Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.612/2013
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2013
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2013


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_612/2013

Urteil vom 30. Dezember 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
G.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt, Grenzacherstrasse 62, 4058 Basel,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Kantonale Sozialversicherung (Prämienverbilligung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 5. August 2013.

Sachverhalt:

A. 
Der 1958 geborene G.________ führt seit einigen Jahren zusammen mit S.________
einen Bioladen. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2012 teilte das Amt für
Sozialbeiträge Basel-Stadt G.________ mit, sein Anspruch auf
Prämienverbilligung betrage ab 1. Januar 2013 monatlich Fr. 217.- (Gruppe 6 der
Prämienverbilligungstabelle). Dieser Berechnung legte es ein massgebendes
Einkommen von Fr. 28'800.- zugrunde. Daran hielt das Amt mit
Einspracheentscheid vom 19. März 2013 fest.

B. 
Die von G.________ dagegen erhobene Beschwerde wies der Präsident des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 5. August
2013 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten macht G.________
geltend, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei er mindestens in
Gruppe 2 der Prämienverbilligungstabelle des Amtes für Sozialbeiträge
Basel-Stadt einzuteilen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das
kantonale Amt für Sozialbeiträge zurückzuweisen. Weiter wird um Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung ersucht.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. Die vorinstanzlichen Akten
wurden eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Gemäss Art. 83 lit. k BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide betreffend Subventionen, auf die
kein gesetzlicher Anspruch besteht. Im vorliegenden Fall richtet sich die
Beschwerde gegen einen Entscheid, der auf dem Gesetz vom 15. November 1989 über
die Krankenversicherung im Kanton Basel-Stadt (GKV; SR 834.400) beruht. Nach §
17 Abs. 1 dieses Gesetzes haben unter anderem obligatorisch
Krankenpflegeversicherte mit Wohnsitz im Kanton Basel-Stadt Anspruch auf
Prämienbeiträge, wenn sie in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben.
Diese Bestimmung verleiht somit einen Anspruch auf die Beihilfe, sodass die
vorliegende Beschwerde nicht unter die vorerwähnte Ausnahme von Art. 83 lit. k
BGG fällt (vgl. BGE 134 I 313 E. 1.2 S. 314).

2. 
Die Beschwerde kann gemäss Art. 95 und 96 BGG wegen Rechtsverletzung erhoben
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht, mit Ausnahme des Verfassungsrechts
(Art. 106 BGG), von Amtes wegen an. Es beschränkt sich dabei jedoch
grundsätzlich auf die Rechtsfragen, welche die Beschwerde führende Partei unter
Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht erhoben hat (Art. 42 Abs. 2
BGG). Zur Verletzung von Grundrechten äussert es sich nur, wenn sie in der
Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 134 I 313 E. 2 S. 315 mit Hinweis).

3. 
Laut Art. 65 KVG gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen
wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen (Abs. 1). Gemäss
bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 65 Abs. 1 KVG geniessen die Kantone
grosse Freiheit bei der Gestaltung ihrer Prämienverbilligungen. Sie können
autonom definieren, was unter "bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen" zu
verstehen ist. Indem der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, diesen Begriff zu
präzisieren, werden die Bedingungen, von denen die Prämienverbilligungen
abhängen, nicht vom Bundesrecht geregelt. Die von den Kantonen erlassenen
Bestimmungen bezüglich der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung
stellen daher autonomes kantonales Recht dar (BGE 134 I 313 E. 3 S. 315 mit
Hinweisen).

4.

4.1. Grundlage für die Ermittlung und Berechnung des Anspruchs auf Beiträge an
die Krankenversicherungsprämien bilden gemäss § 18 der Verordnung vom 25.
November 2008 über die Krankenversicherung im Kanton Basel-Stadt (KVO; SR
834.410) das Gesetz des Kantons Basel-Stadt vom 25. Juni 2008 über die
Harmonisierung und Koordination von bedarfsabhängigen Sozialleistungen
(Harmonisierungsgesetz Sozialleistungen, SoHaG; SR 890.700; vgl. § 1 lit. d
SoHaG) und die baselstädtische Verordnung vom 25. November 2008 über die
Harmonisierung und Koordination von bedarfsabhängigen Sozialleistungen (SoHaV;
SR 890.710). Beiträge werden geleistet, wenn das massgebliche Einkommen der
Haushaltseinheit die Leistungsgrenze nicht übersteigt (§ 22 Satz 1 KVO). Die
Höhe des Prämienbeitrages richtet sich nach dem relevanten Einkommen und der
massgebenden Prämiengruppe (§ 22 Abs. 2 KVO; Anhang zu § 22 Abs. 2).

