Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Revision 8F.1/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8F_1/2013

Urteil vom 25. Juni 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Frei,
Gesuchsteller,

gegen

IV-Stelle Schwyz,
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Gesuchsgegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Revisionsgesuch gegen das Urteil
des Schweizerischen Bundesgerichts
8C_663/2007 vom 4. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 19. November 2004 löste sich durch eine Windböe ein Fensterrahmen aus der
Verankerung und fiel auf den 1963 geborenen B.________. Der Versicherte meldete
sich bei der IV-Stelle Schwyz zum Leistungsbezug an; nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens verneinte diese mit Verfügung vom 5. Februar 2007 einen
Leistungsanspruch. Diese Leistungsablehnung wurde vom Bundesgericht mit Urteil
8C_663/2007 vom 4. August 2008 letztinstanzlich bestätigt.

B.
Mit Eingabe vom 6. Februar 2013 ersucht B.________ um Revision des Urteils
8C_663/2007 und beantragt sinngemäss, ihm sei bereits ab Dezember 2005 eine
volle Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung des Gesuchs, soweit darauf einzutreten ist,
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft
(Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des Bundesgerichts
zugrunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die Revision
dient insbesondere nicht dazu, Fehler und Unterlassungen der Prozessparteien
nachträglich korrigieren zu können (vgl. etwa Spühler/Dolge/Vock, Kurzkommentar
zum Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2006, N. 5 zu Art. 121 BGG; Elisabeth Escher,
in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N. 9 zu Art. 121
BGG). Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in
den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Ein
solcher Revisionsgrund ist ausdrücklich geltend zu machen, wobei es nicht
genügt, das Vorliegen eines solchen zu behaupten. Der geltend gemachte
Revisionsgrund ist im Revisionsgesuch unter Angabe der Beweismittel anzugeben,
wobei aufzuzeigen ist, weshalb er gegeben und inwiefern deswegen das Dispositiv
des früheren Urteils abzuändern sein soll (Urteil 8F_9/2009 vom 2. Juni 2009 E.
3.1).

2.

2.1. Nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision verlangt werden, wenn
die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder
entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht
beibringen konnte, unter Ausschluss von Tatsachen und Beweismitteln, die erst
nach dem Entscheid entstanden sind.
Die neuen Tatsachen müssen erheblich sein, das heisst sie müssen geeignet sein,
die tatsächliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern, so dass sie
bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung führen
können. Neue Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision
begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu
dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt waren, aber zum Nachteil des
Gesuchstellers unbewiesen geblieben sind. Sollen bereits vorgebrachte Tatsachen
mit den neuen Mitteln bewiesen werden, so hat der Gesuchsteller darzutun, dass
er die Beweismittel im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Erheblich
ist ein Beweismittel, wenn anzunehmen ist, es hätte zu einem anderen Urteil
geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren davon Kenntnis gehabt hätte.
Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der
Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung dient. Ein
Revisionsgrund ist nicht schon dann gegeben, wenn das Gericht bereits im
Hauptverfahren bekannte Tatsachen unrichtig gewürdigt hat. Notwendig ist
vielmehr, dass die unrichtige Würdigung erfolgte, weil für den Entscheid
wesentliche Tatsachen unbewiesen geblieben sind (BGE 127 V 353 E. 5b S. 358 mit
Hinweisen; 110 V 138 E. 2 S. 141; vgl. auch BGE 121 IV 317 E. 2 S. 322; 118 II
199 E. 5 S. 205).

2.2. Nach Art. 124 Abs. 1 lit. d BGG müssen Revisionsgesuche, die sich auf den
Revisionsgrund von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG stützen, innerhalb von 90 Tagen
nach dessen Entdeckung, frühestens jedoch nach der Eröffnung der vollständigen
Ausfertigung des Entscheids beim Bundesgericht eingereicht werden.

3.

3.1. Das Bundesgericht ging im Urteil 8C_663/2007 vom 4. August 2008
insbesondere gestützt auf das Gutachten des Dr. med. O.________ vom 24. März
2006 davon aus, die Beschwerden des Versicherten seien auf eine
undifferenzierte Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.1) und auf eine
Anpassungsstörung mit einer gemischten Störung von Gefühlen und Sozialverhalten
(ICD-10: F43.25) zurückzuführen. Die Beschwerden seien somit durch eine
zumutbare Willensanstrengung überwindbar und damit
invalidenversicherungsrechtlich unbeachtlich.

