteilung von Sozialhilfe von Amtes wegen überprüft, ob ein
Gesuchsteller über Vermögen verfüge - wobei der gewährte Vermögensfreibetrag
von Fr. 4'000.-- tiefer sei als der bei der unentgeltlichen Rechtspflege
gewährte "Notgroschen" von Fr. 10'000.--. Eine Steuerveranlagung könne nicht
eingereicht werden, weil Sozialhilfeempfänger Anspruch auf vollen Steuererlass
hätten. Schliesslich hätte das Gericht die Beschwerdeführerin gestützt auf die
Untersuchungsmaxime unter Ansetzung einer Nachfrist darüber aufzuklären, wenn
es Unterlagen als unzureichend erachtet. Immerhin gäbe es im Kanton Luzern
etliche Entscheide, gemäss welchen eine Bestätigung der wirtschaftlichen
Sozialhilfe sowie ein aktuelles Budget für den Nachweis der Bedürftigkeit auch
ohne zusätzliches UR-Formular ausgereicht hätten. Die Beschwerdeführerin habe
sich in gutem Glauben auf diese Praxis verlassen dürfen.

2.2.2. Betreffend die Verweigerung der unentgeltlichen Prozessführung für das
Rechtsmittelverfahren vor der Vorinstanz rügt die Beschwerdeführerin, das
Verfahren vor der Vorinstanz sei nich t von Anfang an aussichtslos gewesen. Die
Beschwerdeführerin sei bedürftig und habe ihre Mitwirkungspflicht nicht
verletzt, weshalb ihr die unentgeltliche Rechtspflege auch für das Verfahren
vor der Vorinstanz zu gewähren sei.

3. 
Das Bundesgericht prüft frei, ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit
zutreffend gewählt worden sind, legt seinem Urteil aber den Sachverhalt zu
Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 135 I 221
E. 5.1 S. 223; 119 Ia 11 E. 3.a S. 12; Urteil 4A_294/2010 vom 2. Juli 2010 E.
1.2).

3.1. Als bedürftig im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV gilt eine Person dann, wenn
sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel
anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und
desjenigen ihrer Familie erforderlich sind (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223; 128 I
225 E. 2.5.1 S. 232; je mit Hinweisen). Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt
sich grundsätzlich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des
Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören
einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens-
und Vermögensverhältnisse (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f.; Urteil 5A_58/2014
vom 17. Oktober 2014 E. 3.3.1; je mit Hinweisen; Urteil 4A_661/2010 vom 16.
Februar 2011 E. 3.2).

3.2. Der Gesuchsteller hat zur Glaubhaftmachung seiner Bedürftigkeit seine
Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich
auch zu belegen (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181 f. mit Hinweis). Insoweit trifft
ihn eine umfassende Mitwirkungsobliegenheit (Urteil 5A_897/2013 vom 8. Juli
2014 E. 3.1). Dabei dürfen umso höhere Anforderungen an eine umfassende und
klare Darstellung der finanziellen Situation durch den Gesuchsteller selbst
gestellt werden, je komplexer diese Verhältnisse sind. Die entscheidende
Behörde hat allenfalls unbeholfene Rechtsuchende auf die Angaben hinzuweisen,
die sie zur Beurteilung des Gesuches benötigt (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 182 f.).
Aus den eingereichten Belegen muss der aktuelle Grundbedarf des Gesuchstellers
hervorgehen. Die Belege haben zudem über sämtliche finanziellen Verpflichtungen
des Gesuchstellers sowie über seine Einkommens- und Vermögensverhältnissen
Aufschluss zu geben. Verweigert der Gesuchsteller die zur Beurteilung seiner
aktuellen Gesamtsituation erforderlichen Angaben oder Belege, respektive kommt
er seiner Obliegenheit nicht nach, so kann die Behörde die Bedürftigkeit ohne
Verletzung des verfassungsmässigen Anspruchs verneinen und das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege abweisen (BGE 125 IV 161 E. 4a S. 164 f.; 120 Ia
179 E. 3a S. 181 f.; Urteil 2C_683/2014 vom 24. Oktober 2014 E. 3.1.1; Urteil
5A_382/2010 vom 22. September 2010 E. 3.1; Urteil 4A_661/2010 vom 16. Februar
2011 E. 3.2).

