Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.98/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_98/2013

Urteil vom 10. Juni 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Anwander-Walser,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Schützenstrasse 1A, 9100
Herisau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Qualifizierte einfache Körperverletzung, Angriff; Mittäterschaft;
Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts von Appenzell Ausserrhoden, 1.
Abteilung, vom 18. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.

A.a. Das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden verurteilte X.________ am
29. März 2011 wegen einfacher Körperverletzung, Verfügung über mit Beschlag
belegtem Vermögen, Hausfriedensbruchs, Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen
und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten
Freiheitsstrafe von 14 Monaten und einer Busse von Fr. 700.--.

A.b. X.________ und die Staatsanwaltschaft fochten die Verurteilung wegen
einfacher Körperverletzung mit Berufung an. Das Obergericht von Appenzell
Ausserrhoden stellte am 18. Juni 2012 die Rechtskraft der übrigen Schuldsprüche
und der Busse von Fr. 700.-- fest. Es erklärte X.________ des Angriffs und der
qualifizierten einfachen Körperverletzung (Gebrauch eines gefährlichen
Gegenstands) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe
von 18 Monaten.

 Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

 Y.________, Z.________ und X.________ lauerten W.________ im Auftrag von
Drittpersonen am frühen Morgen des 8. Juni 2010 in dessen Stall auf. Während
X.________ Schmiere stand, schlugen Y.________ und Z.________ mit Fäusten und
Füssen auf W.________ ein. Zu Beginn versetzte Z.________ diesem zudem mit
einem Holzstock mit einem aufgesetzten Metallrohrbogen von rund 190 Gramm zwei
bis drei Schläge, bevor der Stock zerbrach. Dabei hielt er den Holzteil des
Stocks und setzte den Metallteil gegen den Körper des Opfers ein. W.________
erlitt eine Hirnerschütterung der Kategorie 2, einen Bruch des
Mittelhandknochens, des Ringfingers und des Nasenbeins, eine tiefe und eine
oberflächliche Rissquetschwunde über bzw. unter dem linken Auge sowie
Prellungen u.a. am Schädel. Y.________, Z.________ und X.________ wurden für
die Tat je mit einem Betrag zwischen Fr. 3'000.-- und Fr. 3'500.-- belohnt.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil vom 18.
Juni 2012 aufzuheben, ihn wegen Gehilfenschaft zu einfacher Körperverletzung
schuldig zu sprechen und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten zu
verurteilen. Eventualiter sei die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und eine
Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht
davon aus, Z.________ habe den Stock am Holzteil gehalten und mit dem
aufgesetzten Metallteil auf das Opfer eingeschlagen. Sie weise selber
daraufhin, theoretisch sei auch denkbar, dass Z.________ den Metallrohrbogen
als Griff benutzte und den Holzteil gegen den Körper des Opfers verwendete.
Davon sei in dubio pro reo auszugehen.

1.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 134 IV 36 E. 1.4.1). Dem Grundsatz in
dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren
vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende
Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a; je mit Hinweisen).

 Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar
oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE
138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4). Die Rüge der Willkür muss präzise
vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer
muss im Einzelnen darlegen, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem
qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Auf eine rein
appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht
ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit Hinweisen).

1.3. Die Vorinstanz stellt auf Aussagen von Z.________ ab. Dieser gab
anfänglich an, er habe mit einem Besenstiel geschlagen. Später sagte er aus, er
wisse nicht, ob er mit dem Metallteil oder dem Holzteil auf das Opfer
eingeschlagen habe. Ein Teil des Holzstocks müsse bei den Schlägen abgebrochen
und am Tatort zurückgeblieben sein. Den anderen Teil des Stocks habe er auf der
Flucht mit dem Auto weggeworfen. Die Vorinstanz schliesst daraus, Z.________
habe mit dem Metallrohrbogen auf das Opfer eingeschlagen, da der Teil des
Holzstocks mit dem Metallaufsatz im Stall sichergestellt wurde, während der
andere Teil nicht auffindbar war (Urteil S. 19 f.). Die Erwägungen der
Vorinstanz sind ohne Weiteres nachvollziehbar. Eine willkürliche
Beweiswürdigung liegt nicht vor.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Tatbeitrag sei lediglich als
Gehilfenschaft zu qualifizieren. Vom Vorwurf der qualifizierten einfachen
Körperverletzung sei er auch deshalb freizusprechen, weil der Einsatz des
gefährlichen Gegenstands nicht vorgesehen gewesen sei. Er sei für ihn weder
voraussehbar noch gewollt gewesen. Diesbezüglich liege ein Exzess des
Haupttäters vor.

2.2. Mittäter ist, wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines
Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern
zusammenwirkt, sodass er als Hauptbeteiligter dasteht (BGE 135 IV 152 E. 2.3.1;
130 IV 58 E. 9.2.1; 125 IV 134 E. 3a). Gehilfe ist, wer zu einem Verbrechen
oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet (Art. 25 StGB). Der Gehilfe fördert
eine Tat, wenn er sie durch einen untergeordneten Tatbeitrag unterstützt (BGE
129 IV 124 E. 3.2).

 Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war der
Beschwerdeführer bei der Vorbesprechung der Tat anwesend und schaute sich den
Hof des Opfers mit den anderen Beteiligten an (Urteil S. 33 unten). Weiter
mietete er gegen Entgelt ein Fahrzeug, mit welchem er Y.________ und Z.________
am 7. und 8. Juni 2010 zum Tatort und wieder zurückfuhr. Auch organisierte er
zwecks Vermummung für sich und Y.________ zwei Motorradunterzugshauben. Die
Vorinstanz weist schliesslich darauf hin, dass er als Einziger ortskundig war,
dass er gemäss Z.________ bei Problemen ebenfalls hätte eingreifen müssen und
dass er ungefähr den gleichen Anteil am Gaunerlohn erhielt wie Y.________ und
Z.________ (Urteil S. 34). Gestützt darauf geht sie zutreffend von einer
mittäterschaftlichen Beteiligung des Beschwerdeführers aus. Dessen Tatbeitrag
beschränkte sich nicht auf das "Schmiere stehen" und war nicht von bloss
untergeordneter Bedeutung.

2.3. Ein Mittäter haftet nur, soweit sein Wille reicht. Die Grenze für die
subjektive Zurechnung von mittäterschaftlichem Handeln liegt dort, wo ein vom
gemeinsamen Tatplan abweichender Ablauf für einen Beteiligten nicht
vorhersehbar ist und von ihm deshalb auch nicht gebilligt werden kann. Dem
Mittäter wird ein Exzess des Haupttäters nur angerechnet, falls ihm ein
entsprechender (Eventual-) Vorsatz nachgewiesen werden kann (BGE 118 IV 227 E.
5d; Urteil 6P.188/2006 und 6S.424/2006 vom 21. Februar 2007 E. 6.6). Die
Vorinstanz nimmt auf diese Rechtsprechung Bezug (Urteil S. 32). Sie gelangt zur
Überzeugung, Y.________ und Z.________ seien nach dem gemeinsamen Tatplan
vorgegangen. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Einwand, es liege ein
Exzess vor, gegen die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz. Dass und
inwiefern deren Würdigung willkürlich sein könnte, legt er jedoch nicht dar,
weshalb auf die Rüge nicht einzutreten ist.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer beanstandet eine bundesrechtswidrige Anwendung von
Art. 134 StGB. Der Tatbestand des Angriffs gelange nicht in echter Konkurrenz
zur qualifizierten einfachen Körperverletzung zur Anwendung.

3.2. Eine Konkurrenz zwischen Art. 134 StGB und den Art. 122 ff. StGB fällt
nach der Rechtsprechung u.a. in Betracht, wenn die Person, die während des
Angriffs verletzt wurde, lediglich einfache Körperverletzungen erlitt, obgleich
sie einer weitergehenden Gefährdung ausgesetzt war (BGE 135 IV 152 E. 2.1). Der
Angriff wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe
geahndet, während die qualifizierte einfache Körperverletzung mit einer
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht ist. Der als
Verbrechen (Art. 10 Abs. 2 StGB) ausgestaltete Tatbestand des Angriffs wird
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht durch die weniger schwere
einfache Körperverletzung konsumiert (vgl. Stratenwerth/Jenny/Bommer,
Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 7. Aufl. 2010, N. 44 S. 95).

3.3. Die Vorinstanz geht davon aus, mit dem Angriff sei eine über bloss
einfache Körperverletzungen hinausgehende Gefährdung des Opfers einhergegangen
(Urteil S. 37). Der Tatbestand des Angriffs gelangt gemäss der Rechtsprechung
daher in echter Konkurrenz zur qualifizierten einfachen Körperverletzung zur
Anwendung. Der Beschwerdeführer legt seiner rechtlichen Rüge eigene
Sachverhaltsfeststellungen zugrunde, indem er beispielsweise geltend macht,
seine Mittäter hätten keinen gefährlichen Gegenstand eingesetzt und entgegen
den vorinstanzlichen Feststellungen nie auf ein hilflos am Boden liegendes
Opfer eingeschlagen. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 105 Abs. 1 BGG).

4.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung.

4.1. Soweit der Beschwerdeführer die Strafzumessung mit der Begründung anficht,
er sei nur Gehilfe gewesen und der Tatbestand des Angriffs sowie der
Qualifikationsgrund des Gebrauchs eines gefährlichen Gegenstands (Art. 123
Ziff. 2 StGB) gelangten nicht zur Anwendung, kann auf die vorstehenden
Ausführungen verwiesen werden.

4.2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 47 und Art. 50 StGB.
Die Strafe von 18 Monaten sei unangemessen hoch und ungenügend begründet.

 Die Vorbringen sind unbegründet. Die vorinstanzliche Strafzumessung genügt den
Begründungsanforderungen von Art. 50 StGB. Das Sachgericht verfügt auf dem
Gebiet der Strafzumessung über einen Ermessensspielraum. Das Bundesgericht
greift auf Beschwerde in Strafsachen hin nur ein, wenn die Vorinstanz den
gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich
nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte
ausser Acht gelassen bzw. durch Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens
falsch gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6; 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E.
2.1). Die Strafe von 18 Monaten hält sich im Rahmen des sachrichterlichen
Ermessens. Dass die Vorinstanz von falschen Strafzumessungsgrundsätzen
ausgegangen wäre, macht der Beschwerdeführer nicht geltend.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der
Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht von Appenzell Ausserrhoden,
1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Juni 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld

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