Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.232/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_232/2013

Urteil vom 9. Juli 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grünvogel.

Verfahrensbeteiligte
J.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Jürg Schlatter,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Arbeitsunfähigkeit),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
13. Januar 2013.

Sachverhalt:

A.
Der 1971 geborene J.________ begab sich wegen Alkohol-Abhängigkeit und
depressiven Zustandsbilds erstmals vom 7. Mai bis 16. Juli 2007 in der Klinik
X._________ in stationäre Behandlung. Es folgten weitere Aufenthalte vom 1.
September bis 30. November 2007 und vom 27. Juni bis 27. Juli 2008. Anlässlich
des Letzten diagnostizierten die Assistenzärztin H.________ und der Oberarzt
Dr. med. P.________ zusätzlich eine seit der Jugendzeit bestehende kombinierte
Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und zwanghaften (und narzisstischen)
Persönlichkeitsanteilen ICD-10 F 61.0 (Bericht vom 15. Oktober 2008). Wegen
gemischter Persönlichkeitsstörung und Alkohol-Abhängigkeit meldete die Klinik
J.________ am 22. Juli 2007 bei der IV-Stelle des Kantons Thurgau zur
Früherfassung an. Nach weiteren stationären Aufenthalten liess die IV-Stelle
ihn durch Dr. med. L.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie,
psychiatrisch begutachten. Gestützt auf dessen Bericht vom 16. Dezember 2011
sprach sie J.________ mit Verfügung vom 21. August 2012 rückwirkend für die
Zeit vom 1. Mai 2008 bis 30. September 2011 eine befristete ganze
Invalidenrente zu.

B.
Auf Beschwerde hin und nach vorgängig gewährter Möglichkeit des
Beschwerderückzugs änderte das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die
Verfügung mit Entscheid vom 13. Februar 2013 dahingehend, als es den
Rentenbeginn auf den 1. Januar 2009 festsetzte.

C.
J.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und um unbefristete Ausrichtung der Invalidenrente, eventualiter Rückweisung an
das kantonale Gericht oder an die Verwaltung zu neuem Entscheid, ersuchen.
Zugleich wird ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
gestellt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Es
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft grundsätzlich
aber nur die geltend gemachten Rügen. Es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden (BGE
133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es kann die Verletzung von Grundrechten und von
kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge
in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2.
Der auf Grund medizinischer Untersuchungen gerichtlich festgestellte
Gesundheitszustand und die damit einhergehende Arbeitsfähigkeit betreffen eine
Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Rechtsverletzungen sind
demgegenüber die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie
die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c
ATSG) und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231
f. E. 5.1 mit Hinweis). Die Rüge einer rechtsfehlerhaften
Sachverhaltsfeststellung darf sich nicht darauf beschränken, den bestrittenen
Feststellungen des kantonalen Gerichts den nach eigener Auffassung richtigen
Sachverhalt gegenüberzustellen oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (
BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356; SVR 2012 BVG Nr. 11 S. 44 [Urteil 9C_779/2010 vom
30. September 2911 E. 1.1.2; nicht publ. in: BGE 137 V 446]).
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig,
wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig
unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 5.1). Diese Grundsätze
gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (SVR 2012 BVG Nr. 11 S.
44 [Urteil 9C_779/2010 vom 30. September 2011 E. 1.1.1]).

3.
Das kantonale Gericht hat die für die Rentenzusprechung massgebenden
Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies die Bestimmungen über
den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 ATSG), die
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), den Rentenanspruch (Art. 28 IVG) und die
Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; siehe auch BGE 134 V 131 E. 3 S. 132)
sowie die bei der rückwirkenden Zusprechung einer abgestuften und/oder
befristeten Invalidenrente zu beachtenden Grundsätze (BGE 133 V 263 E. 6.1 mit
Hinweisen). Gleiches gilt in Bezug auf die Ausführungen zur psychisch bedingten
Invalidität (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50) sowie zum Beweiswert und zur
Beweiswürdigung von medizinischen Berichten und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3
S. 352 ff.). Darauf wird verwiesen.

4.
Der Beschwerdeführer hat unbestrittenermassen (erst) ab 1. Januar 2009 Anspruch
auf eine ganze Invalidenrente. In Frage steht, ob dieser mit Verwaltung und
kantonalem Gericht auf den 30. September 2011 zu befristen oder entsprechend
den Ausführungen des Versicherten unbefristet auszugestalten ist.
Von entscheidender Bedeutung ist dabei, ob das kantonale Gericht zur
Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit auf die Expertise von Dr. med. L.________
vom 16. Dezember 2011 abstellen durfte, wonach der Versicherte bei
rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig remittiert, spätestens ab
Datum der erstmaligen Untersuchung vom 16. Juni 2011 (wieder) als vollständig
arbeitsfähig einzustufen sei.

4.1. Das kantonale Gericht erwog, der Gutachter habe in Kenntnis und der
Auseinandersetzung mit den medizinischen Vorakten, den eigenen psychiatrischen
Untersuchungen vom 16. Juni und 28. November 2011, den an diesen Tagen
ebenfalls durchgeführten Laboruntersuchungen, den telefonischen Besprechungen
mit der behandelnden Psychiaterin Dr. med. B.________ vom 30. November und 6.
Dezember 2011 sowie der persönlichkeitspsychologischen Einschätzung durch Dr.
phil. A.________ vom 24. November 2011 das Vorliegen einer psychiatrischen
Erkrankung mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit schlüssig verneint;
insbesondere habe er mit überzeugender Begründung erklärt, weshalb zumindest
für die Zeit ab erstmaliger Untersuchung an der früheren Befunderhebung einer
kombinierten Persönlichkeitsstörung mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit
nicht festgehalten werden könne.
Der Beschwerdeführer beanstandet, das Gutachten beruhe auf aktenwidrigen
Annahmen, sei teilweise widersprüchlich, und weise zudem keine nachvollziehbare
Auseinandersetzung mit den medizinischen Vorakten auf.

4.2. Klar aktenwidrig sei etwa die zur Verneinung der Diagnose einer
Persönlichkeitsstörung führende Einschätzung des Experten zur Lebensbewältigung
bis 2007.

4.2.1. Zwar trifft es zu, dass sich der Beschwerdeführer bereits vor dem Jahr
2000 zeitweilig wegen Alkoholproblemen in Schwierigkeiten befunden haben soll.
Auch hatte der Versicherte 2011 gegenüber der Klinik Y.________ angegeben,
rückblickend seit etwa dem 20. Lebensjahr an Denkstörungen gelitten zu haben.
Ebenso ist anamnestisch ein mit dem Auseinanderfallen der Familie (Trennung
2003; Scheidung 2005) einhergehender sozialer Rückzug erfasst. Auch soll sich
die Freizeitbeschäftigung vorab am Computer abgespielt haben und hat er das
letzte Arbeitsverhältnis im Jahr 2007 wegen Unzuverlässigkeit und
Unpünktlichkeit verloren, wobei hier allenfalls der Alkoholkonsum eine
wesentliche Rolle gespielt haben dürfte. In diesem Sinne bezeichnete etwa Dr.
med. E._________ von der Klinik X._________ im Kurzaustrittsbericht vom 28.
Juli 2008 das damals aktuelle Zustandsbild als gesundheitlich und psychisch
stabilisiert, allerdings ohne die direkt nach dem Austritt wieder beginnenden
Stressfaktoren wie Arbeitssuche, die Suchtstrukturen Alkohol und Chatten im
Internet, die Beziehungslosigkeit - vor allem den fehlenden Kontakt zur Tochter
-, die Vernachlässigung seiner Gesundheit ohne entsprechende Kontrolle und die
mangelnde Fähigkeit, Termine einzuhalten und sich zu organisieren. Umgekehrt
ging der Versicherte bis 2007 jeweils verschiedenen geregelten Tätigkeiten
nach, hatte eine Familie gegründet (Heirat: 2001: Geburt der Tochter: 28.
August 2002) und nahm auch keine ärztliche Hilfe in Anspruch.
Die Aussage des Experten ist im Kontext der fraglichen Diagnose einer
Persönlichkeits- und Verhaltensstörung gemäss ICD-10 F60-F69 zu sehen. Danach
sind für sämtliche Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen tief verwurzelte,
anhaltende Verhaltensmuster Voraussetzung, die sich in starren Reaktionen auf
unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen und gegenüber der
Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen,
Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen verkörpern. Wenn der Gutachter
dergestalt das bis dato an den Tag gelegte Verhalten (smuster) als gegen die
Annahme einer Persönlichkeitsstörung liegend bezeichnete und in diesem Sinne
als gute Lebensbewältigung beschrieb, beruht dies weder auf einer
offensichtlich unvollständigen Sachverhaltsfeststellung noch auf einer
willkürlichen Würdigung derselben.

