Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 1D.3/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1D_3/2014

Urteil vom 11. März 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Ebnöther,

gegen

Regierung des Kantons Graubünden, Graues Haus, Reichsgasse 35, 7001 Chur.

Gegenstand
Einbürgerung,

Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 15. Januar 2014 des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A. 
A.________ wurde 1984 geboren und stammt aus dem Iran. Im Jahr 2000 reiste sie
in die Schweiz ein. Am 13. Januar 2005 wurde ihr der Ausweis für vorläufig
aufgenommene Flüchtlinge (Ausweis F) erteilt und in der Folge jährlich
verlängert. Am 13. September 2011 erhielt sie wegen eines schwerwiegenden
persönlichen Härtefalls eine Aufenthaltsbewilligung B (Art. 84 Abs. 5 i.V.m.
Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG [SR 142.20]).
Am 6. März 2012 reichte A.________ beim Amt für Migration und Zivilrecht des
Kantons Graubünden ein Gesuch um ordentliche Einbürgerung ein. Das Amt trat
darauf mit Verfügung vom 29. März 2012 nicht ein. Zur Begründung führte es aus,
die Gesuchstellerin erfülle die kantonalen Wohnsitzvoraussetzungen nicht (Art.
8 des Bürgerrechtsgesetzes des Kantons Graubünden vom 31. August 2005 [KBüG; BR
130.100] i.V.m. Art. 8 der Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz des Kantons
Graubünden vom 13. Dezember 2005 [KBüV; BR 130.110]).
Die von A.________ dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos.
Als letzte kantonale Instanz wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
mit Urteil vom 15. Januar 2014 ihre Beschwerde ab.

B. 
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 3. April 2014 beantragt A.________
dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und das
Amt für Migration und Zivilrecht anzuweisen, auf ihr Einbürgerungsgesuch
einzutreten.
Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne von Art.
82 BGG ist gemäss Art. 83 lit. b BGG gegen Entscheide über die ordentliche
Einbürgerung ausgeschlossen. Eine andere ordentliche Beschwerde fällt nicht in
Betracht. Damit ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff.
BGG im Grundsatz gegeben.

1.2. Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 116 BGG die
Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Zur Beschwerde ist
gemäss Art. 115 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren
teilgenommen (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung
oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b).
Die in Art. 115 lit. a BGG genannte Voraussetzung ist erfüllt. Das nach Art.
115 lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse kann durch
kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder unmittelbar durch ein
spezielles Grundrecht oder bundesverfassungsrechtliche Verfahrensgarantien
begründet sein (BGE 133 I 185 E. 4 S. 191 und E. 6.2 S. 199; 129 I 217 E. 1 S.
219; je mit Hinweisen). Ein derartiges spezielles Grundrecht ist unter anderem
das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV). Zudem verschafft Art. 14 BüG der
einbürgerungswilligen Person vor dem Hintergrund der am 1. Januar 2009 auf
Gesetzesebene eingeführten Begründungspflicht (Art. 15b BüG) eine hinreichend
klar umschriebene Rechtsposition, die es zulässt, sich im Verfahren vor
Bundesgericht auf das Willkürverbot und das Rechtsgleichheitsgebot zu berufen
(zum Ganzen: BGE 138 I 305 E. 1.2-1.4 S. 308 ff. mit Hinweisen). Die
Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Diskriminierungsverbots, des
Rechtsgleichheitsgebots und des Willkürverbots. Dazu ist sie somit legitimiert.

1.3. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Art. 38 BV regelt die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen beim Erwerb
und Verlust des Bürgerrechts. Nach Art. 38 Abs. 2 BV erlässt der Bund
Mindestvorschriften über die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern
durch die Kantone und erteilt die Einbürgerungsbewilligung. Abs. 2 ergänzt Abs.
1, wonach der Bund den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte durch Abstammung,
Heirat und Adoption sowie den Verlust aus anderen Gründen und die
Wiedereinbürgerung regelt. Abs. 2 betrifft damit in erster Linie die
ordentliche Einbürgerung, um die es auch im vorliegenden Fall geht.

