Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.72/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C_72/2013

Urteil vom 28. März 2013
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiber Grünvogel.

Verfahrensbeteiligte
L.________, vertreten durch
Rechtsanwältin Fabienne Brandenberger-Amrhein, Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Rückerstattung; Taggeld),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. November 2012.

Sachverhalt:

A.
Die 1969 geborene L.________ war bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Unfälle versichert, als sie am 15.
Februar 2005 bei einem Auffahrunfall ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule
erlitt. Die SUVA übernahm Heilbehandlungskosten und richtete Taggelder aus. Mit
Verfügung vom 19. Januar 2011 verneinte die Anstalt indessen einen
Taggeldanspruch für die Zeit zwischen 1. Juni 2009 und 28. Februar 2010 und
forderte für diesen Zeitraum bereits ausgerichtete Taggelder in der Höhe von
insgesamt Fr. 10'260.- zurück. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 10.
Mai 2011 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 30. November 2012 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
L.________ lässt beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten führen. Sie lässt in Aufhebung des Einsprache- und des
vorinstanzlichen Entscheids das Zusprechen von Taggeldern für die Zeit vom 1.
Juni 2009 bis zum 28. Februar 2010 auf das Basis einer vollständigen
Arbeitsunfähigkeit beantragen; eventualiter sei die Angelegenheit zur
Neubeurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen. Zugleich wird um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ersucht.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft grundsätzlich
aber nur die geltend gemachten Rügen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384
E. 2.2.1 S. 389 mit Hinweisen). Es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE
a.a.O. sowie 135 III 397 E. 1.4 S. 400). Es kann die Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen,
als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist
(Art. 106 Abs. 2 BGG).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
Zu prüfen ist, ob die Versicherte für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis 28. Februar
2010 Anspruch auf UV-Taggelder hat, und ob für diese Periode bereits
ausgerichtete Gelder wegen fehlender Rechtsmässigkeit von der SUVA
zurückgefordert werden dürfen.

3.
Nimmt eine versicherte Person an einer verfügten Integrationsmassnahme zur
Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung teil, stehen ihr gestützt auf
Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 lit. abis IVG IV-Taggelder zu.
Gemäss Art. 16 Abs. 3 UVG werden UV-Taggelder nur bei fehlendem Anspruch auf
IV-Taggelder gewährt. Fehlender Anspruch bedeutet, dass es letztlich nicht
darauf ankommt, ob Taggelder auch tatsächlich bezogen worden sind.
Anknüpfungspunkt ist die Anspruchsberechtigung. Verzichtet die versicherte
Person freiwillig darauf, indem sie etwa an einer angeordneten
Integrationsmassnahme im Sinne von Art. 14a IVG nicht teilnimmt, obwohl ihr
eine solche zuzumuten gewesen wäre, bleibt ihr damit ein Anspruch auf
UV-Taggelder als Ausfluss der hier gesetzlich konkretisierten
Schadenminderungspflicht verwehrt (in diesem Sinne bereits BGE 114 V 139 S. 140
f. E. 2 a und b; SVR 2007 UV Nr. 9 S. 31 E 3.2 [Urteil U 133/05 vom 14. Juli
2006]). Dies scheint die Beschwerdeführerin zu verkennen, wenn sie wie bereits
vor Vorinstanz geltend macht, die Invalidenversicherung habe in der Weigerung,
an der angeordneten Massnahme teilzunehmen, keine Verletzung der
Mitwirkungspflichten erblickt. Denn darauf kommt es nach Gesagtem nicht an.
Entscheidend ist allein, ob ihr die Teilnahme an der von der zuständigen
IV-Stelle angeordneten Massnahme zuzumuten gewesen wäre. Trifft dies zu, hätte
sie für diese Zeit IV-Taggelder generieren können. Verzichtete sie indessen
darauf, bleiben ihr auch UV-Taggelder verwehrt.
Die Versicherte hatte unbestrittenermassen eine von der zuständigen IV-Stelle
für den fraglichen Zeitraum bis Ende August 2009 verfügte Integrationsmassnahme
im Sinne von Art. 14a IVG ohne vorgängige Rücksprache nicht angetreten. Die
Vorinstanz erkannte in Auseinandersetzung mit den Parteivorbringen und
Würdigung der Aktenlage, diese Massnahme sei der Beschwerdeführerin durchaus
zuzumuten gewesen. Auf die zutreffenden Ausführungen dazu kann verwiesen
werden, zumal dieser Punkt letztinstanzlich nicht mehr ernsthaft in Frage
gestellt wird. Selbstredend stand es der Versicherten frei, ihren persönlichen
Schwerpunkt anders zu setzen und auf die Teilnahme an der zugesprochenen
beruflichen Eingliederungsmassnahme zu verzichten. Dies kann indessen nach
Gesagtem nicht zu einem ersatzweisen Anspruch auf UV-Taggelder führen. Ebenso
wenig ist einsichtig, inwiefern der Entscheid des Verwaltungsgerichtes des
Kantons Thurgaus VV.2009.393 vom 19. Mai 2010, mit welchem die Einstellung von
Versicherungsleistungen durch die Beschwerdegegnerin wegen verweigerter
Teilnahme an einer mehrwöchigen stationären Abklärung in der Klinik B.________
aufgehoben wurde, die vorliegende Streitigkeit bereits in verbindlicher Weise
(vor)entschieden haben soll.

