Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.556/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_556/2014

Urteil vom 4. März 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Zingg.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Manon Vogel,
Beschwerdeführerin,

gegen

Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
unentgeltliche Rechtspflege (Ehescheidung),

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer,
vom 6. Juni 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ hat in ihrem Scheidungsverfahren am 22. Mai 2014 hinsichtlich der
Unterhaltsbelange Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau erhoben. Darin
hat sie zugleich um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um
Einsetzung ihrer Anwältin als unentgeltliche Rechtsvertreterin ersucht.

 Mit Verfügung vom 6. Juni 2014 hat der Instruktionsrichter am Obergericht das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen und A.________ aufgefordert,
binnen zehn Tagen den Kostenvorschuss von Fr. 4'000.-- zu bezahlen. Bis zur
Zahlung des Vorschusses bleibe das Verfahren eingestellt.

B. 
Am 7. Juli 2014 hat A.________ (Beschwerdeführerin) gegen diese Verfügung
Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Sie verlangt deren
Aufhebung und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren
vor der Vorinstanz sowie die Bestellung ihrer Anwältin zur unentgeltlichen
Rechtsbeiständin. Auf die Erhebung eines Kostenvorschusses im vorinstanzlichen
Verfahren sei zu verzichten. Zudem ersucht sie um aufschiebende Wirkung und mit
separater Eingabe vom selben Tag um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren.

 Nachdem das Obergericht gegen die Gewährung aufschiebender Wirkung keine
Einwände erhoben hat, ist der Beschwerde mit Präsidialverfügung vom 2.
September 2014 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

 In der Sache widersetzt sich das Obergericht in seiner Stellungnahme vom 15.
Dezember 2014 der Beschwerde. Am 23. Dezember 2014 hat die Beschwerdeführerin
repliziert. Zugleich hat sie eine Kostennote für das bundesgerichtliche
Verfahren eingereicht.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen
Instanz (Art. 75 BGG), mit dem die unentgeltliche Rechtspflege für das
Rechtsmittelverfahren verweigert worden ist (zur Ausnahme vom Erfordernis der
double instance vgl. BGE 138 III 41 E. 1.1 S. 42). Das ist ein
Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann
(Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131). Bei
Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380
E. 1.1 S. 382). Dort geht es um Unterhaltsfragen in einem Scheidungsverfahren
und damit um eine vermögensrechtliche Zivilsache im Sinne von Art. 72 ff. BGG,
deren Streitwert Fr. 30'000.-- übersteigt (Art. 74 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 51
Abs. 1 lit. c BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich zulässig.

2. 
Die Vorinstanz hat das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche
Rechtspflege abgewiesen, weil der Anspruch darauf gegenüber der
familienrechtlichen Unterstützungspflicht subsidiär sei. Einem bedürftigen
Ehegatten könne die unentgeltliche Rechtspflege nur bewilligt werden, wenn der
andere Ehegatte nicht in der Lage sei, einen Prozesskostenvorschuss (provisio
ad litem) zu bezahlen. Dies gelte auch dann, wenn - wie hier - zwar der
Scheidungspunkt rechtskräftig sei, das Scheidungsverfahren jedoch in anderen
Punkten weitergehe. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargelegt, dass ein
Prozesskostenvorschuss nicht oder nur mit aussergewöhnlichen Schwierigkeiten
einbringlich wäre. Im Gegenteil sei aufgrund ihrer Berufungsanträge auf
Leistung von Unterhaltsbeiträgen von mindestens Fr. 1'689.-- (bis August 2014)
und Fr. 1'539.-- (ab August 2014) davon auszugehen, dass sie ihren ehemaligen
Ehemann als leistungsfähig erachte.

 In einer Alternativerwägung hat die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege auch mangels Bedürftigkeit verworfen. Ihr monatlicher Überschuss
von Fr. 364.-- reiche, um den Kostenvorschuss und die eigenen Parteikosten
binnen absehbarer Frist zumindest teilweise zu bezahlen. Bezüglich des
Differenzbetrags habe sie sich vorab an ihren ehemaligen Ehemann zu wenden.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie keinen Antrag auf
Leistung eines Prozesskostenvorschusses durch ihren ehemaligen Ehemann gestellt
hat. Sie bestreitet auch nicht, dass der Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege gegenüber den familienrechtlichen Unterstützungspflichten
subsidiär ist (dazu BGE 138 III 672 E. 4.2.1 S. 674 mit Hinweisen). Sie macht
allerdings geltend, sie habe keinen solchen Antrag stellen müssen, da der
Ehemann mittellos sei und dies aus der Berufungsbegründung hervorgehe, womit
sich die Vorinstanz jedoch nicht befasst habe. Ihre Anträge auf nachehelichen
Unterhalt in der Höhe von Fr. 1'689.-- bzw. Fr. 1'539.-- seien sodann nur
eventualiter gestellt worden und beruhten auf der Anrechnung eines
hypothetischen Einkommens, so dass nicht darauf abgestellt werden könne. Soweit
die Vorinstanz eine explizite Ausformulierung verlange, dass der
Prozesskostenvorschuss nicht oder nur mit aussergewöhnlichen Schwierigkeiten
einbringlich wäre, verfalle sie in überspitzten Formalismus. Zudem sei dem
Ehemann vor Bezirksgericht die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden und
es bestehe eine natürliche Vermutung der weiterbestehenden Mittellosigkeit. Sie
habe ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und auch diejenigen des
Ehemannes soweit bekannt dargestellt. Statt ihr Begehren um unentgeltliche
Rechtspflege abzuweisen, hätte das Obergericht aufgrund der richterlichen
Fragepflicht die Beschwerdeführerin zu weiteren Angaben zur fehlenden
Leistungsfähigkeit des Ehemannes auffordern sollen. Dass es dies unterlassen
habe, verletze das rechtliche Gehör.