4.3. Ebenso wenig sind die Ausführungen des Gutachters zum Umstand, dass die
eine krankheitswertige Persönlichkeitsstörung bejahenden Ärzte jeweils zugleich
auch auf eine mittelgradige depressive Episode (und eine Alkoholabhängigkeit)
erkannt haben, zu bemängeln.
Anders als vom Beschwerdeführer nämlich angenommen, schloss der Experte die
Kombinationsmöglichkeit einer Persönlichkeitsstörung mit depressiver Episode
nicht per se aus, als er ausführte, aus diesem Grund könne keiner dieser Ärzte
sagen, wie der Zustand ohne die depressive Episode aussehe und es darum auch
nicht plausibel sei, dass das auffällige Verhaltensmuster nicht auf Episoden
psychischer Krankheiten begrenzt sei. Damit brachte er einerseits zum Ausdruck,
dass während einer depressiven Periode auftretende Verhaltensmuster nicht ohne
weiteres Rückschlüsse auf ausserhalb einer solchen Periode Liegendes zulassen.
Zugleich ordnete er damit auch das Verhalten des Versicherten, wie es sich
augenscheinlich frühestens ab 2001, eher ab Trennung und mit Bestimmtheit
spätestens ab Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses zu akzentuieren
begann, der durch private, berufliche und Alkoholprobleme begünstigten
depressiven Symptomatik zu. Der Gutachter führte dazu aus, er könne in concreto
insgesamt keine seit der Kindheit oder Jugend bestehende deutliche
Unausgeglichenheit mehrerer Funktionsbereiche wie der Affektivität, des
Antriebs, der Impulskontrolle, des Wahrnehmens und Denkens sowie in der
Beziehung zu anderen ausmachen, die tief greifend und in vielen persönlichen
und sozialen Situationen eindeutig dauerhaft und gleichförmig unpassend wären;
dies wäre aber gemäss ICD-10 Voraussetzung für die Diagnose einer
krankheitswertigen Persönlichkeits- und Verhaltensstörung.

4.4. Zwar stellte sich der Gutachter damit gegen die erstmals durch die Klinik
X._________ am 15. Oktober 2008 gestellte, später von der Klinik Y.________ am
12. April 2011 sowie der Klinik O.________ als Kompetenzzentrum für die
Behandlung von Alkohol-, Medikamenten- und Tabakabhängigkeit am 31. Januar und
18. April 2011 übernommene Diagnose einer seit Jugendzeit bestehenden
kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, zwanghaften und
narzistischen Anteilen nach ICD-10 F61.0. Auch wertete er damit die
Schilderungen des Versicherten zu den in der Vergangenheit liegenden
Geschehnissen teils anders. Begründet ist dies - wie von der Vorinstanz
dargelegt - indessen nicht allein in einer Würdigung der bis dato erfassten
Arztberichte, sondern beruht ergänzend auf eigenen Untersuchungen sowie der
zusätzlich durch den Fachpsychologen FSP Dr. phil. A.________ durchgeführten
persönlichkeitspsychologischen Tests. Dazu führte Dr. med. L.________ näher
aus, die meisten formalen Gedankenstörungen - wie sie von den anderen Ärzten
jeweils ins Zentrum der Einschätzung gestellt worden seien - müssten im
Gespräch auffallen; dies sei indessen nicht der Fall gewesen; die Ausführungen
des Versicherten zum "Verästeln" seiner Gedanken und dem Spüren der Auren der
ihm gegenüberstehenden Personen seien objektiv nicht fassbar; solche
Wahrnehmungsstörungen seien abgesehen davon keine typischen Symptome einer
Persönlichkeitsstörung, sondern allenfalls einer Schizophrenie, was indessen
von keinem der Ärzte diagnostiziert worden sei (und auch von ihm nicht könne);
die Diagnose der kombinierten Persönlichkeitsstörung sei im Wesentlichen von
den subjektiven Angaben und dem an den Tag gelegten Verhalten des Versicherten
geprägt gewesen; die von Dr. phil. A.________ nicht auf die Diagnose der
Erkrankung, sondern die Beantwortung der Frage ausgerichteten
persönlichkeitspsychologischen Tests, ob sich allenfalls Persönlichkeitsanteile
negativ auf die Arbeitsfähigkeit auswirken könnten, hätten trotz der geltend
gemachten Gedankenverästelungen insgesamt eine durchschnittliche
Konzentrationsfähigkeit zu Tage gefördert. Ferner erklärte er nachvollziehbar
den Aufbau der Testanlage und wie aus deren Ergebnissen auf eine mangelhafte
Mitarbeit und Motivation des Versicherten geschlossen werden könne, die - wie
vorliegend durch die anderen Ärzte geschehen - häufig als verminderte
Belastbarkeit, verstärkte Erschöpfbarkeit, etc. ausgelegt würden.
Damit erörterte der Gutachter insgesamt in nachvollziehbarer Weise und somit
willkürfrei sein Abweichen. Auch wenn die von ihm angestrengten Überlegungen zu
den Motiven, weshalb die Ärzte der Klinik X._________ erst nach dem dritten
Aufenthalt des Versicherten die Diagnose der Persönlichkeitsstörung gestellt
haben, im Einzelnen diskutabel sein mögen, hat er doch deren Einschätzung
aufgegriffen und als Ausgangspunkt für seine eigenen Abklärungen genommen.
Letztlich war deren Diagnose nach nicht zu beanstandender Feststellung des
Gutachters genau so wie jene der Klinik Y.________ vom 12. April 2011
wesentlich von den Schilderungen des Versicherten über die massiven
Konzentrationsschwierigkeiten wegen der Gedankenverzweigungen und der daraus
auch auf Grund eigener Beobachtungen abgeleiteten ausgeprägten
Belastungsminderung und starken Erschöpfbarkeit getragen. Gesagtes gilt
sinngemäss auch für die Beurteilung der Kinik O.________ vom 18. April 2011,
bei welcher der Versicherte in erster Linie zur Bekämpfung der Alkoholsucht vom
8. Juli 2010 bis 7. März 2011 weilte. Zwar trat dort nach Einschätzung der
behandelnden Ärzte im Behandlungsverlauf deutlich eine erfolglos unterdrückte,
eine Rückführung in den Arbeitsprozess erschwerende psychotische Symptomatik
auf. Dass diese indessen nicht einer vorübergehenden psychischen Erkrankung
zurechenbar ist, wurde damit nicht abschliessend geklärt. Dr. med. L.________
dagegen hat sich dazu in Berücksichtigung eigener Untersuchungen und der
Abklärungen von Dr. phil. A.________ klar geäussert.