4.
Bezüglich die den fraglichen Zeitraum ab 1. September 2009 betreffenden
Taggelder verwies die Vorinstanz auf die vom Bundesrat gestützt auf Art. 17
Abs. 3 UVG in Art. 25 Abs. 3 UVV erlassene Regelung, wonach bei einer
Arbeitsunfähigkeit von 25 und weniger Prozent kein Taggeldanspruch besteht. Die
Gesetzmässigkeit dieser Bestimmung wird letztinstanzlich nicht in Frage
gestellt, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist (E. 1 hiervor).
Alsdann würdigte das kantonale Gericht die im Recht gelegenen Arztberichte und
weiteren Akten und gelangte dabei zum Schluss, für die Frage nach der in dieser
Zeit bestandenen Arbeitsfähigkeit sei auf die von Dr. med. F.________ am 1.
September 2009 abgegebene echtzeitliche Einschätzung abzustellen. Es erwog, es
spiele dabei keine Rolle, ob die attestierte Arbeitsfähigkeit von 80 %
lediglich mit Blick auf einen Versuch, im Arbeitsprozess wieder Fuss zu fassen,
zu sehen sei. Entscheidend sei, dass eine solche Einschätzung abgegeben worden
sei und sich die Versicherte ab September 2009 auch wieder zu 80 % arbeitsfähig
fühlte. Dementsprechend habe sie der Arbeitslosenversicherung denn auch auf
diesen Zeitpunkt hin eine Vermittlungsfähigkeit von 80 % angegeben. Wenn
derselbe Arzt (rund zwei Jahre später) am 4. Mai 2011 seine Einschätzung
rückwirkend korrigiert habe, sei dies ohne Belang.
Dem ist beizupflichten, insbesondere weil die Versicherte in tatsächlicher
Hinsicht alsdann auch ihre Arbeitskraft für den gesamten fraglichen Zeitraum
bis Ende Februar 2010 auf der Basis einer 80%igen Arbeitsfähigkeit dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hatte. Ein Scheitern von Arbeitsversuchen
wird nicht geltend gemacht. Aus demselben Grund ist auch der Hinweis auf die
Verfügung der zuständigen IV-Stelle vom 27. April 2012 unbehelflich, worin
rückwirkend von einer bis zum 30. November 2009 bestehenden hälftigen
Arbeitsunfähigkeit ausgegangen wird.

5.
Inwiefern schliesslich die Rückforderung einer zu Unrecht bereits ausbezahlten
Geldleistung gestützt auf Art. 25 ATSG rechtsmissbräuchlich sein soll, weil sie
damals von der Beschwerdegegnerin als Akontoleistungen bezeichnet werden sein
soll, ist nicht nachvollziehbar. Soweit die Beschwerdeführerin mit dieser
Aussage einen Vertrauensschutztatbestand zu konstruieren versucht, ist zu
erwähnen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben im Bereich der Rückerstattung
unrechtmässig bezogener Leistungen durch Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG
konkretisiert wird, wonach, wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, sie
nicht zurückerstatten muss, wenn eine grosse Härte vorliegt; diese
Voraussetzungen sind allerdings in einem besonderen Erlassverfahren (Art. 4
ATSV) und nicht im vorliegenden Prozess zu prüfen (Urteil C 264/05 vom 25.
Januar 2006 E. 2.1).

6.
Insgesamt erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb der
Beschwerdeführerin als im Prozess Unterlegene die Gerichtskosten überbunden
werden (Art. 66 Abs. 1 BGG).

7.
Mit dem Entscheid in der Sache ist der Verfahrensantrag auf aufschiebende
Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. März 2013

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grünvogel