Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.586/2013
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2013
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2013


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_586/2013

Urteil vom 23. Dezember 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Hohlstrasse 552, 8048 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

G.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schmid,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 25. Juli 2013.

Sachverhalt:

A. 
Die 1972 geborene G.________ war als Küchenhilfe im Zentrum X.________ bei den
Elvia Versicherungen (heute: Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG;
nachstehend: Allianz) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie sich am
3. Mai 1997 bei einem Grillunfall schwere Verbrennungen zuzog. Für die
bleibenden Einschränkungen aus diesem Ereignis sprach die Allianz der
Versicherten mit Verfügung vom 11. November 2003 eine Integritätsentschädigung
bei einer Einbusse von 40 % und ab 1. Juli 2003 eine Invalidenrente aufgrund
eines Invaliditätsgrades von 58 % bei einem versicherten Verdienst von Fr.
39'385.- zu.

In der Folge eines von der Invalidenversicherung eingeholten Gutachtens
reduzierte die Allianz den massgebenden Invaliditätsgrad mit Verfügung vom 22.
September 2010 per 1. November 2010 von 58 % auf 34 %. Daran hielt der
Unfallversicherer mit Einspracheentscheid vom 14. Januar 2011 fest, erhöhte
jedoch den versicherten Verdienst auf Fr. 41'401.80.

B. 
Hiegegen erhob G.________ Beschwerde vor dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und beantragte, der Einspracheentscheid sei hinsichtlich des dort
festgelegten Invaliditätsgrades aufzuheben und die Allianz sei zu verpflichten,
weiterhin eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 58 % auszurichten. Mit
Verfügung vom 20. März 2012 ordnete das angerufene Gericht ein
Gerichtsgutachten durch die MEDAS an. Die Experten erstatteten ihr Gutachten am
27. September 2012. Mit Entscheid vom 25. Juli 2013 hob das kantonale Gericht
den Einspracheentscheid vom 14. Januar 2011 vollumfänglich auf und stellte
fest, dass die Versicherte ab 1. November 2011 Anspruch auf eine Rente bei
einem Invaliditätsgrad von 60 % habe.

C. 
Mit Beschwerde beantragt die Allianz, es sei unter Aufhebung des kantonalen
Gerichtsentscheides die Sache an die Vorinstanz zwecks Gewährung des
rechtlichen Gehörs zurückzuweisen, eventuell sei unter Aufhebung der
Dispositivziffern 2 und 3 des vorinstanzlichen Entscheides der
Beschwerdegegnerin ab 1. November 2011 eine Invalidenrente basierend auf einem
Invaliditätsgrad von 55 % zuzusprechen. In prozessualer Hinsicht beantragt die
Allianz, der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Während G.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
In formeller Hinsicht rügt die Allianz, die Vorinstanz habe der Versicherten
mehr zugesprochen, als diese beantragt habe (vgl. Art. 61 lit. d ATSG), ohne
ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dieser Vorwurf trifft indessen
nicht zu: Die Versicherte beantragte im kantonalen Verfahren, der
Einspracheentscheid sei bezüglich des Invaliditätsgrades anzupassen und ihr sei
weiterhin eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 58 % auszurichten. Damit
beantragte sie eine Rente von 58 % bei einem versicherten Verdienst gemäss
Einspracheentscheid, mithin bei einem solchen von Fr. 41'401.80. Die Vorinstanz
hob den Einspracheentscheid vollumfänglich auf; damit sprach sie der
Versicherten zwar eine Rente bei einem Invaliditätsgrad von 60 %, jedoch
basierend auf einem gegenüber der ursprünglichen Verfügung unveränderten
versicherten Verdienst von Fr. 39'385.- zu. Der frankenmässige Betrag der von
der Vorinstanz zugesprochenen Rente ist damit tiefer als jener, welchen die
Versicherte beantragt hatte.

3. 
Mit Verfügung vom 11. November 2003 sprach die Beschwerdeführerin der
Versicherten eine Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 58 % zu. Streitig
und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den massgebenden Invaliditätsgrad zu Recht
per 1. November 2011 auf 60 % erhöht hat und ob dieser nicht vielmehr auf das
gleiche Datum hin hätte auf 55 % gesenkt werden müssen.

4.

4.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG von
Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht,
herabgesetzt oder aufgehoben. Der Versicherungsträger kann zudem nach Art. 53
Abs. 2 ATSG auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide
zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung
von erheblicher Bedeutung ist.

4.2. Gemäss ständiger Rechtsprechung kann das Gericht eine Revisionsverfügung
des Versicherungsträgers mit der Begründung schützen, es liege zwar kein
Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG vor, wohl aber sei die
ursprüngliche Verfügung zweifellos unrichtig gewesen, weshalb gemäss Art. 53
Abs. 2 ATSG ein Wiedererwägungsgrund vorliege (BGE 125 V 368 E. 3 S. 369; SVR
2011 IV Nr. 20 S. 53, 9C_303/2010 E. 4).