3.2. Der Gesuchsteller macht demgegenüber geltend, bei ihm sei im Jahr 2009 ein
Tumor diagnostiziert worden. Dieser Umstand sei ihm zwar schon länger bekannt
gewesen, erst aber durch das von der Gesuchsgegnerin im Rahmen einer
Neuanmeldung eingeholte Gutachten des Dr. med. M.________ vom 22. Oktober 2012
sei nachgewiesen, dass dieser Tumor unfallkausal und verantwortlich für seine
Beschwerden sei. Von diesem Gutachten habe er frühestens am 23. Oktober 2012
Kenntnis erhalten.

3.3. Der Gesuchsteller beruft sich auf den Revisionsgrund der neuen Tatsache
(nämlich des Vorliegens eines Tumors und damit eines körperlichen Leidens als
Grund für seine Beschwerden). Dass ein Tumor vorliegt, hat der Gesuchsteller
bereits im Jahre 2009 erfahren. Ob unter diesen Umständen die Revisionsfrist
von 90 Tagen gewahrt ist, erscheint fraglich, braucht jedoch nicht
abschliessend geprüft zu werden, da das Gesuch - wie nachstehende Erwägung
zeigt - abzuweisen ist.

4.
Das Urteil 8C_663/2007 vom 4. August 2008 wäre allenfalls dann zu revidieren,
wenn feststehen würde, dass die Beschwerden bereits spätestens im Zeitpunkt der
damals angefochtenen Verfügung - mithin am 5. Februar 2007 - nicht wie damals
angenommen auf eine undifferenzierten Somatisierungsstörung, sondern auf den
Tumor zurückzuführen waren. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch zu beachten,
dass bei Patienten mit Somatisierungsstörungen eine ebenso grosse
Wahrscheinlichkeit, eine zusätzliche körperliche Krankheit (oder körperliche
Unfall-Spätfolgen) zu entwickeln, besteht, wie bei jeder anderen
altersentsprechenden Person (vgl. DILLING/MOMBOUR/SCHMIDT [Hrsg.],
Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V [F],
Klinisch-diagnostische Leitlinien, 8. Aufl. 2011, S. 228 in Verbindung mit S.
226). Somit kann alleine aus dem Vorliegen des Tumors nicht ohne weiteres
geschlossen werden, dieser bestehe bereits seit Beginn der Beschwerden. Der
Gesuchsteller macht lediglich geltend, der Tumor habe sich irgendwann in der
Zeit zwischen dem 24. November 2004 (Zeitpunkt einer radiologischen
Untersuchung des Neurocraniums mit unauffälligem Resultat) und dem 14. Mai 2009
(Nachweis des Tumors) herangebildet. Dr. med. M.________ äussert sich in seinem
Gutachten vom 22. Oktober 2012 nicht zum Zeitpunkt des Entstehens des Tumors,
sondern beschreibt die heutige Situation und nimmt Stellung zu deren
Unfallkausalität, wobei er in erster Linie Kritik am geltenden Konzept des
natürlichen Kausalzusammenhanges übt. Dieses Schweigen des Gutachters in der
entscheidenden Frage ist insofern nicht erstaunlich, als nicht ersichtlich ist,
wie im Nachhinein noch feststellbar sein könnte, ob der Tumor in der Zeit
zwischen dem 24. November 2004 und dem 5. Februar 2007, oder in jener zwischen
dem 6. Februar 2007 und dem 14. Mai 2009 entstanden ist. Somit ist nicht
nachgewiesen, dass die Annahme des Bundesgerichts im Urteil 8C_663/2007 vom 4.
August 2008, wonach die Beschwerden des Versicherten in der Zeit bis zum 5.
Februar 2007 auf einer undifferenzierten Somatisierungsstörung beruhten, falsch
war. Dementsprechend ist das Revisionsgesuch abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist.

5.
Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Gesuchsteller
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Gesuchsteller auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. Juni 2013
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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