Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.386/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_386/2013

Urteil vom 15. Oktober 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
H.________,
vertreten durch Rechtsdienst Integration Handicap,
Beschwerdeführer,

gegen

Basler Versicherung AG,
Aeschengraben 21, 4051 Basel,
vertreten durch Rechtsanwalt Oskar Müller, Badenerstrasse 141, 8004 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 14. März 2013.

Sachverhalt:

A. 
H.________, geboren 1951, war bei der X.________ AG angestellt und für den
Sicherheitsbereich der Geschäftsstelle Zürich zuständig, als er sich am 20.
März 1996 bei einem Motorradunfall am linken Unterarm verletzte. Die Basler
Versicherung AG (nachfolgend: Basler), bei welcher er für die Folgen von
Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert war, schloss
den Fall am 6. August 1999 ab, sprach dem Versicherten eine
Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 30% zu und stellte
die Prüfung des Rentenanspruchs in Aussicht. Gestützt auf das Gutachten des Dr.
med. S.________, Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates FMH, vom 28. April 2010, welches die Invalidenversicherung
im Rahmen eines Revisionsverfahrens eingeholt hatte, sprach die Basler
H.________ mit Einspracheentscheid vom 5. Januar 2012 rückwirkend ab dem 1.
Juni 1999 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 33% zu.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 14. März 2013 ab.

C. 
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine
Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 50% zuzusprechen. Des Weiteren
ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Während die Basler auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Gemäss Gutachten des Dr. med. S.________ besteht zufolge der am 20. März 1996
erlittenen Verletzungen eine Instabilität des Kapsel-Band-Apparates am linken
Ellbogengelenk und eine Ellbogengelenks-Arthrose, die zu Belastungs- und
Funktionsbeschwerden des Unterarms, des Handgelenks und der Hand führen.
Gestützt auf die Erhebungen der Beschwerdegegnerin am vormaligen Arbeitsplatz
ging der Gutachter davon aus, dass der Versicherte als Sicherheitschef nur noch
administrative Tätigkeiten ausführen könnte, der erforderliche volle
körperliche Einsatz bei der praktischen Arbeit in der Diebstahl-, Unfall- und
Brandverhütung aber nicht mehr möglich sei, weswegen ihm die Stelle bei der
X.________ AG auch gekündigt worden war. Dem Leiden angepasste, leichte
wechselbelastende Tätigkeiten sind dem Versicherten nach gutachtlicher
Einschätzung vollumfänglich zumutbar.

3. 
Letztinstanzlich streitig sind einzig die erwerblichen Auswirkungen der
Gesundheitsschädigung. Der Beschwerdeführer rügt, dass er entgegen der
Auffassung von Verwaltung und Vorinstanz nicht in der Lage sei, einen
Durchschnittslohn gemäss Anforderungsniveau 3 zu erzielen.

4. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über die Ermittlung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

5. 
Hinsichtlich des Valideneinkommens hat die Vorinstanz den Einspracheentscheid
der Beschwerdegegnerin bestätigt, welche von einem massgeblichen Lohn im Jahr
1995 von Fr. 81'282.40 ausgegangen ist. Dieser Betrag wird beschwerdeweise
nicht bestritten. Indessen sind für den Einkommensvergleich
rechtsprechungsgemäss die Verhältnisse im Zeitpunkt des Beginns des
Rentenanspruchs massgebend (BGE 128 V 174, 129 V 222), weshalb eine Anpassung
an die Nominallohnentwicklung nicht bis ins Jahr 2010, sondern bis 1999 zu
erfolgen hat. Der Nominallohnindex betrug 1995 102,6, 1999 105,2 Punkte
(Bundesamt für Statistik, Schweizerischer Lohnindex nach Wirtschaftszweigen:
Index und Veränderung auf der Basis 1993 = 100, 1993-2010, Nominallohnindex,
Männer, T1.1.93_I; abrufbar unter www.bfs.admin.ch). Es resultiert daraus für
das Jahr 1999 ein Valideneinkommen von Fr. 83'342.-.

6.

6.1. Nachdem ihm die Stelle als Sicherheitschef von der Arbeitgeberin per 30.
Juni 1998 gekündigt worden war, führte der Versicherte ab dem 1. Juni 1999 eine
Tankstelle, betrieb ab 2005 zunächst einen Imbisswagen und später ein Bistro
und war seit dem 1. August 2007 als selbstständig erwerbender Taxifahrer tätig.
Die Vorinstanz zog zur Ermittlung des Invalideneinkommens indessen die
Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen
Lohnstrukturerhebung (LSE) heran, was nicht weiter begründet, beschwerdeweise
aber auch nicht beanstandet wird. Nach Auffassung des kantonalen Gerichts
entspricht die Berufsbildung des gelernten Verkäufers mit Ausbildung in einer
Detektei der Allgemein- und Berufserfahrung von Anforderungsniveau 3, welches
Berufs- und Fachkenntnisse voraussetzt.