4.5. Letztlich ist bei der Invaliditätsbemessung ohnehin nicht entscheidend,
welchem Krankheitsbild die gesundheitliche Beeinträchtigung zugeordnet wird,
sondern massgebend sind deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Und
diesbezüglich ist die vom Gutachter in Anlehnung an die
persönlichkeitspsychologische Beurteilung durch Dr. phil. A.________ vom 24.
November 2011 getroffene Einschätzung im Rahmen der dem Bundesgericht
letztinstanzlich zustehenden Überprüfungsbefugnis nicht zu beanstanden. Danach
ist dem Versicherten spätestens ab erster Begutachtung vom 16. Juni 2011 die
bisherige, wie auch jede andere Tätigkeit zumutbar. Ob dabei ein
verständnisloses, nicht motivierendes und als autoritär beurteiltes
Arbeitssetting mit vielen Gruppenkonflikten sich allenfalls leistungsmindernd
auswirken kann, wie von Dr. phil. A.________ erwähnt, aber von Dr. med.
L.________ in Abrede gestellt, ist dabei unbeachtlich. So oder anders finden
sich auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt in hinreichender Zahl Stellen -
darunter u.a. auch im bisherigen Erwerbsbereich als Informatiker -, die den von
Dr. phil. A.________ als idealtypische Tätigkeiten beschriebenen Arbeiten nahe
sind und dabei trotz Ausschlusses einer Führungsfunktion und des Erfordernisses
vorgegebener, vorstrukturierter Arbeiten ein Renten ausschliessendes Einkommen
erlauben würden (Valideneinkommen gemäss letzter Arbeitgeberin im Jahr 2008 Fr.
110'500.-; minimaler Invalidenverdienst 2008: Fr. 67'405.- [entsprechend einem
Invaliditätsgrad von 39 %]; durchschnittlicher Jahresverdienst 2008 als Mann in
einer Berufs- und Fachkenntnisse voraussetzenden Tätigkeit im Wirtschaftszweig
Informatikdienste/Dienstleistungen für Unternehmungen: Fr. 75'252.-
[Lohnstrukturerhebungen 2008 des Bundesamtes für Statistik, Tabelle T1, Sektor
72, 74, Anforderungsniveau 3, Männer; Fr. 6271.- * 12]).

4.6. Zusammenfassend durften Verwaltung und Vorinstanz zur Bestimmung der
Restarbeitsfähigkeit auf das Gutachten von Dr. med. L.________ abstellen, ohne
dabei Recht zu verletzen. Die gestützt darauf vorzunehmende
Invaliditätsbemessung führt nicht zu einem Renten berechtigenden
Invaliditätsgrad, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren kann indessen entsprochen
werden (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird jedoch ausdrücklich
auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach er der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Jürg Schlatter wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Juli 2013

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grünvogel

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