Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.185/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_185/2013

Urteil vom 4. Juli 2013

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
H.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Yvonne Dürst,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 11. Januar 2013.

Sachverhalt:

A.
H.________, geboren 1963, ersuchte im Jahr 2004 um Leistungen der
Invalidenversicherung (Wiedereinschulung). Die IV-Stelle des Kantons Zürich
sprach ihm von April bis Dezember 2004 eine ganze und von Januar bis März 2005
eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 15. Dezember 2005). Im Februar 2009
meldete sich H.________ erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Mit Verfügung vom 20. Mai 2009 sprach ihm die Militärversicherung ab April
2009 eine 50%ige Invalidenrente zu. Nachdem er gegen den negativen Vorbescheid
der IV-Stelle vom 10. September 2009 hatte Einwände erheben lassen, holte die
IV-Stelle beim medizinischen Abklärungsinstitut X.________ ein
polydisziplinäres Gutachten vom 16. November 2010 ein, welches am 23. Mai 2011
ergänzt wurde. Mit Verfügung vom 25. Juli 2011 verneinte die IV-Stelle den
Anspruch auf eine Invalidenrente.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 11. Januar 2013 ab.

C.
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien ihm unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids
und der Verfügung vom 25. Juli 2011 die gesetzlichen Leistungen zu erbringen,
insbesondere eine halbe Invalidenrente. Eventualiter sei die Sache an die
IV-Stelle zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.

D.
Mit Eingabe vom 13. März 2013 liess H.________ das Schreiben der
Militärversicherung vom 11. März 2013 einreichen, welches die Ausrichtung
seiner bisherigen 50%igen Invalidenrente bestätigt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art.
97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach
Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage
geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung
einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge
Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt.
Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG
genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr
ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen
darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung
einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt
werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 IV
286 E. 6.2 S. 288; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).

1.3. Auf beruflich-erwerblicher Stufe der Invaliditätsbemessung
charakterisieren sich als Rechtsfragen die gesetzlichen und
rechtsprechungsgemässen Regeln über die Durchführung des Einkommensvergleichs (
BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348, 128 V 29 E. 1 S. 30), einschliesslich derjenigen
über die Anwendung der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE; BGE 129 V 472
E. 4.2.1 S. 475, 126 V 75 E. 3b/bb S. 76, 124 V 321 E. 3b/aa S. 322). Die
Feststellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen (Einkommen, welches
die versicherte Person ohne Gesundheitsschädigung hätte erzielen können
[Valideneinkommen], und Einkommen, welches sie trotz Gesundheitsschädigung
zumutbarerweise noch zu erzielen vermöchte [Invalideneinkommen]) stellt eine
Tatfrage dar, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht, hingegen eine
Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung
richtet (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Letzteres betrifft die Frage, ob
Tabellenlöhne anwendbar sind und welches die massgebliche Tabelle ist (BGE 134
V 322 E. 5.2 S. 327; 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 8C_123/2012 vom 12. April
2012 E. 1 mit Hinweis).

2.
Streitig ist, ob Verwaltung und Vorinstanz zu Recht einen Anspruch auf eine
Invalidenrente verneint haben.

3.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den einheitlichen
Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 IVG; BGE 133 V
549 E. 4 S. 551; 126 V 288 E. 2a S. 291), namentlich der Verbindlichkeit des
einmal ermittelten Invaliditätsgrades für andere Sozialversicherungszweige (BGE
133 V 549 E. 6. S. 553; 126 V 288), die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach
der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343
E. 3.4 S. 348; 128 V 29 E. 1 S. 30), insbesondere die Bestimmung des Validen-
und des Invalideneinkommens (BGE 129 V 472; 126 V 75 E. 3b S. 76; 124 V 321 E.
3b/aa S. 322), sowie die Aufgabe des Arztes bei der Ermittlung des
Invaliditätsgrades (BGE 132 V 93 E. 4 S. 99 mit Hinweisen) zutreffend
dargelegt. Dasselbe gilt für den Beweiswert ärztlicher Berichte (BGE 134 V 231
E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.

4.
Die Vorinstanz hat gestützt auf das Gutachten des medizinischen
Abklärungsinstituts X.________ vom 16. November 2010 und dessen Ergänzung vom
23. Mai 2011 in für das Bundesgericht verbindlicher Weise (E. 1) festgestellt,
dass dem Versicherten eine leidensangepasste Tätigkeit bei einem Pensum von 80
% zumutbar sei, und hat in der Folge einen nicht rentenbegründenden
Invaliditätsgrad von 27 % ermittelt.

4.1. Soweit der Versicherte gestützt auf die Rechtsprechung von SVR 2009 IV Nr.
29 S. 83 (9C_858/2008) die Verbindlichkeit des von der Militärversicherung
ermittelten Invaliditätsgrades auch für die IV geltend macht, kann er aus dem
genannten Urteil nichts zu seinen Gunsten ableiten. Zwar ist die rechtskräftige
Festsetzung eines Invaliditätsgrades der Militärversicherung ein starkes Indiz
für dessen Richtigkeit und in den Entscheidungsprozess der IV miteinzubeziehen,
doch dies bewirkt keine absolute Verbindlichkeit. Angesichts der bereits im
Verfahren der Militärversicherung unterschiedlichen Abklärungsergebnisse durch
das arbeitsmedizinische Zentrum Y.________ vom 28. April 2010 (Evaluation der
funktionellen Leistungsfähigkeit, EFL; vgl. auch die Schlussfolgerungen im
Austrittsbericht der Rehaklinik Z.________ vom 5. Mai 2008 sowie im
orthopädischen Konsilium des Dr. med. G.________, Facharzt für Chirurgie,
speziell Allgemein- und Unfallchirurgie, Rehaklinik Z.________ vom 22. April
2008) einerseits und die behandelnden Ärzte (Dr. med. O.________, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie, PD Dr. med. R.________, Facharzt für
orthopädische Chirurgie, und med. pract. K.________) und den Kreisarzt,
Facharzt für Chirurgie, speziell Allgemein- und Unfallchirurgie, SUVA,
andererseits, sowie der Rechtsprechung, wonach eine Leistungszusprechung einzig
gestützt auf die Angaben der behandelnden Ärzte kaum je in Frage kommt (BGE 135
V 465 E. 4.5 S. 470), ist es nicht zu beanstanden, dass die IV-Stelle
ihrerseits ein polydisziplinäres Gutachten in Auftrag gab. Nachdem dieses die
Anforderungen der Rechtsprechung (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a
S. 352) erfüllt und die Ergebnisse der EFL in weiten Teilen bestätigt, durfte
die IV-Stelle unabhängig von der Rentenzusprechung der Militärversicherung den
Invaliditätsgrad berechnen. Daran ändern auch die Einwände des Versicherten
nichts. Namentlich hat die Vorinstanz zu Recht festgehalten, dass im Rahmen des
Verfahrens der Militärversicherung die Arbeitsfähigkeit als Laborant im
Vordergrund stand, die involvierten Ärzte aber die in der EFL festgestellte
höhere Leistungsfähigkeit in einer anderen, besser angepassten Tätigkeit nicht
vertieft prüften. Somit ist von der Zumutbarkeit eines vollen Pensums in einer
angepassten Tätigkeit bei einer Leistungsfähigkeit von 80 % auszugehen.

4.2. Die Vorinstanz hat bei der Feststellung des Invaliditätsgrades das auch
von der Militärversicherung zugrunde gelegte Valideneinkommen berücksichtigt.
Der Versicherte vermag nicht darzutun, weshalb dieses nicht auch im Rahmen der
Invalidenversicherung massgebend resp. inwiefern das Vorgehen der Vorinstanz
willkürlich sein soll (vgl. E. 1). Somit ist im Weiteren von einem
Valideneinkommen von Fr. 84'263.- auszugehen. Hingegen ist das Vorgehen der
Vorinstanz bei der Ermittlung des Invalideneinkommens widersprüchlich und damit
willkürlich: Es geht nicht an, einerseits von der Zumutbarkeit einer
angepassten Tätigkeit (und damit einer Leistungsfähigkeit von 80 %) auszugehen,
andererseits aber mit dem Anforderungsniveau 3 der LSE-Tabellen die beruflichen
Vorkenntnisse in der nicht mehr als massgeblich erachteten Tätigkeit als
Laborant zu berücksichtigen. Vielmehr ist unter diesen Umständen das
Anforderungsniveau 4 anzuwenden. Da dem Versicherten als Schweizer
Staatsangehörigen auch Stellen im öffentlichen Dienst offen stehen und solche
leidensangepassten Tätigkeiten sowohl im Produktions- als auch im
Dienstleistungssektor vorhanden sind, ist für das Invalideneinkommen im
Weiteren der Wert der Tabelle T1 (öffentlicher und privater Sektor) /Total/
Männer zugrunde zu legen. Unter Berücksichtigung der Lohnentwicklung und der
durchschnittlichen Arbeitszeit ergibt dies ein Invalideneinkommen von Fr.
50'419.- (Fr. 5000 x 12 x 0.8 x 1.01 x 41.6 : 40.0; vgl. E. 6.2 des
vorinstanzlichen Entscheids). Dabei ist kein Abzug im Sinne der Rechtsprechung
von BGE 126 V 75 vorzunehmen, da die leidensbedingten Einschränkungen bereits
mit der reduzierten Leistungsfähigkeit von 80 % berücksichtigt werden. Bei
einem Vergleich der beiden massgeblichen Einkommen resultiert ein
Invaliditätsgrad von 40.2 %. Der Versicherte hat somit ab 1. August 2009 (Art.
29 Abs. 1 IVG) Anspruch auf eine Viertelsrente.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die
Parteien die Gerichtskosten hälftig zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der
Versicherte hat Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 68 Abs.
1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Januar 2013 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 25. Juli 2011 werden aufgehoben.
Der Beschwerdeführer hat ab 1. August 2009 Anspruch auf eine Viertelsrente. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden zu Fr. 400.- dem Beschwerdeführer und
zu Fr. 400.- der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Juli 2013
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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