2.2. Für die ordentliche Einbürgerung definiert das Bundesrecht die
Anforderungen an die Eignung des Gesuchstellers (Art. 14 BüG) und an den
Wohnsitz (Art. 15 BüG). Verlangt wird danach, dass der Gesuchsteller während
insgesamt zwölf Jahren in der Schweiz gewohnt hat, wovon drei in den letzten
fünf Jahren vor Einreichung des Gesuches (Abs. 1); für die Frist von zwölf
Jahren wird die Zeit, während welcher der Bewerber zwischen seinem vollendeten
10. und 20. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet (Abs. 2).
Nach Art. 36 Abs. 1 BüG genügt für den Wohnsitz gemäss Art. 15 BüG eine
tatsächliche Anwesenheit in Übereinstimmung mit den fremdenpolizeilichen
Vorschriften.

2.3. Nach der Rechtsprechung und insofern weitgehend übereinstimmender
Auffassung im Schrifttum ist es den Kantonen grundsätzlich erlaubt, über die in
Art. 38 Abs. 2 BV ausdrücklich als Mindestvorschriften bezeichneten
Voraussetzungen des Bundes für die ordentliche Einbürgerung hinauszugehen
(Urteil 1D_1/2014 vom 1. Oktober 2014 E. 3.6 mit Hinweisen auf Rechtsprechung
und Literatur). Diese Möglichkeit steht den Kantonen sowohl bezüglich der
Anforderungen an die Eignung der Gesuchsteller als "materielle Voraussetzung"
wie auch bezüglich der "formellen" Voraussetzungen offen, wozu insbesondere die
Wohnsitzerfordernisse gehören. Verschiedene Kantone haben davon Gebrauch
gemacht und zusätzliche Anforderungen wie insbesondere
Anwesenheitserfordernisse im Kanton oder der fraglichen Gemeinde eingeführt,
wobei sie teilweise die Kompetenz an die Gemeinden weitergeben (vgl. die
Hinweise in Urteil 1D_1/2014 vom 1. Oktober 2014 E. 3.6).

2.4. Verlangt das kantonale Recht etwa, dass der Gesuchsteller über die
Niederlassungsbewilligung verfügt, so ist dies vor dem Hintergrund der
bundesstaatlichen Kompetenzordnung von Art. 38 Abs. 2 BV nicht zu beanstanden.
Die zusätzlichen kantonalen Einbürgerungsvoraussetzungen müssen allerdings auch
mit dem übrigen Verfassungsrecht und vor allem mit den Grundrechten vereinbar
sein. Insbesondere dürfen sie nicht zu unsachlichen oder diskriminierenden
Unterscheidungen führen oder eine Einbürgerung übermässig erschweren, so dass
eine solche kaum mehr erreichbar wäre (zum Ganzen: Urteil 1D_1/2014 vom 1.
Oktober 2014 E. 3.8 f. mit Hinweisen).

3.
Gemäss Art. 6 KBüG kann das Bürgerrecht des Kantons Graubünden von Personen
erworben werden, die während insgesamt sechs Jahren im Kanton gewohnt haben,
wovon drei Jahre in den letzten fünf Jahren. Bei Ausländerinnen und Ausländern,
welche die Voraussetzungen für die Erteilung der Einbürgerungsbewilligung des
Bundes erfüllen, wird nach Art. 8 KBüG für die Berechnung der Wohnsitzdauer die
Zeit angerechnet, in der sie über eine Anwesenheitsbewilligung zum dauernden
Verbleib verfügt haben. Als Anwesenheitsbewilligung zum dauernden Verbleib
gelten nach der Ausführungsbestimmung von Art. 8 KBüV die
Niederlassungsbewilligung (Ausweis C EG/EFTA; Ausweis C), die
Aufenthaltsbewilligung ohne Schüler- und Studentenbewilligungen (Ausweis B EG/
EFTA; Ausweis B), sowie die Kurzaufenthaltsbewilligungen, die im Rahmen eines
ununterbrochenen Aufenthaltes erteilt wurden (Ausweis L EG/EFTA).
Die Beschwerdeführerin hat seit dem 13. September 2011 eine
Jahresaufenthaltsbewilligung (Ausweis B). Nach den zitierten kantonalen
Bestimmungen erfüllte sie deshalb im Zeitpunkt der Einreichung ihres Gesuchs am
6. März 2012 die Voraussetzungen an die Wohnsitzdauer nicht, weshalb das Amt
für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden auf ihr Gesuch nicht
eintrat (Art. 14 KBüV).

