Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.580/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_580/2014

Urteil vom 16. Dezember 2014

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Bohren,
Beschwerdeführer,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Camenzind,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Parteientschädigung und Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege
(Sistierung; Eheschutz),

Beschwerde gegen das Urteil und die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zug,
II. Beschwerdeabteilung vom 1. Juli 2014.

Sachverhalt:

A. 

A.a. Mit Eingabe vom 7. Februar 2014 reichte B.A.________ (Ehefrau) beim
Einzelrichter am Kantonsgericht Zug einen Antrag auf Erlass von
Eheschutzmassnahmen ein. Darin ersuchte sie insbesondere um Zuweisung eines
Fahrzeuges zur alleinigen Nutzung sowie darum, ihr Ehemann A.A.________ sei zu
verpflichten, ihr einen Prozesskostenvorschuss von Fr. 5'000.-- zu bezahlen.
Für den Fall der Uneinbringlichkeit des Kostenvorschusses sei ihr die
unentgeltliche Prozessführung mit amtlicher Vertretung zu gewähren (Verfahren
Nr. ES 2014 82). A.A.________ (Ehemann) ersuchte seinerseits um Zusprechung
eines Unterhaltsbeitrages von monatlich Fr. 1'210.-- zulasten der Ehefrau.

A.b. Im Verfahren Nr. ES 2014 82 stellte der Ehemann seinerseits ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und beantragte eventualiter, die Ehefrau sei zu
verpflichten, ihm einen Prozesskostenvorschuss von Fr. 5'000.-- zu zahlen. Am
19. März 2014 erneuerte er beim Einzelrichter am Kantonsgericht Zug, an den er
verwiesen worden war, sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und um
Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes (Verfahren UP 2014 47). Mit
Entscheid vom 24. März 2014 sistierte die angerufene Instanz das Verfahren UP
2014 47 bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides über den Antrag der
Ehefrau betreffend Leistung eines Prozesskostenvorschusses durch den Ehemann im
Verfahren Nr. ES 2014 82. Der Ehemann verlangte am 10. April 2014, die
Sistierung aufzuheben und über sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu
entscheiden. Am 16. April 2014 bestätigte der Einzelrichter die Sistierung.

B. 
Gegen diese Verfügung gelangte der Ehemann an das Obergericht des Kantons Zug
mit dem Begehren, die angefochtene Verfügung sowie die Sistierung im Verfahren
UP 2014 47 aufzuheben und ihm für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren. Mit Verfügung vom 1. Juli 2014 wies die Präsidentin
des Obergerichts das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das
Beschwerdeverfahren ab. Mit Urteil vom gleichen Tag hiess das Obergericht die
Beschwerde des Ehemannes teilweise gut und hob den Entscheid des Einzelrichters
am Kantonsgericht Zug vom 16. April 2014 auf. Im Übrigen wies es die Beschwerde
ab, überband die Verfahrenskosten von Fr. 500.-- dem Staat und sprach dem
Ehemann keine Entschädigung zu.

C. 
Der Ehemann (Beschwerdeführer) hat am 15. Juli 2014 (Postaufgabe) beim
Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde
erhoben. Er beantragt, der Kanton Zug sei zu verpflichten, ihm für das
Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- plus
Mehrwertsteuer zu bezahlen. Eventuell sei die Sache zur Festsetzung der
Parteientschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das
bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Obergericht des Kantons Zug hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1. 

1.1. Aus den Rechtsbegehren lässt sich auf den ersten Blick nicht erkennen,
wogegen sich der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe richtet. Gemäss der
Begründung indes, anhand deren Rechtsbegehren auszulegen sind (BGE 137 III 617
E. 6.2 S. 621 f. mit Hinweisen), beanstandet er die Auffassung der Vorinstanz,
der Kanton Zug könne mangels gesetzlicher Grundlage nicht zu einer
Parteientschädigung zugunsten des Beschwerdeführers verurteilt werden. Zudem
erhebt er Rügen im Zusammenhang mit der Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege gestützt auf Art. 29 Abs. 3 BV. Im Ergebnis richtet sich der
Beschwerdeführer somit gegen die Verweigerung einer Parteientschädigung
zulasten des Kantons trotz Obsiegens im Hauptpunkt und gegen die Verfügung der
Vorinstanz betreffend Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege für
das Beschwerdeverfahren vor Obergericht.

