Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.332/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_332/2013

Urteil vom 25. Juli 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

G.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Christian Haag,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (natürlicher Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des
Obergerichts des Kantons Uri
vom 22. März 2013.

Sachverhalt:

A.
Mit Einspracheentscheid vom 13. Dezember 2007 bestätigte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ihre Verfügung vom 23. Mai 2007, mit welcher
sie die Erbringung weiterer Versicherungsleistungen an G.________ (Jg. 1979)
mangels relevanten Kausalzuammenhanges zwischen einem am 22. Januar 2003
erlittenen Snowboardunfall (mit Thalusfraktur am linken Fussgelenk) und darauf
aufgetretenen, nunmehr zum zweiten Mal als Rückfall gemeldeten Fussbeschwerden
abgelehnt hatte. Das Obergericht des Kantons Uri wies eine dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 8. April 2011 ab. Diesen hob das Bundesgericht mit
Urteil vom 10. Mai 2012 auf Beschwerde hin indessen wieder auf; es wies die
Sache an das kantonale Gericht zurück, damit dieses noch bestehende
Ungereimtheiten im Gutachten des Dr. med. E.________, Leiter Fuss- und
Sprunggelenkchirurgie an der Klinik X.________, vom 1. Februar 2011 kläre und
anschliessend über die erhobene Beschwerde neu entscheide.

B.
Das kantonale Gericht forderte ergänzende Auskünfte des Dr. med. E.________ an,
welche am 19. November 2012 erstattet wurden. Am 26. November 2012 nahm dieser
von der Vorinstanz angerufene Facharzt auch zu nachträglichen Zusatzfragen von
G.________ Stellung. Mit Entscheid vom 22. März 2012 (recte: 2013) hob das
Gericht den angefochtenen Einspracheentscheid vom 13. Dezember 2007 in
Gutheissung der dagegen gerichteten Beschwerde, soweit es darauf eintrat, auf;
unter Bejahung der natürlichen Unfallkausalität der bekannten Fussbeschwerden
wies es die Sache an die SUVA zurück, damit diese über die der Versicherten
nach Art und Umfang im Einzelnen zustehenden Leistungen im Sinne seiner
Erwägungen neu verfüge.

C.
Die SUVA führt Beschwerde mit dem Begehren um Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheids.

 G.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. In
Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der
Militär- oder der Unfallversicherung ist das Bundesgericht - anders als in den
übrigen Sozialversicherungsbereichen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG) - nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
Bezüglich der für die Beurteilung der streitigen Leistungsansprüche
massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und der hiezu von der Rechtsprechung
weiter konkretisierten Grundsätze wird auf die zutreffenden vorinstanzlichen
Ausführungen verwiesen. Dies betrifft insbesondere die unabdingbare
Anspruchsvoraussetzung des natürlichen Kausalzusammenhanges zwischen
versichertem Unfallereignis und eingetretenem Schaden (BGE 129 V 177 E. 3.1 S.
181) sowie - in verfahrensrechtlicher Hinsicht - die bei der richterlichen
Würdigung ärztlicher Berichte und Gutachten, namentlich Gerichtsgutachten,
Angaben versicherungsexterner und -interner Ärzte sowie hausärztlicher
Stellungnahmen jeweils zu beachtenden Richtlinien (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352
ff.).

3.
Beim angefochtenen kantonalen Entscheid vom 22. März 2013 handelt es sich um
einen Zwischenentscheid, mit welchem die Sache zur Prüfung weiterer - nebst dem
bejahten natürlichen Kausalzusammenhang - erforderlicher
Leistungsvoraussetzungen an die SUVA zurückgewiesen wurde. Mit der Aufhebung
des Einspracheentscheids der SUVA vom 13. Dezember 2007 wurde der natürliche
Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und als Folge davon geltend
gemachten Fussbeschwerden als grundlegende Anspruchsvoraussetzung für die
beantragten Versicherungsleistungen (Taggelder, Heilbehandlung, Invalidenrente,
Integritätsentschädigung) vom kantonalen Gericht - für den Unfallversicherer
verbindlich - als gegeben festgestellt. Könnte die SUVA diesen Entscheid vor
Bundesgericht nicht anfechten, hätte dies zur Folge, dass sie unter Umständen
gezwungen wäre, eine leistungszusprechende Verfügung zu erlassen, auch wenn sie
selbst diese als rechtswidrig betrachtet. Weil sie diese in der Folge nicht
mehr anfechten könnte und die heutige Beschwerdegegnerin kaum ein Interesse
daran haben wird, gegen einen zwar rechtswidrigen, aber zu ihren Gunsten
lautenden Endentscheid gerichtlich vorzugehen, könnte der kantonale
Vorentscheid nicht mehr korrigiert werden, was für die SUVA mit einem nicht
wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von 93 Abs. 1 lit. a BGG verbunden wäre
(vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.). Auf die Beschwerde ist daher
einzutreten.

