Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.486/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_486/2013

Urteil vom 4. November 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
N.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter F. Siegen,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 23. Mai 2013.

Sachverhalt:

A. 
N.________, geboren 1981, erlitt am 30. Dezember 1997 einen Snowboard-Unfall.
Zufolge Zerreissung des Längsbandapparates der Wirbelsäule sowie des
lumbosakralen Übergangs besteht eine sensomotorisch inkomplette Tetraplegie.
Seit dem 1. Juli 2001 bezog N.________ eine halbe Invalidenrente. Im Zuge eines
von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens hob die IV-Stelle des Kantons
Aargau die Rente mit Verfügung vom 27. Juni 2012 auf. Die Annahme, dass die
Versicherte nach der Geburt ihres Sohnes am 2. September 2010 als Gesunde nur
noch teilzeitlich erwerbstätig wäre, führte zu einem rentenausschliessenden
Invaliditätsgrad.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 23. Mai 2013 ab.

C. 
N.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr auch über
den 31. Juli 2012 hinaus eine halbe Invalidenrente zuzusprechen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG)
und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.,
134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f.,
je mit Hinweisen).

2. 
Das kantonale Gericht hat die für den Rentenanspruch massgeblichen Bestimmungen
und Grundsätze unter Hinweis auf die Verfügung der IV-Stelle zutreffend
dargelegt.

3.

3.1. Beschwerdeweise wird zunächst geltend gemacht, dass die Versicherte im
Gesundheitsfall auch nach der Geburt ihres Sohnes zu 100 % erwerbstätig wäre.

3.2. Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig oder
als nichterwerbstätig einzustufen ist, was je zur Anwendung einer anderen
Methode der Invaliditätsbemessung führt, ergibt sich aus der Prüfung, was die
Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche
Beeinträchtigung bestünde (BGE 133 V 504 E. 3.3 S. 508). Für die hypothetische
Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-) Erwerbstätigkeit ist der im
Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich (in BGE 130 V 393 nicht publ. E. 4.1 des
Urteils I 634/03 vom 15. Juni 2004; zur überwiegenden Wahrscheinlichkeit: BGE
126 V 353 E. 5b S. 360; 130 III 321 E. 3.2 u. 3.3 S. 324 f.; RKUV 1985 Nr. K
613 S. 19 E. 3a). Die Frage, in welchem Ausmass die versicherte Person ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre, ist mit Rücksicht auf die
gesamten Umstände, so die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen
Verhältnisse, zu beantworten (BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 396).
Dabei handelt es sich zwangsläufig um eine hypothetische Beurteilung, die auch
hypothetische Willensentscheidungen der versicherten Person berücksichtigen
muss, welche indessen als innere Tatsachen einer direkten Beweisführung nicht
zugänglich sind und in aller Regel aus äusseren Indizien erschlossen werden
müssen. Die Beurteilung hypothetischer Geschehensabläufe ist eine Tatfrage,
soweit sie auf Beweiswürdigung beruht, selbst wenn darin auch
Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung mitberücksichtigt
werden. Ebenso sind Feststellungen über innere oder psychische Tatsachen
Tatfragen, wie beispielsweise was jemand wollte oder wusste. Rechtsfragen sind
hingegen Folgerungen, die ausschliesslich - losgelöst vom konkreten Sachverhalt
- auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt werden, oder die Frage, ob aus
festgestellten Indizien mit Recht auf bestimmte Rechtsfolgen geschlossen worden
ist. Nach diesen Grundsätzen ist die auf eine Würdigung konkreter Umstände
gestützte Festsetzung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit eine
Tatfrage. Die diesbezüglichen Feststellungen des kantonalen Gerichts sind nach
der dargelegten Regelung der Kognition (oben E. 1) für das Bundesgericht
verbindlich, sofern sie nicht offensichtlich unrichtig sind oder auf einer
Rechtsverletzung beruhen. Eine Rechtsfrage läge hingegen vor, wenn die
Vorinstanz ihre Folgerungen bezüglich des Umfanges der Erwerbstätigkeit im
Gesundheitsfall ausschliesslich auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt
hätte (Urteil I 693/06 vom 20. Dezember 2006 E. 4.1).

3.3. Das kantonale Gericht hat erwogen, dass die Beschwerdeführerin in dem ihr
vorgelegten "Fragebogen betreffend Erwerbstätigkeit/Haushalt" am 18. Dezember
2010 angegeben habe, zurzeit aus gesundheitlichen und persönlichen/familiären
Gründen nicht erwerbstätig zu sein. Anlässlich der Abklärung im Haushalt am 3.
Mai 2011 habe sie zu Protokoll gegeben, dass sie ohne Gesundheitsschaden neben
der Kinderbetreuung zu 30 bis 50 % arbeiten würde. Erst in ihrer Beschwerde an
die Vorinstanz habe sie bestritten, dass sie als Gesunde seit der Geburt ihres
Sohnes nur ein Teilzeitpensum versehen würde.

3.4. Die Beschwerdeführerin rügt, dass die Vorinstanz zu Unrecht auf die
"Aussagen der ersten Stunde" abgestellt habe, und wiederholt die bereits vor
dem kantonalen Gericht vorgebrachten Gründe, weshalb sie im Gesundheitsfall
auch nach der Geburt ihres Sohnes zu 100 % erwerbstätig wäre. Dass sich das
kantonale Gericht in seiner Beurteilung der Statusfrage ausschliesslich auf die
allgemeine Lebenserfahrung gestützt hätte, wird nicht geltend gemacht, und auch
eine offensichtliche Unrichtigkeit seiner Feststellungen lässt sich mit den
vorgebrachten Einwänden nicht begründen. Ausschlaggebend ist diesbezüglich,
dass die Vorinstanz namentlich auch die prekären finanziellen Verhältnisse, auf
welche sich die Beschwerdeführerin beruft, in Erwägung gezogen, die erst
beschwerdeweise geltend gemachte 100%ige Erwerbstätigkeit indessen aufgrund der
gegebenen, im angefochtenen Entscheid näher erläuterten Umstände als nicht
überwiegend wahrscheinlich erachtet hat. Rechtsprechungsgemäss ist es nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz die Angaben der Versicherten auf dem
Fragebogen und anlässlich der Abklärung im Haushalt als unbefangener und
zuverlässiger erachtet hat als die spätere Darstellung, die bewusst oder
unbewusst von nachträglichen Überlegungen versicherungsrechtlicher oder anderer
Art beeinflusst sein können (BGE 121 V 45 E. 2a S. 47; 115 V 133 E. 8c S. 143;
RKUV 2004 Nr. U 524 S. 546, U 236/03 E. 3.3.4; RKUV 2004 Nr. U 502 S. 183, U
322/02 E. 4).

4. 
Gerügt wird weiter das von der Verwaltung ermittelte und von der Vorinstanz
bestätigte Valideneinkommen. Es wird geltend gemacht, dass das hypothetische
Einkommen im Gesundheitsfall nicht gestützt auf die vom Bundesamt für Statistik
(BFS) herausgegebene Lohnstrukturerhebung, sondern anhand von dessen
Berechnungstool "Salarium" zu bestimmen gewesen wäre.
Indessen liegen beiden Instrumentarien die gleichen vom BFS erhobenen Daten
zugrunde. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Differenz liegt
vielmehr in der Auswahl der Parameter bei ihrer individuellen
Salarium-Lohnberechnung begründet. Inwiefern die Ermittlung des
Valideneinkommens durch die IV-Stelle diesbezüglich zu beanstanden sei, wird
beschwerdeweise nicht weiter dargelegt. Es ist darauf deshalb nicht näher
einzugehen. Anzumerken ist lediglich, dass die Vergleichseinkommen aufgrund
gesamtschweizerischer Tabellenlöhne zu bestimmen sind (SVR 2012 UV Nr. 26 S.
93, 8C_744/2011 E. 5.2; Urteile 8C_648/2009 vom 24. März 2010 E. 5.1; 8C_683/
2009 vom 26. Februar 2010 E. 4.1; U 8/07 vom 20. Februar 2008 [auszugsweise
publiziert in RtiD 2008 II S. 293] E. 6.3; U 423/06 vom 5. November 2007 E.
4.2.2; vgl. zur Begründung auch SVR 2007 UV Nr. 17 S. 56, U 75/03 E. 7 u. 8).
Auch bedürfte es näherer Begründung, weshalb zehn Jahre nach Abschluss der
kaufmännischen Lehre im Gesundheitsfall der Beizug eines Tabellenlohnes gemäss
Anforderungsniveau 2 (Verrichtung selbstständiger und qualifizierter Arbeiten)
angezeigt gewesen wäre.

5. 
Die Beschwerde kann ohne Durchführung des Schriftenwechsels (Art. 102 Abs. 1
BGG) erledigt werden.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau,
der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. November 2013
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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