1.2. Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137
III 380 E. 1.1 S. 382). Dabei geht es um Eheschutzmassnahmen, wobei im
Wesentlichen einzig vermögensrechtliche Aspekte strittig sind (Zuweisung des
Fahrzeuges zur alleinigen Nutzung, Prozesskostenvorschuss; Unterhaltsbeitrag
für den Beschwerdeführer). Damit liegt eine Zivilsache vermögensrechtlicher
Natur im Streit (vgl. Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007 E. 1.2), die den
Betrag von Fr. 30'000.-- gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG erreicht. Die
Beschwerde in Zivilsachen ist damit zulässig. Beim Hauptverfahren handelt es
sich um eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG, womit einzig eine
Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann.

2. 
Soweit der Beschwerdeführer die Verweigerung einer Parteientschädigung zulasten
des Kantons Zug beanstandet, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei der
Sistierung des Verfahrens handelt es sich um einen Zwischenentscheid im Sinn
von Art. 93 Abs. 1 BGG. Ist wie hier mit Bezug auf diesen Zwischenentscheid
ausschliesslich die Frage der Parteientschädigung strittig, erwächst dem
Beschwerdeführer kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinn von Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG (BGE 135 III 329 E. 1.2.2 S. 333).

3. 
Der Beschwerdeführer sieht seinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege
gemäss Art. 29 Abs. 3 BV für das Beschwerdeverfahren verletzt: Danach hat jede
Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint. Als bedürftig gilt eine Person, welche die Kosten eines Prozesses
nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, derer sie zur Deckung
des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie bedarf.
Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen
Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs (BGE 135
I 221 E. 5.1 S. 223; 128 I 225 E. 2.5.1). Dazu gehören nicht nur die
Einkommens-, sondern auch die Vermögensverhältnisse (BGE 124 I 97 E. 3b S. 98
mit Hinweisen).

3.1. Das Obergericht hat bei der Prüfung des Gesuchs des Beschwerdeführers um
unentgeltliche Rechtspflege eine Berücksichtigung der laufenden Steuern
ausgeschlossen und dazu erwogen, nach der Rechtsprechung seien die verfallenen
Steuerschulden, deren Höhe und Fälligkeit feststehe, bei der Beurteilung der
Bedürftigkeit der um unentgeltliche Rechtspflege ersuchenden Person zu
berücksichtigen, soweit sie bezahlt würden. Das sei hier indes nicht der Fall:
Der Beschwerdeführer mache einen monatlichen Betrag von Fr. 580.-- für die
laufenden Steuern geltend. Laut Bestätigung der kantonalen Steuerverwaltung Zug
vom 13. März 2014 habe er Steuerausstände aus dem Jahr 2012 und 2013 von Fr.
662.35 und Fr. 1'266.35. Eine Steuerabzahlungsvereinbarung bestehe nicht. Er
bediene damit weder die verfallenen Steuern, noch sei davon auszugehen, er
werde die aktuellen Steuerschulden begleichen.

3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, aus den Steuerschulden der Jahre 2012
und 2013 folgere die Vorinstanz, er zahle keine Steuern. Tatsächlich entrichte
er aber aufgrund einer Ratenvereinbarung seit April 2014 Fr. 200.-- pro Monat
für die Steuern 2012. Die Vorinstanz habe ihn dazu nicht befragt und damit
seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Weil ihm das rechtliche Gehör
in dieser Frage verweigert worden sei, gelte es, die erwähnten nunmehr vor
Bundesgericht erstmals vorgetragenen Noven zu berücksichtigen.
Grundsätzlich obliegt der um unentgeltliche Rechtspflege ersuchenden Person,
sämtliche für die Ermittlung der Bedürftigkeit erforderlichen Tatsachen und
Beweismittel vorzutragen (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 182). In Beachtung dieser
Pflicht war der Beschwerdeführer gehalten, bereits im Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege die entsprechenden Tatsachen und Beweismittel beizubringen
(Urteile 5P.482/1995 vom 7. Februar 1996 E. 3 und 5A_172/2010 vom 26. April
2010 E. 3.3.2, je unter Hinweis auf BGE 111 Ia 101 E. 2b S. 104). Eine
Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Hatte demnach bereits wegen
des Gesuchs und nicht erst aufgrund des vorinstanzlichen Entscheides Anlass
bestanden, diese Tatsachen vorzutragen und die entsprechenden Belege
beizubringen, kann von zulässigen Noven keine Rede sein (Art. 99 Abs. 1 BGG).