4.

4.1. Laut Urteil des Bundesgerichts vom 10. Mai 2012 konnte das Bundesgericht
die hier streitige Frage nach der natürlichen Kausalität des Snowboardunfalles
vom 22. Januar 2003 für die nunmehr vorhandenen Fussbeschwerden gestützt auf
die fachmännische Expertise des Dr. med. E.________ vom 1. Februar 2011 nicht
beantworten, weil es darin verschiedene Ungereimtheiten erblickt hatte. Weil
auch die sonstige medizinische Aktenlage eine abschliessende Beurteilung nicht
zuliess, wurde die Sache zur ergänzenden Abklärung an die Vorinstanz
zurückgewiesen. Dabei galt es nach bundesgerichtlichem Rückweisungsurteil vom
10. Mai 2012 namentlich der als widersprüchlich erachteten Antwort auf die
Frage nachzugehen, ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen aktuellen Beschwerden und erlittenem
Snowboardunfall auszugehen sei oder aber ein solcher lediglich als Möglichkeit
in Betracht falle. Aufschlüsse erwartet wurden zudem über die Zweckmässigkeit
zweier von Dr. med. E.________ angeregter röntgenologischer, allenfalls
nuklearmedizinischer Abklärungen (Fluorid-PET-CT- und SPECT-CT-Untersuchung).

4.2. Das kantonale Gericht wandte sich in der Folge am 15. Oktober 2012
nochmals an Dr. med. E.________. Es stellte ihm die Fragen: "Sind die von
G.________ geklagten Beschwerden ganz oder teilweise mit mindestens
überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Snowboardunfalll vom 22. Januar 2003
zurückzuführen" und: "Ist die Frage ihrer Ansicht nach im Rahmen einer
zusätzlich anzuordnenden Begutachtung zu klären, sind namentlich weiterführende
Fluorid-Pet-CT- und Spect-Untersuchungen durchzuführen?" Zur Verdeutlichung der
Problematik stellte das kantonale Gericht Dr. med. E.________ ein Exemplar des
bundesgerichtlichen Urteils vom 10. Mai 2012 zur Verfügung. Am 15. November
2012 reichte die heutige Beschwerdegegnerin dem kantonalen Gericht folgende
Zusatzfrage an Dr. med. E.________ ein, welche diesem - nach Eingang seiner
ersten Antwort vom 19. November 2012 - ebenfalls zur Beantwortung unterbreitet
wurde. Diese lautet: "Was ist wahrscheinlicher: a) dass die geklagten
Beschwerden ganz oder zumindest teilweise direkt oder indirekt Folge des
Snowboardunfalles sind, oder b) dass die geklagten Beschwerden nicht einmal
mehr teilweise indirekt Folge des Snowboardunfalles sind?"

5.
Die Antwort des Dr. med. E.________ auf die Frage des kantonalen Gerichts
erfolgte am 19. November, diejenige auf die Zusatzfrage der heutigen
Beschwerdegegnerin am 26. November 2012.

