Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.529/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_529/2014

Urteil vom 18. Februar 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Schöbi,
Gerichtsschreiber von Roten.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Annegret Lautenbach-Koch,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Werner,
Beschwerdegegner,

C.A.__ ______,
verbeiständet durch den Kindesvertreter Rechtsanwalt Vitus Gmür,
verfahrensbeteiligtes Kind.

Gegenstand
vorsorgliche Massnahmen während des Scheidungsver-fahrens (Obhutszuteilung und
weitere Kindesbelange),

Beschwerde gegen den Beschluss und gegen das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 26. Mai 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.A.________ (Beschwerdeführerin), Jahrgang 1980, und B.A.________
(Beschwerdegegner), Jahrgang 1966, heirateten am 24. August 2004 und wurden
Eltern des Sohnes C.A.________, geboren 2006. Seit dem 14. Oktober 2008 leben
die Parteien getrennt. Auf Gesuch des Beschwerdegegners hin regelte das
Bezirksgericht Zürich das Getrenntleben (Eheschutzverfügung vom 5. Mai 2010).
Im Rahmen des von der Beschwerdeführerin angehobenen Rekursverfahrens schlossen
die Parteien eine Vereinbarung über ihr Getrenntleben, die das Obergericht des
Kantons Zürich mit Beschluss vom 15. Juli 2011 genehmigte. Die
Eheschutzvereinbarung umfasste insbesondere die gemeinsame Obhut der Eltern mit
wöchentlich wechselnder Betreuung des Kindes.

B. 
Mit Eingabe vom 20. Juli 2012 machte der Beschwerdegegner die Scheidungsklage
gegen die Beschwerdeführerin am Bezirksgericht anhängig. Beide Parteien
beantragten vorsorgliche Massnahmen während des Scheidungsverfahrens und in
Abänderung der gerichtlich genehmigten Eheschutzvereinbarung je die Zuteilung
der alleinigen Obhut für das Kind und die Regelung der weiteren Kindesbelange.
Das Bezirksgericht stellte das Kind im Sinne einer vorsorglichen Massnahme mit
Wirkung ab 1. Juni 2013 für die Dauer des Scheidungsverfahrens unter die
alleinige Obhut des Beschwerdegegners und regelte die weiteren Kindesbelange
(Zweitverfügung vom 29. Mai 2013). Die von der Beschwerdeführerin dagegen
eingelegte Berufung blieb erfolglos. Das Obergericht wies ihren Antrag auf
Einholung eines Kurzgutachtens bzw. eines umfassenden Gutachtens bezüglich der
Erziehungsfähigkeit der Parteien und der Obhutszuteilung ab (Dispositiv-Ziff. 2
des Beschlusses vom 26. Mai 2014). Es stellte das Kind im Sinne einer
vorsorglichen Massnahme für die Dauer des Scheidungsverfahrens unter die
alleinige Obhut des Beschwerdegegners und regelte die weiteren Kindesbelange
(Urteil vom 26. Mai 2014).

