Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.248/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_248/2014

Urteil vom 27. März 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Brunner,
Beschwerdeführer,

gegen

Kantonsgericht des Kantons Zug, Einzelrichter.

Gegenstand
Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, II.
Beschwerdeabteilung, vom 18. Februar 2014.

Sachverhalt:

A. 
In der Nachlassstundung der B.________ AG, Zug, meldete die Muttergesellschaft
C.________ AG, Rotterdam, am 9. Mai 2012 eine Forderung von Fr.
1'355'147'427.-- an. Gemäss dem Bericht der Sachwalter vom 7. September 2012
wurde die Forderung provisorisch im Umfang von Fr. 1'167'392'680.-- anerkannt
und im Umfang von Fr. 187'754'747.-- bestritten. Mit Urteil vom 6. August 2012
eröffnete das Landgericht Rotterdam über die C.________ AG das
Insolvenzverfahren und bestellte A.________ zum Insolvenzverwalter.

 Mit Entscheid vom 18. Februar 2013 bestätigte das Kantonsgericht Zug den von
der B.________ AG mit ihren Gläubigern abgeschlossenen Nachlassvertrag. Für den
Fall, dass die angemeldete Forderung der C.________ AG im zu erstellenden
Kollokationsplan zurückgewiesen würde, soweit sie von den Sachwaltern
bestritten worden war, beabsichtigt A.________, diesen Entscheid mit
Kollokationsklage anzufechten. Zu diesem Zweck möchte er das niederländische
Konkursdekret über die Muttergesellschaft anerkennen lassen.

B. 
Mit Eingabe vom 13. September 2013 beantragte A.________ beim Kantonsgericht
Zug die Anerkennung des Beschlusses des Landgerichts Rotterdam vom 6. August
2012 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die C.________ AG. Mit
Entscheid vom 8. Oktober 2013 wies das Kantonsgericht das Gesuch ab.

 Hiergegen erhob A.________ eine Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons
Zug mit Urteil vom 18. Februar 2014 abwies.

C. 
Gegen dieses Urteil hat A.________ am 24. März 2014 eine Beschwerde in
Zivilsachen erhoben. Er verlangt dessen Aufhebung, die Anerkennung des
Beschlusses des Landgerichts Rotterdam vom 6. August 2012 als ausländisches
Konkursdekret und als Folge die Eröffnung eines Partikularkonkurses im Sinn von
Art. 170 ff. IPRG über das in der Schweiz gelegene Vermögen der C.________ AG.
Mit Schreiben vom 2. bzw. 5. Mai 2014 haben das Kantonsgericht und das
Obergericht auf die Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Anerkennung
eines ausländischen Konkursdekretes. Die Beschwerde in Zivilsachen ist
streitwertunabhängig gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a und lit. b Ziff. 1 sowie
Art. 75 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 517 nicht publ. E. 1.1). Angesichts des
Begehrens um Eröffnung eines Partikularkonkurses (vgl. Lit. C) und mit Blick
auf die allenfalls zu erhebende Kollokationsklage (vgl. Lit. A) ist ein
aktuelles und praktisches Interesse gegeben (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Auf
die Beschwerde ist einzutreten.

2. 
Es geht um die Anerkennung eines ausländischen Konkurserkenntnisses auf Antrag
des ausländischen Konkursverwalters im Sinn von Art. 166 IPRG, wobei die
Voraussetzung gemäss Abs. 1 lit. c (Gewährung des Gegenrechts durch die
Niederlande) umstritten ist.

 Zu dieser Frage reichte der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren zwei
Rechtsgutachten ein (Gutachten des Internationaal Juridisch Instituut vom 18.
April 2013; Gutachten des TMC Asser Institutes vom 24. April 2013). Sodann
reichte er verschiedene Entscheidungen des  Hoge Raad (oberster Gerichtshof der
Niederlande) zu den Wirkungen ausländischer Konkurserkenntnisse zu den
kantonalen Akten (Fall Hiret/Chiotakis vom 2. Juni 1967; Fall De
Vleeschmeesters vom 31. Mai 1996; Fall Gustafsen/Mosk vom 24. Oktober 1997;
Fall Yukos I vom 19. Dezember 2008; Fall Yukos II vom 13. September 2013).

