Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.93/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_93/2013

Urteil vom 22. November 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Fricker,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau, Beschwerdegegnerin.
                                                 

Gegenstand
Lebenslängliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1bis StGB); Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 18. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A. 
Das Bezirksgericht Baden sprach X.________ am 29. Februar 2012 des Mordes an
AO.________ schuldig. Es verurteilte ihn zu einer lebenslänglichen
Freiheitsstrafe und ordnete die ordentliche Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB
an. Von der Anordnung einer lebenslänglichen Verwahrung gemäss Art. 64 Abs.
1bis StGB sah es ab. Es fehle an der erforderlichen dauerhaften
Nichttherapierbarkeit im Sinne des Gesetzes, da sich aufgrund der
gutachterlichen Aussagen eine Untherapierbarkeit für die nächsten 40 bis 50
Jahre nicht feststellen lasse.
Gegen dieses Urteil legten die kantonale Staatsanwaltschaft sowie AA.________,
AB.________, AC.________ und AD.________ Berufung ein.
Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte X.________ am 18. Oktober 2012
wegen Mordes und wegen Störung des Totenfriedens. Es bestätigte die
erstinstanzlich ausgefällte lebenslängliche Freiheitsstrafe. Im Unterschied zum
Bezirksgericht Baden erachtete es die Voraussetzungen von Art. 64 Abs. 1bis
StGB als gegeben, weshalb es X.________ lebenslänglich verwahrte.

B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, die mit Obergerichtsurteil
vom 18. Oktober 2012 angeordnete lebenslängliche Verwahrung sei aufzuheben, und
er sei in Bestätigung des bezirksgerichtlichen Entscheids vom 29. Februar 2012
gestützt auf Art. 64 Abs. 1 StGB ordentlich zu verwahren. Eventualiter sei das
Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau betreffend die Anordnung der
lebenslänglichen Verwahrung aufzuheben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ ersucht überdies um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung.

C. 
Das Obergericht des Kantons Aargau verzichtet unter Hinweis auf die
Ausführungen im angefochtenen Urteil auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Die
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau schliesst in ihrer Vernehmlassung auf
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Schuldsprüche und Strafe sind unbestritten. Der Beschwerdeführer ficht nur
die Anordnung der lebenslänglichen Verwahrung an. Er macht in rechtlicher
Hinsicht einzig geltend, die Vorinstanz verletze Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB,
indem sie annehme, eine dauerhafte Nichttherapierbarkeit liege bereits vor,
wenn prognostisch ein Behandlungserfolg auf 20 Jahre hinaus auszuschliessen
sei. Richtigerweise sei von dieser Voraussetzung nur auszugehen, wenn ein Täter
bis ans Lebensende nicht therapierbar sei (Beschwerde, S. 5-10). Der
Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz zudem Willkür bei der Würdigung der
Sachverständigengutachten vor. Die Schlussfolgerung, seine Behandlung
verspreche über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren keinen Erfolg, lasse
sich nicht auf die Gutachten stützen. Die Sachverständigen schlössen seine
Therapierbarkeit lediglich für einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren aus
(Beschwerde, S. 10-18).