4.2. Das anrechenbare Einkommen umfasst die Einnahmen und anrechenbaren
Vermögensanteile der Haushaltseinheit bereinigt durch die anerkannten Abzüge (§
7 Abs. 2 SoHaG). Das Gesetz überlässt es dem Verordnungsgeber, die Einnahmen,
Vermögensanteile und Abzüge näher zu umschreiben (§ 7 Abs. 3 SoHaG). Das
anrechenbare Einkommen umfasst zunächst die tatsächlichen Erwerbseinkünfte.
Dazu gehören bei einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit alle Erwerbseinkünfte
in Geld und Naturalien sowie Erwerbsersatzleistungen (§ 16 lit. a SoHaV). Bei
einer selbstständigen Tätigkeit umfassen die Einnahmen den Gewinn gemäss
Steuerverfügung (§ 16 Abs. 1 lit. b SoHaV).

4.3. Das Gesetz sieht weiter vor, dass bei einem Verzicht auf Erwerbseinkommen
ein hypothetisches Einkommen berücksichtigt werden kann und der Regierungsrat
die Einzelheiten regelt (§ 7 Abs. 4 SoHaG). Ein Verzicht auf Erwerbseinkommen
ist insbesondere dann anzunehmen, wenn kein sogenanntes
Erwerbstätigkeitssurrogat und/ oder kein Rechtfertigungsgrund vorliegt und bei
Unselbstständigerwerbenden ein Mindestarbeitspensum und bei
Selbstständigerwerbenden ein Mindesterwerbseinkommen unterschritten wird (§ 20
SoHaV). Das Mindestarbeitspensum bei einer allein stehenden
unselbstständigerwerbstätigen Person beträgt 80 Prozent (§ 24 Abs. 1 lit. a
SoHaV); als hypothetisches Einkommen wird die Differenz zwischen der effektiven
Erwerbstätigkeit und dem Mindesterwerbstätigkeitsgrad von 80 Prozent
angerechnet, wobei 100 Prozent einem jährlichen Mindesterwerbseinkommen von Fr.
36'000.- netto entsprechen (§ 24 Abs. 2 SoHaV). Bei Selbstständigerwerbenden
ist ein bestimmtes Mindesterwerbseinkommen massgebend, welches gemäss § 25 Abs.
1 lit. a SoHaV bei allein stehenden Personen Fr. 28'800.- netto (80 Prozent von
Fr. 36'000.-) beträgt.

5. 
Das kantonale Gericht ging davon aus, dass der Beschwerdeführer aus der
selbstständigen Tätigkeit in seinem Bioladen - zusammen mit einem Nebenerwerb
aus unselbstständiger Tätigkeit - das jährliche Mindesterwerbseinkommen von
jährlich Fr. 28'800.- nicht erreicht, was auch nicht bestritten wird. Weiter
hat es erwogen, da § 20 SoHaV bei Selbstständigerwerbenden, im Unterschied zu
den Angestellten, ein bestimmtes Mindesterwerbseinkommen und nicht ein
Mindestpensum vorsehe, könne nicht berücksichtigt werden, dass der
Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben mit einem Arbeitspensum von rund 120
Prozent in seinem Laden beschäftigt sei. Ein tiefes Einkommen
Selbstständigerwerbender werde gemäss § 23 Abs. 1 lit. d SoHaV ausdrücklich nur
in den ersten drei Jahren ab Aufnahme der Geschäftstätigkeit als
Rechtfertigungsgrund anerkannt und könne vorliegend daher nicht berücksichtigt
werden.

6.