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin rügt, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer
willkürlichen Auslegung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge (SR 0.142.30; im Folgenden: Flüchtlingskonvention, FK). Dessen
Art. 7 Abs. 1 verlange, dass Flüchtlinge in keiner Hinsicht schlechter gestellt
sein dürften als andere Kategorien von Ausländern. Zudem sehe Art. 34 FK vor,
dass die vertragsschliessenden Staaten soweit als möglich die Assimilierung und
Einbürgerung der Flüchtlinge erleichterten und sich insbesondere bemühten, das
Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und die Kosten des Verfahrens nach
Möglichkeit herabzusetzen. Der angefochtene Entscheid stehe diesen Forderungen
diametral entgegen.

4.2. Die Verpflichtung der Vertragsstaaten der Flüchtlingskonvention, im Sinne
von Art. 34 FK die Einbürgerung von Flüchtlingen soweit als möglich zu
erleichtern, ist zwar rechtlich verbindlicher Natur. Schon aus dem Wortlaut
erhellt indessen, dass die Vertragsstaaten bei deren Umsetzung einen grossen
Spielraum geniessen. Sie können nicht gezwungen werden, einem Flüchtling ihre
Staatsangehörigkeit zu verleihen, selbst nach einer langen Wartefrist ( PAUL
WEIS, The Refugee Convention, 1951, 1995, S. 344; REINHARD MARX, in: The 1951
Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, 2011, N.
43 zu Art. 34 FK). Die möglichen Massnahmen zur Erleichterung von
Einbürgerungen sind zudem vielfältig. Explizit in Art. 34 FK erwähnt sind
herabgesetzte Verfahrenskosten und beschleunigte Verfahren (wobei mit Letzterem
das eigentliche Einbürgerungsverfahren gemeint ist: MARX, a.a.O., N. 9 zu Art.
34 FK). Daneben können sie etwa auch die staatliche Unterstützung bei der
Integration (als materielle Einbürgerungsvoraussetzung) umfassen, eine
grosszügige Handhabung der Kriterien der Sprachkenntnisse und der Fähigkeit zur
wirtschaftlichen Selbsterhaltung oder das Absehen vom Erfordernis, den Verzicht
auf die frühere Staatsangehörigkeit nachzuweisen - immer unter dem Vorbehalt,
dass das innerstaatliche Recht derartige Voraussetzungen überhaupt vorsieht (
MARX, a.a.O., N. 41 zu Art. 34 FK).
Angesichts des Spielraums, den die Vertragsstaaten bei der Umsetzung von Art.
34 FK geniessen und der vielfältigen Möglichkeiten, die Integration und
Einbürgerung von Flüchtlingen zu erleichtern, kann der Bestimmung kein Verbot,
bei der gesetzlich vorausgesetzten Wohnsitzdauer auf die Art des
Anwesenheitsrechts abzustellen, entnommen werden. Davon ist im Übrigen auch der
schweizerische Gesetzgeber bei der jüngsten Totalrevision des
Bürgerrechtsgesetzes ausgegangen. So bildet künftig die
Niederlassungsbewilligung eine der eidgenössischen Mindestvoraussetzungen für
die ordentliche Einbürgerung (Art. 9 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über das
Schweizer Bürgerrecht vom 20. Juni 2014 [Bürgerrechtsgesetz, BüG bzw. im
Folgenden zur Unterscheidung vom geltenden Recht: revBüG; BBl 2014 5133]).