3.2. Die Beschwerdeführerin hat sich vor der Vorinstanz unbestrittenermassen
zur provisio ad litem nicht geäussert. Weder hat sie einen Antrag auf
Ausrichtung eines Prozesskostenvorschusses gestellt noch hat sie explizit
dargelegt, weshalb sie auf einen solchen Antrag verzichtet. Es braucht an
dieser Stelle nicht allgemein entschieden zu werden, unter welchen
Voraussetzungen eine bedürftige Person allenfalls darauf verzichten kann, einen
Antrag auf Prozesskostenvorschuss zu stellen und stattdessen direkt ein Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege stellen darf. Dabei wäre jedenfalls die
Subsidiarität der unentgeltlichen Rechtspflege zu beachten, die durch ein
solches Vorgehen nicht unterlaufen werden darf. Die Beurteilung, ob eine
provisio ad litem zu sprechen ist, darf mit anderen Worten nicht faktisch einer
antizipierenden Beurteilung durch die gesuchstellende Partei überlassen werden.
Falls ausnahmsweise dennoch aus prozessökonomischen Gründen auf ein Verfahren
auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses verzichtet werden kann, so darf von
einer anwaltlich vertretenen Partei jedenfalls verlangt werden, dass sie im
Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ausdrücklich darlegt,
weshalb darauf nach ihrer Ansicht zu verzichten ist, so dass das Gericht diese
Auffassung vorfrageweise überprüfen kann. Fehlt diese Begründung, kann das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ohne weiteres abgewiesen werden (Urteil
5A_508/2007 vom 3. Juni 2008 E. 5). Es liegt sodann bei Fehlen entsprechender
Ausführungen nicht am ersuchten Gericht, in den Rechtsschriften der ersuchenden
Partei oder in den vorinstanzlichen Urteilen bzw. Akten nach impliziten
Hinweisen und Anhaltspunkten zu suchen, die darauf schliessen lassen könnten,
dass ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nicht besteht. Insbesondere können
solche Hinweise nicht ohne weiteres den Ausführungen in der Berufung zum
Unterhaltsrecht entnommen werden, da in den beiden Bereichen nicht zwingend von
denselben Grundsätzen auszugehen ist (vgl. Urteil 5P.346/2005 vom 15. November
2005 E. 4.4 und 4.5, in: Pra 2006 Nr. 130 S. 892). Entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin liegt kein überspitzter Formalismus vor, wenn eine
ausdrückliche Äusserung zu diesem Thema verlangt wird. Ausserdem hat die
Vorinstanz die richterliche Fragepflicht (Art. 56 ZPO) nicht verletzt. Die
Beschwerdeführerin war vor der Vorinstanz anwaltlich vertreten und die
Fragepflicht dient nicht dazu, prozessuale Nachlässigkeiten auszugleichen
(Urteil 5A_115/2012 vom 20. April 2012 E. 4.5.2). Die von der
Beschwerdeführerin in diesen Zusammenhängen ebenfalls erhobenen Rügen der
Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Willkür haben gegenüber den soeben
behandelten Gesichtspunkten keine eigene Tragweite. Die Beschwerde ist mithin
insoweit unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann.

3.3. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Alternativbegründung des
Obergerichts (fehlende Bedürftigkeit) und die entsprechenden Ausführungen der
Beschwerdeführerin einzugehen.

3.4. Die Beschwerdeführerin äussert sich schliesslich noch kurz zur Höhe des
Gerichtskostenvorschusses und zur Zahlungsfrist. Sie wendet sich dagegen, dass
sie bei einem vom Obergericht berechneten Freibetrag von Fr. 364.-- eine Frist
von nur zehn Tagen angesetzt erhalten habe, um den Gerichtskostenvorschuss von
Fr. 4'000.-- zu bezahlen, wobei sie aus diesem Freibetrag auch noch die
Anwaltskosten von ungefähr Fr. 5'000.-- finanzieren müsse.

 Dem ist entgegenzuhalten, dass mangels Abklärung in einem Verfahren auf
provisio ad litem noch gar nicht feststeht, welchen Anteil die
Beschwerdeführerin selber zu begleichen hat. Zudem hat die Nichteinhaltung der
Zahlungsfrist gemäss der obergerichtlichen Anordnung nicht zur Folge, dass auf
ihre Berufung nicht eingetreten würde (vgl. Art. 101 Abs. 3 ZPO). Vielmehr
bleibt das Verfahren eingestellt. Mit anderen Worten ist der Beschwerdeführerin
damit implizit die Ratenzahlung bewilligt worden, wobei der Prozess erst nach
Begleichung der letzten Rate fortgesetzt wird.

3.5. Die Beschwerde ist somit insgesamt abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen,
war die Beschwerde von Anfang an aussichtslos, so dass ihr Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. März 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zingg

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