Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.523/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_523/2014

Urteil vom 13. Januar 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
Gerichtsschreiber Zingg.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Lämmli,
Beschwerdeführer,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Späti,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ehescheidung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom
27. Mai 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.A.________ und B.A.________ heirateten 1952. Seit 2008 ist ihr
Scheidungsverfahren hängig.
Das Kantonsgericht Schaffhausen schied die Ehe der Parteien mit Urteil vom 5.
Juni 2012. A.A.________ wurde verpflichtet, B.A.________ in Abgeltung ihrer
güterrechtlichen Ansprüche Fr. 240'293.90 zu bezahlen. Die Verfahrenskosten
wurden zu drei Vierteln A.A.________ und zu einem Viertel B.A.________
auferlegt und A.A.________ wurde verpflichtet, B.A.________ mit Fr. 4'000.--
(entsprechend der Hälfte ihrer Anwaltsrechnung) zu entschädigen.

B. 
Gegen dieses Urteil erhob A.A.________ am 11. Juli 2012 Berufung an das
Obergericht des Kantons Schaffhausen. Er verlangte die Aufhebung der
Verurteilung zur güterrechtlichen Zahlung und der Gerichtskostenauflage sowie
der Verpflichtung zur Bezahlung der Prozessentschädigung. Er sei zu
verpflichten, B.A.________ in Abgeltung ihrer güterrechtlichen Ansprüche Fr.
90'078.20 zu bezahlen. Mit Entscheid vom 27. Mai 2014 wies das Obergericht die
Berufung ab (Besetzung: C.________, Vizepräsident, D.________ und E.________,
Oberrichterinnen, F.________, Gerichtsschreiberin).

C. 
Am 26. Juni 2014 (Postaufgabe) hat A.A.________ (Beschwerdeführer) Beschwerde
in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, den Entscheid des
Obergerichts aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, die Sache neu zu
beurteilen, unter Ausschluss von Oberrichter C.________ und der
Oberrichterinnen D.________ und E.________. Zudem ersucht er um aufschiebende
Wirkung. Er rügt die Gerichtszusammensetzung und die Berechnung der
güterrechtlichen Ersatzforderung.
Das Obergericht hat am 2. Juli 2014 auf Stellungnahme zum Gesuch um
aufschiebende Wirkung verzichtet. B.A.________ (Beschwerdegegnerin) hat sich
dem Gesuch am 4. Juli 2014 widersetzt. Mit Präsidialverfügung vom 8. Juli 2014
hat das Bundesgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen. In der Sache hat das Obergericht
bereits in der Eingabe vom 2. Juli 2014 zur Rüge der fehlerhaften
Gerichtszusammensetzung Stellung genommen. Im Übrigen hat es mit Eingabe vom
29. September 2014 auf Stellungnahme verzichtet und auf die Erwägungen im
angefochtenen Entscheid verwiesen. In ihrer Beschwerdeantwort vom 7. Oktober
2014 beantragt die Beschwerdegegnerin, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich zulässig (Art. 72 Abs. 1, Art.
74 Abs. 1 lit. b, Art. 75, Art. 76, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG). Zwar enthält
die Beschwerde keinen materiellen Antrag in der Sache, wie dies grundsätzlich
erforderlich wäre (Art. 42 Abs. 1 BGG), sondern bloss einen Aufhebungs- und
Rückweisungsantrag. Der Beschwerdeführer rügt jedoch in erster Linie die
unrichtige Zusammensetzung des Spruchkörpers (Art. 30 Abs. 1 BV), so dass
aufgrund der formellen Natur der Rüge bei ihrer Begründetheit eine Rückweisung
erfolgen müsste und das Bundesgericht nicht selber in der Sache urteilen
könnte. Insoweit ist der blosse Rückweisungsantrag demnach ausnahmsweise
zulässig (BGE 133 III 489 E. 3.1 S. 489 f.).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid sei gemäss Rubrum
unter Mitwirkung von Gerichtsschreiberin F.________ gefällt worden. Der
Entscheid sei unleserlich "i.V." unterschrieben worden. F.________ sei jedoch
zum Urteilszeitpunkt (27. Mai 2014) gar nicht mehr am Obergericht tätig
gewesen, sondern nur bis Ende April 2014. Sie habe deshalb am Entscheid nicht
selber mitwirken können und da sie nicht mehr am Obergericht tätig gewesen sei,
habe auch niemand in ihrer Vertretung unterschreiben können. Damit sei sein
Anspruch auf ein gesetzliches Gericht (Art. 30 Abs. 1 BV) verletzt worden.
Das Obergericht hat in seiner Eingabe vom 2. Juli 2014 diesen Sachverhalt
grundsätzlich bestätigt und Folgendes ergänzt: Das Urteil basiere auf einem
Referat (vollständiger Urteilsentwurf) von Gerichtsschreiberin F.________ vom
16. April 2014, die bis Ende April am Obergericht angestellt gewesen sei.
Dieser Entwurf habe anschliessend bei der zuständigen Gerichtsbesetzung
zirkuliert, wobei sich der Vorsitzende (Oberrichter C.________) und die
beisitzenden Richterinnen (Oberrichterinnen D.________ und E.________) mit dem
Urteilsantrag ohne Gegenbemerkungen oder Abänderungsanträge am 22. April, 6.
Mai und 20. Mai 2014 einverstanden erklärt hätten. Nach der Zirkulation sei der
Urteilsantrag wie üblich ohne weitere Beratung und ohne materielle Änderungen
zum Urteil erhoben und auf den 27. Mai 2014 datiert worden, wobei das Urteil
vom Vorsitzenden und anstelle von F.________ durch die a.o. Gerichtsschreiberin
G.________ unterschrieben worden sei.