6.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die kantonalen Instanzen hätten die
Verordnungsbestimmung von § 25 Abs. 1 lit. a SoHaV verfassungswidrig ausgelegt
und angewendet, indem sie von der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens
von Fr. 28'800.- ausgegangen seien, ohne zu berücksichtigen, dass das
tatsächlich geleistete Arbeitspensum über 80 Prozent liege. Damit seien sie
ohne vernünftigen Grund von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des kantonalen Rechts
abgewichen. Dem massgebenden Einkommen gemäss § 25 Abs. 1 lit. a SoHaV liege,
wie bei den Unselbstständigerwerbenden gemäss § 24 Abs. 2 SoHaV, klarerweise
ein Arbeitspensum von mindestens 80 Prozent zugrunde. Die Anrechnung von
hypothetischem Einkommen könne daher nicht losgelöst vom Arbeitspensum
vorgenommen werden, sondern nur dann, wenn der Mindesterwerbstätigkeitsgrad
unterschritten werde. Laut Beschwerdeführer verstösst es als willkürliche
Rechtsanwendung gegen Art. 9 BV, beim Unterschreiten der Einkommensgrenze von
Fr. 28'800.- bei Selbstständigerwerbenden pauschal auf Einkommensverzicht zu
schliessen, ohne diesen die Möglichkeit einzuräumen, dies - durch den Nachweis
einer mindestens 80 prozentigen Erwerbstätigkeit oder auf andere Weise - zu
widerlegen. Da der angefochtene Entscheid davon ausgeht, bei
Selbstständigerwerbenden sei einzig der Einkommensbetrag massgebend, verletzt
er laut Beschwerdeführer zudem das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8
BV) von Selbstständigerwerbenden und Unselbstständigerwerbenden, ohne sich
dafür auf eine gesetzliche Grundlage stützen zu können.

6.2. Das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 8 Abs. 1 BV und das Willkürverbot
nach Art. 9 BV sind eng miteinander verbunden. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor,
wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt den Entscheid
jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis
unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar
zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit Hinweisen).
Ein Entscheid verletzt das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche
Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen
Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich
aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe
seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit
ungleich behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass sich die ungerechtfertigte
Gleich- bzw. Ungleichbehandlung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. In
dieser Hinsicht erscheint ein Verstoss gegen die Rechtsgleichheit als eine
besondere Form der Willkür (vgl. BGE 131 I 394 E. 4.2 S. 399 mit Hinweisen).

6.3. Ein Verzicht auf Erwerbseinkommen ist laut § 20 SoHaV in der Regel unter
der kumulativen Voraussetzung anzunehmen, dass bei Selbstständigerwerbenden ein
Mindesteinkommen unterschritten wird sowie kein Erwerbstätigkeitssurrogat und
kein Rechtfertigungsgrund vorliegt. § 25 Abs. 1 lit. a SoHaV setzt das
Mindesteinkommen für Selbstständigerwerbende auf Fr. 28'800.- fest. Dem
Klammerhinweis "80 Prozent von CHF 36'000" dieser Bestimmung kommt dabei keine
selbstständige Bedeutung in dem Sinne zu, dass bei Selbstständigerwerbenden
auch ein Mindestpensum zu berücksichtigen wäre. Vielmehr wird damit einzig
verdeutlicht, dass es sich beim Einheitseinkommen von Fr. 28'800.- um 80
Prozent jenes Einkommens handelt, welches bei Vollzeitbeschäftigung marktüblich
mindestens erzielt werden kann. Einen weiteren Hinweis, dass der
Beschäftigungsgrad bei Selbstständigerwerbenden keine Rolle spielt, gibt auch §
27 Abs. 1 lit. b SoHaV, wonach die Durchführungsorgane die in § 25 SoHaV
vorgesehene jährliche Mindesterwerbseinkommensgrenze erhöhen können, wenn eine
selbstständigerwerbende Person mittels ihrer geschäftlichen Tätigkeit trotz
mehrjähriger Selbstständigkeit (mindestens 6 Jahre) kein oder kein angemessenes
Erwerbseinkommen erzielt (bezüglich den Unselbstständigerwerbenden vgl. § 27
Abs. 1 lit. a SoHaV). Bei Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit kann
während den ersten drei Jahren auf die Anrechnung eines hypothetischen
Einkommens verzichtet werden (§ 23 Abs. 1 lit. d SoHaV). Der Grund, weshalb bei
Selbstständigerwerbenden ein bestimmtes Mindesteinkommen massgebend ist, liegt
darin, dass dieses im Gegensatz zum Arbeitspensum in der Regel erfasst wird
(vgl. zum Ganzen OLIVIER STEINER, Im Dickicht von Fehlanreizen und
Zirkelberechnungen - zur Koordination von bedarfsabhängigen Sozialleistungen am
Beispiel des Kantons Basel-Stadt, in: FamPra 2011 S. 78). Die Auslegung und die
Anwendung von § 25 Abs. 1 lit. a SoHaV durch die Vorinstanz ist daher im Lichte
von Art. 9 BV nicht zu beanstanden.