 In Würdigung dieser Gesuchsbeilagen und gestützt auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung sowie die Lehre gelangten beide kantonalen Instanzen zur
Überzeugung, dass die Niederlande kein Gegenrecht im Sinn von Art. 166 Abs. 1
lit. c IPRG gewähren würden: Gemäss Art. 170 Abs. 1 IPRG ziehe die Anerkennung
des ausländischen Konkursdekrets für das in der Schweiz gelegene Vermögen die
konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich; unmittelbare
Rechtsfolge der Anerkennung sei mithin die Eröffnung eines Konkursverfahrens
mit der sofortigen Auslösung konkursrechtlicher Folgen (Konkursbeschlag;
Bildung einer Masse; Dahinfallen hängiger Betreibungen; Einstellung von
Zivilprozessen). Demgegenüber könne ein schweizerisches Konkursdekret in den
Niederlanden nicht formell anerkannt werden, wie sich aus der Literatur, aber
auch aus dem TMC-Gutachten ergebe. Zwar könne der schweizerische
Konkursverwalter in den Niederlanden ohne vorgängiges formelles
Anerkennungsverfahren sämtliche Handlungen vornehmen, welche ihm gemäss dem
schweizerischen Konkursrecht zustünden. Gemäss den beiden Gutachten gestehe das
niederländische Recht einem schweizerischen Konkursdekret aber die Wirkung des
Konkursbeschlages nicht zu, obwohl es diesen für inländische Konkurse kenne.
Auch wenn der schweizerische Konkursverwalter die Masse im Rahmen der ihm vom
schweizerischen Recht verliehenen Rechte vertreten könne, würden andere
Gläubiger nicht gehindert, auf die in den Niederlanden gelegenen Vermögenswerte
zu greifen. Der Schweizer Konkursverwalter stehe damit im Wettstreit mit
anderen Gläubigern und er könne auf das in den Niederlanden gelegene Vermögen
im Wesentlichen bloss Arrest legen. Die Befriedigung der schweizerischen
Konkursgläubiger hänge damit von Zufälligkeiten ab, z.B. ob der
Konkursverwalter umfassende Kenntnis von den in den Niederlanden gelegenen
Vermögenswerten des Konkursiten habe, ob die Voraussetzungen des Arrestes
gegeben seien oder ob nicht andere gut informierte Gläubiger bereits früher auf
die fraglichen Vermögenswerte gegriffen hätten. Dazu komme, dass gemäss den
Gutachten das Prozessführungsrecht des schweizerischen Konkursverwalters
insofern beschränkt sei, als die in den Niederlanden gelegenen Vermögenswerte
unbefriedigten Gläubigern nicht entzogen werden dürften. Dem schweizerischen
Konkursverwalter stünden damit in den Niederlanden lediglich
Einzelzwangsvollstreckungsmassnahmen zur Verfügung, welche die Rechte der
unbefriedigten Gläubiger nicht tangierten. Die Bedingungen für den
schweizerischen Konkursverwalter zur Durchsetzung seiner Rechtsposition seien
damit erheblich ungünstiger als im Fall der Anerkennung eines ausländischen
Konkursdekrets in der Schweiz.

3. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht mit Bezug auf die
inhaltlichen Anforderungen an das Gegenrechtserfordernis und die Darstellung
der Rechtslage in der Schweiz, sodann eine falsche Feststellung des
ausländischen Rechts und schliesslich eine Verletzung der Rechtsweggarantie
gemäss Art. 29a BV sowie des Rechtes auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6
Abs. 1 EMRK durch Verweigerung der Anerkennung des niederländischen
Konkursdekrets, welche Voraussetzung für die Einreichung einer
Kollokationsklage in der Schweiz sei.

