Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.279/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_279/2014

Urteil vom 30. Januar 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiberin Friedli-Bruggmann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Catherine Weisser,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Eheschutz,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter im
Familienrecht,
vom 24. März 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (geb. 1961) und B.________ (geb. 1975) heirateten im Jahr 2008. Sie
haben ein gemeinsames Kind, den am xx.xx.2010 geborenen Sohn C.________. Aus
erster Ehe, die mit Entscheid des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland vom 7.
Februar 2008 geschieden wurde, hat A.________ die beiden Kinder D.________
(geb. 1990) und E.________ (geb. 1992).

B.

B.a. Im Oktober 2013 ersuchte der Ehemann darum, das Getrenntleben zu regeln.
Soweit vor Bundesgericht strittig, verpflichtete die Einzelrichterin des
Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland am 4. November 2013 den Ehemann, ab
Januar 2013 Kindesunterhalt in der Höhe von Fr. 1'100.-- zu bezahlen zuzüglich
allfälliger Kinderzulagen. Den monatlichen Ehegattenunterhalt legte sie ab
Januar 2013 auf Fr. 1'900.--, ab Januar 2014 auf Fr. 1'400.-- und ab Mai 2014
auf Fr. 1'250.-- fest.

B.b. Gegen diesen Entscheid erhob die Ehefrau Berufung beim Kantonsgericht St.
Gallen. Mit Entscheid vom 24. März 2014 verpflichtete dieses A.________, an den
Unterhalt von C.________ ab Januar 2013 monatlich und im Voraus Fr. 1'600.-- zu
bezahlen zuzüglich allfälliger Kinderzulagen (Ziff. 1). Den Unterhalt der
Ehefrau setzte es auf Fr. 2'100.-- im Monat ab Januar 2013 fest (Ziff. 2).

C.

C.a. Mit Beschwerde vom 7. April 2014 wendet sich A.________ (Beschwerdeführer)
an das Bundesgericht. Er beantragt, die Ziffern 1 und 2 des Entscheids des
Kantonsgerichts aufzuheben und zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
Seine bereits vorehelich bestandenen und geleisteten Unterhaltspflichten seien
anzuerkennen und bei der Berechnung des Unterhalts in seinem Bedarf zu
berücksichtigen. Eventualiter verlangt er einen Aufschub seiner
Unterhaltspflicht gemäss Eheschutzurteil zwecks Anpassung seiner
Unterhaltspflicht gegenüber seinen beiden erwachsenen Kindern aus erster Ehe.
Zudem stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

C.b. Dem Gesuch um aufschiebende Wirkung hat der Präsident der II.
zivilrechtlichen Abteilung am 25. April 2014 im gerichtsüblichen Umfang
entsprochen.

C.c. Das Bundesgericht hat die Vorinstanz und B.________ (Beschwerdegegnerin)
zur Vernehmlassung eingeladen. Die Vorinstanz bezog mit Eingabe vom 6. Novem
ber 2014 Stellung. Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Vernehmlassung vom
24. November 2014, auf die Beschwerde mangels Substantiierung nicht einzutreten
bzw. diese im Fall des Eintretens abzuweisen. Die Vernehmlassungen wurden dem
Beschwerdeführer zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zur Kenntnis gebracht.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid einer letzten
kantonalen Instanz, die als oberes Gericht in seiner Eigenschaft als
Rechtsmittelinstanz über eine vermögensrechtliche Zivilsache entschieden hat
(Art. 72 Abs. 1, 75 Abs. 1 und 90 BGG). Der Streitwert übersteigt Fr. 30'000.--
(Art. 74 Abs. 1 Bst. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit
grundsätzlich zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG zur
Beschwerde berechtigt und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1
BGG). Insofern kann auf die Beschwerde eingetreten werden.

1.2. Vorliegend geht es um einen Eheschutzentscheid, welcher eine vorsorgliche
Massnahme nach Art. 98 BGG darstellt (BGE 133 III 393 E. 5.2 S. 397). Somit
kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98
BGG). Auch die Anwendung von Bundesgesetzen prüft das Bundesgericht im Rahmen
von Art. 98 BGG nur auf Willkür (Art. 9 BV; Urteil 5A_261/2009 vom 1. September
2009 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 135 III 608; zum Willkürbegriff vgl. BGE 134
II 124 E. 4.1 S. 133; 116 II 625 E. 3b S. 628). Für die Geltendmachung der
Verletzung verfassungsmässiger Rechte gilt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2
BGG; BGE 134 I 83 E. 3.2 S. 88; 133 III 393 E. 6 S. 397). Die Beschwerdeschrift
muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber
enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern
durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft
nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf
ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt es nicht ein (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234; 134 I 83 E. 3.2 S.
88; 133 III 393 E. 6 S. 397). Will der Beschwerdeführer die Verletzung des
Willkürverbots geltend machen, reicht es sodann nicht aus, wenn er die Lage aus
seiner eigenen Sicht schildert und den davon abweichenden angefochtenen
Entscheid als willkürlich bezeichnet. Vielmehr muss er im Einzelnen darlegen,
inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der
angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen
Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).

