Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.233/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_233/2013 {T 0/2}     

Urteil vom 9. Oktober 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grünvogel.

Verfahrensbeteiligte
M.________,
vertreten durch Dr. iur. Susanna Fried,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung
(Kausalzusammenhang; psychisches Leiden),

Beschwerde gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 4. Februar 2013.

Sachverhalt:

A. 

A.a. Der 1970 geborene M.________ war in der Eigenschaft als Angestellter der
Firma B.________ AG bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 1. Januar 2006 bei einem
Spaziergang den linken Fuss übertrat. Der schleppende Heilungsverlauf führte
zur Verdachtsdiagnose eines ossären Ausrisses des Ligamentum bifurcatum links
durch Dr. med. S.________, FMH Orthopädische Chirurgie, Klinik A.________, und
schliesslich zum ersten operativen Eingriff vom 3. Mai 2006, mit welchem eine
Bandrekonstruktion calcaneocuboidal links zur Stabilisierung des Gelenks
vorgenommen wurde. Es folgten wegen persistierender Beschwerden drei weitere
Eingriffe vom 26. September 2006 (Arthrodese cuboidocalcanear), 12. April 2007
(Re-Arthrodese) und 12. März 2008 (Osteosynthesematerialentfernung Fuss links,
Revision sinus tarsi und Peronealsehnen links).

A.b. Die SUVA, welche bisher die Heilbehandlungskosten übernommen und Taggelder
ausgerichtet hatte, stellte mit Verfügung vom 3. Juli 2009 ihre Leistungen auf
Ende Monat mit der Begründung ein, die organisch nicht hinreichend
nachweisbaren Beschwerden stünden in keinem adäquaten Kausalzusammenhang zum
Unfall vom 1. Januar 2006.

A.c. Mit Verfügung vom 20. August 2009 sprach sie M.________ eine
Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 35 % und eine
Integritätsentschädigung entsprechend einer Integritätseinbusse von 15 % zu.
Dabei stellte sie - wie bereits für die Einstellungsverfügung - auf den Bericht
vom 28. April 2009 von Dr. med. N.________, Facharzt für Orthopädische
Chirurgie, von der SUVA-Abteilung Versicherungsmedizin ab. Bezogen auf die
Einschätzung der unfallbedingten Restarbeitsfähigkeit erklärte er die vom
SUVA-Kreisarzt Dr. med. D.________, FMH Chirurgie, anlässlich der ärztlichen
Abschlussuntersuchung vom 24. Oktober 2008 abgegebene Einschätzung für
massgeblich.
Gegen diese Verfügung liess M.________ Einsprache erheben und verschiedene
Arztberichte einreichen, darunter das Gutachten von Prof. Dr. med. Z.________,
Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates, vom 3. Juni 2010 und den Bericht von Dr. med. W.________,
Oberärztin Orthopädie des Spitals K.________, vom 11. März 2011. Weitere
Berichte wurden beigezogen, so auch jener von Dr. med. W.________ vom 21.
Januar 2010. Gestützt auf den dazu eingeholten versicherungsmedizinischen
Bericht von Dr. med. N.________ vom 8. November 2011 hielt die SUVA mit
Entscheid vom 22. November 2011 an ihrer Verfügung vom 20. August 2009 fest.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
(heute: Kantonsgericht Luzern) mit Entscheid vom 4. Februar 2013 ab.

C. 
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und Anträge stellen zum Fallabschluss, zur Invalidenrente und zur
Integritätsentschädigung. Gleichzeitig ersucht er um medizinische Abklärung vor
Entscheidfällung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft grundsätzlich
aber nur die geltend gemachten Rügen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384
E. 2.2.1 S. 389 mit Hinweisen). Es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE
a.a.O. sowie 135 III 397 E. 1.4 S. 400). Es kann die Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen,
als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist
(Art. 106 Abs. 2 BGG).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Soweit der Beschwerdeführer den mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener
Verfügung vom 3. Juli 2009 bestimmten Behandlungsabschluss auf Ende Juli 2009
in Frage stellt, kann darauf nicht mehr eingegangen werden, worauf bereits die
Vorinstanz in E. 1 des angefochtenen Entscheids mit zutreffender Begründung
hingewiesen hat. Sodann wurde vor Vorinstanz der Einspracheentscheid vom 22.
November 2011 lediglich hinsichtlich der Rentenzusprechung angefochten.
Bezüglich der Integritätsentschädigung ist er in Rechtskraft erwachsen. Die
Frage der Integritätsentschädigung kann daher letztinstanzlich ebenfalls nicht
mehr zum Streitthema erhoben werden. Auf die Beschwerde ist in diesen Punkten
nicht einzutreten.