 Zur Begründung macht der Beschwerdeführer geltend, dass das niederländische
Recht unter dem Strich sogar grosszügiger, jedenfalls aber gleichwertig mit dem
schweizerischen Recht sei. Gemäss Rechtsprechung des  Hoge Raad sei auf die
Handlungsfähigkeit des ausländischen Insolvenzverwalters grundsätzlich die  lex
concursus anwendbar und er könne auch eine paulianische Anfechtungsklage führen
(Entscheid Gustafsen/Mosk vom 24. Oktober 1997) sowie in einer niederländischen
Gesellschaft die Aktionärsrechte der Insolvenzmasse ausüben (Entscheid Yukos I
vom 19. Dezember 2008). Die beiden einzigen Einschränkungen seien, dass die
Vermögenswerte in den Niederlanden nicht kraft des ausländischen
Konkursdekretes mit Konkursbeschlag belegt würden und ein ausländisches
Insolvenzverfahren nicht dazu führen dürfe, dass unbefriedigte Gläubiger nicht
auf Vermögenswerte der ausländischen Konkursmasse in den Niederlanden zugreifen
könnten (Entscheide Hiret/Chiotakis vom 2. Juni 1967 und De Vleeschmeesters vom
31. Mai 1996). Mit Bezug auf diese Einschränkungen habe aber der  Hoge Raad in
seinem neusten Entscheid vom 13. September 2013 (Yukos II) präzisiert, dass der
ausländische Insolvenzverwalter nicht daran gehindert sei, über die in den
Niederlanden gelegenen Vermögenswerte der ausländischen Insolvenzmasse zu
verfügen; vielmehr könne er das in den Niederlanden gelegene Vermögen verwerten
und den Ertrag der ausländischen Insolvenzmasse zuführen, freilich unter der
Bedingung, dass vorher rechtsgültig errichtete Sicherungsrechte berücksichtigt
würden. Angesichts dieser Rechtslage, wie sie sich aus der Rechtsprechung des 
Hoge Raadergebe, sei die im angefochtenen Entscheid vertretene Ansicht, wonach
der ausländische Konkursverwalter nicht direkt, d.h. nicht ohne die Einleitung
von Zwangsvollstreckungsmassnahmen, auf die niederländischen Vermögenswerte
greifen könne, unzutreffend. Sodann habe der ausländische Konkursverwalter die
Forderungen von unbefriedigten Gläubigern auch nur insoweit zu berücksichtigen,
als diese vorher rechtsgültig Sicherungsrechte an den betreffenden
Vermögenswerten begründet hätten; auch hier könne der Insolvenzverwalter aber
direkt auf die Vermögensgegenstände greifen. Wie das TMC-Gutachten zeige,
könnte im Fall einer Niederlassung in den Niederlanden überdies die Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens beantragt werden; ferner sei es im Fall von
substanziellen Vermögenswerten in den Niederlanden auch nicht ausgeschlossen,
dass die niederländischen Gerichte zukünftig einen ausländischen
Insolvenzentscheid auf der Grundlage von Art. 431 Abs. 2 ZPO/NL  (Wetboek van
Burgerlijke Rechtsvordering) formell anerkennen würden. Jedenfalls ergebe sich
aber auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere aufgrund der
Entscheidung des  Hoge Raad vom 13. September 2013, dass die Niederlande in
internationalen Konkursangelegenheiten umfassend zur Zusammenarbeit bereit
seien.

4. 
Gemäss Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG wird ein ausländisches Konkursdekret, das am
Wohnsitz bzw. Sitz des Schuldners ergangen ist, auf Antrag der ausländischen
Konkursverwaltung in der Schweiz anerkannt, wenn der Staat, in dem das Dekret
ergangen ist, Gegenrecht hält.