4.3. Die Erheblichkeit der Sachverhaltsänderung, welche Voraussetzung für eine
Revision der Rente der Unfallversicherung nach Art. 17 Abs. 1 ATSG ist, bejaht
das Bundesgericht, wenn sich der Invaliditätsgrad um 5 Prozentpunkte ändert (
BGE 133 V 545 E. 6.2 S. 547; vgl. auch Urteil 8C_211/2013 vom 3. Oktober 2013
E. 4.3). So wurde ein Revisionsgrund verneint in einem Fall, in dem die
Differenz des Invaliditätsgrades gegenüber der ursprünglichen Rentenverfügung
(von 70 % auf 74 %) weniger als 5 Prozentpunkte betrug, obwohl die prozentuale
Erhöhung des Invaliditätsgrades 5,7 % ausmachte (vgl. Urteil U 267/05 vom 19.
Juli 2006 E. 3.3).

4.4. Gemäss BGE 119 V 475 E. 1c S. 480 ist die Berichtigung einer zweifellos
unrichtigen Verfügung stets von erheblicher Bedeutung, wenn sie periodische
Leistungen zum Gegenstand hat. Soweit ersichtlich bis anhin nicht beantwortet
ist die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn sich die zweifellose Unrichtigkeit
der ursprünglichen Verfügung nicht auf den Bestand bzw. den Nichtbestand der
periodischen Leistung, sondern lediglich auf deren Höhe bezieht. Es wäre nicht
ohne weiteres nachzuvollziehen, eine geringfügige Korrektur der Rentenhöhe als
von erheblicher Bedeutung und somit einer Wiedererwägung zugänglich zu
qualifizieren, während bei einer entsprechenden Veränderung des Sachverhaltes
eine Revision mangels Erheblichkeit der Änderung abgelehnt würde. Zudem
erschiene es als wenig sinnvoll, die Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG an
strengere Voraussetzungen zu knüpfen als die Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2
ATSG. Daraus folgt, dass auch eine Wiedererwägung einer prozentgenauen Rente
nur dann erfolgen kann, wenn die Differenz zu der als zweifellos unrichtig
erkannten Verfügung mindestens 5 Prozentpunkte beträgt. Die entsprechende
Rechtsprechung zur Erheblichkeit der Sachverhaltsänderung bei der Revision
(vgl. E. 4.3 hievor) gilt demnach auch bezüglich der erheblichen Bedeutung der
Korrektur bei der Wiedererwägung einer Rentenzusprache der Unfallversicherung.
Diese 5 %-Grenze ist nicht nur von der Verwaltung bei der Wiedererwägung im
engeren Sinn zu beachten, sondern auch von den Gerichten im Rahmen einer
Substitution der Begründung einer Rentenanpassung im Sinne von BGE 125 V 368 E.
3 S. 369.

4.5. Mit Verfügung vom 11. November 2003 sprach die Beschwerdeführerin der
Versicherten eine Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 58 % zu. Die
Vorinstanz bejahte die zweifellose Unrichtigkeit dieser Verfügung und erhöhte
den Invaliditätsgrad per 1. November 2011 auf 60 %. Letztinstanzlich beantragt
die Beschwerdeführerin die (wiedererwägungsweise) Senkung des
Invaliditätsgrades auf 55 %. Gemäss den vorstehenden Erwägungen ist weder eine
Erhöhung des Invaliditätsgrades von 58 % auf 60 %, noch eine Senkung desselben
von 58 % auf 55 % eine Korrektur von erheblicher Bedeutung. Damit ist keine
Wiedererwägung per 1. November 2011 möglich; der für die Rente massgebliche
Invaliditätsgrad beträgt auch über dieses Datum hinaus 58 %. Entsprechend ist
die Beschwerde der Allianz in dem Sinne teilweise gutzuheissen, als
Dispositivziffer 2 und 3 des vorinstanzlichen Entscheides aufzuheben sind.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Aufgrund des
Verfahrensausganges rechtfertigt es sich, die Kosten den Parteien je hälftig
aufzuerlegen. Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner überdies eine
reduzierte Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Mit diesem
Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositivziffer 2 und 3 des
Entscheides des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 25. Juli 2013
werden aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin hat auch über den 1. November 2011
hinaus Anspruch auf eine Rente der Unfallversicherung bei einem
Invaliditätsgrad von 58 %. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden zu Fr. 400.- der Beschwerdeführerin und
zu Fr. 400.- der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1400.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Dezember 2013

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben