Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.722/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_722/2013

Urteil vom 14. Januar 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Yetkin Geçer,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28,
4502 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vergehen gegen das Waffengesetz,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Strafkammer, vom 27. Mai 2013.

Sachverhalt:

A. 
X.________ wird vorgeworfen, als türkischer Staatsangehöriger ohne Berechtigung
eine Waffe (Imitationswaffe Ruger P85) ab 1. Dezember 2010 bis 18. April 2011
besessen und am 18. April 2011 auf sich getragen zu haben.

B. 
Nach Einsprache gegen den Strafbefehl erklärte das Gerichtspräsidium
Solothurn-Lebern X.________ am 20. November 2012 des Vergehens gegen das
Waffengesetz schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren
Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.--. Die Waffe wurde eingezogen. Auf
Berufung von X.________ bestätigte das Obergericht des Kantons Solothurn am 27.
Mai 2013 das erstinstanzliche Urteil.

C. 
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen und die
Waffe sei an ihn herauszugeben.

Erwägungen:

1. 
Nach Art. 7 Abs. 1 des Waffengesetzes (WG; SR 514.54) kann der Bundesrat den
Erwerb, den Besitz, das Anbieten, das Vermitteln und die Übertragung sowie das
Tragen von und das Schiessen mit Waffen durch Angehörige bestimmter Staaten
verbieten, wenn entweder eine erhebliche Gefahr der missbräuchlichen Verwendung
besteht (lit. a) oder um Beschlüssen der internationalen Gemeinschaft oder den
Grundsätzen der schweizerischen Aussenpolitik Rechnung zu tragen (lit. b).
Gestützt auf diese Delegationsnorm untersagt Art. 12 Abs. 1 der
Waffenverordnung (WV; SR 514.541) u.a. den Besitz und das Tragen von Waffen
durch Angehörige folgender Staaten: Serbien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina,
Kosovo, Montenegro, Mazedonien, Türkei, Sri Lanka, Algerien und Albanien. Wer
vorsätzlich ohne Berechtigung Waffen u.a. besitzt oder trägt, wird nach Art. 33
Abs. 1 lit a. WG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe
bestraft. Handelt der Täter fahrlässig, ist die Strafe Busse. In leichten
Fällen kann von einer Bestrafung abgesehen werden (Art. 33 Abs. 2 WG).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass das gegenüber den Staatsangehörigen
der Türkei geltende Verbot des Waffenbesitzes und die darauf gestützte
Bestrafung dem Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung und der Europäischen
Menschenrechtskonvention widerspreche. Die in Art. 12 WV aufgeführte Liste von
Angehörigen einzelner Staaten, denen der Besitz von Waffen verboten ist, sei
willkürlich. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb kroatische oder türkische
Staatsangehörige die Neutralität der Schweiz gefährden könnten und andere,
bedeutend instabilere Regionen wie Somalia, Afghanistan, Irak oder auch Syrien
von der Liste nicht erfasst werden.

2.2. Das Obergericht des Kantons Solothurn gelangt zum Schluss, dass der
Bundesrat mit dem Einbezug türkischer Staatsangehöriger in Art. 12 WV die ihm
vom Gesetzgeber delegierten Kompetenzen nicht überschritten hat. Mit dem für
Angehörige einzelner Staaten geltenden Verbot sei zwar "eine gewisse
Diskriminierung" verbunden; diese Ungleichbehandlung sei aber vom Gesetzgeber
gewollt. Der Entscheid, welchen Staatsangehörigen der Umgang mit Waffen
untersagt ist, sei nach politischen Kriterien vorzunehmen und obliege den
politischen Instanzen. Für die Gerichte sei Art. 12 WV deshalb verbindlich.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass Art. 7 WG, welcher dem
Bundesrat die Kompetenz einräumt, u.a. den Besitz und das Tragen von Waffen
durch Angehörige bestimmter Staaten zu verbieten, übergeordnetem Recht
widerspricht. Seine Beschwerde richtet sich allein gegen die Konkretisierung
des Verbots in der bundesrätlichen Verordnung. Er macht damit sinngemäss
geltend, Art. 12 WV sei gesetzeswidrig.