 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung legt diese Norm dahingehend aus, dass
das Erfordernis in einem weiten Sinn zu verstehen und Gegenseitigkeit gegeben
ist, wenn das Recht des betreffenden Staates die Wirkungen eines ausländischen
Konkurses in ähnlicher - nicht in strikt identischer - Weise anerkennt; es ist
mit anderen Worten nicht nötig, dass umgekehrt ein schweizerisches
Konkurserkenntnis in jedem Fall anerkannt würde, sondern es reicht, wenn das
ausländische Recht unter den gleichen Umständen ein schweizerisches Erkenntnis
zu Bedingungen anerkennt, die nicht wesentlich schlechter sind als diejenigen,
welche das schweizerische Recht für die Anerkennung eines ausländischen
Erkenntnisses aufstellt (BGE 126 III 101 E. 2d S. 105 f.; 137 III 517 E. 3.2 S.
519).

 Diese Formel ist vor dem Hintergrund zu lesen, dass die Normenvielfalt gross
ist und es deshalb genügen muss, wenn der ausländische Staat bei
schweizerischen Konkursen ein irgendwie geartetes Rechtshilfeverfahren zur
Verfügung stellt, welches nicht von seiner formalen Ausgestaltung her, wohl
aber in seiner materiellen Qualität in etwa dem Verfahren nach Art. 166 ff.
IPRG entspricht ( STAEHELIN, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und
Nachlassverträge in der Schweiz, Diss. Basel 1989, S. 69). Der betreffende
Autor nennt als zentrale Elemente, dass die Anerkennung des schweizerischen
Konkursdekretes ohne  révision au fonderfolgt, wobei eine Überprüfung unter dem
Aspekt des  ordre public zulässig wäre, und dass eine konkursartige Verwertung
oder Auslieferung der im jeweiligen Staatsgebiet gelegenen Vermögenswerte des
Gemeinschuldners zugelassen wird, wobei eine vorherige Befriedigung
privilegierter Gläubiger im betreffenden Staat gestattet wäre ( STAEHELIN,
a.a.O., S. 70).

 Die letztgenannte Forderung nach einer konkursmässigen Verwertung oder
Auslieferung läuft darauf hinaus, dass der ausländische Staat das
uneingeschränkte Universalitätsprinzip zulassen oder ein förmliches
Sekundärverfahren zur Verfügung stellen müsste. Darum geht es bei der
vorerwähnten bundesgerichtlichen Formel nicht. Vielmehr kann durchaus auch eine
andersartige Konzeption der schweizerischen Lösung im Ergebnis ebenbürtig sein,
etwa wenn dem ausländischen Konkursverwalter ohne formelle Anerkennung des
Konkursdekrets die Legitimation zur Einleitung von Klagen und
Zwangsvollstreckungsmassnahmen zugebilligt oder sogar ein direkter Zugang zu
den inländischen Vermögenswerten des ausländischen Gemeinschuldners gegeben
wird.

 Schliesslich ist auf die europaweite Tendenz zur Lockerung des
Gegenrechtserfordernisses zu verweisen, welche auch in der schweizerischen
Gesetzgebung Niederschlag gefunden hat. So kann die FINMA aufgrund einer per 1.
September 2011 in Kraft getretenen Novelle ein ausländisches Konkurserkenntnis
oder ausländische Insolvenzmassnahmen unter bestimmten Voraussetzungen ohne
Eröffnung eines Partikularkonkurses (Art. 37g BankG; vgl. dazu Botschaft, BBl
2010 S. 3993, und im Einzelnen die Verfügung der FINMA vom 28. August 2012,
publ. in: Bulletin 4/2013, S. 128 ff., insb. Rz. 30, 55 und 58 ff.) und
unabhängig von der Gewährung des Gegenrechts anerkennen (Art. 10 Abs. 2 der
Bankeninsolvenzverordnung; BIV-FINMA, SR 952.05). Auch wenn sich diese Normen
auf den Bereich der Bankeninsolvenzen beschränken, vermögen sie doch eine
dahingehende objektiv-geltungszeitliche Auslegung von Art. 166 Abs. 1 lit. c
IPRG zu bekräftigen, dass an die Anerkennungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit
(jedenfalls in formaler Hinsicht) nicht allzu strenge Anforderungen gestellt
werden sollten.

5. 
Wie im angefochtenen Entscheid richtig zitiert wird, geht die Lehre, soweit
eine Begründung der geäusserten Ansicht erfolgt, davon aus, dass die
Niederlande kein Gegenrecht gewähren ( STAEHELIN, a.a.O., S. 91 f.; HANISCH,
Internationale Insolvenzrechte des Auslandes, in: SZIER 1992, S. 15). Diese
bereits über 20 Jahre zurückliegenden Publikationen werden auch in jüngerer
Zeit verschiedentlich zitiert, ohne dass aber eine Auseinandersetzung mit der
aktuellen Rechtslage in den Niederlanden stattfinden würde ( VOLKEN, in:
Zürcher Kommentar, N. 105 zu Art. 166 IPRG; BERTI/MABILLARD, in: Basler
Kommentar, N. 39 zu Art. 166 IPRG; ZILTENER/SPÄTH, Die Anerkennung
ausländischer Konkurse, in: ZZZ 2005, S. 79; GEHRI/KOSTKIEWICZ, Anerkennung
ausländischer Insolvenzentscheide in der Schweiz, in: SZIER 2009, S. 203;
JAQUES, La reconnaissance et les effets en Suisse d'une faillite ouverte à
l'étranger, Bellinzona 2006, S. 47). Schliesslich wurde in BGE 137 III 570 E. 3
S. 574 für die Niederländischen Antillen (heute Curaçao) aufgrund der
übereinstimmenden Parteibehauptung ohne irgendwelche Prüfung davon ausgegangen,
dass kein Gegenrecht gewährt werde.

 Das niederländische Recht bezüglich Kooperation in internationalen
Konkurssachen ist nicht kodifiziert; vielmehr beruht dieser Bereich auf
Richterrecht, soweit nicht im EU-Binnenverhältnis eine Verdrängung durch die am
31. Mai 2002 in Kraft getretene Verordnung Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai
2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) erfolgt. Das Gegenrecht im Sinn von Art.
166 Abs. 1 lit. c IPRG kann nicht nur mit Gesetzen, sondern auch mit
Gerichtspraxis nachgewiesen werden, wobei sich die bereits ergangenen
Entscheide nicht auf die Schweiz beziehen müssen (BGE 137 III 517 E. 3.3 S.
520). Wie aufgrund der beiden zitierten Gutachten und der einschlägigen
Rechtsprechung des  Hoge Raad bereits das Obergericht Zug festgehalten hat,
bildet das Territorialitätsprinzip die Grundlage des niederländischen
internationalen Konkursrechtes. Dies allein kann indes nicht von Belang sein,
wendet doch in Bezug auf den ausländischen Konkurs auch die Schweiz das
Territorialitätsprinzip an (dazu statt vieler: AMONN/WALTHER, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl., Bern 2013, § 40 Rz. 9a ff.),
und zwar in viel strikterer Weise, indem der ausländische Konkursverwalter
einzig um Anerkennung des ausländischen Konkurserkenntnisses ersuchen, indes in
der Schweiz keine eigenen Handlungen vornehmen kann (vgl. BGE 135 III 40 E.
2.5.1 S. 44; 139 III 236 E. 4.2 S. 238 f.), während dem ausländischen
Konkursverwalter in den Niederlanden weitgehende Rechte eingeräumt werden. So
kann er selbst Klagen einreichen (vgl. IJI-Gutachten, S. 5; TMC-Gutachten, S.
3) und in Bezug auf die in den Niederlanden gelegenen Vermögenswerte des
Konkursiten im Grundsatz die Verwaltungs- und Verwertungshandlungen vornehmen,
welche ihm gemäss der  lex concursus seines eigenen Staates zustehen
(angefochtenes Urteil, E. 5.3 mit Verweis auf Gutachten).

