Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.6/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_6/2013

Urteil vom 23. August 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Beda Meyer Löhrer,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Postfach 2251, 8026 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Drohung, mehrfacher Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen; Willkür, rechtliches
Gehör etc.,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 8. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
Die Eheleute X.B.________ und X.A.________ lösten im April 2011 den gemeinsamen
Haushalt auf. Mit eheschutzrichterlicher Verfügung vom 2. November 2011 wurde
X.A.________ verboten, die Wohnung seiner Ehefrau zu betreten und mit ihr
Kontakt aufzunehmen. Ihm wird vorgeworfen, X.B.________ am 29. November 2011
auf dem Heimweg von ihrer Arbeit abgepasst zu haben. Er habe sich beim
Hauptbahnhof in Zürich im Tram in ihre unmittelbare Nähe gesetzt und habe auf
sie eingeredet. Als beide bei der Haltestelle "A.________" ausstiegen, sei er
ihr bis vor die Wohnung gefolgt. Vor der Haustüre habe er sie mit dem Tode
bedroht. X.A.________ wird zudem zur Last gelegt, bereits am 22. November 2011
X.B.________ abgepasst, angesprochen und sich dadurch über die Anordnung des
Eheschutzrichters hinweggesetzt zu haben.

B.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.A.________ am 8. Oktober 2012
zweitinstanzlich der Drohung sowie des mehrfachen Ungehorsams gegen amtliche
Verfügungen. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen
zu Fr. 15.-- bei einer Probezeit von vier Jahren und unter Anrechnung der
Untersuchungshaft von 57 Tagen. Zudem auferlegte es ihm eine Busse von Fr.
800.--. Schliesslich widerrief das Obergericht den bedingten Vollzug einer
Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.-- aus dem Jahre 2010.

C.
X.A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt im Wesentlichen, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben, und er sei von
Schuld und Strafe freizusprechen. Für die unbegründete Haft von 57 Tagen sei er
mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen. Eventualiter sei die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung
der amtlichen Verteidigung.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Beweiswürdigung
(Art. 9 BV) sowie unter Hinweis auf Art. 10 Abs. 3 StPO die Verletzung der
Unschuldsvermutung vor (Beschwerde S. 3 ff.).

1.1. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs.
1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 S.
234 mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51; 136
III 552 E. 4.2 S. 560; je mit Hinweisen).

Inwiefern das Sachgericht den Grundsatz "in dubio pro reo" als
Beweiswürdigungsregel verletzt hat, prüft das Bundesgericht ebenfalls unter dem
Gesichtspunkt der Willkür. Diese aus der Unschuldsvermutung abgeleitete Maxime
wurde wiederholt dargelegt, worauf zu verweisen ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41
mit Hinweisen).

Wird die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der willkürlichen
Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung)
gerügt, gelten qualifizierte Anforderungen an die Begründung. Eine solche Rüge
prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur, wenn sie in der
Beschwerde vorgebracht und substanziiert begründet worden ist. Das bedeutet,
dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids
darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen
(Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; 136
I 65 E. 1.3.1 S. 68; je mit Hinweisen).

1.2. Unbestritten ist, dass X.B.________ (nachfolgend: Geschädigte) am 22. und
29. November 2011 auf dem Nachhauseweg im Tram den Beschwerdeführer antraf.
Dieser will seiner Ehefrau zufällig begegnet sein und sie weder angesprochen
noch mit dem Tode bedroht haben.

Die Vorinstanz verweist einleitend auf die erstinstanzlich korrekt
wiedergegebenen Aussagen der Eheleute. Sie setzt sich in der Folge mit
verschiedenen Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Schilderungen der
Geschädigten auseinander. So zeigt sie auf, dass deren Aussagen gegenüber der
Polizei und der Staatsanwaltschaft (welche auf Kroatisch erfolgten und
übersetzt wurden) bezüglich der Drohung und der Situation vor dem Wohnhaus nur
marginal abweichen, im Kerngehalt übereinstimmen sowie stimmig und ohne
Strukturbrüche sind. Die Vorinstanz gelangt zur Überzeugung, dass die Aussagen
der Geschädigten glaubhaft sind, selbst wenn die von ihr behaupteten
Fotoaufnahmen vom 29. November 2011 nicht vorliegen. Weiter zeigt die
Vorinstanz, teilweise unter Hinweis auf die erstinstanzlichen Erwägungen,
mehrere Widersprüche in den Schilderungen des Beschwerdeführers auf (so etwa
zur Frage, wo genau er am 29. November 2011 im Tram gesessen habe, oder zur
Behauptung, er habe nach dem Aussteigen aus dem Tram lediglich ein ihm
bekanntes Café aufsuchen wollen, dessen Namen wie auch den Namen des Chefs er
nicht nennen konnte). Weiter setzt sich die Vorinstanz mit zusätzlichen
Argumenten auseinander, welche der Beschwerdeführer erstmals im
Berufungsverfahren vorbrachte. In diesem Zusammenhang zeigt sie beispielsweise
auf, dass die Geschädigte die am 22. November 2011 gemachten Fotografien nicht
(wie vom Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren noch behauptet) als Aufnahmen
vom 29. November 2011 ausgab. Der erstinstanzlichen Beweiswürdigung, wonach die
glaubhaften Aussagen der Geschädigten durch die widersprüchlichen und nicht
überzeugenden Schilderungen des Beschwerdeführers nicht ernsthaft in Zweifel
gezogen werden, schliesst sich die Vorinstanz vollumfänglich an (Entscheid S. 6
ff.).

1.3.

1.3.1. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die Geschädigte habe
ausgesagt, ihn während der Tramfahrt vom 29. November 2011 mit der Kamera ihres
Mobiltelefons fotografiert zu haben. Jedoch seien von jenem Vorfall (im
Gegensatz zur Begegnung vom 22. November 2011) keine Fotos vorhanden. Hätte die
Geschädigte tatsächlich Fotoaufnahmen gemacht, müssten diese im Mobiltelefon
vorhanden sein. Seine Ehefrau habe zu Protokoll gegeben, die Bilder nicht
gespeichert zu haben. Diese Darstellung stehe im Widerspruch zu den Angaben im
Benutzerhandbuch des Geräts, wonach Aufnahmen automatisch gespeichert würden.
Aufgrund dieses Widerspruchs erschienen ihre Aussagen insgesamt als unglaubhaft
(Beschwerde S. 4 ff.). Diese Ausführungen dringen nicht durch und vermögen die
vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht zu erschüttern. Es leuchtet mit dem
Beschwerdeführer ein, dass die Geschädigte die fraglichen Bilder am 29.
November 2011 (wie bereits am 22. November 2011) zu Beweiszwecken aufnahm.
Folgt man der Argumentation des Beschwerdeführers, so machte die Geschädigte am
29. November 2011 keine Fotos und gab ungeachtet dessen wahrheitswidrig an,
über entsprechendes Beweismaterial zu verfügen. Dies ist nicht ohne Weiteres
nachvollziehbar. Es liegt auf der Hand, dass die Untersuchungsbehörde einem
entsprechenden Hinweis nachgehen und den Speicher des Mobiltelefons sichten
würde. Mithin ist nicht anzunehmen, die Geschädigte offerierte Beweismittel im
Wissen darum, dass diese nicht existierten. Darauf muss nicht näher eingegangen
werden. Die Argumentation vermag aus mehreren Gründen keine Willkür in der
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung darzutun. Der Beschwerdeführer
beschränkt sich darauf, einen nach seinem Dafürhalten vorhandenen Widerspruch
in den Aussagen der Geschädigten hervorzuheben. Gestützt darauf und indem er
die vorinstanzliche Beweiswürdigung im Ergebnis ausklammert, gelangt er zum
Schluss, dass die Aussagen der Geschädigten insgesamt als unglaubhaft zu
qualifizieren sind. Selbst wenn sich die Angaben der Geschädigten nicht mit den
technischen Erklärungen des Geräteherstellers vereinbaren liessen, hätte der
Beschwerdeführer substanziiert aufzeigen müssen, inwiefern die vorhandenen
Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufgedrängt hätten und die
Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht nur im Hinblick auf die einzelnen Beweise
(respektive die einzelne Aussage der Geschädigten zur unterlassenen
Speicherung), sondern auch im Ergebnis offensichtlich unhaltbar sei. Darüber
hinaus schätzt die erste Instanz, auf deren Erwägungen die Vorinstanz verweist,
die Schilderungen der Geschädigten betreffend die Fotoaufnahmen (und nicht nur
betreffend die unbestrittene gemeinsame Fahrt) als glaubhaft ein. Sie stellt
willkürfrei fest, dass sich die Geschädigte am 29. November 2011 in einer
ausserordentlichen Stresssituation befand. Es sei, so die erste Instanz,
durchaus nachvollziehbar, dass die Geschädigte die mit dem Mobiltelefon
gemachten Aufnahmen  versehentlich gelöscht bzw. nicht gespeichert habe. Selbst
wenn das benutzte Gerät die Aufnahmen automatisch speichert, ist die
Feststellung, die Geschädigte habe die Bilder vor Aufregung versehentlich
gelöscht, nicht offensichtlich unhaltbar.