C. 
Mit Eingabe vom 27. Juni 2014 beantragt die Beschwerdeführerin dem
Bundesgericht zur Hauptsache, ihr Kind für die Dauer des Scheidungsverfahrens
unter ihre alleinige Obhut zu stellen und entsprechend die weiteren
Kindesbelange neu zu regeln, eventualiter die Abänderungsbegehren abzuweisen
und festzuhalten, dass die gerichtlich genehmigte Eheschutzvereinbarung
(gemeinsame Obhut und Wechselmodell) einstweilen weitergelte, und
subeventualiter das obergerichtliche Urteil in den angefochtenen Punkten
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz oder die erste
Instanz zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin stellt weiter den Antrag, Ziff.
2 des obergerichtlichen Beschlusses aufzuheben und bezüglich der
Erziehungsfähigkeit und der Obhutszuteilung ein Kurzgutachten durch D.________,
eventualiter ein umfassendes Gutachten durch den kantonalen
Jugendpsychiatrischen Dienst oder eine ähnliche Institution zu erstellen.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht die Beschwerdeführerin, es sei der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und ihr die unentgeltliche
Rechtspflege (einschliesslich Rechtsvertretung) zu bewilligen. Das Obergericht
hat auf eine Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende Wirkung verzichtet. Der
Beschwerdegegner beantragt, auf das Gesuch sei nicht einzutreten, eventualiter
sei das Gesuch abzuweisen, und es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege
(einschliesslich Rechtsvertretung) zu gewähren. Der im kantonalen Verfahren als
Kindesvertretung bezeichnete Beistand stellt das Gesuch, ihn als
Prozessbeistand, eventualiter als unentgeltlichen Rechtsvertreter für das Kind
im Beschwerdeverfahren zu ernennen. Er schliesst auf Abweisung des Begehrens um
aufschiebende Wirkung. Der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung des
Bundesgerichts hat das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen (Verfügung
vom 17. Juli 2014).
Es sind die kantonalen Akten, in der Sache aber keine Vernehmlassungen
eingeholt worden.

Erwägungen:

1. 
Beschluss und Urteil des Obergerichts betreffen die vorsorgliche Regelung der
elterlichen Obhut und der weiteren Kindesbelange während des
Scheidungsverfahrens und damit eine Zivilsache in einer insgesamt nicht
vermögensrechtlichen Angelegenheit (Art. 72 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 116 II 493 E.
2b S. 495). Sie lauten zum Nachteil der Beschwerdeführerin (Art. 76 Abs. 1 BGG)
und schliessen das Massnahmenverfahren ab (Art. 90 BGG; BGE 134 III 426 E. 2.2
S. 431 f.). Mit der Beschwerde gegen vorsorgliche Massnahmen kann nur die
Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG; BGE 133 III
393 E. 5.1 S. 397). Ihre Vorbringen in der Sache belegt die Beschwerdeführerin
neu mit Bestätigungen vom 2. Juni 2014 und vom 20. Juni 2014
(Beschwerde-Beilagen Nrn. 3 und 4), die nach dem Urteil vom 26. Mai 2014
ausgestellt wurden und als echte Noven im Beschwerdeverfahren nicht
berücksichtigt werden können (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S.
123). Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden.

2. 
Eine willkürliche Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 9 BV) und ihres
verfassungsmässigen Beweisanspruchs (Art. 29 Abs. 2 BV) erblickt die
Beschwerdeführerin darin, dass das Obergericht die von ihr beantragte Einholung
eines (Kurz-) Gutachtens über die Erziehungsfähigkeit der Parteien und über die
Obhutszuteilung abgelehnt habe (S. 13 ff. Ziff. III/C der Beschwerdeschrift).

2.1. Im Kapitel über das Scheidungsverfahren sieht Art. 276 ZPO vor, dass das
Gericht die nötigen vorsorglichen Massnahmen trifft und die Bestimmungen über
die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar sind
(Abs. 1) und dass Massnahmen, die das Eheschutzgericht angeordnet hat, weiter
dauern und für die Aufhebung oder die Änderung das Scheidungsgericht zuständig
ist (Abs. 2). Der Grund für die Änderung der gerichtlich genehmigten
Eheschutzvereinbarung hat darin bestanden, dass die Beschwerdeführerin von
U.________ per 1. Februar 2013 nach V.________ weggezogen ist, was die Ausübung
der gemeinsamen elterlichen Obhut mit wöchentlich wechselnder Betreuung des
Kindes erschwert und die Parteien zu Anträgen je auf Zuteilung der alleinigen
Obhut und Neuregelung der Kindesbelange veranlasst hat (E. III/A S. 13 f. des
angefochtenen Urteils).