6.4. Bei selbstständiger Erwerbstätigkeit umfassen die Einnahmen den Gewinn
gemäss Steuerverfügung (§ 16 lit. b SoHaV). Anders als im Arbeitsverhältnis
Unselbstständigerwerbender, bezüglich welchen das Arbeitspensum und der
entsprechende Lohn in der Regel in einem Arbeitsvertrag festgehalten werden,
wird der Gewinn Selbstständigerwerbender von unterschiedlichen Faktoren
beeinflusst, welche nicht unbedingt vom zeitlichen Einsatz des wirtschaftlichen
Betriebsinhabers abhängen. Hinzu kommt der Aspekt der Praktikabilität. Die
Rechtsprechung anerkennt - namentlich auch im Bereich der kantonalen
Prämienverbilligung (BGE 122 I 343 E. 3g/dd S. 348; Urteil 2P.79/1998 vom 10.
Mai 1999 E. 3d f.) - die Zulässigkeit einer Schematisierung beziehungsweise
Typisierung, auch wenn damit ein Verlust an Einzelfallgerechtigkeit verbunden
ist (Urteil 8C_1074/2009 vom 2. Dezember 2010 E. 4.3.6). Die Berücksichtigung
unterschiedlicher Kriterien bei der Berechnung des hypothetischen
Erwerbseinkommens selbstständig- und unselbstständigerwerbender Personen
verletzt das Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 8 BV nicht, da die beiden
unterschiedlichen Kategorien von Anspruchsberechtigten nach Massgabe ihrer
Ungleichheit auch ungleich behandelt werden können.

6.5.

6.5.1. Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, es verstosse gegen den
Grundsatz der Rechtsgleichheit, wenn ohne Einzelfallprüfung und ohne
nachweisbaren Missbrauchstatbestand ein Einheitseinkommen von Fr. 28'800.-
angerechnet werde. Unter Hinweis auf BGE 117 V 153 bringt er vor, die
gesetzliche Vermutung von § 7 SoHaG in Verbindung mit § 20 SoHaV sei
wiederlegbar. Als Beweis dafür, dass sein bescheidenes Einkommen keinen
Einkommensverzicht darstelle und er mehr als 80 Prozent arbeite, bietet der
Beschwerdeführer die Durchführung eines Augenscheins in seinem Geschäft an.