 Mit Bezug auf die Frage des Gegenrechtes kann es auch nicht entscheidend sein,
dass den Niederlanden die formelle Anerkennung eines ausländischen
Konkursdekretes und die Gesamtverwertung des dortigen Vermögens in einem
förmlichen Verfahren fremd ist. Solches zu fordern, würde wie gesagt darauf
hinauslaufen, dass die Bejahung des Gegenrechtes im Sinn von Art. 166 Abs. 1
lit. c IPRG an die Eröffnung eines Sekundärverfahrens geknüpft wäre. Nach dem
Erwähnten ist aber nicht erforderlich, dass der ausländische Staat das
Gegenrecht in den gleichen Formen wie die Schweiz gewährt; entscheidend ist
vielmehr die Qualität der Rechtshilfe. So wird in der schweizerischen Literatur
beispielsweise mit Bezug auf Österreich festgehalten, dass seit der im
Zusammenhang mit der EuInsVO erfolgten Novellierung des Insolvenzrechtes
(Bundesgesetz über das internationale Insolvenzrecht, BGBl I Nr. 36/2003 vom
13. Juni 2003) nunmehr die Gewährung des Gegenrechtes zu bejahen sei ( ZILTENER
/SPÄTH, a.a.O., S. 78; GEHRI/KOSTKIEWICZ, a.a.O., S. 203 Fn. 41; BRACONI, in:
Commentaire Romand, N. 22 zu Art. 166 IPRG). Die Novelle sieht in Bezug auf
Drittstaaten (d.h. nicht EU-Staaten zzgl. Dänemark) vor, dass gemäss § 240 IO
die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens in
Österreich grundsätzlich anerkannt werden, und zwar eo ipso, d.h. ohne dass es
eines besonderen Verfahrens, z.B. eines Anerkennungsverfahrens bedürfte ( MOHR,
Insolvenzordnung, 11. Aufl., Wien 2012, Ziff. 1a zu § 240 IO; FEIL,
Insolvenzordnung, 7. Aufl., Wien 2010, Ziff. 3 zu § 240 IO), und dass gemäss §
241 Abs. 1 IO der ausländische Insolvenzverwalter in Österreich grundsätzlich
alle Befugnisse ausüben kann, die ihm im Staat, in welchem das
Insolvenzverfahren eröffnet wurde, zustehen. Die soeben geschilderte
Rechtslage, wie sie in Österreich besteht, ist jener in den Niederlanden nicht
unähnlich.

 Dennoch haben die Zuger Gerichte die Frage, ob die Niederlande Gegenrecht im
Sinn von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG gewähren, verneint. Den wesentlichen
Unterschied zum schweizerischen Recht sehen sie darin, dass die Niederlande dem
ausländischen Konkursdekret nicht die Wirkungen eines allgemeinen
Konkursbeschlages zubilligen und deshalb die Einzelzwangsvollstreckungsrechte
der anderen Gläubiger zu beachten sind, was einen Wettstreit zur Folge habe und
die Befriedigung der schweizerischen Gläubiger vom Zufall abhängen lasse.