1.2. Die Vorinstanz hält die Voraussetzungen der lebenslänglichen Verwahrung
für erfüllt. Der Beschwerdeführer habe eine in Art. 64 Abs. 1bis StGB
aufgeführte Anlasstat verübt, die mit einer besonders schweren Beeinträchtigung
der physischen Integrität des Opfers im Sinne von Art. 64 Abs. 1bis lit. a StGB
verbunden sei. Seine hochgradige Rückfallgefährlichkeit gemäss Art. 64 Abs.
1bis lit. b StGB sei gutachterlich ausgewiesen. Die Vorinstanz bejaht weiter,
dass der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB dauerhaft
nicht therapierbar sei (Entscheid, S. 16 ff.). Dauerhafte Untherapierbarkeit
sei nicht nur gerade bei lebenslänglicher Untherapierbarkeit gegeben, sondern
liege schon bei Untherapierbarkeit während kürzeren Zeiträumen vor. Zu
berücksichtigen sei, dass die Mehrheit der forensischen Psychiater in der
Schweiz der Ansicht sei, dass Prognosen über sehr lange Zeiträume meist nicht
mit der notwendigen wissenschaftlichen Begründung abgegeben werden könnten,
wenn im Hinblick auf Art. 64 Abs. 1bis StGB festzustellen sei, der Täter sei
dauerhaft nicht therapierbar. Da von keinem Sachverständigen verlangt werden
könne, im Widerspruch zu fachlichen und wissenschaftlichen Standards zu
handeln, reiche für die Annahme einer dauerhaften Untherapierbarkeit aus, auf
einen Zeitraum abzustellen, für den der Sachverständige noch eine eindeutige
Prognose abgeben könne. Um den Anwendungsbereich der lebenslänglichen
Verwahrung auch für die nicht a priori absolut unbehandelbaren Störungen zu
öffnen, habe deshalb eine Untherapierbarkeit in der Grössenordnung des
Schwellenwerts von 20 Jahren als dauerhaft zu gelten, wobei bei jüngeren Tätern
der Schwellenwert eher noch tiefer anzusetzen sei. Prognostisch gingen die
Sachverständigengutachten davon aus, dass der Beschwerdeführer über einen
Zeitraum von mindestens 20 Jahren nicht mit Erfolg behandelt werden könne.
Damit liege eine dauerhafte Untherapierbarkeit im Sinne des Gesetzes vor. Der
Beschwerdeführer sei deshalb lebenslänglich zu verwahren (Entscheid, S. 22, S.
38).

2.

2.1. Am 8. Februar 2004 wurde die Volksinitiative "Lebenslange Verwahrung für
nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter" (sog.
Verwahrungsinitiative) von Volk und Ständen angenommen (vgl. Botschaft zur
Volksinitiative "Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem
gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter" vom 4. April 2001 [BBl 2001 3433
ff.]; Bundesbeschluss über die Volksinitiative "Lebenslange Verwahrung für
nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter vom 20.
Juni 2003 [BBl 2003 4434 ff.]; Bundesratsbeschluss über das Ergebnis der
Volksabstimmung vom 8. Februar 2004 vom 21. April 2004 [BBl 2004 2199]). Ziel
der Initiative war es, nicht therapierbare Gewalt- und Sexualstraftäter
lebenslang und ohne Überprüfungen und Vollzugslockerungen (namentlich
Hafturlaube) zu verwahren. Mit der Annahme der Verwahrungsinitiative wurde der
neue Art. 123a in die Bundesverfassung aufgenommen. Nach Art. 123a Abs. 1 BV
sind Sexual- oder Gewaltstraftäter, die in den für das Gerichtsurteil nötigen
Gutachten als "extrem gefährlich" und "nicht therapierbar" eingestuft werden,
bis ans Lebensende zu verwahren.

2.2. Art. 123a BV wurde im StGB konkretisiert (Botschaft zur Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches in der Fassung vom 13. Dezember 2002
[Umsetzung von Artikel 123a der Bundesverfassung über die lebenslängliche
Verwahrung extrem gefährlicher Straftäter] vom 23. November 2005 [BBl 2006 889
ff.]; Schweizerisches Strafgesetzbuch [Entwurf], BBl 2006 919 ff.). Nach Art.
64 Abs. 1bis StGB ordnet das Gericht eine lebenslängliche Verwahrung an, wenn
der Täter eine der im Katalog abschliessend aufgeführten Anlasstaten (u.a.
Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung,
sexuelle Nötigung) begangen hat und (a) er mit dem Verbrechen die physische,
psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer
beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, (b) bei ihm eine sehr hohe
Wahrscheinlichkeit besteht, dass er erneut eines dieser Verbrechen begeht und
(c) er als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft wird, weil die Behandlung
langfristig keinen Erfolg verspricht.

