Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.949/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_949/2013

Urteil vom 3. Februar 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg, Verwaltungsgebäude Roter Löwe,
Marktplatz, 5080 Laufenburg,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Entschädigung (Einstellungsverfügung), Beschwerdelegitimation,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 16. September 2013.

Sachverhalt:

A.

 Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg stellte das Strafverfahren gegen
X.________ wegen Widerhandlungen gegen das Tierschutz- und das Hundegesetz am
13. Mai 2013 ein. Sie auferlegte die Verfahrenskosten von Fr. 26.50 dem Staat
und lehnte die Zusprechung einer Entschädigung oder Genugtuung an X.________
ab.

B.

 Das Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, hiess am
16. September 2013 die Beschwerde von X.________ gut und sprach ihr eine
Entschädigung für die Kosten ihrer Rechtsvertretung im staatsanwaltlichen
Verfahren von Fr. 1'271.20 zu. Es nahm die Verfahrenskosten auf die Staatskasse
und sprach X.________ für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von
Fr. 484.30 zu.

C.

 Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg erhebt Beschwerde in
Strafsachen. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben "und die
Beschwerde der Beschuldigten sei abzuweisen", eventuell sei das Verfahren zu
neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerde ist vom
stellvertretenden Leitenden Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft
Rheinfelden-Laufenburg unterzeichnet.

Erwägungen:

1.

1.1. Bund und Kantone bestimmen ihre Strafbehörden und deren Bezeichnungen
(Art. 14 Abs. 1 StPO). Sie regeln Wahl, Zusammensetzung, Organisation und
Befugnisse der Strafbehörden, soweit dieses Gesetz oder andere Bundesgesetze
dies nicht abschliessend regeln (Art. 14 Abs. 2 StPO). Der Kanton Aargau hat im
Einführungsgesetz zur Schweizerischen Strafprozessordnung (EG StPO/AG; SAR
251.200) seine Strafbehörden geregelt. Nach § 40 Abs. 1 EG StPO/AG können die
zuständige Staatsanwältin oder der zuständige Staatsanwalt die kantonalen
Rechtsmittel und die Bundesrechtsmittel ergreifen. Das gleiche Recht steht nach
Absatz 2 der Oberstaatsanwaltschaft zu.

1.2. Die Strafprozessordnung ist anwendbar auf Verfahren, die von den
Strafbehörden des Bundes und der Kantone geführt werden. Die
Verfahrensvorschriften anderer Bundesgesetze bleiben ausdrücklich vorbehalten
(vgl. Art. 1 StPO). Zu diesen anderen Bundesgesetzen zählt insbesondere auch
das Bundesgerichtsgesetz.

 Die Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen richtet sich nach Art. 81 BGG
und nicht nach der Stellung, die einem Beteiligten im kantonalen Verfahren
eingeräumt wurde. Die kantonale Einführungsgesetzgebung zur Strafprozessordnung
bestimmt zwar, wer allgemein und in den konkreten Fällen die Funktionen der
Staatsanwaltschaft ausübt. Ob jedoch nur einem und gegebenenfalls welchem oder
mehreren Staatsanwälten nebeneinander die Befugnis zukommt, Beschwerde in
Strafsachen zu führen, entscheidet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz (vgl. BGE
131 IV 142 E. 1 S. 143; 128 IV 237 E. 1 S. 238). Demzufolge ist die
kantonalrechtliche Bestimmung von Art. 40 Abs. 1 EG StPO/AG für das Verfahren
vor dem Bundesgericht nicht massgebend.

2.

2.1. Das Bundesgericht hat schon unter der Geltung des (früheren) BG über den
Bundesstrafprozess festgehalten, dass die eidgenössischen Rechtsmittel der
einheitlichen Anwendung des Bundesrechts dienen. Den kantonalen
Staatsanwaltschaften komme bei der Verwirklichung dieses Ziels eine wichtige
Aufgabe zu. Sie tragen mit der Ergreifung von Rechtsmitteln wesentlich zu einer
einheitlichen Praxis innerhalb des Kantons bei und stellen sicher, dass sich
diese mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts in Einklang befindet. Da ausser
in den Fällen der Bundesgerichtsbarkeit kein einheitlicher öffentlicher
Ankläger für das Gebiet der Eidgenossenschaft besteht, sondern diese Aufgabe
auf die einzelnen Kantone aufgeteilt ist, müsse eine weitere Aufsplitterung
vermieden werden. Das Bundesgericht hat es deshalb ausgeschlossen, dass neben
einer für den ganzen Kanton tätigen und in letzter Instanz beschwerdebefugten
Staatsanwaltschaft auch noch öffentliche Ankläger, die für Fälle aus einem
Teilgebiet des Kantons zuständig sind, zur eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde (heute Beschwerde in Strafsachen) legitimiert sind. Es
ist in diesem Sinn auf die Beschwerde eines Statthalteramtes des Kantons Zürich
(BGE 115 IV 152 E. 4 S. 154 f.) wie auch auf die Beschwerde einer regionalen
Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis nicht eingetreten (BGE 131 IV 142 E. 1 S.
143). In BGE 134 IV 36 E. 1.3 S. 38 f. hat es nach dem Inkrafttreten des
Bundesgerichtsgesetzes ergänzend festgestellt, dass allein die
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zur Beschwerde in Strafsachen
legitimiert ist, selbst wenn sie das vorausgegangene kantonale
Rechtsmittelverfahren nicht geführt hat, sondern die Anklage von einer ihr
untergeordneten Behörde vertreten wurde.

2.2. An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Geltung der schweizerischen
Strafprozessordnung festzuhalten. Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG ist
"die Staatsanwaltschaft" und sind nicht die einzelnen Staatsanwälte zur
Beschwerde legitimiert (Marc Thommen, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 81 BGG). Die
Staatsanwaltschaft trägt in ihrer Eigenschaft als Behörde die Verantwortung für
die gleichmässige Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs (Art. 16 Abs. 1
StPO).

 Diese Aufgabe kommt im Kanton Aargau der Oberstaatsanwaltschaft zu. Sie
beaufsichtigt nach § 4 Abs. 4 EG StPO/AG die kantonale Staatsanwaltschaft und
die Staatsanwaltschaften für die Bezirke und sorgt für die einheitliche
Gesetzesanwendung sowie die sachgerechte Aufgabenerfüllung der
Staatsanwaltschaften. Der Oberstaatsanwaltschaft stehen im einzelnen
Strafverfahren die gleichen Befugnisse wie den Staatsanwaltschaften zu. Sie
kann zudem jederzeit hängige Strafverfahren an sich ziehen oder einer anderen
Staatsanwaltschaft zuweisen (§ 4 Abs. 5 EG StPO/AG), und sie ist gleichermassen
berechtigt, die kantonalen und die Bundesrechtsmittel zu ergreifen (§ 40 Abs. 2
EG StPO/AG).

 Die Beschwerde in Strafsachen steht "der Staatsanwaltschaft" offen (Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG). Dass zwei nebeneinander beschwerdeberechtigte
öffentliche Ankläger des Kantons nicht beide im gleichen Fall Beschwerde führen
können, wurde vom Bundesgericht bereits entschieden (BGE 111 IV 112 E. 2).
Besteht eine für den ganzen Kanton zuständige Oberstaatsanwaltschaft oder eine
vergleichbare Behörde (vgl. dazu Niklaus Schmid, Handbuch des
Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N. 355, S. 128 f.), die innerhalb des
Kantons für eine einheitliche Rechtsanwendung zu sorgen hat und Rechtsmittel
vor den letzten kantonalen Instanzen ergreifen kann, ist diese allein zur
Beschwerde in Strafsachen legitimiert. Dies gilt auch, wenn das kantonale Recht
mehreren Behörden das Recht einräumt, den staatlichen Strafanspruch vor den
kantonalen Gerichten zu vertreten (BGE 131 IV 142 E. 1). Es kann nicht
entscheidend sein, welche Anklagebehörde vor der letzten kantonalen Instanz
tatsächlich auftrat. Damit würde der Oberstaatsanwaltschaft die Möglichkeit
genommen, durch Einreichen einer Beschwerde in Strafsachen für die einheitliche
Rechtsanwendung im Kanton zu sorgen, falls sie im Verfahren vor der letzten
kantonalen Instanz nicht beteiligt war. Die Einschränkung des Beschwerderechts
kann deshalb nur dadurch erfolgen, dass der untergeordneten Staatsanwaltschaft
die Beschwerdelegitimation gänzlich abgesprochen wird (BGE 115 IV 152 E. 4).
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg ist deshalb
nicht einzutreten.

3.

 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art.
66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen,
da der Beschwerdegegnerin keine Kosten der Rechtsvertretung erwachsen sind.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Februar 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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