3.2. Nach der Rechtsprechung kann das Bundesgericht Verordnungen des
Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen
abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei unselbstständigen
Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, geht es in
erster Linie darum zu beurteilen, ob sie sich im Rahmen der Delegationsnorm
halten. Besteht ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf
Verordnungsebene, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die
umstrittenen Vorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der im Gesetz
delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder
gesetzeswidrig sind (vgl. Art. 190 BV). Es kann sein eigenes Ermessen nicht an
die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, und es hat auch nicht die
Zweckmässigkeit zu untersuchen (BGE 131 V 9 E. 3.4.1 S. 14; 131 II 562 E. 3.2
S. 566, 735 E. 4.1 S. 740; je mit Hinweisen). Die vom Bundesrat verordnete
Regelung verstösst allerdings gegen das Willkürverbot oder das Gebot der
rechtsgleichen Behandlung (Art. 9 und Art. 8 Abs. 1 BV), wenn sie sich nicht
auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn
sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund
nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt,
Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden
sollen (BGE 131 II 162 E. 2.3 S. 166 f., 271 E. 4 S. 275 f.; 131 V 263 E. 5.1
S. 266; 130 V 472 E. 6.1 S. 473 f.; 130 I 26 E. 2.2.1 S. 32; 129 II 160 E. 2.3
S. 164 f.; 129 V 267 E. 4.1.1 S. 271, 327 E. 4.1 S. 329 f.; je mit Hinweisen;
vgl. auch BGE 130 V 39 E. 4.3 S. 45 ff.).

3.3. Im Bereich der äusseren und inneren Sicherheit verfügt der Bundesrat über
einen sehr weiten Ermessensbereich. Dies gilt nicht nur für die von ihm
unmittelbar gestützt auf Art. 185 BV erlassenen Verordnungen und Verfügungen,
sondern auch beim Erlass von Ausführungsbestimmungen im Rahmen der
Gesetzesdelegation. Damit beschränkt sich das Bundesgericht auf die Prüfung, ob
die umstrittenen Vorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der im Gesetz
delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder
gesetzeswidrig sind.

3.4. Wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) in seinen
Erläuterungen zur Teilrevision der Waffenverordnung vom Juli 2013 festhält, hat
die Aufnahme eines Staates in die Länderliste zum Ziel, dass einerseits im
Ausland stattfindende Konflikte nicht zusätzlich durch in der Schweiz erworbene
Waffen unterstützt werden und andererseits der Gefahr gewalttätiger
Auseinandersetzung von Angehörigen verschiedener Konfliktparteien in der
Schweiz entgegengewirkt wird. Konkret zur Türkei wird ausgeführt, dass nach wie
vor der bewaffnete Konflikt mit der PKK schwelt und sich die Spannungen
zwischen kurdischen Aktivisten und dem türkischen Staat nicht wesentlich
entschärft haben. Es bestehe weiterhin die Gefahr, dass punktuelle,
gewalttätige Aktionen durchgeführt werden und die Gewaltbereitschaft jederzeit
auch innerhalb der türkischen Diasporagemeinden in Europa wieder ansteigen
könnte. Das EJPD sieht deshalb vor, die Türkei auch nach der Teilrevision der
Waffenverordnung in der Länderliste zu belassen.

Die vom EJPD angeführten Überlegungen beruhen auf sachlichen Gründen und sind
ohne Weiteres nachvollziehbar. Die umstrittene Vorschrift bewegt sich im Rahmen
der vom Gesetzgeber an den Bundesrat delegierten Kompetenzen. Der blosse
Umstand, dass auch eine andere Lösung denkbar gewesen wäre, macht die
Verordnungsregelung noch nicht gesetzeswidrig.

3.5. Die Aufnahme eines Staates in die Länderliste führt auch nicht zu einer
nach Art. 8 Abs. 2 BV unzulässigen Diskriminierung. Eine rechtliche
Unterscheidung aufgrund einer Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als solche
stellt kein verpöntes Merkmal im Sinne des Diskriminierungsverbots dar (Walter
Kälin, Grundrechte im Kulturkonflikt, 2000, S. 102; vgl. auch Müller/Schefer,
Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 713 f.). So sieht auch das
Internationale Übereinkommen vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung jeder Form
von Rassendiskriminierung (SR 0.104) in Art. 1 Abs. 2 vor, dass
"Unterscheidungen, Ausschliessungen, Beschränkungen oder Bevorzugungen, die ein
Vertragsstaat zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen vornimmt", nicht
unter das Verbot der Rassendiskriminierung fallen, zumindest solange die
Grenzziehung nicht aufgrund eines verpönten Merkmals erfolgt (vgl. auch das
Urteil des liechtensteinischen Verfassungsgerichtshofes vom 15. Mai 2012, StGH
2011/203).

Eine Regelung, die an die Staatsangehörigkeit anknüpft, ist am allgemeinen
Gleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) zu messen. Die rechtliche Unterscheidung,
mit welcher die Waffenverordnung den Besitz und das Tragen von Waffen
Angehörigen einzelner ausländischer Staaten verbietet, muss sich auf ernsthafte
Gründe stützen. Wie sich den Erläuterungen zur vorgesehenen Teilrevision der
Waffenverordnung entnehmen lässt, schwelt in der Türkei nach wie vor der
bewaffnete Konflikt mit der PKK (vgl. E. 3.4 vorstehend). Die Aufnahme der
Türkei in die Länderliste der Waffenverordnung beruht damit auf sachlichen
Erwägungen, die eine Ungleichbehandlung mit Angehörigen anderer Staaten
rechtfertigen.

4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Januar 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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