3.3. Die Vorinstanz hat alsdann die Berücksichtigung des Leasingbetrages für
ein Zweitfahrzeug mit der Begründung verweigert, es handle sich dabei um
gewöhnliche Schulden, zumal diesem Fahrzeug kein Kompetenzcharakter zukomme.
Der Beschwerdeführer macht geltend, es gelte zu berücksichtigen, dass er dem
Leasinggeber im Falle einer vorzeitigen Kündigung eine Nachzahlung aufgrund der
Neuberechnung der Leasingraten zu bezahlen habe. Damit könne er sich von den
Verbindlichkeiten gegenüber dem Leasinggeber erst in deutlich mehr als drei
Monaten befreien. Für das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege sei indes auf
die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Gesuchs abzustellen. Mangels
Berücksichtigung der Leasingraten habe die Vorinstanz Art. 29 Abs. 3 BV
verletzt.
Mit diesen Ausführungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich
mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinander und zeigt nicht auf, inwiefern
die Nichtberücksichtigung der Raten eines Fahrzeuges ohne Kompetenzcharakter
Art. 29 Abs. 3 BV verletzt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 232 E. 1.2 S.
234). Darauf ist nicht einzutreten.

4. 

4.1. Die Vorinstanz ermittelte einen Nettolohn des Beschwerdeführers von Fr.
5'869.-- pro Monat, stellte diesem den zivilprozessualen Bedarf von Fr.
5'551.65 gegenüber und hielt im Weiteren dafür, mit dem Überschuss von Fr.
317.35 sei er in der Lage, die auf Fr. 800.-- veranschlagten Anwaltskosten des
Beschwerdeverfahrens binnen rund drei Monaten zu begleichen, womit er nicht als
bedürftig anzusehen sei.
Der Beschwerdeführer lässt ausführen, bei ihrer Argumentation übersehe die
Vorinstanz, dass er auch Anwaltskosten für das Hauptverfahren zu begleichen
habe. Die Feststellung, er sei nicht bedürftig, verletze damit Art. 29 Abs. 3
BV.

4.2. Die Vorinstanz hat bei ihrer Argumentation in der Tat nicht beachtet, dass
bereits ein Eheschutzverfahren hängig ist, das für den Beschwerdeführer
insbesondere mit Anwaltskosten verbunden ist. Über seinen Antrag auf
Zusprechung eines Prozesskostenvorschusses wurde noch nicht entschieden,
ebensowenig über sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das
Hauptverfahren. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, der
Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege
für das Beschwerdeverfahren in der Lage gewesen, die anfallenden Anwaltskosten
für das Beschwerdeverfahren zu begleichen. Von daher lässt sich die Auffassung
der Vorinstanz, der Beschwerdeführer sei nicht bedürftig, mit Art. 29 Abs. 3 BV
nicht vereinbaren.

5. 
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde ist die angefochtene Verfügung des
Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Prüfung der Frage der
Aussichtslosigkeit und gegebenenfalls zur Ernennung eines amtlichen
Rechtsbeistandes und zur Festsetzung dessen Entschädigung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden keine Kosten
erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton hat indes den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

6. 
Mit der vorliegenden Kosten- und Entschädigungsregelung wird das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos (BGE 133 I 234 E. 3 S. 248).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, und die Verfügung des Obergerichts
des Kantons Zug vom 1. Juli 2014 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Prüfung
der Frage der Aussichtslosigkeit und gegebenenfalls zur Ernennung eines
amtlichen Rechtsbeistandes sowie zur Festsetzung dessen Entschädigung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Der Kanton Zug hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, II.
Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Dezember 2014
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zbinden

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