2.2. Im Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist Art. 176 Abs. 3 ZGB
sinngemäss anwendbar, wonach das Gericht nach den Bestimmungen über die
Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen trifft, wenn die
Ehegatten minderjährige Kinder haben. Für die hier zur Hauptsache strittige
Zuteilung der Obhut über das Kind hat die Rechtsprechung verschiedene Kriterien
entwickelt. Das Wohl des Kindes hat Vorrang. Zu berücksichtigen sind die
persönlichen Beziehungen zwischen den Eltern und dem Kind, die
Erziehungsfähigkeit der Eltern, die Möglichkeit und Bereitschaft zur
persönlichen Betreuung des Kindes, die Einsicht in die Notwendigkeit von
Kontakten des Kindes zum jeweils anderen Elternteil sowie die Stabilität der
örtlichen und familiären Verhältnisse (BGE 136 I 178 E. 5.3 S. 180 f.; Urteil
5A_972/2013 vom 23. Juni 2014 E. 3, in: FamPra.ch 2014 S. 1025 f.).

2.3. Im Eheschutz- bzw. Massnahmenverfahren geht es darum, möglichst rasch eine
optimale Situation für die Kinder zu schaffen. Langwierige Abklärungen, etwa
durch Gutachten, sollten auch im Streitfall nicht die Regel sein, sondern nur
angeordnet werden, wenn besondere Umstände (z.B. sexueller Missbrauch von
Kindern, Gewalttätigkeiten gegenüber Kindern u.Ä.) vorliegen (Urteile 5P.17/
2003 vom 25. Februar 2003 E. 4.1, und 5P.157/2003 vom 30. Juni 2003 E. 3 und E.
4.4, in: FamPra.ch 2003 S. 704 und S. 952 f.; zuletzt, z.B. Urteil 5A_57/2014
vom 16. Mai 2014 E. 4.6). Soweit das Sachgericht gestützt auf die abgenommenen
Beweismittel bereits seine Überzeugung hat bilden können, verletzt seine
Weigerung, zusätzlich beantragte Beweismittel abzunehmen, weder den
Untersuchungsgrundsatz (Art. 296 Abs. 1 ZPO; BGE 130 III 734 E. 2.2.3 S. 735;
Urteil 5A_505/2013 vom 20. August 2013 E. 5.2.1, in: FamPra.ch 2013 S. 1049 f.)
noch den verfassungsmässigen Beweisanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 140 I 285
E. 6.3.1 S. 299). Gegenüber derart vorweggenommener Beweiswürdigung kann vor
Bundesgericht einzig Willkür gerügt werden (Art. 9 BV; BGE 138 III 374 E. 4.3.2
S. 376).

2.4. Das Obergericht hat zutreffend auf die materiell-rechtlichen Kriterien für
die Obhutszuteilung (E. III/B/b S. 15) und die beweisrechtlichen Grundsätze (E.
III/B/c/1.4.1 S. 18) verwiesen. Es hat die Entscheidgrundlage aufgrund der in
den Akten liegenden Berichte der Beiständinnen, Schreiben der
Betreuungspersonen und Arztberichte sowie der Anhörung des Kindes als genügend
bezeichnet und keine besonderen Umstände im obgenannten Sinne erkennen können,
die die Einholung eines Gutachtens notwendig machten (E. III/B/c/1.4.1 S. 18
f.). Derartige Umstände vermag auch die Beschwerdeführerin nicht zu benennen,
und ihr Vorwurf, dass zwei Gefährdungsmeldungen vollständig ausgeblendet
würden, ist unberechtigt. Denn das Obergericht hat ausführlich dargelegt,
weshalb die beiden Gefährdungsmeldungen keine abweichende Beurteilung
nahelegten (E. III/B/c/1.4.1 S. 19 ff. des angefochtenen Beschlusses). Mit der
daherigen Würdigung über mehrerer Seiten hinweg setzt sich die
Beschwerdeführerin nicht ansatzweise auseinander. Gegen die vorweggenommene
Beweiswürdigung, dass die tatsächliche Entscheidungsgrundlage ausreichend sei,
vermag sie auch nicht mit dem Hinweis aufzukommen, die Einholung eines
Kurzgutachtens hätte nur wenig Zeit in Anspruch genommen.

2.5. Insgesamt verletzt die obergerichtliche Ablehnung einer Begutachtung im
Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen während des Scheidungsverfahrens
kein Bundesrecht. Soweit sie sich gegen den daherigen Beschluss des
Obergerichts richtet, muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf
einzutreten ist.

3. 
Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass das Obergericht die erkannten Defizite
in der Erziehungsfähigkeit des Beschwerdegegners bei der Obhutszuteilung nicht
berücksichtigt und auch nicht abgeklärt habe (S. 8 ff. Ziff. III/A/1 der
Beschwerdeschrift).

3.1. Das Obergericht ist von der grundsätzlichen Erziehungsfähigkeit beider
Elternteile ausgegangen, obwohl beidseitig gewisse Defizite auszumachen seien
(E. III/B/c/1.4.3 S. 23). Im Einzelnen hat das Obergericht festgehalten, dass
sich die Parteien gegenseitig schlechte Verhaltensweisen zuschrieben, dass aber
konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Beziehung oder ein
pflichtwidriges Verhalten - vor allem Gewalttätigkeiten - gegenüber dem Sohn
und damit für eine ernsthafte Einschränkung der Erziehungsfähigkeit bei beiden
Parteien nicht zu erkennen seien. Hinsichtlich der Kommunikations- und
Kooperationsfähigkeit hätten beide Parteien ihre Schwierigkeiten und
insbesondere einen Kommunikationsstil, der zu Konflikten Anlass geben könne.
Vor den Sommerferien 2012 sei es zu einem grösseren Streit zwischen dem
Beschwerdegegner und den Kindergärtnerinnen und zu einer Sitzung der Parteien
beim Schulleiter gekommen. Der Beschwerdegegner habe sich seither mit
Schulkontakten zurückgehalten und sei bei Problemen vereinbarungsgemäss direkt
an den Schulleiter gelangt, was gut geklappt habe. Die Beiständin, der
Schulleiter und die Kindergärtnerin hätten bestätigt, dass die Kommunikation
immer gewährleistet gewesen sei und sich verbessert habe, auch wenn sie nach
wie vor nicht optimal gewesen sei. Das Obergericht hat die Akten dahin gehend
gewürdigt, dass sich das Verhalten des Beschwerdegegners verbessert habe. Der
Beschwerdegegner scheine sich zu bemühen. Er sei zwar Fördermassnahmen oder
medizinischen Behandlungen des Kindes gegenüber - im Vergleich zur
Beschwerdeführerin - eher kritisch eingestellt, habe aber zu den notwendigen
Abklärungen betreffend die Gesundheit des Kindes Hand geboten. Der Wechsel vom
Kindergarten in die Schule dürfte zudem eine Ablösung von der vorbelasteten
Situation und die Chance auf einen Neuanfang mit der Lehrerin des Kindes
bringen. Deren Einschätzung der Parteien gehe dahin, dass sie sich beide sehr
bemühten und das Gespräch mit ihr aufnehmen würden (E. III/B/c/1.4.2 S. 21 ff.
des angefochtenen Urteils).

3.2. Was das Kindeswohl mehr gebietet, als dass Eltern sich ihrer Schwächen in
der Erziehungsfähigkeit bewusst sind und sich um Besserung bemühen, vermag die
Beschwerdeführerin nicht darzutun. Sie beharrt auf der mangelhaften
Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit des Beschwerdegegners und vergisst
ihre eigenen Defizite gleichen Inhalts. Sie hebt Vorkommnisse aus der
Vergangenheit hervor, zeigt aber nicht auf, inwiefern die obergerichtliche
Würdigung der Bemühungen und Fortschritte des Beschwerdegegners und seines
aktuellen Verhaltens willkürlich sein soll. Entgegen ihrer Darstellung hat das
Obergericht keine Anhaltspunkte feststellen können, die Zweifel an der
Erziehungsfähigkeit des Beschwerdegegners oder beider Parteien begründet
hätten. Ihr Hinweis auf das Urteil 5A_157/2012 vom 23. Juli 2012 hilft nicht
weiter, da im dort beurteilten - im Gegensatz zum vorliegenden - Fall die
Erziehungsfähigkeit des Ehemannes "erheblich eingeschränkt" war (E. 3.2, in:
FamPra.ch 2012 S. 1097 f.) und "gegenüber dessen Erziehungsfähigkeit grösste
Bedenken" bestanden haben (E. 3.3, in: FamPra.ch 2012 S. 1098). Vergleichbare
rechtliche Beurteilungen lässt das obergerichtliche Beweisergebnis unter
Willkürgesichtspunkten nicht zu.