6.5.2. Obwohl sich der baselstädtische Gesetzgeber weitgehend am
Ergänzungsleistungsrecht orientiert, unterscheidet sich das kantonale
Sozialleistungsrecht hinsichtlich der Berücksichtigung von hypothetischen
Erwerbseinkünften und bezüglich der Frage, wann von der Anrechnung der
standardisierten Einkommenswerte abzusehen ist, vom Ergänzungsleistungsrecht.
Bei den Ergänzungsleistungen haben diese Werte die Funktion einer gesetzlichen
Vermutung, dass die betroffene Person in der Lage ist, die festgelegten Beträge
zu erzielen. Der Leistungsansprecher kann diese Vermutung durch den Beweis des
Gegenteils umstossen, indem er bestimmte Umstände - wie Alter,
Gesundheitszustand, Sprachkenntnisse, Ausbildung, bisherige Tätigkeit,
Arbeitsmarktsituation, Dauer der Abwesenheit vom Berufsleben oder sonstige
persönliche Gründe - geltend machen kann, die ihm die Aufnahme oder Ausdehnung
einer Erwerbstätigkeit verunmöglichen. Massgebend ist demgemäss dasjenige
hypothetische Einkommen, das die Person tatsächlich realisieren könnte (BGE 117
V 153 E. 2c S. 156; Urteil 9C_600/2009 vom 8. Oktober 2009 E. 3.2). Das
kantonale Sozialleistungsrecht geht vom Grundsatz der Zumutbarkeit einer
Erwerbstätigkeit aus und regelt detailliert die einzelnen Tatbestände, die ein
Abweichen von diesem Grundsatz ausnahmsweise legitimieren. Zwar kann auch im
Bereich des SoHaG von der Anrechnung eines Verzichtseinkommens ausnahmsweise
abgesehen werden, doch ist der Katalog der Ausnahmegründe standardisiert. Die
in der SoHaV aufgelisteten Erwerbstätigkeitssurrogate und Rechtfertigungsgründe
sind nach dem Wortlaut von § 20 SoHaV allerdings nicht abschliessend, so dass
wie bei den Ergänzungsleistungen weitere Hinderungsgründe ins Feld geführt
werden können ( STEINER, a.a.O., S. 81 und S. 94). Daraus kann jedoch nicht
geschlossen werden, dass auch ein hohes Arbeitspensum Selbstständigerwerbender
darunter fällt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom
Beschwerdeführer angeführten Ratschlag des Regierungsrates vom 17. Oktober 2007
betreffend den Erlass eines Gesetzes über die Harmonisierung und Koordination
von bedarfsabhängigen Sozialleistungen (Harmonisierungsgesetz Sozialleistungen/
SoHaG), wonach wer bedarfsabhängige Sozialleistungen beansprucht, sich den
gesetzlichen Standards anzupassen hat. Gemäss den Erläuterungen zu § 17 Abs. 4
soll einem missbräuchlichen Leistungs- bzw. Verbilligungsbezug entgegengewirkt
werden, indem durch die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens verhindert
wird, dass Personen, die grundsätzlich erwerbsfähig und nicht z.B. aufgrund von
Kinderbetreuung, Krankheit oder Ausbildung an einer Erwerbstätigkeit gehindert
sind, Leistungen und Verbilligungen beziehen können. Die erwähnten
Ausnahmetatbestände stimmen im Wesentlichen mit dem Katalog der
Erwerbstätigkeitssurrogate gemäss § 22 SoHaV überein. Das vom Beschwerdeführer
ebenfalls zitierte Merkblatt zum hypothetischen Erwerbseinkommen des Amtes für
Sozialbeiträge vom Oktober 2009 nennt in diesem Sinne als Belege, mit denen der
fehlende Verzicht auf Einkommen nachgewiesen werden kann: Rentenverfügungen,
Ausbildungsbelege, Arztzeugnisse, Taggeldabrechnungen sowie Arbeitsbemühungen
(schriftliche Bewerbungen). Auf diese Möglichkeit wurde der Beschwerdeführer
vom Amt für Sozialbeiträge im Einspracheentscheid ausdrücklich hingewiesen. Er
macht jedoch einzig sein bereits sehr hohes Arbeitspensum als Grund dafür
geltend, kein höheres Einkommen generieren zu können.

6.6. Indem das kantonale Gericht davon ausgeht, das Arbeitspensum spiele bei
Selbstständigerwerbenden keine Rolle, weshalb der geltend gemachte
Beschäftigungsgrad von über 100 Prozent keinen Grund für ein Absehen von der
Anrechnung eines hypothetischen Einkommens darstelle, entspricht dies durchaus
dem Willen des Gesetzgebers sowie Sinn und Zweck der kantonalen
Sozialleistungen. Die Anwendung der massgebenden rechtlichen Grundlagen durch
das Sozialversicherungsgericht auf den Fall des Beschwerdeführers kann
jedenfalls nicht als willkürlich oder rechtsungleich bezeichnet werden. Die
Beschwerde ist daher abzuweisen.

7. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer grundsätzlich
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Indessen hat er ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten
gestellt (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dieses Gesuch ist gutzuheissen, da die
prozessuale Bedürftigkeit ausgewiesen ist und das Beschwerdebegehren nicht zum
vornherein als aussichtslos erscheinen musste (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der
Beschwerdeführer wird indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht.
Danach hat die Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu
in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Prozessführung gewährt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Dezember 2013
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben