Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.866/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_866/2013

Urteil vom 28. November 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Sylvain M. Dreifuss,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Anklageprinzip (Übertretung kantonaler Strafbestimmungen),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 13. Juni 2013.

Sachverhalt:

A.

 In der Nacht vom 11. auf den 12. September 2010 rückte die Polizei zweimal
wegen Lärm vor der Bar Y.________ in Zürich aus. Gegen 23.20 Uhr sprach sie
gegenüber X.________ eine Verwarnung aufgrund von lärmenden Gästen aus. Dieser
war für den Betrieb der Bar an diesem Abend zuständig. Um 01.03 Uhr führte die
Polizei einen zweiten Kontrollgang durch und verzeigte X.________ an das
Stadtrichteramt Zürich.

B.

 Das Stadtrichteramt Zürich verurteilte X.________ am 2. Dezember 2010 wegen
Nichtaufrechterhaltens von Ordnung und guter Sitte zu einer Busse von Fr.
100.--.

C.

 Auf Einsprache hin erklärte das Bezirksgericht Zürich X.________ am 19.
Dezember 2012 der Übertretung der Lärmschutzverordnung der Stadt Zürich sowie
des kantonalen Gastgewerbegesetzes schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Busse
von Fr. 100.--. Eine dagegen gerichtete Berufung wies das Obergericht des
Kantons Zürich am 13. Juni 2013 ab.

D.

 Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich aufzuheben und ihn von Schuld und Strafe
freizusprechen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

 Dem Beschwerdeführer wird ausschliesslich die Verletzung von kantonalem Recht
vorgeworfen. Die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO)
regelt lediglich die Verfolgung und Beurteilung von Straftaten nach Bundesrecht
(Art. 1 Abs. 1 StPO). § 2 des zürcherischen Gesetzes über die Gerichts- und
Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess vom 10. Mai 2010 (GOG/ZH, LS
211.1) erklärt die StPO unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen auch auf das
Strafrecht des Kantons anwendbar. In diesem Fall stellt die Schweizerische
Strafprozessordnung ergänzendes kantonales Recht dar, dessen Anwendung das
Bundesgericht lediglich unter dem beschränkten Blickwinkel der Willkür oder
anderer verfassungsmässiger Rechte prüft (Urteile 4A_329/2012 vom 4. Dezember
2012 E. 2.1; 4A_679/2010 vom 11. April 2011 E. 3; je mit Hinweisen; Hauser/
Schweri/Lieber, GOG-Kommentar [...], 2012, S. 17).

2.

 Dem Beschwerdeführer wird in der Bussverfügung vorgeworfen, am 11. September
2010 um 23.20 Uhr Nachtruhestörungen durch lärmende Gäste vor der Bar
Y.________ in Zürich nicht verhindert zu haben.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, ihm sei anlässlich der
ersten polizeilichen Intervention (11. September 2010, 23.20 Uhr) angekündigt
worden, dass beim nächsten Verstoss eine Verzeigung erfolgen würde. Nur die
anlässlich der zweiten Kontrolle (12. September 2010, 01.03 Uhr) vorgefundene
Lärmsituation habe zur Verzeigung geführt. Die Verfügung des Stadtrichteramtes
gebe aber als Tatzeitpunkt den 11. September 2010 um 23.20 Uhr an, womit seine
Verurteilung das Anklageprinzip verletze.

2.2. Die Vorinstanz erwägt, es habe sich um einen einzigen Sachverhalt
gehandelt, welcher mit dem Anruf einer Nachbarin bei der Polizei um 23.22 Uhr
begonnen und mit der Verzeigung des Beschwerdeführers um 01.03 Uhr geendet
habe. Der in der Anklageschrift erwähnte Tatzeitpunkt (23.20 Uhr) entspreche
daher dem Beginn des zu beurteilenden Sachverhalts. Allen Beteiligten sei klar
gewesen, dass die Polizei am fraglichen Abend zweimal habe ausrücken müssen
sowie einmal lediglich eine Verwarnung ausgesprochen worden und danach eine
Verzeigung erfolgt sei. Somit könne nicht von einer zeitlichen Unbestimmtheit
des Anklagesachverhaltes gesprochen werden, die eine wirksame Verteidigung
verunmöglichen würde. Die umfangreichen Rechtsschriften des Verteidigers des
Beschwerdeführers würden zeigen, dass der Anklagevorwurf klar sei und der
Beschwerdeführer sich entsprechend habe verteidigen können. Das Anklageprinzip
sei nicht verletzt.

2.3. Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 und
Ziff. 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten und in Art. 9 StPO kodifizierten
Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des
Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Die Anklage hat die der beschuldigten
Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu
umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend
konkretisiert sind. Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen
Sachverhalt gebunden, nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die
Anklagebehörde. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der
Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf
rechtliches Gehör (Informationsfunktion; Urteil 6B_130/2012 vom 22. Oktober
2012 E. 6.2; BGE 133 IV 235 E. 6.2 f.; je mit Hinweisen). Entscheidend ist,
dass der Angeklagte genau weiss, was ihm konkret vorgeworfen wird. Kleinere
Ungenauigkeiten in den Orts- und Zeitangaben führen nicht zur Unbeachtlichkeit
der Anklage (Urteil 6B_457/2012 vom 6. Mai 2013 E. 2.2 mit Hinweisen).

2.4. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, war dem Beschwerdeführer klar, dass
in der Nacht vom 11. auf den 12. September 2010 die Polizei zweimal wegen Lärm
vor der Bar Y.________ ausrücken musste und erst beim zweiten Mal eine
Verzeigung an das Stadtrichteramt erfolgte. Der Beschwerdeführer wusste somit
genau, was ihm vorgeworfen wurde. Die erste Polizeikontrolle erfolgte weniger
als zwei Stunden vor dem zweiten, zur Verzeigung führenden Einsatz. Indem die
als Anklageschrift dienende Verfügung des Stadtrichteramtes den ersten Einsatz
als Tatzeit nennt, handelt es sich um eine geringfügige Ungenauigkeit in der
Zeitangabe. Diese führt nicht zur Unbeachtlichkeit der Anklage. Der
Anklagegrundsatz wurde nicht verletzt.

3.

 Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei stossend, unüblich und unangemessen,
dass die Kosten der Vorinstanz höher seien als die der Erstinstanz. Dies weise
einen pönalen Effekt wegen der Ergreifung der Berufung auf und sei daher zu
korrigieren. Der Beschwerdeführer rügt nicht ausdrücklich die Verletzung von
Grundrechten, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

4.

 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im Berufungsverfahren nicht den
Sachverhalt, wie ihn die Erstinstanz festgestellt habe, bestreiten müssen.
Indem die Vorinstanz das Gegenteil verlange, handle sie überspitzt
formalistisch.
Die Vorinstanz verweist in ihrem Urteil auf die Sachverhaltsfeststellung und
auf die rechtliche Würdigung des Bezirksgerichts. Diese seien zutreffend und
vom Beschwerdeführer nicht gerügt worden (Entscheid, S. 7 f.). Die Vorinstanz
durfte auf unbestrittene Erwägungen der Erstinstanz verweisen (vgl. Art. 82
Abs. 4 StPO).

5.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. November 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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