3.3. Aufgrund der Vorbringen der Beschwerdeführerin bleibt es insgesamt bei der
obergerichtlichen Würdigung, dass die Erziehungsfähigkeit beider Parteien
anzuerkennen ist.

4. 
Mit Bezug auf die persönliche Betreuung des Kindes wendet die
Beschwerdeführerin ein, ausser Betracht sei geblieben, dass der
Beschwerdegegner seine Arbeitstätigkeit künftig ausdehnen werden müsse (S. 10
f. Ziff. III/A/2), während sie selber ihr Arbeitspensum auf 60 % reduzieren
werde (S. 12 Ziff. III/B/2 der Beschwerdeschrift).

4.1. Persönliche Betreuung des Kindes bedarf der zeitlichen Verfügbarkeit. Das
Obergericht hat darauf hingewiesen und festgehalten, dass die
Beschwerdeführerin aufforderungsgemäss den Arbeitsvertrag vom 19. Juni 2013
eingereicht habe, dem eine Anstellung zu einem 100 %-Pensum zu entnehmen sei.
Dass sie nach Ablauf der Probezeit ihre Erwerbstätigkeit auf ein Teilpensum
reduzieren könne, habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht (E. III/B
/c/2.4 S. 24 des angefochtenen Urteils). Vor Bundesgericht versucht die
Beschwerdeführerin, mit einer Bestätigung ihres Arbeitgebers
(Beschwerde-Beilage Nr. 3) das Gegenteil zu belegen. Entgegen ihrer Darstellung
war ihre zeitliche Verfügbarkeit für die persönliche Betreuung des Kindes
indessen Gegenstand des kantonalen Verfahrens, so dass neue Vorbringen vor
Bundesgericht ausgeschlossen sind (Art. 99 Abs. 1 BGG). Abgesehen davon handelt
es sich bei der eingereichten Bestätigung als Beweismittel um ein echtes Novum,
das ungeachtet des Ausnahmetatbestands in Art. 99 Abs. 1 BGG zur Begründung der
Sachvorbringen unzulässig ist (E. 1).

4.2. Zur persönlichen Betreuung des Kindes durch den Vater hat das Obergericht
festgestellt, der Beschwerdegegner sei derzeit in keiner festen Anstellung
tätig. Er arbeite als Hilfskraft auf Abruf und werde ergänzend vom Sozialamt
unterstützt, ohne dass konkrete Anzeichen dafür bestünden, dass er in naher
Zukunft eine Vollzeitstelle antreten könne (E. III/B/c/2.4 S. 25 des
angefochtenen Urteils). Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht vor, es
habe auf die vorübergehenden Verhältnisse abgestellt und nicht berücksichtigt,
dass der Beschwerdegegner sein Arbeitspensum werde ausbauen müssen, um
Kürzungen der ihm momentan noch gewährten wirtschaftlichen Hilfe zu vermeiden.
Willkür vermag sie damit nicht darzutun. Denn zum einen haben vorsorgliche
Massnahmen während des Scheidungsverfahrens begriffsnotwendig eine beschränkte
Geltungsdauer, so dass es genügt, auf die aktuellen Verhältnisse und die
Entwicklung in naher Zukunft abzustellen, wie es das Obergericht getan hat. Zum
anderen wird das Kind in gut einem Jahr ein Alter erreicht haben, das es dem
betreuenden Beschwerdegegner gestattet, eine regelmässige teilzeitliche
Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. BGE 115 II 6 E. 3c S. 10; 137 III 102 E.
4.2.2.2 S. 109).

4.3. Insgesamt erweist sich die obergerichtliche Beurteilung nicht als
willkürlich, der Beschwerdegegner gewährleiste die persönliche Betreuung des
Kindes nach Schulschluss besser, als die Beschwerdeführerin es könne.

5. 
Was die Stabilität der Verhältnisse angeht, wirft die Beschwerdeführerin dem
Obergericht vor, es sei nicht geprüft worden, welche Auswirkungen der Wechsel
der Schule bzw. der Klasse auf das Kindeswohl habe (S. 11 Ziff. III/A/3).
Entgegen den Zweifeln des Obergerichts werde sie ihren Lebensmittelpunkt in
Zürich beibehalten (S. 12 f. Ziff. III/B/3 der Beschwerdeschrift).

5.1. Der erste Vorwurf der Beschwerdeführerin ist unberechtigt und belegt keine
Verfassungsverletzung. Das Obergericht hat festgehalten, anlässlich der
Kindesanhörung sei klar zum Ausdruck gekommen, dass der (weite) Schulweg vom
Wohnort der Beschwerdeführerin das Kind belaste und dass das Kind weiterhin in
U.________ zur Schule gehen möchte, wo es seine Freunde habe. Nichts Anderes
gehe aus den Angaben der Lehrerin hervor, die besagten, dass das Kind in die
Klasse integriert sei und der ständige Wechsel sowie der weite Schulweg für das
Kind belastend seien. Das Obergericht hat daraus geschlossen, es sei davon
abzusehen, das Kind aus seinem gewohnten Umfeld herauszureissen, habe sich doch
der Alltag des Kindes bisher, trotz der abwechselnden Betreuung durch die
Parteien, stets in der gleichen und vertrauten Umgebung, im gleichen Hort und
mit den gleichen Freunden abgespielt, was eine ohnehin rare Konstanz in seinem
Leben geboten habe (E. III/B/c/3.4 S. 28 des angefochtenen Urteils). Das
Obergericht hat die Frage somit geprüft und die Gründe genannt, namentlich die
Verwurzelung am Schulort hervorgehoben, die gegen einen Wechsel im örtlichen
und sozialen Umfeld des Kindes sprechen.

5.2. Mit Bezug auf die behauptete Gefahr, die Beschwerdeführerin könnte ins
Tessin ziehen, hat das Obergericht festgehalten, dafür bestünden keine genügend
konkreten Anhaltspunkte. Es könne zwar nicht bezweifelt werden, dass die
Beschwerdeführerin gemäss ihren eigenen Ausführungen zuerst überlegt habe, ins
Tessin zu ziehen, diesen Gedanken aber wieder verworfen habe. Ihr Lebenspartner
plane, sich in die Deutschschweiz versetzen zu lassen (E. III/B/c/3.4 S. 29 f.
des angefochtenen Urteils). Das Obergericht hat somit - entgegen ihrer
Behauptung - keine für die Beschwerdeführerin nachteiligen Feststellungen zu
ihrem künftigen Lebensmittelpunkt getroffen. Ihr vor Bundesgericht neu
eingereichtes Beweismittel (Beschwerde-Beilage Nr. 4), das als echtes neues
Vorbringen ohnehin unzulässig ist (E. 1), belegt Unbestrittenes und ist deshalb
nicht zu berücksichtigen (BGE 132 III 545 E. 3.3.2 S. 548). Nicht am künftigen
Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin hat das Obergericht gezweifelt,
sondern an der Kontinuität ihrer Umgebung. Es hat festgestellt, die
Beschwerdeführerin plane die Familiengründung mit ihrem Lebenspartner, ihre
Wohnung in V.________ sei aber für maximal drei Personen vermietet, so dass es
als fraglich erscheine, ob die Beschwerdeführerin nach dem Wechsel ihres
Lebenspartners in die Deutschschweiz in der Wohnung in V.________ wohnen
bleiben werde (E. III/B/c/3.4 S. 30 des angefochtenen Urteils). Diese Zweifel
versucht die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht auszuräumen.