3.3. Jedoch ist überspitzter Formalismus als besondere Form der
Rechtsverweigerung gegeben, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften
aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn
die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an
Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und damit dem Bürger den
Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9; Urteil
2C_221/2014 vom 14. Januar 2015 E. 5.1; je mit Hinweisen). Die entscheidende
Behörde darf die Beweismittel für die Feststellung der wirtschaftlichen
Situation nicht formalistisch beschränken und etwa nur einen amtlichen Beleg
über die finanziellen Verhältnisse zulassen. Solche Anforderungen können sich
als übertrieben formalistisch erweisen, wenn sich die Bedürftigkeit bereits aus
den Akten ergibt (vgl. BGE 120 Ia 179E. 3a S. 181f.; 119 III 28 E. 3b S. 31;
Urteil 8C_920/2010 vom 25. Januar 2011 E. 3.4.2; 5D_68/2010 vom 13. Juli 2010
E. 3.5.1 ).

3.4.

3.4.1. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem
Bezirksgericht - entgegen der Aufforderung des Gerichts - eine unterzeichnete
Bestätigung der Sozialen Dienste der Stadt Luzern eingereicht. Aus dieser geht
hervor, dass die Beschwerdeführerin seit dem 1. Dezember 2012 laufend durch die
Sozialen Dienste der Stadt Luzern unterstützt wird. Das Bundesgericht hat im
von der Vorinstanz zitierten Urteil 9C_606/2013 vom 7. März 2014 E. 2.1.3 zwar
festgestellt, dass aus dem blossen Umstand des Bezugs von Sozialhilfe ohne die
erforderlichen Angaben und Unterlagen nicht direkt auf die Bedürftigkeit
geschlossen werden könne, und der Gesuchsteller daher mit der blossen
Einreichung des Formulars "Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege" ohne Beilagen
und Unterlagen die Mitwirkungspflicht verletzt habe. In 8C_58/2014 vom 24.
September 2014 sah das Bundesgericht unter Bezugnahme auf das zitierte Urteil
keine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV, wenn die unentgeltliche Rechtspflege
verweigert wurde, obwohl der Beschwerdeführer eine Bestätigung über den Bezug
wirtschaftlicher Sozialhilfe - nicht aber das UR-Formular - eingereicht hatte.
Ebenso wurde wiederholt festgestellt, dass es den Gerichten grundsätzlich frei
steht, für die Abklärung der finanziellen Voraussetzungen einen Fragebogen
einzuverlangen (Urteil 8C_58/2014 vom 24. September 2014 E. 7.3; 9C_606/2013
vom 7. März 2014 E. 2.1.3). Vorliegend hat aber die Beschwerdeführerin nicht
nur eine Bestätigung der Stadt Luzern über den Bezug von wirtschaftlicher
Sozialhilfe, sondern auch ein von den Sozialen Diensten der Stadt Luzern
erstelltes aktuelles und unterzeichnetes Budget eingereicht. Aus diesem Budget
vom 29. Oktober 2013 geht hervor, dass sich das soziale Existenzminimum der
Beschwerdeführerin auf Fr. 2'699.-- bemisst, und aus Fr. 1'509.-- für den
Grundbedarf für den Lebensunterhalt und Fr. 1'190.00 für die Wohnkosten,
zuzüglich Fr. 150.-- für die Nebenkosten, zusammensetzt. Dem gegenüber stehen
einzig Einnahmen von insgesamt Fr. 900.-- für Kinderalimente (Fr. 700.--)
respektive Kinder-/Ausbildungszulagen (Fr. 200.--) zugunsten des Sohnes (geb.
2007) der Beschwerdeführerin. Insgesamt folgt aus dieser Zusammenstellung ein
Unterstützungsleistungstotal von Fr. 1'799.-- nebst dem "Einkommen" von Fr.
900.-- für das Kind der Beschwerdeführerin.

