Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.447/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_447/2014

Urteil vom 12. Januar 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Brändli,
Beschwerdeführer,

gegen

1. C.________,
2. D.________,
3. E.E.________,
4. F.E.________,
5. G.________,
6. H.________,
7. I.________,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Koller,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Ausschluss aus der Miteigentümergemeinschaft,

Beschwerde gegen das Urteil und den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, vom 17. April 2014.

Sachverhalt:

A. 
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 11. Dezember 2007 verkauften J.________
und die K.________ AG einen Miteigentumsanteil von 102/1000 an der Liegenschaft
Kat. Nr. xxxx in U.________ an B.A.________ und A.A.________ (nachfolgend
Ehepaar A.________). Anstelle des bisherigen Wohnhauses sollte ein
Mehrfamilienhaus mit neun Eigentumswohnungen erstellt werden. Das Ehepaar
A.________ schloss zu diesem Zweck mit der L.________ AG als Totalunternehmerin
einen Werkvertrag ab, welcher ebenfalls am 11. Dezember 2007 unterzeichnet
wurde. Inhalt war die Erstellung einer 3½-Zimmer-Garten-Wohnung mit Keller und
Waschküche und einem Autoeinstellplatz. Im Kaufvertrag findet sich der Passus,
dass nach Angaben der Parteien beabsichtigt sei, an der gemeinschaftlichen
Liegenschaft Stockwerkeigentum zu begründen. Der Vertrag der Miteigentümer über
die Ausgestaltung ihrer Anteile zu Stockwerkeigentum wurde allerdings nie
unterzeichnet.
M.________ und N.________ sind weitere Miteigentümer, welche mit der L.________
AG einen Werkvertrag über die Erstellung einer 4½-Zimmer-Wohnung abschlossen.
In der Folge stritten sich die Miteigentümer über die Berechnungsmethode für
die Wertquoten der zu erstellenden Liegenschaft und warfen sich dabei
gegenseitig streitsüchtiges, unverträgliches und strafrechtlich relevantes
Verhalten vor.
An der Miteigentümerversammlung vom 10. Februar 2010 (wie auch an derjenigen
vom 13. April 2011) beschlossen die übrigen Miteigentümer, welche insgesamt
rund 78 % der Miteigentumsanteile halten, das Ehepaar A.________ sowie
M.________ und N.________ durch gerichtliches Urteil im Sinn von Art. 649b Abs.
1 ZGB aus der Miteigentümergemeinschaft ausschliessen zu lassen.
Ab dem 20. Januar 2010 waren die Wohnungen der neu erstellten Baute fertig und
sie wurden in der Folge von den Miteigentümern bezogen.

B. 
Mit Klage vom 1. April 2010 verlangten die übrigen Miteigentümer, das Ehepaar
A.________ sowie M.________und N.________ seien unter Androhung von Art. 292
StGB zu verpflichten, ihrer vertraglichen Verpflichtung aus dem Kaufvertrag
sowie Werkvertrag vom 11. Dezember 2007 nachzukommen und ihre Erklärung zur
Begründung von Stockwerkeigentum an der V.________strasse yyyy, gemäss den von
der L.________ AG beim Notariat Grundbuch- und Konkursamt U.________
hinterlegten Verträgen und Plänen schriftlich abzugeben (Ziff. 1 und 2), und
sie seien gestützt auf Art. 649b ZGB aus der Miteigentümergemeinschaft bzw. im
Fall der zwischenzeitlichen Begründung des Stockwerkeigentums aus der
Stockwerkeigentümergemeinschaft auszuschliessen und es sei ihnen unter
Androhung von Art. 292 StGB zu verbieten, nach der Veräusserung ihrer
Miteigentümeranteile bzw. ihrer Stockwerkeinheiten diese weiterhin zu benutzen
(Ziff. 3 und 4).
Mit Urteil vom 27. August 2012 schloss das Bezirksgericht Zürich das Ehepaar
A.________ sowie M.________ und N.________ aus der Miteigentümergemeinschaft
aus, unter Verpflichtung zur Veräusserung der Miteigentumsanteile innert vier
Monaten und unter Androhung der öffentlichen Versteigerung bei Säumnis.
Mit Urteil vom 17. April 2014 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Klage
auf Ausschluss von M.________ und N.________ in teilweiser Gutheissung der
Hauptberufung ab. Sodann wies es die Verpflichtung des Ehepaars A.________ und
von M.________ sowie N.________ zur Begründung von Stockwerkeigentum in
Abweisung der Anschlussberufung der übrigen Miteigentümer ab. Weiter beschloss
es, die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung über die
Klage auf Ausschluss des Ehepaars A.________ an das Bezirksgericht
zurückzuweisen. Dabei erwog das Obergericht zusammengefasst, dass lediglich
Miteigentum, nicht Stockwerkeigentum verkauft worden sei und mangels eines
Rechtsgrundausweises keine Verpflichtung zur Begründung von Stockwerkeigentum
bestehe, weil lediglich ein jederzeit frei widerruflicher Auftrag an die
L.________ AG bestanden habe, Stockwerkeigentum zu begründen und zu vollziehen.
Was das Ausschlussbegehren anbelange, so hätten sich M.________ und N.________
selbst nichts zu Schulden kommen lassen. Das blosse Fernbleiben von den
Versammlungen und das wohlwollende Dulden des Verhaltens von A.A.________
rechtfertige keinen Ausschluss aus der Gemeinschaft. Anders gestalte sich die
Behauptungslage für das Ehepaar A.________, welchem diverse Pflichtverletzungen
gegenüber der Gemeinschaft und der Verwaltung vorgeworfen worden seien, welche
in ihrer Gesamtheit einen Ausschluss gegebenenfalls zu rechtfertigen
vermöchten. Das Bezirksgericht sei jedoch vom Beweismass der Glaubhaftmachung
ausgegangen, wenn es die Qualifizierung verschiedener Verstösse offenlasse und
bei gewissen Vorgehensweisen festhalte, auch wenn kein strikter Beweis erbracht
werden könne, so würden doch die Indizien in die betreffende Richtung deuten.
Die Rüge der Beklagten, es sei nicht strikter Beweis verlangt worden, sei
begründet, aber auch das Vorbringen der klägerischen Miteigentümer, sie hätten
Anspruch auf beweismässige Abklärung der geltend gemachten Verstösse, sei
berechtigt.