2.2. Nach Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen
Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes,
zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Art. 30 Abs. 1 BV
gewährleistet insbesondere die gehörige Besetzung des Gerichts nach den
geltenden Vorschriften. Das Gericht muss richtig zusammengesetzt sein und in
vollständiger Besetzung und ohne Mitwirkung Unbefugter entscheiden (BGE 137 I
340 E. 2.2.1 S. 342; 129 V 196 E. 4.1 S. 198; 127 I 128 E. 4b S. 131; 125 V 499
E. 2a S. 501; GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St.
Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 12 zu Art. 30 BV). Der Anspruch auf ein auf
Gesetz beruhendes Gericht ist namentlich verletzt, wenn ein Richter nach Ablauf
seiner Amtszeit an einem Entscheid mitwirkt (BGE 136 I 207 E. 5.6 S. 218;
Urteile 1C_235/2008 vom 13. Mai 2009 E. 3.2.1; 2A.575/2005 vom 17. Januar 2006
E. 2.1.3). Nach der Rechtsprechung sind die Garantien von Art. 30 Abs. 1 BV
auch auf die Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber einer richterlichen
Behörde anwendbar, sofern sie an der Willensbildung des Spruchkörpers
mitwirken. Dies ist der Fall, wenn sie im Hinblick auf ihre Redaktionstätigkeit
an der Beratung teilnehmen und ihre Auffassung äussern können, weil sie so,
auch wenn sie nicht stimmberechtigt sind, unter Umständen auf den Entscheid des
Gerichts Einfluss nehmen können (BGE 125 V 499 E. 2b S. 501; 124 I 255 E. 4c S.
262; Urteile 4P.35/2006 vom 24. März 2006 E. 2.3, in: Pra 2007 Nr. 14 S. 81;
9C_836/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 4.1). Dies trifft gemäss Art. 51 Abs. 1 des
Schaffhauser Justizgesetzes vom 9. November 2009 (SHR 173.200) zu, denn die
Gerichtsschreiber und -schreiberinnen wirken danach bei der Instruktion und
Entscheidfindung mit und haben beratende Stimme.
Gerichtsschreiberin F.________ hat das Referat zwar noch zur Zeit ihrer
Anstellung verfasst und insoweit zu diesem Zeitpunkt ihre beratende Stimme
ausgeübt. Allerdings kommt es für die Frage der ordnungsgemässen Besetzung
nicht auf den Zeitpunkt an, in dem ein Urteilsvorschlag verfasst oder die
Zustimmung zu einem solchen erteilt wird, sondern einzig auf denjenigen
Zeitpunkt, in dem das Urteil gefällt wird (Urteil 6B_113/2010 vom 22. März 2010
E. 1.3; vgl. auch Urteil 9C_185/2009 vom 19. August 2009 E. 2.1.5, in: Plädoyer
2009 6 S. 62). Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass der zeitliche und
organisatorische Ablauf der internen Entscheidfindung für die Parteien nicht
ersichtlich ist. Demgegenüber kann etwa mithilfe des Staatskalenders
kontrolliert werden, ob die Gerichtspersonen zum Urteilszeitpunkt berechtigt
sind, an der Entscheidfindung mitzuwirken. Der angefochtene Entscheid ist somit
aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei besteht
allerdings kein Anlass, die am angefochtenen Entscheid beteiligten Richter und
Richterinnen im Vorfeld für befangen zu erklären. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens erübrigt es sich, auf die das Güterrecht betreffenden Rügen des
Beschwerdeführers einzugehen.

3. 
Es rechtfertigt sich, ausnahmsweise au f die Erhebung von Gerichtskosten zu
verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat den
Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Schaffhausen vom 27. Mai 2014 wird aufgehoben. Die Sache wird an das
Obergericht zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit Fr. 1'000.-- zu
entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Januar 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zingg

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