3.4.2. Gemäss UR-Formular des Kantons Luzern berechnet sich der
zivilprozessuale Notbedarf durch eine Gegenüberstellung der monatlichen
Einkünfte mit den monatlichen Auslagen für Mietkosten, Krankenkassenprämien
etc. und dem monatlichen, vorgegebenen, Grundbetrag. Auch ohne über allenfalls
weitere - nicht geltend gemachte - Auslagen der Beschwerdeführerin Kenntnisse
zu haben, ist es dem Gericht aufgrund der eingereichten Unterlagen möglich, die
Einkünfte der Beschwerdeführerin gemäss Budget der Sozialen Dienste der Stadt
Luzern dem Grundbetrag gemäss UR-Formular und den im Budget ebenfalls
angegebenen Wohn- und Nebenkosten gegenüberzustellen. Die Vorinstanz führt
ferner nicht aus, dass sie Grund zur Annahme hätte, die Beschwerdeführerin
würde noch über weitere als die im Budget genannten Einkünfte oder Ansprüche
verfügen. Dem erstmals von der Vorinstanz vorgebrachten Einwand, die
Beschwerdeführerin habe insbesondere nicht dargelegt, ob sie über Vermögen
verfüge, ist mit den Ausführungen in der Beschwerde entgegenzuhalten, dass das
Vermögen auch im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfe berücksichtigt wird. Die
Vorinstanz legt schliesslich nicht dar, wieso es nicht glaubhaft wäre, dass die
Beschwerdeführerin, welche seit ca. 2 Jahren von der Sozialhilfe unterstützt
wird, über kein Vermögen verfügt, welches den im Rahmen der Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege zu berücksichtigenden "Notgroschen" übersteigt.
Aus der Begründung des vorinstanzlichen Entscheids folgt, dass sich die
Vorinstanz wie auch das Bezirksgericht nicht mit den von der Beschwerdeführerin
eingereichten Unterlagen und Angaben zum Grundbedarf, dem Einkommen und den
Ausgaben auseinandergesetzt haben. Vielmehr kamen die Vorinstanzen ohne
genauere Prüfung zum Schluss, ohne das verlangte UR-Formular samt der darin
aufgeführten Beilagen liesse sich das Gesuch der Beschwerdeführerin nicht
überprüfen. Damit aber ha ben die Vorinstanzen gegen das Verbot des
überspitzten Formalismus verstossen. Die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin
lässt sich vorliegend mit den eingereichten Unterlagen überprüfen (vgl. auch
BGE 125 IV 161 E. 4b S. 164 f.) und ist sowohl für das Verfahren vor dem
Bezirksgericht basierend auf den Belegen vom 29. Oktober 2013 als auch für das
Verfahren vor der Vorinstanz basierend auf den Belegen der Sozialen Dienste der
Stadt Luzern vom 2. Juni 2014 zu bejahen. Vorliegend kann daher offen bleiben,
ob das Gesuch allein mit der Begründung hätte abgewiesen werden können, dass
die Beschwerdeführerin das vom Gericht zur Verfügung gestellte Formular nicht
verwendet hat, denn ein solches Vorgehen setzte einen ausdrücklichen Hinweis
auf die Rechtsfolgen im Unterlassungsfall und, von besonderen Ausnahmen
abgesehen, die Ansetzung einer Nachfrist voraus (vgl. auch Urteile 8C_58/2014
vom 24. September 2014 E. 7; 4A_114/2013 vom 20. Juni 2013 E. 4.3.2 und 5A_382/
2010 vom 22. September 2010 E. 3.2); Letzteres ist hier nicht geschehen. Der
Entscheid der Vorinstanz ist somit aufzuheben. Die Vorinstanz hat die Kosten
und die Parteientschädigung für das vor ihr geführte Beschwerdeverfahren im
Sinne der Erwägungen neu zu verlegen. Betreffend die unentgeltliche
Rechtspflege für das Verfahren vor Bezirksgericht ist die Angelegenheit zur
Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an dieses zurückzuweisen.

4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist von der Erhebung von Gerichtskosten
abzusehen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Luzern hat die Beschwerdeführerin
für das bundesgerichtliche Verfahren voll zu entschädigen. Bei dieser Kosten-
und Entschädigungsregelung wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Kantonsgerichts des Kantons
Luzern, Ziff. 1, Ziff. 2 und Ziff. 3.1, wird aufgehoben und die Sache zur
Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens im Sinne der Erwägungen an das Kantonsgericht des Kantons Luzern
zurückgewiesen.

2. 
Die Sache wird zur Prüfung der verbleibenden materiellen
Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung für das erstinstanzliche Verfahren im Sinne der Erwägungen an
das Bezirksgericht Luzern zurückgewiesen.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Der Kanton Luzern hat die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Februar 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Die Gerichtsschreiberin: Griessen

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