Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.99/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_99/2013

Urteil vom 10. Juni 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
Z.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Benno Lindegger,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Schützenstrasse 1A, 9100
Herisau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Qualifizierte einfache Körperverletzung, Angriff,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts von Appenzell Ausserrhoden, 1.
Abteilung, vom 18. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.

A.a. Das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden verurteilte Z.________ am
29. März 2011 wegen einfacher Körperverletzung, Diebstahls, versuchter
Erpressung, Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie Widerhandlung
gegen das Ausländergesetz und das Betäubungsmittelgesetz zu einer
Freiheitsstrafe von 22 Monaten, davon 12 Monate bedingt, und einer Busse von
Fr. 500.--.

A.b. Die Staatsanwaltschaft focht die Verurteilung wegen einfacher
Körperverletzung mit Berufung an. Das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden
stellte am 18. Juni 2012 die Rechtskraft der übrigen Schuldsprüche und der
Busse von Fr. 500.-- fest. Es erklärte Z.________ des Angriffs und der
qualifizierten einfachen Körperverletzung (Gebrauch eines gefährlichen
Gegenstands) schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier
Jahren.

 Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

 Y.________, Z.________ und X.________ lauerten W.________ im Auftrag von
Drittpersonen am frühen Morgen des 8. Juni 2010 in dessen Stall auf. Während
X.________ Schmiere stand, schlugen Y.________ und Z.________ mit Fäusten und
Füssen auf W.________ ein. Zu Beginn versetzte Z.________ diesem zudem mit
einem Holzstock mit einem aufgesetzten Metallrohrbogen von rund 190 Gramm zwei
bis drei Schläge, bevor der Stock zerbrach. Dabei hielt er den Holzteil des
Stocks und setzte den Metallteil gegen den Körper des Opfers ein. W.________
erlitt eine Hirnerschütterung der Kategorie 2, einen Bruch des
Mittelhandknochens, des Ringfingers und des Nasenbeins, eine tiefe und eine
oberflächliche Rissquetschwunde über bzw. unter dem linken Auge sowie
Prellungen u.a. am Schädel. Y.________, Z.________ und X.________ wurden für
die Tat je mit einem Betrag zwischen Fr. 3'000.-- und Fr. 3'500.-- belohnt.

B.
Z.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, ihn vom Vorwurf
des Angriffs und der qualifizierten einfachen Körperverletzung freizusprechen
und das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche
Rechtspflege.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche sowie einseitige
Beweiswürdigung und eine Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo. Er habe
den Metallteil des Holzstocks in der Hand gehalten und den holzigen Teil gegen
das Opfer eingesetzt. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, er habe mit dem
aufgesetzten Metallteil auf das Opfer eingeschlagen. Bei einem Schlag mit dem
Metallrohrbogen gegen die Hand des Opfers wäre es zwingend zu einem
Blutaustritt gekommen. Auch hätte Y.________ als wettkampferprobter Kick-Boxer
die Knochenbrüche an der Hand des Opfers ohne Weiteres mit seinen Fäusten oder
Füssen verursachen können. Die Vorinstanz hätte für die Klärung dieser Fragen
Sachverständige beiziehen müssen. Unzutreffend sei auch die Feststellung, sie
hätten das am Boden liegende Opfer mit unzähligen Schlägen traktiert. Sie
hätten vom Opfer abgelassen und das Weite gesucht, als dieses zu Boden gegangen
sei, weil sie ihm keine schweren Verletzungen hätten zufügen wollen.

1.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 134 IV 36 E. 1.4.1). Dem Grundsatz in
dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren
vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende
Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a; je mit Hinweisen).

 Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar
oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE
138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4). Die Rüge der Willkür muss präzise
vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer
muss im Einzelnen darlegen, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem
qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Auf eine rein
appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht
ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit Hinweisen).

1.3.

1.3.1. Die Vorinstanz stellt auf Aussagen des Beschwerdeführers ab. Dieser gab
anfänglich an, er habe mit einem Besenstiel geschlagen. Später sagte er aus, er
wisse nicht, ob er mit dem Metallteil oder dem Holzteil auf das Opfer
eingeschlagen habe. Ein Teil des Holzstocks müsse bei den Schlägen abgebrochen
und am Tatort zurückgeblieben sein. Den anderen Teil des Stocks habe er auf der
Flucht mit dem Auto weggeworfen. Die Vorinstanz schliesst daraus, der
Beschwerdeführer habe mit dem Metallrohrbogen auf das Opfer eingeschlagen, da
der Teil des Holzstocks mit dem Metallaufsatz im Stall sichergestellt wurde,
während der andere Teil nicht auffindbar war (Urteil S. 19 f.). Die Erwägungen
der Vorinstanz sind ohne Weiteres nachvollziehbar. Was der Beschwerdeführer
dagegen vorbringt, lässt die vorinstanzliche Würdigung nicht willkürlich
erscheinen.