3. 
Der Beschwerdeführer will sodann den Entscheid des Bundesgerichts von vorgängig
durchzuführenden weiteren medizinischen Abklärungen abhängig machen.
Zwar ist das Bundesgericht vorliegend nicht an die Sachverhaltsfeststellungen
der Vorinstanz gebunden (E. 1 in fine hiervor). Das Durchführen eigener
Abklärungen oder Anordnen solcher setzt indessen voraus, dass die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz keine schlüssige Beurteilung der
Rechtsfrage erlaubt.

4. 
Das kantonale Gericht hat mit Verweis auf den Einspracheentscheid die
Bestimmungen und Grundsätze über den für die Leistungspflicht des
obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 4
ATSG) vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und
eingetretenem Schaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.), die vorausgesetzte
Adäquanz des Kausalzusammenhangs bei psychischen Unfallfolgen (BGE 134 V 109 E.
10 S. 126 f.; 115 V 133) sowie den Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 351
ff.; s. auch 134 V 231 E. 5.1 S. 232) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

5. 
Die Vorinstanz führte in Auseinandersetzung mit den Parteivorbringen und
Würdigung der Aktenlage aus, (spätestens) seit dem 1. August 2009 hätten keine
hinreichend objektivierbaren organischen Unfallfolgen mehr vorgelegen, die
nicht aus somatischer Sicht einen ganztägigen Einsatz in einer dem Leiden
angepassten Tätigkeit zumutbar erscheinen liessen.
Für die unstreitig vorhandenen psychisch bedingten Beschwerden verneinte sie
eine Leistungspflicht wegen fehlender Adäquanz zum als banal einzustufenden
Unfallereignis.
Als dem unfallbedingten Leiden angepasste Tätigkeiten betrachtete sie in
Anlehnung an die vom SUVA-Kreisarzt Dr. med. D.________ am 24. Oktober 2008
abgegebene Umschreibung wechselbelastende Arbeiten im Vollzeitpensum, die
Schläge und Vibrationen auf den linken Fuss vermeiden, kein häufiges Begehen
von Leitern und Treppen erfordern, ebenso wenig ein Gehen in unebenem Gelände,
generell kein Gehen über eine Strecke von mehr als vier bis fünf Kilometer, und
sodann das Tragen von Lasten auf bis maximal 15 bis 20 kg einschränken.
In einem letzten Schritt bestätigte das kantonale Gericht den ausgehend von
diesem Tätigkeitsprofil von der SUVA festgelegten Invaliditätsgrad von 35 %.

6. 
Der Beschwerdeführer beanstandet in erster Linie die Schlüssigkeit der von
Verwaltung und Vorinstanz herangezogenen Arztberichte und erachtet weitere
Abklärungen zum Gesundheitszustand als für die Entscheidfindung zwingend
vorgegeben; abgesehen davon stünden die vorhandenen Schmerzen, sofern sie einer
psychischen Fehlentwicklung zuzuordnen seien, in einem adäquat kausalen
Verhältnis zum Unfallereignis, weshalb der Unfallversicherer dafür auch
leistungspflichtig sei.

6.1. Soweit der Versicherte geltend macht, im Bericht vom 28. April 2009 habe
Dr. med. N.________ nicht ausdrücklich erwähnt, ob er seiner Einschätzung auch
CT/MRI aus der Zeit vor dem ersten Eingriff vom 3. Mai 2006 zu Grunde gelegt
habe, kann auf dessen Stellungnahme vom 8. November 2011 verwiesen werden,
worin er auf die Bilder Bezug nimmt, ohne indessen von seiner bisherigen
Einschätzung abzuweichen.
Ohnehin ist nicht entscheidend, ob und gegebenenfalls welche Art von Fraktur
genau der Beschwerdeführer beim Unfall erlitten hat. Die Operation galt als
indiziert. Wenn sich dabei die vorgängig geäusserte Vermutung eines beim Unfall
vom 1. Januar 2006 erlittenen knöchernen Ausrisses vom Ligamentum bifurcatum
links nicht bestätigt hat, statt dessen beim Calcaneocuboidalgelenk eine
Bandstabilisation vorgenommen wurde, ist dies nicht zu beanstanden. Der in
diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand einer ärztlichen Fehlbehandlung stösst
ins Leere. Diese Frage wurde durch den vom Beschwerdeführer beauftragten Prof.
Dr. med. Z.________ im Bericht vom 3. Juni 2010 einlässlich diskutiert und
verneint. Darauf ist zu verweisen.