5.1. In dem das Gutachten vom 1. Februar 2011 präzisierenden Bericht vom 19.
November 2012 bestätigte Dr. med. E.________ zunächst zwar, dass die geklagten
Beschwerden teilweise mit mindestens überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den
Snowboardunfall vom 22. Januar 2003 zurückzuführen seien. Gleich anschliessend
begründet er dies jedoch einzig damit, dass vor dem Unfallereignis vom 22.
Januar 2003 keine unfallbedingte und gesundheitlich beeinträchtigende Situation
vorgelegen habe. Wie die SUVA mit Recht einwendet, bringt der Gutachter damit
die Formel "post hoc, ergo propter hoc" ins Spiel, welche zum Beweis
natürlicher Kausalzusammenhänge indessen anerkanntermassen nicht zu genügen
vermag. Nicht jede nach einem Unfall aufgetretene gesundheitliche Störung muss
zwingend in einem kausalen Zusammenhang mit diesem stehen. In seiner
Stellungnahme vom 19. November 2012 weist Dr. med. E.________ gleich
anschliessend denn auch auf andere, nicht an ein Unfallereignis anknüpfende
Erklärungen für das vorhandene Schmerzempfinden hin, so auf eine beginnende
subtalare Arthrose im Bereich des sinus tarsi oder durch die Untersuchung des
subtalaren Gelenkspaltes provozierte medialbetonte Erscheinungen, deren Ursache
ebenfalls nicht einem Unfall zugeordnet werden kann. Gerade diese auch
möglichen Varianten lassen an der die Stellungnahme des Dr. med. E.________ vom
19. November 2012 einleitenden Feststellung, wonach die geklagten
Fussbeschwerden zumindest teilweise mit mindestens überwiegender
Wahrscheinlichkeit vom versicherten Snowboardunfall herrühren sollen,
ernsthafte und erhebliche Zweifel aufkommen, zumal jegliche Begründung dafür
fehlt, weshalb eine solche Erklärung eher in Betracht fallen sollte als die
genannten Möglichkeiten, welche den Schluss auf eine Unfallkausalität nicht
erlauben. Angesichts der hinsichtlich der geklagten Fussbeschwerden nach wie
vor bestehenden Unsicherheit, wie sie im Bericht des Dr. med. E.________ vom
19. November 2012 zum Ausdruck gebracht wird, und des weitgehenden Fehlens
weiterer Evaluationsmöglichkeiten (vgl. auch nachstehende E. 5.3) kann der
vorinstanzlichen Betrachtungsweise nicht gefolgt werden.

5.2. Was die von der Beschwerdegegnerin gestellte Frage anbelangt, ist mit der
Beschwerde führenden SUVA zunächst festzuhalten, dass die grössere
Wahrscheinlichkeit einer der zur Diskussion stehenden Möglichkeiten allein noch
nicht besagt, dass diese Variante auch im Sinne der Rechtsprechung mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Schon aus diesem Grunde lassen
sich aus der Antwort des Dr. med. E.________ vom 26. November 2012, wonach die
geklagten Beschwerden seiner Meinung nach zumindest teilweise direkt oder
indirekt Folge des Snowboardunfalles sind, keine zuverlässigen Schlüsse auf
deren Unfallkausalität ziehen. Offen bleiben kann dabei, ob sich der vom
Experten verwendete Begriff "teilweise" auf einen Teil des Beschwerdebildes
oder aber auf eine Teilursache desselben bezieht. Während Letzteres - bei
überwiegender Wahrscheinlichkeit - für eine Haftung des Unfallversicherers
genügen würde (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen), wäre im
erstgenannten Fall für den Entscheid über den Haftungsumfang eine
Differenzierung einzelner Bestandteile des Beschwerdebildes vonnöten. Solchen
Fragen braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, da schon eine
überwiegende Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges aufgrund der Angaben
des Dr. med. E.________ nicht als erstellt gelten kann.

5.3. Weil die in Betracht gezogenen zusätzlichen Abklärungen in Form
röntgenologischer/nuklearmedizinischer Bildgebungen selbst nach Ansicht des Dr.
med. E.________ keine eindeutigen Erkenntnisse hinsichtlich der hier
interessierenden Kausalitätsfrage erwarten lassen, hat die Vorinstanz von
solchen mit Recht abgesehen.

6.
Die erhobene Beschwerde ist demnach begründet. Der kantonale Entscheid ist
antragsgemäss aufzuheben.

7.

7.1. Bei diesem Ergebnis sind die Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4
lit. a BGG) von der Beschwerdegegnerin als unterliegender Partei zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerdegegnerin mit ihrem Hauptanliegen - der
Anerkennung der natürlichen Unfallkausalität ihrer Fussbeschwerden - letztlich
keinen Erfolg hatte, kann sie weder für das kantonale (Art. 61 lit. g ATSG)
noch für das bundesgerichtliche (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG) Verfahren eine
Parteientschädigung beanspruchen.

7.2. Über die allfällige Gewährung der im vorinstanzlichen Verfahren - anders
als im bundesgerichtlichen Verfahren (vgl. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) -
beantragten unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 61 lit. f
ATSG) wird das kantonale Gericht noch zu befinden haben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Uri vom 22. März 2013 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom 13. Dezember 2007
bestätigt.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Sache wird zur allfälligen Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für
das kantonale Verfahren an das Obergericht des Kantons Uri zurückgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri und dem
Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. Juli 2013

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl

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