Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Revision 8F.9/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8F_9/2013

Urteil vom 15. Oktober 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte
D.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christof Steger,
Gesuchstellerin,

gegen

Branchen Versicherung Schweiz,
Irisstrasse 9, 8032 Zürich,
vertreten durch Rechtsanwalt Adelrich Friedli, Stationsstrasse 66a, 8907
Wettswil,
Gesuchsgegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Revisionsgesuch gegen das Urteil
des Schweizerischen Bundesgerichts 8C_357/2012
vom 17. August 2012.

Sachverhalt:

A. 
Am 17. August 2012 hat das Bundesgericht mit Urteil 8C_357/2012 die Beschwerde
der D.________ gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.
Gallen vom 7. März 2012 abgewiesen. Letzteres hatte eine gegen den
Einspracheentscheid der Branchen Versicherung Schweiz (nachfolgend: Branchen
Versicherung oder Gesuchsgegnerin) vom 16. Mai 2011 erhobene Beschwerde
dahingehend gutgeheissen, als es der Versicherten mit Wirkung ab 1. November
2010 eine Invalidenrente basierend auf einer unfallbedingten Erwerbsunfähigkeit
von 15 % zusprach und hinsichtlich des Anspruchs auf eine
Integritätsentschädigung die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen und
neuer Verfügung an die Branchen Versicherung zurückwies.

B. 
Mit Eingaben vom 28. Juni und 3. Juli 2013 ersucht D.________ um Revision des
Urteils 8C_357/2012 und beantragt, die Sache sei zur weiteren Abklärung und
Neuverfügung zum Grad der Arbeitsunfähigkeit an die Branchen Versicherung
zurückzuweisen.
Während die Branchen Versicherung auf Abweisung des Gesuchs schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
In ihrer Eingabe vom 6. September 2013 hält D.________ an ihren Anträgen fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in
Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des
Bundesgerichts zugrunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen.
Die Revision dient insbesondere nicht dazu, Fehler und Unterlassungen der
Prozessparteien nachträglich korrigieren zu können (vgl. etwa Spühler/Dolge/
Vock, Kurzkommentar zum Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2006, N. 5 zu Art. 121 BGG;
Elisabeth Escher, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N.
9 zu Art. 121 BGG). Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn
einer der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe
vorliegt. Ein solcher Revisionsgrund ist ausdrücklich geltend zu machen, wobei
es nicht genügt, das Vorliegen eines solchen zu behaupten. Der geltend gemachte
Revisionsgrund ist im Revisionsgesuch unter Angabe der Beweismittel anzugeben,
wobei aufzuzeigen ist, weshalb er gegeben und inwiefern deswegen das Dispositiv
des früheren Urteils abzuändern sein soll (Urteil 8F_9/2009 vom 2. Juni 2009 E.
3.1).

1.2. Gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende
Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende
Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte,
unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid -
mithin dem Urteil, um dessen Revision ersucht wird - entstanden sind. Nach der
zum analogen Art. 137 lit. b OG ergangenen, gemäss BGE 134 III 45 E. 2.1 S. 47
weiterhin gültigen Rechtsprechung sind "neue" Tatsachen solche, die sich bis
zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual
zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch dem Revisionsgesuchsteller trotz
hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren; es handelt sich somit um unechte
Noven. Die Geltendmachung echter Noven, also von Tatsachen, die sich erst nach
Ausfällung des Urteils, das revidiert werden soll, zugetragen haben, ist
ausgeschlossen. Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, d.h. sie
müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils
zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern
Entscheidung zu führen. Neue Beweismittel haben entweder dem Beweis der die
Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen
zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil
des Gesuchstellers unbewiesen geblieben sind. Erheblich ist ein Beweismittel,
wenn anzunehmen ist, es hätte zu einem anderen Urteil geführt, falls das
Gericht im Hauptverfahren davon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist,
dass das Beweismittel nicht bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der
Sachverhaltsermittlung dient (BGE 110 V 138 E. 2 S. 141; 108 V 170 E. 1 S.
171). Es genügt z. B. nicht, dass ein neues Gutachten den Sachverhalt anders
wertet; vielmehr bedarf es neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die
Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen (BGE 127 V
353 E. 5b S. 358 mit Hinweisen).

1.3. Das Revisionsgesuch ist gemäss Art. 124 Abs. 1 lit. d BGG innert 90 Tagen
nach der Entdeckung des Revisionsgrundes, frühestens nach der Eröffnung der
vollständigen Ausfertigung des Entscheids einzureichen.

2. 
Mit Urteil 8C_357/2012 vom 17. August 2012 war vor Bundesgericht nur noch über
die strittig gebliebene Höhe des Anspruchs auf eine Invalidenrente nach UVG zu
entscheiden (Urteil 8C_357/2012 vom 17. August 2012 E. 2), nachdem das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit seinem - insoweit vor
Bundesgericht nicht angefochtenen - Entscheid vom 7. März 2012 die Sache
hinsichtlich des Anspruchs auf Integritätsentschädigung bereits zur umfassenden
medizinischen Beurteilung des Integritätsschadens an die Gesuchsgegnerin
zurückgewiesen hatte. Während laut erster Integritätsschadenschätzung gemäss
interdisziplinärer Expertise der medizinischen Begutachtungsstelle des
medizinischen Instituts Z.________ vom 19. Juli 2010 (nachfolgend: Gutachten
des medizinischen Instituts Z.________) die aus einer mässigen bis schweren
Femoropatellararthrose resultierende Integritätseinbusse auf 10 % festgesetzt
wurde, berücksichtigte Dr. med. B.________ in seinem Gutachten vom 17. Januar
2013 neben der Femoropatellararthrose neu zusätzlich eine lateralbetonte
Femorotibi alarthrose (zusammen 25 %), eine Achsenfehlstellung der Ulna (5 %)
sowie eine Pseudarthrose an der Clavicula (10 %), weshalb er die
Integritätseinbusse gesamthaft auf 40 % taxierte.