2. 
Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG).
Daher darf sich der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht darauf beschränken,
die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen
Antrag in der Sache stellen. Der Beschwerdeführer muss demnach angeben, welche
Punkte des Entscheids angefochten und welche Abänderungen beantragt werden.
Grundsätzlich ist ein materieller Antrag erforderlich; Anträge auf Rückweisung
der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung oder blosse Aufhebungsanträge
genügen nicht und machen die Beschwerde unzulässig. Ein blosser
Rückweisungsantrag reicht ausnahmsweise aus, wenn das Bundesgericht im Falle
der Gutheissung in der Sache nicht selbst entscheiden könnte, weil die
erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fehlen (vgl. BGE 133
III 489 E. 3.1 S. 489 f. mit Hinweisen). Davon ist im vorliegenden Fall
insofern auszugehen, als der Beschwerdeführer verlangt, dass der Unterhalt neu
und unter Berücksichtigung des Unterhalts berechnet wird, den er seinen beiden
Kindern aus erster Ehe schuldet.

3.

3.1. In der Sache ist umstritten, ob bei der Ermittlung des Bedarfs des
Beschwerdeführers der Unterhalt anzurechnen ist, den dieser seinen beiden
Kindern aus erster Ehe schuldet. Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland hat
dem Beschwerdeführer dafür in seinem Bedarf einen Betrag von Fr. 2'200.--
angerechnet und dies damit begründet, dass die Beschwerdegegnerin um diese
Unterhaltspflicht wusste oder zumindest hätte wissen müssen, als sie den
Beschwerdeführer heiratete. Demgegenüber verweigerte die Vorinstanz dem
Beschwerdeführer die Berücksichtigung eines solchen Unterhaltsbeitrags, weil
sie von der Nachrangigkeit des den erwachsenen Kindern geschuldeten Unterhalts
gegenüber dem Unterhalt ausgegangen ist, den der Beschwerdeführer seiner
Ehefrau und dem unmündigen Kind schuldet. In ihrer Vernehmlassung vom 6.
November 2014 verweist die Vorinstanz zudem auf die Notwendigkeit, im Eheschutz
eine für beide Eheleute ausgewogene Lösung zu finden. Im konkreten Fall habe
der gut ausgebildete und in finanziellen Belangen äusserst erfahrene
Beschwerdeführer gewusst, dass mit der Trennung Mehrkosten auf ihn zukämen.
Seine Unterhaltszahlungen zu Gunsten seiner erwachsenen Kinder dürften daher
nicht zu Lasten der übrigen Unterhaltsberechtigten gehen. Entgegen der
Darstellung des Beschwerdeführers würden im Kanton St. Gallen
Ausbildungszulagen gegebenenfalls auch an Eltern ausgerichtet, welche nicht mit
den Kindern zusammenwohnen.

3.2. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, willkürlich und
widersprüchlich entschieden zu haben und dabei die verfassungsmässigen Rechte
von ihm und seinen Kindern aus erster Ehe verletzt zu haben. Obwohl nach den
Berechnungen des Kreisgerichts der angemessene Bedarf der Familie gedeckt
gewesen sei, habe es die Vorinstanz abgelehnt, in seinem Bedarf seine
Unterhaltsleistungen an die Kinder aus erster Ehe zu berücksichtigen.

3.3.

3.3.1. Nach Art. 276 Abs. 1 ZGB haben die Eltern für den Unterhalt des Kindes
aufzukommen, inbegriffen für die Kosten von Erziehung, Ausbildung und
Kindesschutzmassnahmen. Die Unterhaltspflicht dauert bis zur Volljährigkeit des
Kindes (Art. 277 Abs. 1 ZGB). Hat das Kind in diesem Zeitpunkt noch keine
angemessene Ausbildung, so haben die Eltern, soweit es ihnen nach den gesamten
Umständen zugemutet werden darf, für seinen Unterhalt aufzukommen, bis diese
ordentlicherweise abgeschlossen werden kann (Art. 277 Abs. 2 ZGB).