 In der Tat führt ein ausländisches Konkurserkenntnis in den Niederlanden nicht
zu einem formellen  faillissementsbeslag, wie er offenbar für den inländischen
Konkurs durchaus bekannt ist. Dies führt zwangsläufig dazu, dass die
Einzelzwangsvollstreckungsrechte im Vordergrund stehen und insbesondere bereits
begründete Beschlagsrechte anderer Gläubiger zu berücksichtigen sind. Dies
allein bedeutet aber noch nicht, dass die Qualität der Rechtshilfe, welche das
niederländische internationale Konkursrecht bietet, der schweizerischen
qualitativ von vornherein nicht ebenbürtig wäre. Insbesondere muss es entgegen
der Ansicht der Zuger Gerichte nicht eine Benachteiligung bedeuten, wenn dem
ausländischen Konkursverwalter im Wesentlichen Einzelzwangsvollstreckungsrechte
zustehen. Indem er in den Niederlanden direkten Zugang zu den Gerichten und
eigene Zwangsvollstreckungsrechte hat, ja sogar direkt Hand auf die
Vermögenswerte des ausländischen Konkursiten legen kann, gelangt seine Masse
unter Umständen zu einem viel besseren Ergebnis als es nach der schweizerischen
Konzeption der Fall wäre, bei welcher er zuerst ein förmliches
Exequaturverfahren durchlaufen und alsdann alle Verfahrensschritte aus der Hand
geben muss, indem ein Sekundärverfahren eröffnet wird, welches vom
schweizerischen Konkursamt abgewickelt wird und bei welchem vorab die
privilegierten Gläubiger mit schweizerischem Wohnsitz befriedigt werden, so
dass dem ausländischen Verwalter einzig ein allfälliger Überschuss nach
Anerkennung des ausländischen Kollokationsplanes herausgegeben wird (Art. 172
Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 173 Abs. 1 und 2 IPRG).

 In Bezug auf die Frage des Gegenrechts ergibt sich somit, dass die Niederlande
die ausländische Konkurseröffnung nicht einfach ignorieren, sondern
rechtshilfeweise eine ganze Palette von Wirkungsmöglichkeiten für den
ausländischen Konkursverwalter eröffnen. Angesichts der in Bezug auf die
Handlungsmöglichkeiten des ausländischen Konkursverwalters äusserst restriktive
und auch in materieller Hinsicht zurückhaltende schweizerische Lösung stellt
sich die Frage, ob nicht die niederländische Konzeption im Ergebnis sogar viel
grosszügiger ist. Jedenfalls aber dürfen die beiden Konzepte unter
Berücksichtigung sämtlicher Faktoren als durchaus gleichwertig gelten.

 Im Sinn einer Ergänzung sei bemerkt, dass das neuste Urteil des  Hoge Raad vom
13. September 2013 (Yukos II), welches von beiden Zuger Instanzen zitiert wird,
konkretisiert, inwiefern die in seiner früheren Rechtsprechung aufgestellte
Bedingung, dass unbezahlte Gläubiger nach wie vor auf die in den Niederlanden
gelegenen Vermögenswerte sollen zugreifen können, zu verstehen ist.
Diesbezüglich wird festgehalten, dass es nicht Sinn dieser Bedingung sei, die
betreffenden Vermögenswerte von der normalen Abwicklung des ausländischen
Konkurses auszuschliessen. Das Territorialitätsprinzip verhindere nicht, dass
die Verfügungsfähigkeit des Schuldners auf den ausländischen Insolvenzverwalter
übergehe  (Het territorialiteitsbeginsel verzet zich niet ertegen dat de
beschikkingsbevoegheid van de schuldenaar overgaat op de buitenlandse curator),
so dass dieser alle in den Niederlanden gelegenen Vermögenswerte - unter
Respektierung von darauf gelegenen Beschlägen  (met respectering van daarop
inmiddels gelegde beslagen) - zugunsten der betreffenden Mitgläubiger verwerten
könne. Indem also ungeachtet des Territorialitätsprinzips die
Verfügungsbefugnis vom Schuldner auf den ausländischen Verwalter übergeht,
tritt in Bezug auf die in den Niederlanden gelegenen Vermögenswerte des
ausländischen Konkursiten jedenfalls vom Ergebnis her doch so etwas wie eine
Beschlagswirkung ein. Wie vorstehend ausgeführt, bildet diese aber ohnehin
nicht eine unabdingbare Voraussetzung für die Bejahung des Gegenrechts im Sinn
von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG.

