Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.1005/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_1005/2014

Urteil vom 6. März 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Bühlmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Bischofberger,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Definitive Rechtsöffnung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer,
vom 11. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A. 
Mit Scheidungsurteil vom 25. Januar 2012 wurde A.________ vom Bezirksgericht
Lenzburg zu einer güterrechtlichen Zahlung von Fr. 177'686.-- an B.________
verpflichtet. Mit Urteil vom 28. März 2014 setzte das Obergericht des Kantons
Aargau die aus Güterrecht geschuldete Leistung auf Fr. 242'177.15 fest.

 Dagegen erhob A.________ am 26. Mai 2014 Beschwerde beim Bundesgericht mit dem
Begehren, er sei aus Güterrecht zu einem Betrag von Fr. 142'177.15 zu
verurteilen (Verfahren 5A_437/2014). B.________ widersetzte sich mit
Stellungnahme von 10. Juni 2014 dem Gesuch von A.________ um aufschiebende
Wirkung und verlangte eventualiter eine Sicherheitsleistung von Fr. 252'057.15
(güterrechtliche Leistung gemäss obergerichtlichem Urteil zzgl. Gerichts- und
Parteikostenersatz). Mit Präsidialverfügung vom 12. Juni 2014 wurde in
Erwägung, dass es sich zur Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes während
des bundesgerichtlichen Verfahrens rechtfertige, der Beschwerde mit Bezug auf
die güterrechtliche Forderung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung im Sinn der Erwägungen zuerkannt. Mit
Urteil vom 10. Dezember 2014 wies das Bundesgericht die Beschwerde ab, soweit
es darauf eintrat.

B. 
Zwischenzeitlich hatte B.________ am 20. Mai 2014 beim Bezirksgericht Lenzburg
ein Arrestbegehren über Fr. 252'047.15 nebst Zins von 5 % seit 15. April 2014
gestellt. Am 21. Mai 2014 erliess das Bezirksgericht einen betreffenden
Arrestbefehl.

 B.________ prosequierte den Arrest mit der Betreibung Nr. xxx des
Betreibungsamtes U.________. Mit Entscheid vom 3. Oktober 2014 erteilte ihr das
Bezirksgericht Lenzburg für einen Betrag von Fr. 142'177.15 nebst Zins
definitive Rechtsöffnung. Es erwog, dass A.________ im Rahmen des
Scheidungsverfahrens vor Bundesgericht eine Festsetzung der güterrechtlichen
Leistung auf den entsprechenden Betrag verlangt und das Bundesgericht mit
Präsidialverfügung vom 12. Juni 2014 der Beschwerde im Umfang des diesen Betrag
übersteigenden güterrechtlichen Anspruches die aufschiebende Wirkung erteilt
habe, weshalb für den genannten Betrag ein rechtskräftiges und vollstreckbares
obergerichtliches Urteil vorliege.

 Mit Entscheid vom 11. Dezember 2014 wies das Obergericht des Kantons Aargau
das Rechtsöffnungsgesuch ab. Es erwog, das Bundesgericht habe der Beschwerde
präsidialiter die aufschiebende Wirkung "im Sinn der Erwägungen" erteilt und
diesen sei nicht zu entnehmen, dass sich die aufschiebende Wirkung nur auf den
angefochtenen Teil der güterrechtlichen Forderung beziehe; vielmehr habe es
erwogen, dass es sich zur Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes
rechtfertige, der Beschwerde "mit Bezug auf die güterrechtliche Forderung" die
aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Das Bezirksgericht habe deshalb den
Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt, wenn es davon ausgegangen
sei, das Bundesgericht habe nur für den Fr. 142'177.15 übersteigenden Betrag
die aufschiebende Wirkung erteilt.

C. 
Gegen den obergerichtlichen Rechtsöffnungsentscheid hat B.________ am 23.
Dezember 2014 eine Beschwerde eingereicht mit dem Begehren um Abweisung der
kantonalen Beschwerde von A.________, eventualiter um Rückweisung der Sache an
das Obergericht. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

 Die gegen den oberinstanzlichen Arresteinspracheentscheid erhobene Beschwerde
von B.________ bildet Gegenstand des parallelen Dossiers Nr. 5A_1006/2014.