6.2. Dem kann mit Blick auf vergleichbare Fälle nicht gefolgt werden. Das
Bundesgericht hat diesbezüglich zunächst jeweils berücksichtigt, ob trotz der
invaliditätsbedingten Einschränkungen von Erwerbsmöglichkeiten in einer
bestimmten Branche auszugehen war (vgl. etwa Urteile I 170/00 vom 5. September
2000 E. 2c [kaufmännisch-administrative Tätigkeiten]; I 382/00 vom 9. Oktober
2001 E. 3b [Tätigkeit als Aussendienstmitarbeiter/Kundenberater]). Dies trifft
hier nicht zu, ist doch auch die Vorinstanz vom Durchschnittslohn aller
Wirtschaftszweige (Total) ausgegangen. Konnte die versicherte Person nach
Eintritt der Invalidität jedoch nicht auf einen angestammten Beruf
zurückgreifen, rechtfertigte sich die Anwendung von Anforderungsniveau 3
(Total) nur dann, wenn sie über besondere Fertigkeiten und Kenntnisse verfügte
(so im Fall des ehemaligen Spitzensportlers, der eine Maturaprüfung vorweisen
konnte und zum Zeitpunkt des Unfalls erst 30-jährig gewesen war, Urteil I 779/
03 vom 22. Juni 2004 E. 4.3.4; beim Versicherten, der bereits verschiedene
Berufe [Lastwagen- und Buschauffeur, Inserate-Akquisiteur, selbstständiger
Herausgeber einer Zeitschrift] ausgeübt hatte, Urteil I 822/04 vom 21. April
2005 E. 5.2; beim früheren Spengler-/Sanitärinstallateur mit
überdurchschnittlichen handwerklichen Fähigkeiten, Urteil 8C_192/2013 vom 16.
August 2013 E. 7.3.2). Ansonsten zog das Bundesgericht den Durchschnittslohn
von Anforderungsniveau 4 (Total) heran (so namentlich im Fall des gelernten
Heizungsmonteurs, SVR 2010 IV Nr. 52 S. 160, 9C_125/1009 E. 4.4.3).

6.3. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt des Unfalls 45-jährig und damals
seit annähernd 20 Jahren bei der X.________ AG angestellt gewesen, hatte dort
zuletzt eine leitende Stellung bekleidet, verfügte jedoch nur in diesem Beruf
als Sicherheitschef, den er behinderungsbedingt nicht mehr ausüben kann, über
die entsprechenden Fachkenntnisse. Es werden von der Vorinstanz keine
besonderen Umstände genannt, die ihm auch in einer anderen als der angestammten
Tätigkeit von entscheidendem Nutzen sein könnten. Die Behandlung, die
Anzeigeerstattung und das Aufdecken von Ladendiebstählen, das Aufspüren von
verdächtigen Kunden und Mitarbeitern oder die Kassendifferenz-Ermittlung waren
Kernaufgaben eines Detektivs. Dass ihm die Hausdetektive und Portiers
unterstanden, lässt noch nicht auf eine herausragende Führungsqualität
schliessen. Die Schulung in der Diebstahlsverhütung war (ebenso wie die Früh-
und Spätkontrolle an den Personalausgängen) eng mit seiner Tätigkeit verknüpft,
sodass auch diesbezüglich nicht ohne Weiteres von besonderen, auch in anderen
Berufen einsetzbaren Talenten ausgegangen werden könnte.

6.4. Das Abstellen auf Anforderungsniveau 3 bei der Ermittlung des
Invalideneinkommens war daher nicht angezeigt. Es ist vielmehr vom
Durchschnittslohn gemäss Anforderungsniveau 4 auszugehen. Dieser belief sich
gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung
(LSE) 1998, Tabelle TA1 (Privater Sektor), für Männer auf Fr. 4'268.-.
Umgerechnet auf die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,8 Stunden
(Die Volkswirtschaft, 2008 Heft 7/8, S. 90, Tabelle B 9.2) und angepasst an die
Nominallohnentwicklung von 0,1% (Bundesamt für Statistik, Schweizerischer
Lohnindex nach Wirtschaftszweigen: Index und Veränderung auf der Basis 1993 =
100, 1993-2010, Nominallohnindex, Männer, T1.1.93_V; abrufbar unter
www.bfs.admin.ch) ergibt sich für das Jahr 1999 ein monatlicher Lohn von Fr.
4'465.- beziehungsweise ein Jahreseinkommen von Fr. 53'580.-.

6.5. Beschwerdeweise wird geltend gemacht, dass beim Abzug vom Tabellenlohn (
BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V 75 E. 5 S. 78 ff.), welchen die Vorinstanz
auf 10% festgesetzt hat, das Alter des Versicherten unberücksichtigt geblieben
sei. Auch in dieser Hinsicht (vgl. oben E. 5) ist jedoch nicht das aktuelle
Alter, sondern der Zeitpunkt des Rentenbeginns massgeblich, als der
Beschwerdeführer 48-jährig war. Dem Einwand kann daher nicht gefolgt werden.
Bei einer Reduktion des Tabellenlohns um 10% ergibt sich ein Invalideneinkommen
von Fr. 48'222.-.

7. 
Aus dem Vergleich des Valideneinkommens von Fr. 83'342.- mit dem
Invalideneinkommen von Fr. 48'222.- resultiert ein Invaliditätsgrad von 42% und
dem Versicherten steht mit Wirkung ab dem 1. Juni 1999 eine entsprechende
Invalidenrente der Unfallversicherung zu.

8. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
Prozessausgang entsprechend der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG); des Weiteren hat sie dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist
damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. März 2013 und der
Einspracheentscheid der Basler Versicherung AG vom 5. Januar 2012 werden
aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab dem
1. Juni 1999 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 42%
auszurichten. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Oktober 2013

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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