Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.209/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_209/2013 {T 0/2}     

Urteil vom 3. Oktober 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
H.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Markus Bischoff,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Rentenrevision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 1. Februar 2013.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 27. Dezember 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich
H.________ ab 1. Januar 1999 eine halbe Invalidenrente zu. Am 19. Februar 2002
erhöhte sie diese per 1. Dezember 2001 auf eine ganze Rente. Mit Mitteilung vom
3. Februar 2005 bestätigte sie die ganze Invalidenrente mangels
rentenbeeinflussender Änderung. Im September 2010 leitete die IV-Stelle ein
erneutes Revisionsverfahren ein. Mit Verfügung vom 20. Juli 2011 hob sie die
laufende Invalidenrente gestützt auf das psychiatrisch-rheumatologische
Gutachten des Instituts X.________ vom 10. März 2011 und dessen Ergänzung vom
31. März/1. April 2011 per Ende August 2011 auf.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 1. Februar 2013 ab.

C. 
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es sei die Sache unter Aufhebung des kantonalen Entscheids an
die Vorinstanz oder an die IV-Stelle zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Zudem
ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art.
97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach
Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage
geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung
einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge
Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt.
Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG
genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr
ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen
darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung
einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt
werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 IV
286 E. 6.2 S. 288; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).

2. 
Streitig ist einerseits, ob auf das Gutachten des Instituts X.________ vom 10.
März 2011 und dessen Ergänzung vom 31. März/1. April 2011 abgestellt werden
kann, andererseits, ob die Berechnung der Vergleichseinkommen und der daraus
resultierende Invaliditätsgrad korrekt sind.

3. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) und der
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie die Voraussetzungen einer Rentenrevision
(Art. 17 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349), einschliesslich der massgebenden
zeitlichen Vergleichspunkte (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; 133 V 108; 130 V 71 E.
3.2.3 S. 75), sowie den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 und 2
IVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Aufgabe des Arztes bei der
Ermittlung des Invaliditätsgrades (BGE 132 V 93 E. 4 S. 99) und die
Anforderungen an einen ärztlichen Bericht (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V
351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen bleibt, dass das Bundesgericht mit BGE 9C_207/2012 vom 3. Juli 2013
entschieden hat, die Rechtsprechung von BGE 137 V 210 sei bei mono- und
bidisziplinären Gutachten - mit Ausnahme der Zuteilung nach dem Zufallsprinzip
(Art. 72bis IVV) - sinngemäss anwendbar.

4.

4.1. Die IV-Stelle hat - in Missachtung der Grundsätze nach BGE 136 V 113 - dem
Institut X.________ die Sache zur Erläuterung unterbreitet, ohne dass sie dem
Versicherten Gelegenheit geboten hätte, ebenfalls Erläuterungs- oder
Ergänzungsfragen zu stellen. Nachdem der Versicherte auch nachträglich darauf
verzichtet hat, entsprechende Fragen vorzubringen, kann dieser Verfahrensmangel
als geheilt betrachtet werden (BGE 136 V 113 E. 5.5 S. 116).

4.2. Soweit der Versicherte geltend macht, die Vorinstanz sei zu Unrecht von
einer vollständigen zumutbaren Arbeitsfähigkeit in seinem angestammten Beruf
als Bäckereimitarbeiter ausgegangen, ist dies unbehelflich. Denn für die
Ermittlung des Invaliditätsgrades ist die zumutbare Arbeitsfähigkeit in einer
den Behinderungen angepassten Tätigkeit massgebend, ungeachtet dessen, ob es
sich dabei um die bisherige oder aber um eine Verweisungstätigkeit handelt
(Art. 16 ATSG). Sofern von einer zumutbaren vollen Arbeitsfähigkeit in einer
Verweisungstätigkeit auszugehen ist - was nachfolgend zu prüfen sein wird -,
spielt es keine Rolle, ob der Versicherte auch als Bäckereimitarbeiter voll
arbeiten könnte.

4.3. Weiter ist der Einwand, dem Gutachten des Instituts X.________ vom 10.
März 2011 und dessen Ergänzung vom 31. März/1. April 2011 könne nicht gefolgt
werden, da der rheumatologische Teilgutachter seine Einschätzung ohne
nachvollziehbare Begründung und ohne Rücksprache mit seinem (psychiatrischen)
Mitgutachter geändert habe, zu prüfen.
Die Kritik an der Änderung des Gutachtens durch den rheumatologischen
Teilgutachter Dr. med. J.________ ist insofern verständlich, als dass die
Ergänzung vom 31. März/1. April 2011 nicht in nachvollziehbarer und begründeter
Weise darlegt, weshalb der Versicherte gestützt auf die im Übrigen unveränderte
Beurteilung nunmehr nur noch zu 50 % in der angestammten Tätigkeit einsetzbar
sei. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da für die Ermittlung des
Invaliditätsgrades die zumutbare Arbeitsfähigkeit in einer angepassten
Tätigkeit massgebend ist (vgl. E. 4.2). Diesbezüglich kann auf das erste
Gutachten vom 10. März 2011 abgestellt werden, beantwortet es doch alle für die
Feststellung der Invalidität notwendigen Fragen in nachvollziehbarer und
begründeter Weise. So ist dem Versicherten eine leidensangepasste Tätigkeit
(leichte bis mittelschwere Arbeit ohne repetitiv gebückte Positionen mit
Wechsel zwischen sitzender und stehender Position) voll zumutbar. Davon geht
auch die Vorinstanz aus. Allerdings hat sie in der Folge keinen
Einkommensvergleich durchgeführt, sondern lediglich festgestellt, der
Versicherte erleide damit keine rentenbegründende Erwerbseinbusse. Diese
Schlussfolgerung ist angesichts des hohen Valideneinkommens nicht
offensichtlich gegeben und vermag ohne nähere Begründung nicht zu überzeugen,
weshalb die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie unter
Beachtung der vollen Zumutbarkeit einer leidensangepassten Tätigkeit den
Invaliditätsgrad im Rahmen eines Einkommensvergleichs ermittle und über den
Anspruch auf eine Invalidenrente neu entscheide.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende IV-Stelle hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Versicherte hat Anspruch auf
eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 1. Februar 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Oktober 2013

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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