Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.189/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_189/2013

Urteil vom 4. Oktober 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Cordula Spörri,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Leistungseinstellung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 10. Januar 2013.

Sachverhalt:

A. 
B.________, geboren 1946, war ab 1. Oktober 1993 bei der O.________ AG,
angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend: SUVA) gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 3. Oktober 1994 war er in einen Auffahrunfall verwickelt. Die
SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 19. März 2004
sprach sie ihm gestützt auf eine neurologische, eine orthopädische und eine
psychiatrische Begutachtung vom Februar/März 2002 eine Invalidenrente bei einem
Invaliditätsgrad von 100 % und eine Integritätsentschädigung von 10 % zu. Im
Rahmen eines Vergleichs erhöhte sie die Integritätsentschädigung am 29.
November 2004 auf 35 %. Die IV-Stelle des Kantons Zürich verfügte am 26.
November 2004 ab 1. März 2003 eine ganze Invalidenrente. In der Folge liess der
beteiligte Haftpflichtversicherer, die Allianz Suisse Versicherungen, der SUVA
Berichte und Bildmaterial einer privatdetektivlichen Überwachung zukommen.
Diese unterbreitete die SUVA einer medizinischen Beurteilung. Das
Schweizerische Institut für Versicherungsmedizin (nachfolgend: SIVM), kam in
seinem Aktengutachten vom 15. Oktober 2005 zum Schluss, die gemäss Observation
festgehaltenen Tätigkeiten liessen sich nicht mit den geklagten Beschwerden
vereinbaren. Mit Verfügung vom 29. August 2006 stellte die SUVA ihre Leistungen
per 31. August 2006 ein; B.________ liess Einsprache erheben. Am 29. Dezember
2006 verfügte die IV-Stelle ihrenseits die Rentenaufhebung per 31. Januar 2007.
Die SUVA sistierte das Einspracheverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid im
Invalidenversicherungsverfahren. Nachdem das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich die gegen die Verfügung der IV-Stelle erhobene Beschwerde mit
Entscheid vom 24. April 2007 gutgeheissen und die Sache zur weiteren Abklärung
an die IV-Stelle zurückgewiesen hatte, gab diese ein polydisziplinäres
Gutachten bei der Ärztlichen Begutachtungsinstitut GmbH (nachfolgend: ABI), in
Auftrag. Gestützt auf das ABI-Gutachten vom 9. September 2008 bestätigte die
IV-Stelle am 7. April 2009 die Rentenaufhebung und forderte am 25. September
2009 die vom 1. März 2005 bis 31. Januar 2007 erbrachten Leistungen zurück. Das
kantonale Gericht wies die dagegen erhobenen Beschwerden am 29. November 2010
ab, was das Bundesgericht mit Urteil 9C_68/2011 vom 16. Mai 2011 bestätigte.
Gestützt auf die medizinische Beurteilung des Dr. med. M.________, Facharzt für
Chirurgie, Versicherungsmedizin SUVA, vom 12. August 2011 bestätigte die SUVA
mit Einspracheentscheid vom 18. August 2011 ihre Leistungseinstellung.

B. 
Am 10. Januar 2013 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die
dagegen erhobene Beschwerde ab.

C. 
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die SUVA
zu verpflichten, ihm ab 1. September 2006 eine Invalidenrente von 38 %
auszurichten.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungsvoraussetzungen des natürlichen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit
Hinweisen) und des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181
mit Hinweis), namentlich bei Schleudertraumen und äquivalenten Verletzungen der
HWS (BGE 134 V 109; 117 V 359 und 369), zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für
die Voraussetzungen einer Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S.
349), einschliesslich der massgebenden zeitlichen Vergleichspunkte (BGE 134 V
131 E. 3 S. 132; 133 V 108), sowie der Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG; BGE
133 V 50 E. 4.1 S. 52) und die Anforderungen an einen ärztlichen Bericht (BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.

