Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.664/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_664/2013

Urteil vom 16. Dezember 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Gewährung von Ausgängen aus humanitären Gründen,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2.
Kammer, vom 30. Mai 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ (Jg. 1967) tötete am 13. Juli 1993 einen ihm unbekannten, am
Reussufer fischenden Mann mit 13 Schüssen aus einer schallgedämpften
Maschinenpistole des Typs "Uzi".

 Am 22. Januar 1994 tötete er die Filialleiterin eines Lebensmittelgeschäfts,
indem er 22 Schüsse im bewusst gestreuten Einzelfeuer auf die Kühlraumtür
abgab, hinter die sie sich nach einer ersten Schussabgabe schutzsuchend
geflüchtet hatte.

 Das Bezirksgericht Brugg verurteilte ihn am 18. Februar 1997 wegen dieser und
weiterer Straftaten (namentlich wegen mehrfachen Mordes, versuchten Mordes,
mehrfachen qualifizierten Raubes, versuchter Erpressung, bandenmässigen
Diebstahls und mehrfacher Widerhandlungen gegen das BetmG) zu einer
lebenslänglichen Zuchthausstrafe und ordnete gestützt auf aArt. 43 Ziff. 1 StGB
eine vollzugsbegleitende Psychotherapie an.

 Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte dieses Urteil am 12. November
1998 im Wesentlichen.

B.

 X.________ verbüsst seit dem vorzeitigen Strafantritt am 28. Juli 1994 und dem
ordentlichen Strafbeginn am 12. November 1998 die lebenslängliche
Freiheitsstrafe. Die Mindestdauer für eine bedingte Entlassung wurde am 8.
Februar 2009 erreicht. Diese lehnte das Amt für Justizvollzug (AJV) letztmals
am 18. Oktober 2012 ab.

 Am 25. Oktober 2010 empfahl die Leitung der Interkantonalen Strafanstalt (IKS)
Bostadel die Gewährung von jährlich vier fünfstündigen und von zwei Personen
begleiteten humanitären Ausgängen. Die Fachkommission zur Beurteilung der
Gemeingefährlichkeit von Straftätern (KOFAKO) des Strafvollzugskonkordats der
Nordwest- und Innerschweiz unterstützte die Empfehlung am 8. November 2010. Das
AJV beantragte am 14. Juli 2011 dem Vorsteher des Departements Volkswirtschaft
und Inneres (DVI), die Ausgänge zu bewilligen. Das DVI wies den Antrag am 19.
Juli 2011 ab. Am 15. August 2011 lehnte das AJV ein Gesuch um Ausgänge aus
humanitären Gründen ab. Eine Beschwerde von X.________ wies der Regierungsrat
am 27. März 2013 ab. Das Verwaltungsgericht (1. Kammer) hob den
regierungsrätlichen Entscheid am 30. Mai 2012 auf Beschwerde von X.________ auf
und wies die Sache an das AJV zurück. Dieses bewilligte keine Ausgänge, holte
aber ein forensisch-psychiatrisches Gutachten (vom 15. Mai 2013) ein. Die
Beschwerde von X.________ gegen die Verfügung des AJV lehnte der Regierungsrat
am 27. März 2013 wiederum ab.

C.

 Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (2. Kammer) hiess am 30. Mai 2013
eine Beschwerde von X.________ gut, hob den regierungsrätlichen Entscheid vom
27. März 2013 auf und wies das AJV an, unter Voraussetzung der weiteren
Bewährung im Vollzug aus humanitären Gründen jährlich vier maximal fünfstündige
begleitete Ausgänge zu bewilligen, und zwar unter den folgenden
Rahmenbedingungen:

 Pflichten von X.________:
a) Korrektes Verhalten im Vollzug.
b) Aktive Teilnahme am therapeutischen Angebot.
c) Totalabstinenz bezüglich Alkohol, illegaler Suchtmittel und nicht
klinikärztlicher Medikamente.

 Pflichten der Institution:
a) Die Institution gewährt den ersten Ausgang erst nach einem gemeinsamen
Standortgespräch mit der Vollzugsbehörde. Die Institution meldet der
Vollzugsbehörde besondere Vorkommnisse im Vollzug umgehend schriftlich.
b) Die Vollzugsbehörde wird vorgängig über den Termin des Ausgangs sowie das
geplante Sicherheitskonzept orientiert. Im Anschluss an den Ausgang wird der
Vollzugsbehörde ein kurzer schriftlicher Bericht unterbreitet.
c) Die Institution ist verantwortlich für das Sicherheitskonzept der
begleiteten Ausgänge. In jedem Fall haben diese 2 männliche Personen
durchzuführen, wovon eine aus dem Sicherheitsdienst zu stammen hat.