Was der Beschwerdeführer betreffend die von der Vorinstanz aufgezeigten
Widersprüche in seinen Aussagen vorbringt, überzeugt nicht und geht nicht über
eine appellatorische Kritik hinaus. Damit legt er einzig dar, wie seine
Sachverhaltsschilderungen nach eigenem Dafürhalten richtigerweise zu würdigen
gewesen wären. Es ist zweifelsohne nicht offensichtlich unhaltbar, seine
Antwort auf die Frage, weshalb er die Geschädigte auf deren Gynäkologen
angesprochen habe, als ausweichend sowie unklar und damit als Lügensignal zu
qualifizieren. Die im angefochtenen Entscheid aufgezeigten Widersprüche
betreffen zu einem wesentlichen Umfang die polizeiliche und die
staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen sowie die Befragung vor der ersten
Instanz. Nichts für seinen Standpunkt abzuleiten vermag deshalb der (im
kantonalen Verfahren amtlich verteidigte) Beschwerdeführer aus der Behauptung,
die Art der Befragung durch die Vorinstanz habe ihm erschwert, den Sachverhalt
überzeugend zu schildern. Es erübrigt sich, näher auf diese Unterstellung
einzugehen. Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer mit dem Vorwurf, die
Polizeibeamtin habe Suggestivfragen gestellt, weshalb es nicht erstaune, dass
er "die eine oder andere Aussage machte, welche einem nicht ganz stimmig
erscheinen könnte". Seine Ausführungen sind nicht substanziiert. Er setzt sich
weder inhaltlich mit den durch die Vorinstanzen aufgezeigten Widersprüchen
anlässlich der polizeilichen Befragung noch mit den vorinstanzlichen Erwägungen
betreffend die Suggestivfragen auseinander. Die Beschwerde genügt den
Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nicht.

Insgesamt zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass und inwiefern das
vorinstanzliche Beweisergebnis schlechterdings nicht mehr vertretbar sein
sollte, und eine Verletzung der Unschuldsvermutung ist nicht ersichtlich. Die
Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit sie den
Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt
zu genügen vermag.

1.3.2. Der Beschwerdeführer beanstandet eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
gemäss Art. 29 Abs. 2 BV, da sich die Vorinstanz mit den technischen
Eigenschaften des Mobiltelefons der Geschädigten nicht auseinandergesetzt habe
(Beschwerde S. 9 f.). Die Rüge erfolgt ohne Grund. Die Behörde darf sich in
ihrem Entscheid auf die wesentlichen Gesichtspunkte und Leitlinien beschränken
und braucht sich nicht mit jedem sachverhaltlichen oder rechtlichen Einwand
auseinanderzusetzen (BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237 mit Hinweisen). Der
angefochtene Entscheid erfüllt diese Anforderungen. Die Vorinstanz stellt unter
Hinweis auf die erstinstanzlichen Erwägungen willkürfrei fest, dass die
Geschädigte am 29. November 2011 den Beschwerdeführer im Tram fotografierte,
die Bilder aber versehentlich löschte oder nicht speicherte. Damit ist die
Frage irrelevant und musste die Vorinstanz nicht weiter prüfen, ob das
verwendete Mobiltelefon Fotoaufnahmen automatisch speichert.

2.
Die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers, er sei für die Untersuchungshaft zu
entschädigen und die eingezogenen Messer seien ihm auszuhändigen, sind
abzuweisen. Sie werden in der Beschwerde mit den beantragten Freisprüchen
begründet. Es bleibt aber bei der Verurteilung des Beschwerdeführers.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der
Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er
ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und stellt ein Gesuch um amtliche
Verteidigung. Dieses ist als Ersuchen um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung entgegenzunehmen. Das Gesuch ist abzuweisen, da die Beschwerde
von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Seinen
angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten
Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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