4.3. Art. 7 Abs. 1 FK verlangt unter Vorbehalt günstigerer Bestimmungen dieses
Abkommens, dass jeder vertragsschliessende Staat den Flüchtlingen die
Behandlung zuteil werden lässt, die er Ausländern im Allgemeinen gewährt. Die
Formulierung "im Allgemeinen" deutet bereits an, dass damit kein striktes
Gleichbehandlungsgebot oder gar eine Meistbegünstigungsklausel gemeint ist (im
letzteren Sinne, jedoch ohne Begründung WALTER STÖCKLI, in: Ausländerrecht, 2.
Auflage 2009, Rz. 11.46). Über die genaue Bedeutung der Bestimmung herrscht im
Übrigen in der Lehre keine Einigkeit:
SKORDAS ist der Auffassung, dass sich die "Behandlung, welche ein
vertragsschliessender Staat Ausländern im Allgemeinen gewähre", aus den
anwendbaren Rechtsnormen ergebe ( ACHILLES SKORDAS, in: The 1951 Convention
Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, 2011, N. 71 zu Art. 7
FK). Wendet man diesen Massstab an, so erscheint für den vorliegenden Fall
bedeutsam, dass das schweizerische Recht in Bezug auf das Aufenthaltsrecht
keine einheitliche Behandlung von Ausländern vorsieht, sondern eine klare
Kategorisierung. Für die ordentliche Einbürgerung ist in diesem Sinne, wie
erwähnt, künftig bundesrechtlich vorausgesetzt, dass der Gesuchsteller über
eine Niederlassungsbewilligung verfügt. Wenn Art. 8 KBüG i.V.m. Art. 8 KBüV auf
die Stabilität und Dauerhaftigkeit des Aufenthaltsrechts abstellen, kann
deshalb nicht gesagt werden, dass damit vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen
jene Behandlung verwehrt werde, welche die Schweiz als Vertragspartei der
Flüchtlingskonvention Ausländern "im Allgemeinen" gewährt.
WEIS betont, dass in Art. 34 FK nur der Minimalstandard nach dem allgemeinen
völkerrechtlichen Fremdenrecht angesprochen ist ( WEIS, a.a.O., S. 56 f.).
Dieser Minimalstandard umfasst gemäss der Lehre etwa einen Anspruch auf faire
zivile und strafrechtliche Verfahren, angemessene Behandlung von Gefangenen,
Schutz vor Gewalt und missbräuchlicher Deportation und Schutz des Eigentums mit
Ausnahme von Fällen von Enteignungen zu einem öffentlichen Zweck und gegen
angemessene Entschädigung ( DANIEL THÜRER, in: Ausländerrecht, 2. Auflage 2009,
Rz. 1.51). Die von einem Staat formulierten Voraussetzungen für die Verleihung
seines Bürgerrechts gehören hingegen nicht dazu.
Auch unter Berücksichtigung dieser Lehrmeinungen kann somit die umstrittene
Bestimmung des bündnerischen Rechts nicht als Verletzung von Art. 34 FK
angesehen werden.

4.4. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass sich die Kritik, Art. 8 KBüG
und Art. 8 KBüV verletzten in willkürlicher Weise Art. 7 und 34 der
Flüchtlingskonvention, als unbegründet erweist.

5.

5.1. Die Beschwerdeführerin stellt sich weiter auf den Standpunkt, dass auch
bei Flüchtlingen, die nur vorläufig in der Schweiz aufgenommen worden seien,
von einem dauerhaften Verbleib auszugehen sei. Sie befänden sich in einer
ähnlichen Situation wie Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung. Für eine
unterschiedliche Behandlung, wie sie Art. 8 KBüG i.V.m. Art. 8 KBüV vorsehe,
bestehe kein sachlicher Grund, weshalb das Rechtsgleichheitsgebot und das
Willkürverbot verletzt seien. Darüber hinaus werde auch das
Diskriminierungsverbot durch die Benachteiligung, welche vorläufig aufgenommene
Flüchtlinge durch die kantonale Wohnsitzvorschrift erfahren würden, verletzt.
Zum einen bildeten sie eine Gruppe, die in der Schweiz in der gegenwärtigen
sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt werde. Zum andern fehle es an
einer (qualifizierten) Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung, denn ob
jemand im Sinne von Art. 8 KBüG über eine Anwesenheitsbewilligung zum dauernden
Verbleib verfüge, sage nichts über seine Integration aus.

5.2.

5.2.1. Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich
nicht wegen seiner Herkunft und der religiösen, weltanschaulichen oder
politischen Überzeugung. Wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt
("namentlich"), ist die Aufzählung von verpönten Anknüpfungspunkten nicht
abschliessend.
Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person ungleich behandelt wird allein
aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch oder
in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als
minderwertig angesehen wird. Die Diskriminierung stellt eine qualifizierte
Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen dar, indem sie
eine Benachteiligung von Menschen bewirkt, die als Herabwürdigung oder
Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an Unterscheidungsmerkmalen anknüpft, die
einen wesentlichen und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der
Identität der betroffenen Personen ausmachen; insofern beschlägt das
Diskriminierungsverbot auch Aspekte der Menschenwürde nach Art. 7 BV (zum
Ganzen: BGE 139 I 292 E. 8.2.1 S. 303 mit Hinweisen).

5.2.2. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, vorläufig aufgenommene
Flüchtlinge fielen als Gruppe in den Schutzbereich von Art. 8 Abs. 2 BV. Sie
macht geltend, vorläufig aufgenommene Flüchtlinge sähen sich zuweilen immer
noch mit einer abwehrenden Haltung von Arbeitgebern konfrontiert, obwohl ihnen
das geltende Recht die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestatte. Oft würden sie
gar Asylbewerbern gleichgestellt. Auch würden sie rechtlich bezüglich des
Familiennachzugs benachteiligt.

5.2.3. Das Bundesgericht hat sich in BGE 135 I 49 eingehend mit der Frage
befasst, nach welchen Kriterien zu entscheiden ist, ob eine bestimmte Gruppe
vom Diskriminierungsverbot erfasst wird. Danach fällt die Verfassungsbestimmung
allgemein in Betracht, wenn eine mehr oder weniger bestimmbare Gruppe von
gesellschaftlicher Herabwürdigung und Abwertung oder Ausgrenzung nach
stereotypen Vorurteilen bedroht ist (a.a.O., E. 4.3 S. 54 f. mit Hinweisen). Ob
Fürsorgeabhängige eine in diesem Sinne geschützte Gruppe bilden, liess das
Bundesgericht in jenem Entscheid im Ergebnis offen. Als dagegen sprechendes
Argument führte es insbesondere an, dass die Fürsorgeabhängigkeit auf
unterschiedlichsten Faktoren beruhen und unter Umständen überwunden werden
kann, beispielsweise wenn die betroffene Person wieder ein Erwerbseinkommen
erzielt (a.a.O., E. 5 S. 56 ff. mit Hinweisen).

5.2.4. Ob vorläufig aufgenommene Flüchtlinge in der sozialen Wirklichkeit als
Gruppe wahrgenommen werden, ist fraglich. Die Beschwerdeführerin selbst bringt
vor, dass viele Leute, insbesondere auch Arbeitgeber, nicht zwischen Personen
mit verschiedenem Aufenthaltsstatus zu unterscheiden vermöchten. So seien sich
die Wenigsten bewusst, dass es einen rechtlichen Unterschied zwischen vorläufig
aufgenommenen Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen ausländischen Personen
gebe. Dieses Fehlen einer Unterscheidung ist indessen nicht Ausdruck von
Vorurteilen gegenüber vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen, wie die
Beschwerdeführerin annimmt, sondern vielmehr ein Indiz dafür, dass diese
Kategorie von Flüchtlingen in der Gesellschaft oftmals gar nicht als
eigenständige Gruppe wahrgenommen wird.
Die Unterscheidung zwischen Personen mit unterschiedlichem
migrationsrechtlichem Status und insbesondere zwischen Flüchtlingen mit und
ohne Asyl ist in ihrem Ursprung denn auch nicht primär gesellschaftlicher
Natur, sondern rechtlicher. Konkret sieht das Bundesrecht vor, dass
Flüchtlingen beim Vorliegen von Asylausschlussgründen, nämlich im Falle von
Asylunwürdigkeit und subjektiven Nachfluchtgründen (Art. 53 f. des Asylgesetzes
vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]), kein Asyl, sondern nur die vorläufige
Aufnahme gewährt wird (Art. 83 Abs. 8 AuG). Die Asylunwürdigkeit und das
Vorliegen subjektiver Nachfluchtgründe, welche die vorläufige Aufnahme zur
Folge haben und welche somit der Unterscheidung zu Grunde liegen, können jedoch
nicht als wesentlicher Bestandteil der Identität und ein eigentliches Merkmal
der Persönlichkeit der betroffenen Personen angesehen werden (vgl. BGE 135 I 49
E. 5 S. 57).
Hinzu kommt, dass die vorläufige Aufnahme ihrer Konzeption nach kein auf Dauer
angelegter Rechtsstatus ist. Zum einen besteht sie nur solange, als die
Flüchtlingseigenschaft andauert - was freilich einen längeren Zeitraum
beschlagen kann - und damit die Wegweisung unzulässig ist (Art. 84 AuG, Art. 33
FK). Zum andern sieht Art. 84 Abs. 5 AuG vor, dass Gesuche um Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung von vorläufig aufgenommenen Personen, die sich seit mehr
als fünf Jahren in der Schweiz aufhalten, unter Berücksichtigung der
Integration, der familiären Verhältnisse und der Zumutbarkeit einer Rückkehr in
den Herkunftsstaat vertieft geprüft werden (vgl. PETER BOLZLI, in:
Migrationsrecht, 3. Aufl. 2012, N. 10 ff. zu Art. 84 AuG). Das Gesetz fördert
auf diese Weise die Regularisierung des Aufenthaltsstatus vorläufig
aufgenommener Personen. Gestützt darauf wurde im Übrigen auch der
Beschwerdeführerin im Jahr 2011 eine Aufenthaltsbewilligung B erteilt.

5.2.5. Aus all diesen Gründen ergibt sich, dass vorläufig aufgenommene
Flüchtlinge keine vom Diskriminierungsverbot erfasste Gruppe darstellen. Die
von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Kritik ist deshalb nicht im Licht von
Art. 8 Abs. 2 BV, sondern des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 Abs.
1 BV) und des Willkürverbots (Art. 9 BV) zu prüfen.

5.3.

5.3.1. Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) und der mit
diesem eng verbundene Grundsatz des Willkürverbots (Art. 9 BV) sind verletzt,
wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche
Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden
Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt,
die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen (vgl. zum Zusammenhang zwischen
Rechtsgleichheitsgebot und Willkürverbot BGE 131 I 394 E. 4.2 S. 399; Urteil
8C_612/2013 vom 30. Dezember 2013 E. 6.2; je mit Hinweisen). Die Frage, ob für
eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden
Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich
beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und
Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze ein
weiter Gestaltungsspielraum (BGE 139 I 242 E. 5.1 S. 254; 138 I 321 E. 3.2 S.
324; je mit Hinweisen).

5.3.2. Zunächst erscheint bedeutsam, dass die vorläufige Aufnahme
bundesgesetzlich verankert und definiert ist. Sie bildet Teil der
schweizerischen Rechtsordnung, nach der sich im Ergebnis entscheidet, welche
Tatsachen im Hinblick auf eine Ungleich- oder Gleichbehandlung als wesentlich
anzusehen sind (vgl. RAINER J. SCHWEIZER, in: Die schweizerische
Bundesverfassung, 3. Aufl. 2014, N. 19 zu Art. 8 BV). Nach dem Ausgeführten ist
dem Status der vorläufig aufgenommenen Personen zudem von Gesetzes wegen ein
provisorischer Charakter beigelegt, wobei die sachliche Rechtfertigung dafür
das Bestehen von Asylausschlussgründen ist (E. 5.2.4 hiervor).

5.3.3. Ein weiterer Hinweis zur Beantwortung der Frage, ob für die im
bündnerischen Recht vorgesehene Unterscheidung ein vernünftiger Grund besteht,
findet sich im (noch nicht in Kraft stehenden) revidierten Bürgerrechtsgesetz.
Im Rahmen der Gesetzesrevision hat der Gesetzgeber im Wesentlichen zwei
Änderungen beschlossen, welche im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind.
Zum einen hält Art. 9 Abs. 1 lit. a revBüG wie bereits erwähnt fest, dass der
Bund die Einbürgerungsbewilligung nur erteilt, wenn die Bewerberin oder der
Bewerber bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt. Zum
andern sieht Art. 33 Abs. 1 lit. b revBüG in Bezug auf die nach Art. 9 Abs. 1
lit. b revBüg erforderliche Aufenthaltsdauer vor, dass die Dauer einer
vorläufigen Aufnahme lediglich zur Hälfte angerechnet wird.
Zur Voraussetzung der Niederlassungsbewilligung führt der Bundesrat in seiner
Botschaft Folgendes aus: Aus dem Grundsatz, dass das Bürgerrecht als letzter
Integrationsschritt die höchsten Anforderungen an die Integration stellen
dürfe, folge, dass die ordentliche Einbürgerung den stabilsten
ausländerrechtlichen Status, somit eine Niederlassungsbewilligung, erfordere
(Botschaft vom 4. März 2011 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das
Schweizer Bürgerrecht, BBl 2011 2836 Ziff. 1.2.3.1; vgl. zur diesbezüglichen
kantonalen Praxis CÉLINE GUTZWILER, Droit de la nationalité et fédéralisme en
Suisse, 2008, Rz. 768 ff.).
Die Bestimmung über die hälftige Anrechnung der Aufenthaltsdauer von vorläufig
Aufgenommenen war im bundesrätlichen Entwurf noch nicht enthalten, sondern fand
erst in den parlamentarischen Beratungen Eingang ins Gesetz. Auch ihr liegt der
Gedanke zu Grunde, im Rahmen der Voraussetzungen zur Aufenthaltsdauer an die
Stabilität und Dauerhaftigkeit des in Frage stehenden Aufenthaltsrechts
anzuknüpfen.

5.3.4. Vor diesem Hintergrund und angesichts des dem Gesetzgeber zustehenden
Gestaltungsspielraums kann nicht gesagt werden, es entbehre jeder sachlichen
Rechtfertigung, bei der Berechnung der Wohnsitzdauer die Art des
Aufenthaltsrechts zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerin wendet zwar zu
Recht ein, dass die Art des Aufenthaltsrechts nichts über die Integration
aussage. Sie übersieht jedoch, dass dieses Kriterium nicht allein
ausschlaggebend ist. Vielmehr tritt es als materielle Voraussetzung zur
formellen des Wohnsitzerfordernisses nach Art. 15 BüG hinzu, wobei freilich
zwischen beiden Voraussetzungen ein enger Zusammenhang besteht (vgl. DIEYLA SOW
/PASCAL MAHON, in: Code annoté de droit des migrations, Volume V: Loi sur la
nationalité [LN], 2014, N. 1 f. zu Art. 15 BüG). Insgesamt kann somit das zur
Beurteilung stehende kantonalrechtliche Wohnsitzerfordernis, welches eine
Aufenthaltsbewilligung zum dauernden Verbleib fordert, nicht als rechtsungleich
oder willkürlich bezeichnet werden.

5.3.5. Zu erwähnen bleibt, dass die jüngste Revision des Bürgerrechtsgesetzes
zu einer Harmonisierung der kantonalen und kommunalen Aufenthaltsdauer geführt
hat (vgl. Art. 18 revBüG und BBl 2011 2838 Ziff. 1.2.3.2), was auch vom Kanton
Graubünden zu berücksichtigen sein wird. Im vorliegenden Verfahren ist die
damit einhergehende Einschränkung des kantonalen Spielraums bei der
Formulierung der Voraussetzungen zur ordentlichen Einbürgerung jedoch
unbeachtlich.

6. 
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat zudem keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Regierung des Kantons Graubünden
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 1. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 11. März 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold

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