C. 
Gegen den Rückweisungsbeschluss des Obergerichts hat das Ehepaar A.________ am
26. Mai 2014 eine Beschwerde erhoben mit dem Begehren auf Abweisung der
Ausschlussklage. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Beschluss in einer den
Mindeststreitwert von Fr. 30'000.-- übersteigenden Zivilrechtsstreitigkeit
(Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 75 Abs. 1 ZGB), mit welchem die
Sache zur Beweisführung und neuen Entscheidung an das Bezirksgericht
zurückgewiesen worden ist. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich
Zwischenentscheide gemäss Art. 93 BGG (BGE 135 III 212 E. 1.2 S. 216).
Zwischenentscheide können nur angefochten werden, wenn ein nicht wieder
gutzumachender Nachteil droht (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
Wenn die Beschwerdeführer geltend machen, der Rückweisungsentscheid sei schon
nur deshalb beim Bundesgericht anfechtbar, weil dem Bezirksgericht verbindliche
Anweisungen gemacht würden, scheinen sie auf die Rechtsprechung zu zielen,
gemäss welcher ein Rückweisungsentscheid ausnahmsweise ein Endentscheid ist,
nämlich dann, wenn der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein
Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der
Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (BGE 135 V 141 E. 1.1 S. 143).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, geht es doch um Beweiserhebungen
und hat das Obergericht festgehalten, dass bei gelungenem Beweis für die
Vorwürfe gegebenenfalls ein Ausschluss gerechtfertigt sein könnte, womit ein
erheblicher Ermessensspielraum verbleibt.
Weiter berufen sich die Beschwerdeführer auf die Voraussetzung von Art. 93 Abs.
1 lit. b BGG. Ob sich angesichts der bereits konkretisierten Vorwürfe an das
Ehepaar A.________ tatsächlich ein  weitläufiges Beweisverfahren ersparen
liesse, erscheint zweifelhaft. Ohnehin aber ist die Beschwerde auch in der
Sache unbegründet.