3. 
Der Versicherte lässt vorbringen, die Vorinstanz sei von einem unzutreffenden
Sachverhalt im Sinne von Art. 97 Abs. 2 BGG ausgegangen und die Voraussetzungen
der Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG seien nicht gegeben, vielmehr habe
die Beurteilung der Zulässigkeit der Rentenaufhebung in Anwendung von Art. 22
UVG in Verbindung mit Art. 17 ATSG zu erfolgen. Weiter lässt er geltend machen,
die Unfallkausalität dürfe nicht erneut geprüft werden und gestützt auf das
Urteil 9C_68/2011 vom 16. Mai 2011 habe er Anspruch auf eine Invalidenrente bei
einem Invaliditätsgrad von 38 %.

4. 
Soweit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge unterlassener Mitwirkung
des Versicherten bei der Einholung des SIVM-Gutachtens vom 15. Oktober 2005
geltend gemacht wird, ist festzuhalten, dass bei der Unfallversicherung die
Gewährung des rechtlichen Gehörs in das Einspracheverfahren verschoben ist
(Art. 42 ATSG) und dem Versicherten im Rahmen des Einspracheverfahrens
unbestrittenermassen das SIVM-Gutachten zugestellt und ihm so die Möglichkeit
gegeben wurde, begründete Einwände dagegen vorzubringen, wovon er jedoch keinen
Gebrauch machte.

5. 
Der Versicherte lässt in verschiedener Hinsicht einen unrichtigen Sachverhalt
rügen. Auch wenn das Bundesgericht im Rahmen der Beurteilung von Geldleistungen
der obligatorischen Unfallversicherung nicht an den vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalt gebunden ist (E. 1), sind die Einwände unbehelflich.
Einerseits beruht die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs durch Dr.
med. Z.________, Leitender Arzt, Orthopädische Klinik, Spital X.________, in
Ziff. 5.1 seines Beurteilung vom 25. März 2002 auf der unzulässigen Beweisregel
"post hoc ergo propter hoc" (BGE 119 V 335 E. 2b/bb; SVR 2008 UV Nr. 11 S. 34
E. 4.2.3, U 290/06), so dass sie die Einschätzung des Dr. med. M.________ nicht
in Zweifel zu ziehen vermag. Andererseits kann der Versicherte aus der
Einschätzung des Dr. med. S.________, Oberarzt, Neurologische Klinik, Spital
X.________, vom 28. Februar 2002 nichts zu seinen Gunsten ableiten, verneint
dieser in der beantragten Sachverhaltsergänzung doch gerade die
Unfallkausalität der genannten Beschwerden. Weiter wird das SIVM-Gutachten vom
15. Oktober 2005 aufgrund dessen Eigenschaft als Aktengutachten gerügt, was
jedoch eine Frage der Beweiswürdigung ist; zudem hat die Vorinstanz zwar das
SIVM-Gutachten in ihren Erwägungen wiedergegeben (vorinstanzliche E. 4), bei
der Prüfung der Wiedererwägung waren jedoch das ABI-Gutachten und die
Beurteilung des Dr. med. M.________ massgeblich (vgl. die kantonale E. 5 und
6), so dass nicht ersichtlich ist, inwiefern der rechtserhebliche Sachverhalt
infolge des SIVM-Gutachtens falsch erstellt sein soll. Schliesslich ist -
entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - nicht das Urteil vom 10. Januar
2013 Anlass zur Einholung des ABI-Gutachtens vom 9. September 2008, sondern der
vorinstanzliche Entscheid vom 24. April 2007; dabei handelt es sich jedoch
nicht um ein rechtserhebliches Sachverhaltselement im Sinne von Art. 97 Abs. 2
BGG, so dass dies so oder anders unbeachtlich ist. Im Übrigen wird die
Sachverhaltsfeststellung resp. die Wiedergabe der medizinischen Berichte im
kantonalen Entscheid nicht weiter beanstandet. Auf sie ist im Weiteren
abzustellen.