5.3. Die obergerichtliche Folgerung, eine Obhutszuteilung an den
Beschwerdegegner biete bessere Gewähr für die Stabilität des örtlichen und
sozialen Umfelds des Kindes, kann aufgrund der Vorbringen der
Beschwerdeführerin nicht beanstandet werden.

6. 
Als Fazit hat das Obergericht festgehalten, die Kriterien Erziehungsfähigkeit,
persönliche Betreuung sowie Stabilität und Kontinuität der Verhältnisse
sprächen für die Obhutszuteilung an den Beschwerdegegner. Vor dem Hintergrund
des Kindeswohls dürfe zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass gemäss
Aussagen des Schulleiters gegenüber den Beiständinnen des Kindes die
erstinstanzliche Obhutszuteilung an den Beschwerdegegner beim Kind eine grosse
Entspannung ausgelöst habe und es damals noch im Kindergarten umgehend besser
gelaufen sei (E. III/B/d S. 31 des angefochtenen Urteils). Aus den hiervor
dargelegten Gründen (E. 3-5) kann die Zuteilung der Obhut für das Kind an den
Beschwerdegegner im Rahmen vorsorglicher Massnahmen während des
Scheidungsverfahrens unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht,
insbesondere nicht als willkürlich beanstandet werden (Art. 9 BV; vgl. zum
Begriff der Willkür: BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f. und 264 E. 2.3 S. 266).

7. 
Gegenüber der Abweisung ihres Eventualantrags auf Beibehaltung der gemeinsamen
Obhut und des bisher praktizierten Wechselmodells rügt die Beschwerdeführerin,
das Obergericht habe das am 1. Juli 2014 in Kraft getretene neue Recht nicht in
seine Überlegungen miteinbezogen. Durch die unterlassene Prüfung, ob die
Beibehaltung des Wechselmodells für die Dauer des Scheidungsprozesses dem Wohl
des Kindes am besten diene, habe das Obergericht das verfassungsmässige Recht
auf Schutz des Familienlebens verletzt (S. 12 Ziff. III/A/3.5 und S. 15 Ziff.
III/D der Beschwerdeschrift). Die Rüge erweist sich als unbegründet. Das
Bundesgericht hat kürzlich im Urteil 5A_92/2014 vom 23. Juli 2014 für die auf
den 1. Juli 2014 in Kraft getretene Revision des Sorgerechts (AS 2014 357 ff.)
festgehalten, dass das Bundesgericht nach bisherigem Recht entscheidet, wenn
der angefochtene Entscheid - wie hier am 26. Mai 2014 - vor dem 1. Juli 2014
ergangen ist (E. 2.1) und dass die ZGB-Revision von 2013/14 betreffend die
elterliche Sorge eine grundsätzliche Änderung des Systems bedeutet und deshalb
vom Obergericht bei der Auslegung des bisherigen Rechts auch nicht im Sinne
einer Vorwirkung berücksichtigt werden musste (E. 2.3). Die Rüge der
Beschwerdeführerin erweist sich als unbegründet, und ihr vor Bundesgericht
erneuerter Eventualantrag muss abgewiesen werden.

8. 
Insgesamt muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist.
Mit Bezug auf die Verlegung der Gerichtskosten und Parteientschädigungen sowie
die allerseits gestellten Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege ergibt sich
Folgendes:

8.1. Die unterliegende Beschwerdeführerin wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG). Sie hat dem Beschwerdegegner für seine Stellungnahme zum antragsgemäss
abgewiesenen Gesuch um aufschiebende Wirkungeine Parteientschädigung zu
bezahlen (Art. 68 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann
entsprochen werden, da die Bedürftigkeit ausgewiesen (Beschwerde-Beilagen Nrn.
5 und 6), von fehlenden Erfolgsaussichten nicht auszugehen und die anwaltliche
Vertretung geboten ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege befreit nicht von der Bezahlung der
Parteientschädigung (BGE 122 I 322 E. 2c S. 324 f.).