2. 
Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass mit den Begehren auf Ausschluss und
Abgabe einer Willenserklärung auf Begründung von Stockwerkeigentum eine
unzulässige alternative Klagenhäufung vorgelegen habe.
Das Obergericht hat diesen bereits kantonal vorgetragenen Einwand nicht für
zutreffend erachtet und befunden, die Begehren würden sich keineswegs
gegenseitig ausschliessen, weil die übrigen Miteigentümer ein legitimes
Interesse an der Beurteilung der Frage hätten, ob die konkreten
Rechtsgrundlagen eine (gerichtliche) Verpflichtung der vier beklagten
Miteigentümer zur Begründung von Stockwerkeigentum zuliessen bzw. ob diese ihre
Miteigentümerpflichten verletzen würden, wenn sie dem klägerischen Ansinnen
nicht nachkämen, Stockwerkeigentum zu begründen. Gleichzeitig hätten sie ein
legitimes Interesse an der raschen Klärung der Frage, ob Gründe für den
Ausschluss aus der Miteigentümergemeinschaft vorlägen; sodann stelle sich die
Frage identisch für den Ausschluss von Stockwerkeigentümern, weil diesbezüglich
die gleiche Regelung gelte.
Die erstinstanzliche Klage und damit die Eintretensfrage richtete sich noch
nach der ZPO/ZH, deren Anwendung nur auf Willkür hin überprüft werden kann (BGE
138 I 143 E. 2 S. 150; 139 III 225 E. 2.3 S. 231; 139 III 252 E. 1.4 S. 254).
Dies haben die Beschwerdeführer nicht verkannt, machen sie doch - eventualiter
nebst Verletzungen der ZPO/CH - eine willkürliche Anwendung von § 51 i.V.m. §
54 Abs. 2 ZPO/ZH geltend. Sie bringen vor, mit dem Ausschluss aus der
Miteigentümergemeinschaft sei es schlechterdings nicht mehr möglich, dass der
ausgeschlossene Miteigentümer nach erfolgtem Ausschluss noch verpflichtet
werde, sein gewöhnliches Miteigentum in Stockwerkeigentum umzuwandeln.
Die Beschwerdeführer übergehen, dass der Ausschluss aus der Gemeinschaft nicht
unmittelbar durch den Richterspruch, sondern erst durch den Verkauf bzw. die
Versteigerung des Miteigentumsanteils erfolgt. Es ist deshalb sehr wohl
denkbar, dass der Miteigentümer die gewünschte Willenserklärung zur Begründung
von Stockwerkeigentum abgibt und er dann, je nachdem, ob das Stockwerkeigentum
zwischenzeitlich schon begründet werden konnte, als gewöhnlicher Miteigentümer
oder aber als Stockwerkeigentümer aus der Gemeinschaft ausscheidet. Insofern
erscheinen die Erwägungen des Obergerichts nicht als willkürlich.

3. 
Die Beschwerdeführer machen sodann einen Verstoss gegen Art. 649b Abs. 2 ZGB
geltend. Es würden ihnen ausschliesslich Vorfälle entgegengehalten, welche sich
nach dem Ermächtigungsbeschluss der Miteigentümergemeinschaft vom 10. Februar
2010 ereignet hätten. Ein Ausschluss aufgrund von erst nach dem
Ermächtigungsbeschluss vorgefallenen Ereignissen sei aber nicht möglich, weil
es gerade der Sinn des Ermächtigungsbeschlusses sei, die Gemeinschaft vor einer
übereilten gerichtlichen Auseinandersetzung zu schützen, welche den
Gemeinschaftsfrieden endgültig brechen könnte.
Eine solche "Sachverhaltsfixierung" auf den Zeitpunkt des
Ermächtigungsbeschlusses findet in Art. 649b Abs. 2 ZGB keine Stütze. Diese
Norm regelt die Aktivlegitimation zur Ausschlussklage, indem bei bloss zwei
Miteigentümern ein jeder klagelegitimiert ist, während ab drei Miteigentümern
nicht ein Einzelner soll Klage führen dürfen, sondern ein ermächtigender
Mehrheitsbeschluss nötig ist (vgl. Brunner/WichterMANN, Basler Kommentar, N. 20
zu Art. 648b ZGB). Die Notwendigkeit eines solchen Mehrheitsbeschlusses
entfaltet im Ergebnis eine starke Schutzwirkung zugunsten des Störers (
STRITTMATTER, Ausschluss aus Rechtsgemeinschaften, Zürich 202, S. 64;
SCHMID-TSCHIRREN, Der Ausschluss aus privatrechtlichen Personenvereinigungen,
recht 2006, S. 139), und zwar insbesondere dort, wo nur einer oder wenige
Miteigentümer an einem störenden Verhalten leiden. Die Lehre geht davon aus,
dass es sich beim Ermächtigungsbeschluss gemäss Art. 649b Abs. 2 ZGB nicht um
eine Prozessvoraussetzung, sondern um eine materiell-rechtliche Voraussetzung
handelt ( STRITTMATTER, a.a.O., S. 65 ff. m.w.H.). Als Folge wurde im
Zusammenhang mit der seinerzeitigen analogen Bestimmung von aArt. 822 Abs. 3 OR
betreffend Ausschluss eines Gesellschafters einer GmbH entschieden, dass der
Beschluss auch erst im Verlauf des Prozesses gefasst werden könne (Obergericht
Zürich vom 4. Dezember 1962 bzw. Bundesgericht vom 11. Juni 1963, publ. in
Blätter für Zürcherische Rechtsprechung, Band 62, Jahrgang 1963, S. 294). Vor
dem Hintergrund des Gesetzeswortlauts von Art. 649b Abs. 2 ZGB und des Zwecks
des Ermächtigungsbeschlusses ist die obergerichtliche Erwägung, im
gerichtlichen Urteil könne auf alle Ereignisse bzw. Vorbringen abgestellt
werden, welche prozesskonform ins Verfahren eingebracht worden seien,
bundesrechtskonform.

4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten
ist. Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
und 5 BGG). Der Gegenseite ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand
entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen
Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Januar 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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