3.3.2. Die Grundsätze zur Bemessung des elterlichen Unterhaltsbeitrages sind in
Art. 285 Abs. 1 ZGB geregelt; gemäss dieser Bestimmung soll der
Unterhaltsbetrag den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und
Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen. Nach der Rechtsp rechung ergibt sich
aus dieser Vorschrift, dass alle unterhaltsberechtigten Kinder eines
Elternteils im Verhältnis zu ihren objektiven Bedürfnissen finanziell gleich zu
behandeln sind. Ungleiche Unterhaltsbeiträge sind somit nicht von vorneherein
ausgeschlossen, bedürfen aber einer besonderen Rechtfertigung (BGE 137 III 59
E. 4.2.1 S. 62; 126 III 353 E. 2b S. 358 f. mit Hinweisen). Die Höhe des
Unterhaltsbeitrages hängt freilich nicht nur von der Leistungsfähigkeit des in
die Unterhaltspflicht genommenen, sondern auch von den finanziellen Umständen
des obhuts- bzw. sorgeberechtigten Elternteils ab (BGE 126 III 353 E. 2b S. 359
mit Hinweisen). Über die Schranke der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
unterhaltspflichtigen Elternteils kann sich das Gericht bei der Bemessung des
Unterhaltsbeitrages für die Kinder nach Art. 285 Abs. 1 ZGB aber in aller Regel
nicht hinwegsetzen (BGE 127 III 68 E. 2c S. 70 f.; BGE 123 III 1 E. 3b/bb S. 4
mit Hinweisen). Dem Unterhaltsschuldner ist mit Bezug auf alle
familienrechtlichen Unterhaltskategorien zumindest das betreibungsrechtliche
Existenzminimum stets voll zu belassen (vgl. BGE 126 III 353 E. 1a/aa S. 356,
bestätigt in BGE 135 III 66 E. 2 ff. S. 67 ff. mit Hinweisen). Dabei kann der
Unterhaltsschuldner lediglich für seine eigene Person die Sicherung der
Existenz beanspruchen. Er ist also nur im für ihn allein massgeblichen
betreibungsrechtlichen Existenzminimum zu schützen (BGE 137 III 59 E. 4.2.1 S.
62). Sind die Mittel eingeschränkt, ist zunächst das betreibungsrechtliche
Existenzminimum des unterhaltspflichtigen Ehegatten, in zweiter Linie dasjenige
der Kinder und zuletzt dasjenige des unterhaltsberechtigten Ehegatten zu
ermitteln und zu decken (siehe ausführlich in oben zitiertem BGE 137 III 59 E.
4.2.3 S. 64).

3.3.3. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art.
105 Abs. 1 BGG), dass der Beschwerdeführer seinen volljährigen Kindern je einen
monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'100.-- bezahlt. Die Tochter befinde
sich noch im Studium, welches sie voraussichtlich im Jahr 2016 abschliessen
werde. Der Sohn werde seine Lehre wahrscheinlich im Sommer 2014 beenden (S. 10
Ziff. 14 des angefochtenen Urteils). Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht,
dass der Beschwerdeführer für die beiden volljährigen Kinder schon während der
Ehe Mündigenunterhalt in der Höhe von insgesamt Fr. 2'200.-- bezahlte.

3.3.4. Dem vorinstanzlichen Urteil lassen sich keine rechtsgenüglichen
Feststellungen zum ehelichen Lebensstandard der nun getrennt lebenden Parteien
entnehmen (wobei die unbestrittenermassen während der Ehe bezahlten
Unterhaltsbeiträge zu berücksichtigen gewesen wären, standen diese dem
ehelichen Haushalt doch bereits während dem Zusammenleben nicht zur Verfügung).
Damit fehlt die Basis für die Berechnung des angemessenen Kindes- und des
gebührenden Ehegattenunterhalts (zum gebührenden Unterhalt ausführlich BGE 137
III 102 E. 4.2.1 S. 106 ff. mit Hinweisen).

 Der Beschwerdeführer rügt das angefochtene Urteil somit zu Recht als
willkürlich.

3.3.5. Das vorinstanzliche Urteil ist daher zur weiteren Instruktion und zu
neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zu berücksichtigen sind dabei
selbstredend auch allfällige Ausbildungszulagen, auf die der Beschwerdeführer
bzw. seine beiden erwachsenen Kinder Anspruch haben.

3.3.6. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird das Eventualbegehren
gegenstandslos.

4. 
Als unterliegende Partei hat die Beschwerdegegnerin grundsätzlich für die
Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 ZGB). Den besonderen Umständen des
Falls entsprechend (vgl. E. 3.3) wird auf solche verzichtet. Dem nicht
anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer sind keine Kosten erwachsen. Er ist
deshalb auch nicht zu entschädigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen
vom 24. März 2014 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinn
der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen,
Einzelrichter im Familienrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Januar 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Die Gerichtsschreiberin: Friedli-Bruggmann

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