Erwägungen:

1. 
Rechtsöffnungsentscheide sind Endentscheide im Sinn von Art. 90 BGG (BGE 133
III 399 E. 1.4 S. 400) und unterliegen grundsätzlich der Beschwerde in
Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Sie stellen im Übrigen keine
vorsorglichen Massnahmen dar, weshalb alle Rügen gemäss Art. 95 f. BGG zulässig
sind (BGE 133 III 399 E. 1.5 S. 400). Der notwendige Streitwert von Fr.
30'000.-- ist erreicht (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG).

 Allerdings ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellungen des
oberinstanzlichen Entscheides gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). In diesem Bereich
kann lediglich eine offensichtlich unrichtige, d.h. willkürliche
Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, wobei hierfür das strenge Rügeprinzip
gilt; auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am
Sachverhalt tritt das Bundesgericht nicht ein (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs.
1 BGG; BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 140 II 264 E. 2.3 S. 266). Wird die
Verletzung des Willkürverbots gerügt, ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern
das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene
Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (
BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53).

 Das gestellte Begehren um Abweisung der kantonalen Beschwerde von A.________
ist falsch, weil das Bundesgericht grundsätzlich reformatorisch und nicht
kassatorisch entscheidet (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG); richtigerweise wäre ein
Begehren um Erteilung der Rechtsöffnung zu stellen gewesen. Aus dem Kontext
geht aber hervor, was das Anliegen der Beschwerdeführerin ist; das Begehren
kann deshalb im Sinn eines reformatorischen entgegengenommen werden.

2. 
Die Beschwerdeführerin stellt direkt auf die erstinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung ab, wonach das Bundesgericht angeblich nur für den Fr.
142'177.15 übersteigenden Teil der güterrechtlichen Leistung aufschiebende
Wirkung gegeben habe, und bezeichnet diese Feststellung als zutreffend. Für das
Bundesgericht verbindlich ist aber nicht die erstinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung, sondern diejenige im angefochtenen Entscheid (vgl.
Art. 105 Abs. 1 BGG), mithin die obergerichtliche Feststellung, wonach mit der
Verfügung vom 12. Juni 2014 die aufschiebende Wirkung in umfassender Weise
erteilt worden sei.

 Soweit sich die Beschwerdeführerin direkt gegen die Sachverhaltsfeststellungen
im angefochtenen Urteil richtet, ruft sie keine verfassungsmässigen Rechte als
verletzt an, sondern beschränkt sie sich auf appellatorische Ausführungen;
insbesondere macht sie keine in Verletzung von Art. 9 BV erfolgte willkürliche
Sachverhaltsfeststellung geltend. Nach dem in E. 1 Gesagten kann insoweit auf
die Beschwerde nicht eingetreten werden.

3. 
Die Beschwerdeführerin versucht, den angefochtenen Entscheid und damit indirekt
die Präsidialverfügung vom 12. Juni 2014 auch rechtlich anzugreifen, indem sie
auf Art. 103 Abs. 1 BGG verweist, wonach der Beschwerde in der Regel keine
aufschiebende Wirkung zukommt, und geltend macht, das Obergericht habe infolge
falscher Interpretation dieses Grundsatzes gegen Art. 80 und 81 SchKG
verstossen, indem es das Rechtsöffnungsbegehren vollumfänglich abgewiesen habe.

 In Bezug auf die Kognition der kantonalen Gerichte hat das Obergericht etwas
untechnisch festgehalten, es liege nicht in ihrer Kompetenz zu entscheiden, ob
die bundesgerichtliche Präsidialverfügung rechtmässig sei oder nicht. Im Kern
geht es um die Frage der Kognition des Rechtsöffnungsrichters im Verfahren der
definitiven Rechtsöffnung. Thema dieses Verfahrens ist, ob ein vollstreckbarer
Entscheid vorliegt (Art. 80 Abs. 1 und Art. 81 Abs. 1 SchKG). Soweit ein
solcher nachgewiesen wird, ist definitive Rechtsöffnung zu erteilen, ohne dass
der Entscheid materiell überprüft werden darf. Freilich kann der Entscheid als
solcher - oder hier in Bezug auf dessen Vollstreckbarkeit die
bundesgerichtliche Präsidialverfügung - auslegebedürftig sein. Bestehen Zweifel
am Inhalt oder an der Tragweite des vorgelegten Titels, darf keine
Rechtsöffnung erteilt werden, weil es nicht in der Kompetenz des
Rechtsöffnungsrichters liegt, sondern ausschliesslich am Sachrichter ist, in
materieller Hinsicht für Klarheit zu sorgen (vgl. BGE 139 III 444 E. 4.1.1 S.
446; 135 III 315 E. 2.3 S. 319; 124 III 501 E. 3a S. 503; 113 III 6 E. 1b S. 9
f.).

