Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.576/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_576/2013

Urteil vom 21. Januar 2014

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
C.________,
vertreten durch Fürsprecher Ulrich Bühler,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 10.
Juli 2013.

Sachverhalt:

A. 
Mit zwei Verfügungen vom 13. und vom 22. Februar 2006 sprach die IV-Stelle des
Kantons Tessin der 1956 geborenen C.________ wegen eines Hüftleidens bei einem
Invaliditätsgrad von 76 % rückwirkend ab 1. Dezember 2004 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung zu. Im September 2009 zog die Versicherte in den Kanton
Bern. Vom 16. September 2011 bis 22. Januar 2012 besuchte sie zudem an der
Universität X.________, theologische Fakultät, eine Kurzausbildung CAS in
seelsorgerischer Begleitung von Menschen. Nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens hob die IV-Stelle des Kantons Bern mit Verfügung vom 9.
Oktober 2012 bei einem Invaliditätsgrad von 24 % die Rente der Versicherten per
30. November 2012 auf.

B. 
Die von C.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 10. Juli 2013 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt C.________, ihr sei unter Aufhebung der Verfügung und
des kantonalen Gerichtsentscheides die Rente auch über den 30. November 2012
hinaus auszubezahlen.

Während die IV-Stelle des Kantons Bern auf Abweisung der Beschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als sie
die Aufhebung der Rente der Versicherten per 30. November 2012 bestätigte.

3. 

3.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente in Anwendung von Art. 17 Abs. 1
ATSG von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht,
herabgesetzt oder aufgehoben. Die Invalidenrente ist nicht nur bei wesentlichen
Veränderungen des Gesundheitszustands, sondern auch dann zu revidieren, wenn
sich die wirtschaftlichen Auswirkungen bei gleichbleibendem Gesundheitszustand
erheblich verändert haben (BGE 119 V 475 E. 1b/aa S. 478).

3.2. Eine Rentenherabsetzung oder Aufhebung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG
setzt eine anspruchserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse voraus,
welche entweder in einer objektiven Verbesserung des Gesundheitszustandes mit
entsprechend gesteigerter Arbeitsfähigkeit oder in geänderten erwerblichen
Auswirkungen einer im Wesentlichen gleich gebliebenen
Gesundheitsbeeinträchtigung liegen kann. Demgegenüber stellt eine bloss
abweichende Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhaltes
keine revisionsrechtlich relevante Änderung dar ( BGE 112 V 371 E. 2b S. 372
unten; in BGE 136 V 216 nicht publizierte E. 3.2 des Urteils 8C_972/2009,
publiziert in: SVR 2011 IV Nr. 1 S. 1 mit Hinweis).

4. 

4.1. Aufgrund des Gutachtens der Dr. med. I.________, Neurochirurgie FMH, vom
30. April 2012 steht fest und ist zu Recht unbestritten, dass sich der
Gesundheitszustand der Versicherten in der Zeit zwischen der
rentenzusprechenden Verfügung vom 13. Februar 2006 und der rentenaufhebenden
Verfügung vom 9. Oktober 2012 nicht massgeblich verändert hat. Näher zu prüfen
ist demgegenüber die Frage, ob sich die erwerblichen Voraussetzungen der
Beschwerdeführerin in einem Masse geändert haben, dass aufgrund geänderter
erwerblichen Auswirkungen des gleichgebliebenen Gesundheitsschadens ein
Revisionsgrund anzunehmen ist. Die Vorinstanz bejaht diese Frage unter Hinweis
auf die Anerkennung des rumänischen Bachelor-Abschlusses durch das Schreiben
der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten CRUS.CH vom 30. Juni 2011 und
auf den Abschluss der Kurzausbildung CAS in seelsorgerischer Begleitung von
Menschen im Jahre 2012.

4.2. Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz erwarb die
Beschwerdeführerin im Jahre 1983 - mithin noch in der Zeit der Herrschaft von
Nicolae Ceau?escu - in Rumänien einen Studienabschluss in
Wirtschaftswissenschaften. Mit Schreiben vom 30. Juni 2011 bestätigte die
Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten, dass dieser Titel formal einem
in der Schweiz erworbenen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften
entspricht. Damit erfüllte die Versicherte die Zulassungskriterien für die
CAS-Kurzausbildung an der Universität X.________. Entgegen den
Schlussfolgerungen des kantonalen Gerichts kann indessen aus diesem
Anerkennungsschreiben nicht gefolgert werden, dass sie nunmehr die gleichen
erwerblichen Aussichten wie eine Absolventin einer schweizerischen Universität
hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die erwerblichen
Voraussetzungen der Versicherten durch dieses Anerkennungsschreiben kaum
verbessert haben.

4.3. Die Eingliederungsfachleute der IV erachteten es als fraglich, ob einzig
durch die von der Beschwerdeführerin schliesslich absolvierte
CAS-Kurzausbildung an der theologischen Fakultät der Universität X.________ und
ohne Vollausbildung im sozialen Bereich es möglich sein werde, dass die
Versicherte in diesem Bereich Fuss fasse. Es sei jedoch ein Versuch wert.
Dieser Versuch war offensichtlich mindestens bis zur rentenaufhebenden
Verfügung (noch) nicht erfolgreich. Auch auf dem theoretischen ausgeglichenen
Arbeitsmarkt ist nicht davon auszugehen, dass die absolvierte
CAS-Kurzausbildung als mit einer Vollausbildung im sozialen Bereich
gleichwertig angesehen wird. Insgesamt erscheinen somit die Erfolgsaussichten
für eine Eingliederung in diesen Bereich als zu gering, als dass alleine
aufgrund der Absolvierung des Kurses bereits von einer erheblichen Verbesserung
der Erwerbsmöglichkeiten gesprochen werden könnte. Somit hat das kantonale
Gericht gegen Bundesrecht verstossen, als es aus der Anerkennung des
rumänischen Abschlusses in der Schweiz und dem Absolvieren des CAS-Kurses auf
eine erhebliche Veränderung der erwerblichen Voraussetzungen der
Beschwerdeführerin geschlossen hat. Sollte die Beschwerdeführerin später
tatsächlich ein erhebliches Erwerbseinkommen erzielen, wird es der
Beschwerdegegnerin frei stehen, ein neues Revisionsverfahren einzuleiten.

4.4. Haben sich demnach die erwerblichen Voraussetzungen nicht erheblich
verändert, so liegt bei unbestrittenermassen unverändertem Gesundheitszustand
kein Revisionsgrund vor. Demnach ist die Beschwerde gutzuheissen und sind der
kantonale Entscheid sowie die rentenaufhebende Verfügung der IV-Stelle
aufzuheben. Die Versicherte hat auch über den 30. November 2012 hinaus Anspruch
auf eine ganze Invalidenrente.

5. 
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der Beschwerdeführerin
überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 10. Juli 2013 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 9.
Oktober 2012 werden aufgehoben. Die Beschwerdeführerin hat auch über den 30.
November 2012 hinaus Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Januar 2014

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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