3.

3.1. Soweit die Gesuchstellerin neue medizinische Tatsachenfeststellungen aus
den beiden neu aufgelegten, erst nach Erlass des vermeintlich in Revision zu
ziehenden Urteils 8C_357/2012 vom 17. August 2012 entstandenen Arztberichten
vom 17. Januar 2013 und 5. Mai 2013 ableitet, kann weiterhin offenbleiben, ob
in den nach dem fraglichen Urteil angefertigten medizinischen Unterlagen ein
revisionsrechtlich zulässiges neues Beweismittel gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a
BGG betrachtet werden kann (Urteil 4A_144/2010 vom 28. September 2010 E. 2.2;
vgl. auch Urteil 9F_9/2007 vom 15. September 2008 E. 3). Denn wie im Folgenden
aufzuzeigen ist, fehlt es den darin dargelegten Tatsachen jedenfalls an
revisionsrechtlicher Erheblichkeit (vgl. E. 1.2 hievor).

3.2.

3.2.1. Allein aus der Tatsache, dass Dr. med. B.________ in seinem Gutachten
vom 17. Januar 2013 zwecks Neubeurteilung des Integritätsschadens weiteren
gesundheitlichen Beeinträchtigungen (vgl. hievor E. 2 i.f.) über diejenigen
hinaus, welche bereits Gegenstand der Integritätsschätzung gemäss Gutachten des
medizinischen Instituts Z.________ waren, einen anspruchserheblichen Einfluss
auf die Integritätsentschädigung beimass, folgt - entgegen der sinngemässen
Darstellung der Gesuchstellerin - keine direkt ursächliche Erhöhung der im
Hauptverfahren abschliessend beurteilten unfallbedingten Einschränkung der
Leistungsfähigkeit und des darauf basierenden Rentenanspruchs nach UVG. Das
Gutachten des Dr. med. B.________ wurde vielmehr deshalb erstellt, weil im
Hauptverfahren die Unvollständigkeit der Integritätsschadenbeurteilung gemäss
Gutachten des medizinischen Instituts Z.________ erkannt und die Sache -
ausschliesslich aus diesem Grund - zur medizinischen Neubeurteilung an die
Gesuchsgegnerin zurückgewiesen worden war. Dr. med. B.________ äusserte sich im
genannten Gutachten denn auch auftragsgemäss mit keinem Wort zur
Arbeitsunfähigkeit, welche die Gesuchstellerin als Folge der ihr dauerhaft
verbleibenden unfallbedingten Beeinträchtigung der gesundheitlichen
Unversehrtheit davon trägt.

3.2.2. In keiner einzigen ihrer drei Eingaben vor Bundesgericht legt die
Gesuchstellerin dar, in welchem Ausmass die gemäss Urteil 8C_357/2012 vom 17.
August 2012 E. 5.2.2 gestützt auf das Gutachten des medizinischen Instituts
Z.________ festgestellte Arbeitsunfähigkeit infolge der angeblich neu
entdeckten Tatsachen revisionsweise angepasst werden müsse. Auch den neu
aufgelegten Beweismitteln sind keine solchen Angaben zu entnehmen.

3.2.3. Mit der Gesuchsgegnerin ist schliesslich festzuhalten, dass das
Gutachten des medizinischen Instituts Z.________ bereits allen relevanten -
also auch den vermeintlich neuen - medizinischen Tatsachenfeststellungen (vgl.
hievor E. 2 i.f.) im Rahmen der abschliessenden interdisziplinären
Gesamtbeurteilung der trotz sämtlicher Unfallrestfolgen zumutbaren
Arbeitsfähigkeit Rechnung getragen hat. Wie bereits im Hauptverfahren (vgl.
Urteil 8C_357/2012 vom 17. August 2012 E. 4.2) versucht die Gesuchstellerin
auch hier, eine Addition der mit Bezug auf einzelne Funktionsstörungen und
Beschwerdebilder geschätzten Arbeitsunfähigkeitsgrade zu erwirken, was jedoch
nicht zulässig ist (Urteil 8C_548/2013 vom 3. Oktober 2013 E. 5.2.2 mit
Hinweisen).

3.2.4. Nach dem Gesagten liegt mangels Erheblichkeit der geltend gemachten -
vermeintlich neuen - medizinischen Tatsachenfeststellungen hinsichtlich der
unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ungeachtet der offengelassenen Frage
betreffend revisionsrechtlicher Zulässigkeit der angerufenen neuen Beweismittel
kein Revisionsgrund im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG vor. Das
Revisionsgesuch ist folglich als unbegründet abzuweisen.

4. 
Nicht Gegenstand dieses Verfahrens bildete jedoch die Frage, ob sich die
unfallbedingten Gesundheitsschäden, welche sich zumindest in Teilen nach
übereinstimmender Beurteilung gemäss Gutachten des medizinischen Instituts
Z.________ und den Ausführungen des Dr. med. B.________ progredient entwickeln,
seit den Untersuchungsergebnissen vom Mai 2010, welche dem Gutachten des
medizinischen Instituts Z.________ und damit auch der im Hauptverfahren
zugesprochenen Invalidenrente aufgrund einer unfallbedingten Erwerbseinbusse
von 15 % zugrunde lagen, zwischenzeitlich in einem anspruchsrelevanten Ausmass
im Sinne von Art. 17 ATSG verändert haben.

5. 
Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) werden der Gesuchstellerin als unterliegender
Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Gesuchstellerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Oktober 2013
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Hochuli

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