 Dass die bundesgerichtliche Präsidialverfügung auslegebedürftig wäre und damit
eine Unklarheit in Bezug auf die Vollstreckbarkeit des Sachentscheides
bestünde, behauptet auch der Beschwerdeführer nicht. Vielmehr versucht er
abzuleiten, dass sich die Verfügung unzweifelhaft nur auf den angefochtenen
Teil der güterrechtlichen Forderung beziehen könne, weil mit der Verfügung "der
Beschwerde" die aufschiebende Wirkung erteilt worden und der Betrag von Fr.
142'177.15 nicht Gegenstand der Beschwerde gewesen sei. Dabei argumentiert der
Beschwerdeführer aber mit dem materiellen Hintergrund, welchen der
Rechtsöffnungsrichter gerade nicht beurteilen darf; im Verfahren der
definitiven Rechtsöffnung geht es nach dem Gesagten allein um die Frage, ob der
Sachentscheid - bzw. hier die Präsidialverfügung bezüglich der Frage der
Vollstreckbarkeit des Sachentscheides - klar ist, so dass Rechtsöffnung erteilt
werden kann oder ob dies zufolge Auslegebedürftigkeit nicht möglich ist.
Vorliegend wurde explizit  mit Bezug auf die güterrechtliche Forderung die
aufschiebende Wirkung erteilt. Dies lässt sich grammatikalisch nicht anders
auslegen, als dass die ganze güterrechtliche Forderung von der aufschiebenden
Wirkung erfasst war, zumal in der Präsidialverfügung nur der Umfang der
obergerichtlich zugesprochenen güterrechtlichen Leistung, nicht aber das
Rechtsbegehren der Beschwerde aufgeführt wurde.

 War die Verfügung als solche klar und damit nicht ansatzweise
auslegebedürftig, trifft der Schluss des Obergerichtes zu, das
Rechtsöffnungsbegehren sei mangels Vollstreckbarkeit des Sachentscheides im
Güterrechtspunkt vollumfänglich abzuweisen.

4. 
Weil dem Bundesgericht unterschwellig ein Fehler beim Verfassen der
Präsidialverfügung vorgeworfen und jedenfalls eine andere Deutung beansprucht
wird, rechtfertigt es sich ausnahmsweise, über die im Verfahren der definitiven
Rechtsöffnung zu entscheidende Frage hinaus festzuhalten, dass die Formulierung
in der Verfügung bewusst so gewählt wurde und es sich nicht um ein Versehen
handelte. Mit ihrem Eventualbegehren um Sicherheitsleistung von Fr. 252'057.15
im Rahmen der Stellungnahme zum Gesuch des Beschwerdegegners um aufschiebende
Wirkung, worauf in der Verfügung Bezug genommen wurde, hatte die
Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebracht, sie selbst gehe davon aus, dass die
güterrechtliche Leistung als solche Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei. In
der Präsidialverfügung darf keine materielle Wertung zum Ausdruck gebracht
werden; vielmehr ist sicherzustellen, dass der vom Kollegium in der Sache zu
treffende Entscheid in keiner Hinsicht präjudiziert wird. Aus diesem Grund ging
die Erwägung in der betreffenden Verfügung bewusst dahin, "dass es sich zur
Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes während des bundesgerichtlichen
Verfahrens rechtfertigt, der Beschwerde mit Bezug auf die güterrechtliche
Forderung gestützt auf Art. 103 Abs. 3 BGG die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen".

5. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten
ist. Die Gerichtskosten sind bei diesem Verfahrensausgang der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein
entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. März 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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