6. 
Das Bundesgericht hat mit Urteil 9C_68/2011 vom 16. Mai 2011 die Aufhebung der
Renten nach IVG gestützt auf eine Wiedererwägung im Sinne von Art. 53 Abs. 2
ATSG ausdrücklich bestätigt. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht
geltend gemacht, inwiefern je nach Versicherungszweig andere Voraussetzungen
bei der Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG gelten. Da hier dieselben
Umstände (medizinische Berichte, massgeblicher Zeitraum) wie im
invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren zu beachten sind, ist gestützt auf
das Urteil 9C_68/2011 vom 16. Mai 2011 ohne weiteres von der Zulässigkeit der
Wiedererwägung auszugehen.

7.

7.1. Entgegen den missverständlichen Ausführungen im vorinstanzlichen Entscheid
ersetzt der adäquate Kausalzusammenhang nicht den natürlichen. Zwar kann der
natürliche Kausalzusammenhang offen bleiben, wenn der adäquate nicht gegeben
ist (BGE 135 V 465 E. 5 S. 472 ). Jedoch werden Leistungen nur zugesprochen,
wenn sowohl der natürliche wie auch der adäquate Kausalzusammenhang zu bejahen
sind (BGE 129 V 177 E. 3.3 S. 181). Daran ändert auch die Anwendung einer
spezifischen Adäquanzbeurteilung (z.B. die sogenannte Schleudertraumapraxis
nach BGE 134 V 109) nichts. Insofern kann auch bei Bejahung eines adäquaten
Kausalzusammenhangs nach BGE 134 V 109 infolge veränderter massgeblicher
Umstände (d.h. bei Vorliegen eines Rückkommenstitels) der natürliche
Kausalzusammenhang nicht mehr erfüllt und damit die kumulativ verlangten
Leistungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben sein. Zu prüfen bleibt somit, ob
die Vorinstanz im Rahmen der Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG zu Recht
den natürlichen Kausalzusammenhang und damit einen andauernden
Leistungsanspruch verneint hat.

7.2. Im ABI-Gutachten vom 9. September 2008 werden als die Arbeitsfähigkeit
beeinflussend eine beginnende Cuff-Arthropathie Schulter rechts, ein
chronisches zervikovertebrales und zervikocephales Schmerzsyndrom sowie eine
mittelgradige Coxarthrose links, derzeit subjektiv beschwerdefrei,
diagnostiziert; die von der IV-Stelle beauftragten Gutachter äussern sich
jedoch nicht zur Unfallkausalität dieser Beschwerden. Dr. med. M.________,
Facharzt für Chirurgie, Versicherungsmedizin SUVA, verneint in seiner
Beurteilung vom 12. August 2011 den natürlichen Kausalzusammenhang der
geklagten Beschwerden mit dem Unfall vom 3. Oktober 1994. Er hat dabei unter
Beachtung aller drei bei der SUVA versicherten Unfälle des Versicherten sowie
sämtlicher medizinischer Akten mit einlässlicher und überzeugender Begründung
aufgezeigt, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aus den Unfällen der
Jahre 1987, 1990 und 1994 keine unfallbedingten Beschwerden
organisch-struktureller Art mehr bestehen und bildgebend objektivierbare
somatische Unfallfolgen nicht auszumachen sind. Gestützt auf diese beiden
medizinischen Beurteilungen, welche die Anforderungen der Rechtsprechung
erfüllen (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), ist die
Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass im massgeblichen Zeitpunkt (1.
September 2006) weder psychische noch physische, die Arbeitsfähigkeit
beeinflussende Beschwerden vorlagen, die in einem natürlichen
Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 3. Oktober 1994 stehen.

7.3. Nachdem die Leistungsvoraussetzung des natürlichen Kausalzusammenhangs zu
verneinen ist, erübrigen sich Ausführungen zur Adäquanz und zum Einwand der
Verbindlichkeit des in der Invalidenversicherung ermittelten Invaliditätsgrades
von 38 %.

8. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Oktober 2013

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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