6.2. Soweit der Beschwerdeführer sodann Berichte des Spitals K.________ (vom
27. August und 13. September 2010 sowie 21. Januar und 11. März 2011) anruft,
worin ein chronifiziertes Schmerzsyndrom (CRPS) am linken Fuss bei Status nach
vier Operationen nach einer Verletzung im Jahre 2006 diagnostiziert oder
vermutet wird, ist ihm entgegen zu halten, dass ein unfallbedingtes CRPS nur
dann anzunehmen ist, wenn unter anderem die dafür typischen Symptome
ausweislich der echtzeitlichen medizinischen Akten innerhalb von sechs bis acht
Wochen nach einem Unfall oder nach einer wegen einer Unfallverletzung
durchgeführten Operation aufgetreten sind (vgl. dazu SVR 2010 UV Nr. 18 S. 69
[8C_384/2009 vom 5. Januar 2010 E. 4.2.1 mit Hinweisen auch auf die
medizinische Literatur]; s. auch Urteil 8C_393/2013 vom 18. Juli 2013). Solches
ist vorliegend aber nicht ausgewiesen: Im Anschluss an die Eingriffe wurde
verschiedentlich die Möglichkeit eines CRPS geprüft, ohne dass indessen eine
solche Diagnose hätte gestellt werden können. Im Anschluss an den Eingriff vom
12. April 2007 äusserte etwa Dr. med. O.________, FMH Rheumatologie /
physikalische Medizin und Therapie, Klinik A.________, im Bericht vom 24. Juli
2007 den Verdacht auf den "Beginn" eines CRPS. Alsdann prüfte er dies
eingehend. Im Bericht vom 23. August 2007 führte er dazu aus, er finde kaum
Hinweise für ein CRPS; dabei wurde er durch die Aussage von Dr. med.
E.________, FMH Fachärztin für Nuklearmedizin, ebenfalls von der Klinik
A.________, gestützt, welche nach zu selber Zeit durchgeführter
Teilskelettszintigraphie mit Frühaufnahmen schloss, es fänden sich keine
Anhaltspunkte für einen Morbus Sudeck (andere, zwischenzeitig überholte
Bezeichnung für ein CRPS). Schliesslich verwarf er diese These mit Bericht vom
30. Oktober 2007 ausdrücklich mangels entsprechender Hinweise. Dies scheint der
Beschwerdeführer zu übersehen, wenn er sich zur Begründung seiner Vorbringen
auf Dr. med. O.________ beruft. Die Klinik C.________ verneinte im nach dem
letzten Eingriff vom 12. März 2008 erstatteten Bericht vom 1. Juli 2008 ebenso
ausdrücklich das Vorliegen eines Morbus Sudeck. Prof. Dr. med. Z.________
schloss später in seinem Bericht vom 3. Juni 2010 ebenfalls eine in einem
Kausalzusammenhang zum ursprünglichen Unfallereignis stehende "eigentliche"
Sudeck'sche Dystrophie (ebenfalls zwischenzeitig überholte andere Bezeichnung
für ein CRPS) aus. Inwiefern von weiteren Abklärungen zu diesem Punkt neue
Erkenntnisse erwartet werden könnten, ist nicht einsichtig, so dass darauf mit
der Vorinstanz zu verzichten ist (antizipierte Beweiswürdigung; vgl. dazu BGE
136 I 229 E. 5.3 S. 236; 124 V 90 E. 4b S. 94; 122 V 157 E. 1d S. 162).

6.3. Da ferner weder mit Schwellungen noch Blauverfärbungen (des Fusses) allein
der Nachweis weitergehender Einschränkungen erbracht ist, spricht auch dieser
Umstand nicht gegen die Schlüssigkeit der von der Vorinstanz zur Bemessung der
unfallbedingten Restarbeitsfähigkeit beigezogenen Arztberichte. Vielmehr durfte
sie darauf abstellen.

6.4. Da das kantonale Gericht überdies den adäquaten Kausalzusammenhang
zwischen dem als banal einzustufenden Unfallereignis und den hernach
aufgetretenen psychischen Beschwerden mit zutreffender Begründung verneint hat,
erübrigen sich weitere Ausführungen dazu, zumal die vom Beschwerdeführer
behauptete Fehlbehandlung als Ursache für das heutige Beschwerdebild - wie
bereits dargelegt - ausser Betracht fällt und psychisch bedingte
Arbeitsunfähigkeiten und Beschwerden bei der Beurteilung der Adäquanzkriterien
ausser Acht zu lassen sind (RKUV 1999 Nr. U 341 S. 407 E. 3b S. 409 [Urteil U
215/97 vom 23. Februar 1999]).

7. 
Der angefochtene Entscheid ist zu bestätigen.

8. 
Dem Beschwerdeführer sind gemäss Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG die Gerichtskosten
zu überbinden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Oktober 2013

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grünvogel

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