2.3. Der Beschwerdeführer ermordete AO.________ am 4. März 2009. Er beging
damit eine in Art. 64 Abs. 1bis StGB aufgeführte Anlasstat, die mit einer
besonders schweren Beeinträchtigung der physischen Integrität des Opfers im
Sinne von Art. 64 Abs. 1bis lit. a StGB einherging. Dass er gemäss Art. 64 Abs.
1bis lit. b StGB mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit rückfällig wird und erneut
eine qualifizierte Anlasstat verübte, ist gutachterlich erstellt. Es kann
diesbezüglich auf die Ausführungen der kantonalen Vorinstanzen verwiesen
werden, die sich auf die beiden psychiatrischen Sachverständigengutachten
stützen (vorinstanzlicher Entscheid, S. 15; erstinstanzlicher Entscheid, S. 41
f. und S. 45; kantonale Akten, Gutachten der Universitären Psychiatrischen
Kliniken Basel (UPK) vom 10. März 2011, S. 1036 ff, S. 1108 f.; Gutachten der
Psychiatrischen Dienste Thurgau, Spital Thurgau AG, vom 24. Juni 2011, S. 1111
ff., S. 1111.55). Die Anordnungsvoraussetzungen der lebenslänglichen Verwahrung
nach Art. 64 Abs. 1bis lit. a und b StGB liegen insoweit vor. Davon geht der
Beschwerdeführer selber ausdrücklich aus (Beschwerde, S. 6).
Streitig ist ausschliesslich, wie das in Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB genannte
Erfordernis der dauerhaften Nichttherapierbarkeit auszulegen ist. Zu prüfen
ist, ob eine Nichttherapierbarkeit bis an das Lebensende des Täters, also eine
"lebenslängliche" Nichttherapierbarkeit, gemeint ist oder ob darunter eine - im
Sinne der Vorinstanz - zwar langfristige, nicht jedoch für das ganze Leben
prognostizierte, sondern zeitlich limitierte Unbehandelbarkeit zu verstehen
ist.
Nicht Gegenstand des Verfahrens bilden das Verhältnis zwischen der ausgefällten
lebenslänglichen Freiheitsstrafe und der angeordneten lebenslänglichen
Verwahrung sowie die Frage der Vereinbarkeit dieser Massnahme mit der EMRK. Das
Bundesgericht hat sich hierzu mangels entsprechender Rügen nicht auszusprechen.

3.

3.1. Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst heraus auszulegen, das
heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden
Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode. Die
Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der
Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und
konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im
normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio
legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus
und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer
hierarchischen Ordnung zu unterstellen. Insbesondere bei jüngeren Gesetzen sind
auch die Gesetzesmaterialien zu beachten, wenn sie auf die streitige Frage eine
klare Antwort geben und dem Gericht damit weiterhelfen (BGE 138 III 694 E. 2.4;
137 IV 249 E. 3.2; 134 IV 297 E. 4.3.1; 131 I 74 E. 4.1).

3.2.

3.2.1. Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB setzt in der deutschen Fassung voraus,
dass der Täter als "dauerhaft nicht therapierbar" eingestuft wird, weil "die
Behandlung langfristig keinen Erfolg" verspricht. Der französischsprachige
Gesetzestext spricht von "...durablement non amendable, dans la mesure où la
thérapie semble, à longue échéance, vouée à l'échec". Die italienische Version
lautet "...durevolmente refrattario alla terapia, poiché il trattamento non ha
prospettive di successo a lungo termine". Gestützt auf den Wortlaut der
Bestimmung gehen somit sämtliche Sprachfassungen übereinstimmend von einer
"dauerhaften Nichttherapierbarkeit" und von "fehlenden Erfolgsaussichten bei
therapeutischen Bemühungen" aus. Damit ergibt sich schon aus dem Wortlaut von
Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB, dass mit "dauerhaft nicht therapierbar" ein
Zustand gemeint ist, der grundsätzlich unveränderlich ist und für immer
besteht, es also um eine chronische Untherapierbarkeit bzw. eine definitive
Therapieresistenz geht. Das wird durch die Wendung "weil eine Behandlung
langfristig keinen Erfolg verspricht" zusätzlich unterstrichen (im gleichen
Sinne Marianne Heer, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Band I, 3. Aufl., Basel
2013, Art. 64 Rz. 119 f.; SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, Strafrecht II, Strafen
und Massnahmen, 8. Aufl., 2007, S. 192; vgl. QUELOZ/ BROSSARD, in: Commentaire
romand, Code pénal I, 2009, Art. 64 Abs. 1bis Rz. 18 und 19, die von " 
quasi-chronique" sprechen; s.a. KILLIAS/ KUHN/DONGOIS/AEBI, Grundriss des
Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches, Bern 2009, S. 260 Rz.
1534). Für die vorinstanzliche Auslegung, wonach unter "dauerhaft nicht
therapierbar" lediglich eine langfristige Untherapierbarkeit zu verstehen ist,
deren Gehalt auslegungsweise näher zu bestimmen ist (Entscheid, S. 17), finden
sich im Wortlaut von Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB hingegen keine
Anhaltspunkte.

3.2.2. Dem historischen Auslegungsmoment kommt im vorliegenden Kontext erhöhter
Stellenwert zu, da die fragliche Gesetzesnorm erst mit Änderung vom 21.
Dezember 2007 in das StGB eingefügt wurde und am 1. August 2008 in Kraft trat.
Es ist einer objektiv-geltungszeitlichen Herangehensweise gleichzusetzen (vgl.
BGE 136 V 216 E. 5.3.1 S. 218 f.; 134 V 170 E. 4.1. S. 174 mit Hinweisen).
Diesbezüglich lässt sich dem Bericht der Arbeitsgruppe "Verwahrung" vom 15.
Juli 2004, welche vom damaligen Justizminister eingesetzt wurde, folgendes
entnehmen (S. 16) : "Die Formulierung "dauerhaft nicht therapierbar" soll
verdeutlichen, dass potenziell veränderbare Kriterien (wie etwa die fehlende
Motivation des Täters, ein fehlendes rationales Tatgeständnis, medikamentös
beeinflussbare Symptome oder die mangelnde Verfügbarkeit einer geeigneten
Einrichtung zu seiner Behandlung) keine Rolle spielen und nur strukturelle, eng
und dauerhaft mit der Persönlichkeit des Täters verbundene Kriterien massgebend
sind. [...] Die Wendung "langfristig keinen Erfolg verspricht" soll die
Nachhaltigkeit der Untherapierbarkeit unterstreichen. Man könnte auch von
chronischer Untherapierbarkeit sprechen. Dabei stellt die langfristige
Unbehandelbarkeit letztlich eine Wahrscheinlichkeitsrelation dar, bei der einem
ausserordentlich hohen Risiko für die erneute Begehung schwerster Straftaten
eine ausserordentlich geringe Wahrscheinlichkeit für risikomindernde
Veränderungen gegenüber steht. Es soll damit ein Personenkreis erfasst werden,
der dauerhaft höchste, nicht ausreichend verminderbare Risiken für die
öffentliche Sicherheit repräsentiert."
Die bundesrätliche Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches
in der Fassung vom 13. Dezember 2002 vom 23. November 2005 (BBl 2006 889 ff.,
903) übernahm die von der Arbeitsgruppe "Verwahrung" erarbeitete Umschreibung
des Begriffs der dauerhaften Nichttherapierbarkeit. Sie wurde in diesem Sinne
auch vom damaligen Justizminister in der parlamentarischen Diskussion
vertreten, welcher unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den bundesrätlichen
Gesetzesentwurf zu Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB ausgehend von der Formulierung
"dauerhaft nicht therapierbar" von "lebenslänglicher" Untherapierbarkeit sprach
bzw. von psychiatrischen Prognosen "auf lebenslängliche Sicht" und erläuterte,
dass der Zustand der Untherapierbarkeit "gewissermassen chronisch" sein müsse
(vgl. Amtliches Bulletin [AB] 05.081; AB 2006 Ständerat [S] S. 547, AB 2007
Nationalrat [N] S. 1195 und 1962). Vor diesem Hintergrund schloss der
Justizminister, dass "diese Initiative bzw. dieser Verfassungsartikel und diese
Gesetzesbestimmungen" vermutlich "nie oder höchst selten" angewendet würden,
denn es brauche ja Psychiater, welche eine "lebenslängliche Untherapierbarkeit"
voraussagen (vgl. namentlich AB 2006 S, a.a.O.). Die Debatten in den
Eidgenössischen Räten drehten sich in der Folge zu einem grossen Teil um die
Frage, ob sich "lebenslange Prognosen" stellen liessen bzw. ob es überhaupt
möglich sei, eine "lebenslängliche Untherapierbarkeit" festzustellen. 
Daraus erhellt, dass der Begriff "dauerhaft nicht therapierbar" gemäss Art. 64
Abs. 1bis lit. c StGB im Gesetzgebungsprozess durchwegs als nicht veränderbarer
Zustand im Sinne einer chronischen Unbehandelbarkeit auf Lebenszeit verstanden
wurde, und zwar im vollen Bewusstsein der Konsequenzen, dass die Bestimmung
deshalb vermutlich nie oder höchst selten Anwendung finden werde, da "niemand
eine lebenslängliche Nichttherapierbarkeit attestieren" könne bzw. sich kaum
Psychiater fänden, die solche Gutachten bzw. solche Prognosen stellten. Das
Erfordernis der Nichttherapierbarkeit wurde vereinzelt denn auch als Krux der
Bestimmung bezeichnet (vgl. AB 2007 N 1191). Die Gesetzesmaterialien stellen
klar und bestätigen uneingeschränkt, was sich schon aus dem Gesetzeswortlaut
von Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB ergibt.

3.2.3. Dieses Ergebnis wird durch eine verfassungskonforme Auslegung
untermauert. Art. 123a Abs. 1 BV spricht - wie im Übrigen die
Verwahrungsinitiative selber - von "nicht therapierbaren" Sexual- oder
Gewaltstraftätern (vgl. vorstehend E. 2.1.). Die Verfassungsbestimmung
beschlägt damit ebenfalls nur von vornherein dauerhaft unbehandelbare Täter (
HANS VEST, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008,
Art. 123a Rz. 24; MARC FORSTER, Lebenslange Verwahrung: zur
grundrechtskonformen Auslegung von Art. 123a BV, in AJP 4/2004 S. 418 ff.,
namentlich S. 420 und 422, wonach die Verfassungsbestimmung
forensisch-psychiatrische Gutachten voraussetze, die nachweisen könnten, dass
der Verurteilte [..] schlechterdings nicht therapierbar sei, und die
Verwahrungsinitiative von der sachwidrigen Fiktion ausgehe, es könnten
langfristige Hochgefährlichkeitsprognosen (bis auf das Lebensende hin) erstellt
werden; s.a. THOMAS HASLER, Massnahme ohne Mass? Die lebenslange Verwahrung aus
ethischer Perspektive, Diplomarbeit, Zürich 2005, S. 28 ff. S. 32, wonach die
Initiative das scheinbar Unmögliche verlange, indem der Gutachter klar erkennen
soll, "dass dieser Täter [..] untherapierbar ist."; s.a. JOSITSCH/BISCHOFF, Die
Verwahrungsinitiative - ein Pyrrhussieg? in: Jusletter vom 17. Januar 2005).
Damit gelangt man auch bei verfassungskonformer Auslegung zum Schluss, dass mit
"nicht therapierbar" bzw. "dauerhaft nicht therapierbar" ein mit der
Persönlichkeit des Täters verbundener, nicht veränderbarer Zustand im Sinne
einer definitiven Therapieresistenz auf Lebenszeit gemeint ist.

3.2.4. In Bezug auf den Sinn und Zweck der Gesetzesbestimmung, das
teleologische Element des Auslegungsprozesses, kann weitgehend auf das Gesagte
verwiesen werden. Für die systematische Auslegung bleibt folgendes anzufügen:
Das StGB unterschied vor der Revision des allgemeinen Teils des
Strafgesetzbuches die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern (Art. 42 aStGB) und
die Verwahrung geistig abnormer Täter (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB). Die
Behandelbarkeit solcher Täter stand einer Verwahrung nach altem Recht nicht
entgegen (BGE 127 IV 1 E. 2a; 125 IV 118 E. 5b/bb; 121 IV 297 E. 2b; 118 IV 108
E. 2a, je mit Hinweisen). Der Reformgesetzgeber schaffte die Verwahrung von
Gewohnheitsverbrechern in Art. 64 Abs. 1 StGB zugunsten einer einheitlichen
Verwahrung für schwere Sexual- und Gewaltverbrechen ab. Neben dieser
ordentlichen Verwahrung ist - infolge der Verwahrungsinitiative - zusätzlich
die lebenslängliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1bis StGB) ins Strafgesetz
aufgenommen worden. Ihre Anordnungsvoraussetzungen sind in Art. 64 Abs. 1 und
1bis StGB festgehalten. Die verwahrenden Massnahmen sind im Verhältnis zu den
therapeutischen Massnahmen angesichts der Schwere des Eingriffs in die
persönliche Freiheit des Betroffenen subsidiär. Sie dürfen nicht angeordnet
werden, wenn die bestehende Gefährlichkeit auf andere Weise behoben werden kann
(zur ordentlichen Verwahrung als "ultima ratio" vgl. BGE 134 IV 121 E. 3.4.3;
134 IV 315 E. 3.2; 137 IV 59 E. 6.3; 137 II 233 E. 5.2.1). Die
Anwendungsbereiche der ordentlichen und der lebenslänglichen Verwahrung ergeben
sich aus der Gesetzessystematik bzw. aus ihrer Stufenordnung im StGB.
Die ordentliche Verwahrung nach Art. 64 StGB setzt Behandlungsunfähigkeit bzw.
Unbehandelbarkeit des gefährlichen psychisch gestörten Täters voraus (siehe
etwa HEER, a.a.O., Vor Art. 56 Rz. 22 f.; Art. 56 Rz. 3 sowie Art. 64 Rz. 86
f.; VEST, a.a.O., Art. 123a Rz. 9; SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, a.a.O., S. 160
ff., 189 f., STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II,
Strafen und Massnahmen, 2. Aufl., 2006, § 9 N. 23, § 12 N. 13). Das folgt auch
aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 59 StGB (BGE 134 IV 315 E.
3.4 und 3.5). Danach hat das Gericht eine stationäre therapeutische Massnahme
anzuordnen, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch eine
solche Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr weiterer Straftaten
im Sinne von Art. 64 StGB deutlich verringert werden kann. Sind nach fünf
Jahren die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung noch nicht gegeben, ist
jedoch zu erwarten, dass sich die vom Täter ausgehende Gefahr durch die
Fortführung der Behandlung weiter reduzieren lässt, kann die Massnahme - wenn
nötig mehrfach - um jeweils höchstens fünf Jahre verlängert werden (Art. 59
Abs. 4 StGB; BGE 134 IV 315 E. 3.4.1 und 3.4.2; HEER, a.a.O., Art. 64 Rz. 82
und 94; ULRICH WEDER, Die kleine Verwahrung [Art. 59 Abs. 3 StGB] im Vergleich
mit der Verwahrung gemäss Art. 64 StGB, in ZSR 130/2011, S. 577 ff.; S. 584).
Daraus erhellt, dass auch Straftäter, bei welchen erst längerfristig ein
Behandlungserfolg zu erreichen ist, im Sinne des Gesetzes als therapierbar
gelten. Die ordentliche Verwahrung kann folglich nur angeordnet werden, wenn
eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB keinen Erfolg verspricht, d.h. wenn
eine langfristige Nichttherapierbarkeit im Urteilszeitpunkt ausgewiesen ist.
Die lebenslängliche Verwahrung setzt ebenfalls Behandlungsunfähigkeit des zu
verwahrenden Täters voraus (Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB). Sie verlangt
ausdrücklich, dass der Täter "dauerhaft nicht therapierbar" ist. Dieses
Erfordernis ist nicht nur mit Blick auf eine Massnahme nach Art. 59 StGB zu
prüfen, sondern vielmehr und gerade auch mit Blick auf die ordentliche
Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB. Bei der lebenslänglichen Verwahrung
handelt es sich im Vergleich zur ordentlichen Verwahrung um die deutlich
eingriffsintensivere Sicherungsmassnahme zum Schutz der Allgemeinheit. Ihr soll
(nur) ein Personenkreis unterworfen werden, der dauerhaft höchste, nicht
ausreichend verminderbare Risiken für die öffentliche Sicherheit repräsentiert
(vorstehend E. 2.2; TRECHSEL, a.a.O., Art. 64 Rz. 16; HEER, a.a.O., Art. 64 Rz.
112). Aufgrund ihrer ausserordentlichen Eingriffsintensität sind entsprechend
hohe Anforderungen an ihre Voraussetzungen zu stellen. Im Hinblick auf die
Behandlungsunfähigkeit im Sinne von Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB ist nicht
(nur) eine langfristige Nichttherapierbarkeit erforderlich, wie sie bereits die
ordentliche Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 StGB voraussetzt, sondern eine
solche, die dauerhaft ist, d.h. für immer unveränderlich besteht.
Unter dem Gesichtspunkt der systematischen Auslegung resultieren keine von den
bisherigen Schlussfolgerungen abweichenden Erkenntnisse.

3.3. Zusammenfassend ergibt sich, dass unter der dauerhaften
Nichttherapierbarkeit nach Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB ein mit der Person des
Täters verbundener, unveränderbarer Zustand auf Lebzeiten zu verstehen ist. Die
Auffassung der Vorinstanz, bei einer Dauer von 20 Jahren sei die
Unbehandelbarkeit eine dauerhafte, ist abzulehnen. Eine zeitliche Befristung
findet weder im Wortlaut noch im Sinn und Zweck des Gesetzes und in den
Gesetzesmaterialien eine Grundlage (vorstehend E. 3.2; so auch HEER, a.a.O.,
Art. 64 Ziff. 121; TRECHSEL, Nr. 16 Bezirksgericht Weinfelden, Urteil vom 7.
Oktober 2010, in forumpoenale 2/2012, S. 138 ff., S. 144; HANS WIPRÄCHTIGER,
Nr. 13 Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, Entscheid vom 18.
Oktober 2012, in forumpoenale 2/2013, S. 75 ff., S. 83). Sie kann sich auch
nicht auf die forensisch-psychiatrische Literatur stützen ( HEER, a.a.O., s.a.
RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, Strafprozessrecht: unter Einschluss der forensischen
Psychiatrie und Rechtsmedizin sowie des kriminaltechnischen und
naturwissenschaftlichen Gutachtens, Zürich 2011, § 22 Rz. 1710; GRAF/DITTMANN,
Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und
Gewalttäter, in: Synapse 5/2005, S. 1 ff., S. 2; DITTMANN/EBNER/KURT/
STEINER-KÖNIG, Verwahrung gefährlicher Straftäter: Kluft zwischen politischen
Forderungen und medizinisch-wissenschaftlicher Machbarkeit, in SKZ 2/2005, S.
71 ff., S. 71).

3.4. Die Vorinstanz stellt im angefochtenen Entscheid (S. 34 unten)
ausdrücklich fest, nach übereinstimmender Beurteilung beider Sachverständigen
könne beim Beschuldigten keine lebenslängliche Untherapierbarkeit als
ausgewiesen betrachtet werden. Weil Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB indessen
voraussetzt, dass der Täter dauerhaft, also "Zeit seines Lebens", nicht
therapierbar ist, verletzt die Anordnung der lebenslänglichen Verwahrung
Bundesrecht. Sie ist aufzuheben. Auf die Rüge des Beschwerdeführers, die
Vorinstanz habe die Sachverständigengutachten willkürlich gewürdigt, braucht
nicht eingegangen zu werden.

4. 
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben,
soweit darin eine lebenslängliche Verwahrung angeordnet wird. Die Vorinstanz
wird zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen einer ordentlichen Verwahrung
erfüllt sind und ob diese Massnahme entsprechend dem Antrag des
Beschwerdeführers, der rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe
verurteilt wurde, anzuordnen ist.
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Das Gesuch des
Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos. Der
Kanton Aargau hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Soweit über den Beschwerdeführer die
lebenslängliche Verwahrung angeordnet wurde, wird der Entscheid des
Obergerichts des Kantons Aargau vom 18. Oktober 2012 aufgehoben. Die Sache wird
zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Der Kanton Aargau hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, sowie AA.________, AB.________, AC.________ und
AD.________ schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. November 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

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