 Zusammenfassend ergibt sich, dass zwar die schweizerische Konkurseröffnung in
den Niederlanden nicht in einem förmlichen Verfahren anerkannt werden kann und
keine formelle und umfassende Beschlagswirkung eintritt, so dass der
ausländische Konkursverwalter, wie die Zuger Gerichte richtig bemerkt haben,
insofern einem zeitlichen Wettbewerb mit anderen Gläubigern ausgesetzt ist, als
deren bereits erlangte Beschlagsrechte zu respektieren sind. Im Gegenzug hat er
eigene Klage- und Zwangsvollstreckungsrechte und kann er direkt auf die
Vermögenswerte des Gemeinschuldners in den Niederlanden zugreifen, und zwar
auch auf diejenigen, welche bereits von anderen Gläubigern mit Beschlag belegt
sind, wobei diesfalls die betreffenden Gläubiger vorab zu befriedigen sind.
Damit anerkennt das niederländische internationale Konkursrecht für den
ausländischen Konkurs bis zu einem gewissen Grad das Universalitätsprinzip, was
dem schweizerischen internationalen Konkursrecht nach wie vor fremd ist (dazu
oben).

 Insgesamt darf das niederländische Konzept, auch wenn es sich technisch in
grundsätzlicher Weise von demjenigen der Schweiz unterscheidet, in qualitativer
Hinsicht als ebenbürtig bezeichnet werden; jedenfalls steht der ausländische
Konkursverwalter bzw. die ausländische Masse im Endeffekt nicht spürbar
schlechter und in vielen Fällen vermutlich sogar deutlich besser da. Dazu
kommt, dass der spezifische Hintergrund des Anerkennungsgesuches die allfällige
Einleitung eines Kollokationsprozesses in der Schweiz ist. In den Niederlanden
ist der ausländische Konkursverwalter, wie bereits festgehalten wurde, ohne
weiteres zur Anhebung von Klagen berechtigt. Es wäre unter dem Blickwinkel des
Gegenrechts stossend, wenn die Möglichkeit einer (von der schweizerischen
Konkursverwaltung der Partikularmasse einzuleitenden, vgl. BGE 135 III 40 E.
2.5.1 S. 44; 139 III 236 E. 4.2 S. 239) Kollokationsklage an überhöhten
Anforderungen in Bezug auf die Anerkennung des niederländischen Konkursdekretes
scheitern würde.

6. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass in dahingehender Gutheissung der Beschwerde
festzuhalten ist, dass die Niederlande Gegenrecht im Sinn von Art. 166 Abs. 1
lit. c IPRG gewähren. Obwohl die weiteren Anerkennungsvoraussetzungen im
angefochtenen Entscheid an sich schon bejaht wurden, ist dennoch kein
reformatorischer Entscheid angebracht (Art. 107 Abs. 2 BGG), sondern die Sache
- nicht zuletzt wegen der Gehörswahrung von Dritten (vgl. BGE 139 III 504 E.
3.2 S. 508) - zur weiteren Behandlung an die kantonalen Instanzen
zurückzuweisen.

 Weil die Beschwerde im Grundsatz gutgeheissen wird, sind die Parteikosten des
Beschwerdeführers durch den Kanton Zug zu tragen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Gerichtskosten werden keine erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
In dahingehender Gutheissung der Beschwerde wird festgestellt, dass die
Niederlande Gegenrecht im Sinn von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG gewähren. Die
Sache wird zur weiteren Behandlung im Sinn dieser Feststellung an das
Obergericht des Kantons Zug zurückgewiesen.

2. 
Der Kanton Zug hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

 Die Neubestimmung der kantonalen Kosten wird dem Obergericht des Kantons Zug
übertragen.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht des Kantons Zug,
Einzelrichter, und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. März 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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