8.2. Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege ist
gegenstandslos geworden, soweit es die Befreiung von den Gerichtskosten
betrifft, hingegen nicht, was die Bestellung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands angeht. Zwar wird dem im Zwischenverfahren betreffend
aufschiebende Wirkung obsiegenden Beschwerdegegner eine Parteientschädigung
zugesprochen. Falls diese sich aber als uneinbringlich erweisen sollte, wäre
der unentgeltliche Rechtsbeistand aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen
(Art. 64 Abs. 2 BGG; BGE 122 I 322 E. 3d S. 326 f.). Von Uneinbringlichkeit ist
auszugehen, da der Beschwerdeführerin selber die unentgeltliche Rechtspflege
gewährt wird. Deren Voraussetzungen sind auch auf Seiten des Beschwerdegegners
erfüllt (vgl. zur Bedürftigkeit: Gesuchs-Beilagen Nrn. 5 bis 11), so dass
seinem Gesuch zu entsprechen ist.

8.3. Der im kantonalen Verfahren als Kindesvertretung bezeichnete Beistand
ersucht um Bezeichnung als Rechtsvertreter des Kindes im bundesgerichtlichen
Verfahren. Es fehlt dafür die Gesetzesgrundlage, da die Vertretung des Kindes
in Art. 299 f. ZPO geregelt ist, die Schweizerische Zivilprozessordnung nur das
Verfahren vor den kantonalen Instanzen regelt (Art. 1 ZPO) und das
Bundesgerichtsgesetz eine entsprechende Regelung nicht vorsieht (Urteil 5A_768/
2011 vom 23. Februar 2012 E. 1.5). Eine erneute Bezeichnung des Beistands als
Kindesvertretung ist aber auch nicht notwendig. Der im kantonalen Verfahren
bezeichnete Beistand handelt unabhängig von Behörden und Gericht aus eigenem
Recht für das Kind (Urteil 5P.84/2006 vom 3. Mai 2006 E. 3.4, in: ZBJV 143/2007
S. 612 f.) auch im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren (Art. 40 BGG). Er
hat im Zwischenverfahren betreffend aufschiebende Wirkung eine Stellungnahme
eingereicht und mit seinem Abweisungsantrag obsiegt. Es steht ihm dafür eine
Parteientschädigung zu (Urteile 5P.10/2002 vom 16. Juli 2002 E. 4, 5P.83/2006
vom 3. Mai 2006 E. 5 und 5A_271/2009 vom 29. Juni 2009 E. 11). Da die
Parteientschädigung bei der Beschwerdeführerin indessen als uneinbringlich
erscheint, ist dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu entsprechen. Deren
Voraussetzung sind auf Seiten des minderjährigen Kindes erfüllt (Art. 64 Abs. 1
BGG), und es ist ihm der gerichtlich bestellte Kindesvertreter als
unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen (Art. 64 Abs. 2 BGG; Urteil [5]
P.403/1984 vom 24. Juli 1984 E. 5, nicht veröffentlicht in BGE 110 Ia 87).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gesuche der Beschwerdeführerin, des Beschwerdegegners und des
verfahrensbeteiligten Kindes um unentgeltliche Rechtspflege werden
gutgeheissen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden sind.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.

4.1. Rechtsanwältin Annegret Lautenbach-Koch wird der Beschwerdeführerin als
unentgeltliche Anwältin bestellt, und es wird ihr für das Beschwerdeverfahren
aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.

4.2. Rechtsanwalt Markus Werner wird dem Beschwerdegegner als unentgeltlicher
Anwalt bestellt, und es wird ihm für das Zwischenverfahren betreffend
aufschiebende Wirkung aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr.
500.-- ausgerichtet.

4.3. Rechtsanwalt Vitus Gmür wird dem verfahrensbeteiligten Kind als
unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt, und es wird ihm für das
Zwischenverfahren betreffend aufschiebende Wirkung aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 500.-- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons
Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Februar 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: von Roten

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