1.3.2. Unbegründet ist auch der Einwand, die Vorinstanz hätte zwingend
Sachverständige beiziehen müssen (vgl. dazu Art. 182 StPO). Die Vorinstanz
stellt auf Aussagen des Beschwerdeführers ab. Sie konnte ohne Beizug von
Gutachtern annehmen, die Angaben des Beschwerdeführers würden durch die
fehlenden Blutspuren nicht widerlegt. Ob die Verletzungen an der Hand des
Opfers auch mit Fäusten oder Füssen hätten verursacht werden können, ist
irrelevant.

1.3.3. Die Vorinstanz geht willkürfrei davon aus, der Beschwerdeführer und
Y.________ hätten weiter auf das Opfer eingeschlagen, als dieses bereits
hilflos am Boden lag. Dies steht nicht nur im Einklang mit dem Verletzungsbild,
sondern auch mit den Aussagen des Opfers (kant. Akten, Urk. 2.15 S. 2). Der
Beschwerdeführer setzt sich damit nicht auseinander. Seine Sachverhaltsrügen
sind unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen überhaupt genügen.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer ficht die rechtliche Qualifikation seiner Tat als
Angriff (Art. 134 StGB) und qualifizierte einfache Körperverletzung (Art. 123
Ziff. 2 StGB) an.

2.2. Soweit der Beschwerdeführer seiner Rüge eigene Sachverhaltsfeststellungen
zugrunde legt und beispielsweise geltend macht, er habe nicht mit dem
Metallrohrbogen auf das Opfer eingeschlagen, ist darauf nicht einzutreten (Art.
105 Abs. 1 BGG).

2.3.

2.3.1. Der Beschwerdeführer argumentiert, der Holzstock sei morsch gewesen und
beim Einschlagen auf das Opfer sofort zerbrochen. Er sei bereits von seiner
Beschaffenheit her kein gefährlicher Gegenstand und lasse sich auch nicht als
solchen einsetzen. Dies werde durch die relativ geringen Verletzungen des
Opfers bestätigt.

2.3.2. Ein Gegenstand ist gefährlich im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 StGB, wenn
er so verwendet wird, dass ein hohes Risiko der Tötung oder schweren
Körperverletzung gemäss Art. 122 StGB besteht (BGE 111 IV 123 E. 4; 101 IV 285;
Urteil 6S.65/2002 vom 26. April 2002 E. 3.2 mit Beispielen).

2.3.3. Die Vorinstanz führt aus, entscheidend sei die Art und Weise der
Verwendung eines Gegenstands. Der Beschwerdeführer habe mit dem rund 190 Gramm
schweren Metallteil auf das Opfer eingeschlagen. Die Schlagkraft des
Metallteils sei aufgrund der Hebelwirkung des Stocks noch verstärkt worden.
Naheliegend sei, dass das Opfer damit an der Hand erwischt und dadurch der
Bruch am Mittelhandknochen und/oder am Ringfinger verursacht wurde. In der
Hitze des Gefechtes sei es auch zu Schlägen gegen den Kopf des Opfers gekommen,
was der Beschwerdeführer zwar nicht gewollt, aber auch nicht habe ausschliessen
können. Ein Schlag mit einem rund 190 Gramm schweren Metallteil auf den Kopf
eines Menschen könne lebensgefährliche Verletzungen zur Folge haben (Urteil S.
18 und 28).

2.3.4. Die Ausführungen der Vorinstanz sind nicht zu beanstanden. Unerheblich
ist, dass der Holzstock nach wenigen Schlägen zerbrach und das Opfer nur
einfache Körperverletzungen erlitt. Angesichts des Einsatzes des Metallteils
gegen den Körper des Opfers, wobei auch Schläge gegen den Kopf nicht
auszuschliessen waren, geht die Vorinstanz zu Recht vom Gebrauch eines
gefährlichen Gegenstands und folglich einer qualifizierten einfachen
Körperverletzung aus. Ein Beizug von Sachverständigen war für die Beantwortung
dieser Frage entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers (Beschwerde Ziff. 3.3
S. 11) nicht erforderlich. Der Schuldspruch verletzt kein Bundesrecht.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der
Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht von Appenzell Ausserrhoden,
1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Juni 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld

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