 Bei Pflichtverletzungen durch X.________ wird die Vollzugsbehörde die
Konsequenzen prüfen. Diese reichen von zusätzlichen Einschränkungen und
Auflagen bis hin zur Aufhebung der Bewilligung der begleiteten Ausgänge. Bei
schwerwiegenden Verstössen, namentlich dem Konsum von Suchtmitteln, wird die
Bewilligung der begleiteten Ausgänge aufgehoben.

D.

 Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhebt Beschwerde in Strafsachen
mit den Anträgen, das verwaltungsgerichtliche Urteil aufzuheben und die
humanitären Ausgänge zu verweigern oder eventualiter die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

E.

 In der Vernehmlassung bestreitet X.________ die Beschwerdelegitimation der
Staatsanwaltschaft und wendet ein, ihre Vorbringen seien haltlos. Die
Beurteilung der KOFAKO sei überholt. Es sei dem Gutachter überlassen, wie er
seine Begutachtung gestalte. Seit dem Jahre 2004 seien von sechs verschiedenen
Therapeuten und in rund zwanzig Therapieberichten Vollzugslockerungen empfohlen
worden. Die Beschwerde sei abzuweisen, sofern auf sie eingetreten werden könne.
Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

 Das Verwaltungsgericht führt aus, der Rückweisungsentscheid vom 30. Mai 2012
sei als Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG auch für es selber bindend,
soweit keine neuen Umstände vorliegen, welche gegen die Gewährung von
begleiteten Ausgängen sprechen. Die "beschwerdelegitimierten Parteien" hätten
diesen Entscheid nicht angefochten. Nach der bisherigen Rechtsprechung sei die
Wahrung "rein öffentlicher Interessen" im Bereich des Straf- und
Massnahmenvollzugs nach Art. 81 Abs. 3 BGG dem Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement bzw. dem Bundesamt für Justiz vorbehalten. Die
Staatsanwaltschaft sei von der Beschwerde ausgeschlossen. Im Kanton Aargau
obliege die Kontrolle über den Vollzug dem Departement Volkswirtschaft und
Inneres (§ 4 Abs. 2 lit. c der Verordnung über den Vollzug von Strafen und
Massnahmen vom 9. Juli 2003 [SMV, SAR 253.111]). Auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über den Vollzug von
Strafen und Massnahmen (Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG).

1.1. Die Behördenbeschwerde ist grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen von
Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 7 und Abs. 3 BGG gegeben. Entsprechend sind die
kantonalen Vollzugsbehörden wie das Departement Volkswirtschaft und Inneres
sowie das Amt für Justizvollzug von der Beschwerde ausgeschlossen (vgl. BGE 139
I 51 E. 2.3; 133 IV 121 E. 1.1 und 1.2).

 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ist gemäss Art. 81
Abs. 3 BGG beschwerdeberechtigt, "wenn der angefochtene Entscheid die
Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann". Die Bestimmung
erlangte in der Praxis für den kantonalen Straf- und Massnahmenvollzug - soweit
ersichtlich - keine Bedeutung (vgl. MARC THOMMEN, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Auf. 2011, NN. 69 ff. zu Art. 81 BGG). Weil die
Staatsanwaltschaft nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG ohne Einschränkung
beschwerdeberechtigt ist (BGE 139 IV 199 E. 2), lässt sich entgegen der
Vorinstanz nicht e contrario aus Art. 81 Abs. 3 BGG folgern, sie sei von der
Beschwerde im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs ausgeschlossen. Das
ergibt sich nicht aus BGE 133 IV 121 E. 1.2 zur Behördenbeschwerde, weil sich
die Legitimation der Staatsanwaltschaft nicht auf Art. 81 Abs. 3 BGG stützt.
Die Beschwerdebefugnis des EJPD kann offen bleiben.

1.2. Die Staatsanwaltschaft ist als Strafverfolgungsbehörde (Art. 12 lit. b
StPO) für die gleichmässige Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs
verantwortlich. Sie leitet das Vorverfahren, verfolgt Straftaten im Rahmen der
Untersuchung, erhebt gegebenenfalls Anklage und vertritt die Anklage (Art. 16
StPO). Art. 236 StPO regelt den vorzeitigen Straf- und Massnahmenvollzug.
Dieser stellt eine strafprozessuale Zwangsmassnahme auf der Schwelle zwischen
Strafverfolgung und Strafvollzug dar (Urteil 1B_715/2012 vom 18. Dezember 2012
E. 2). Soweit der Zweck der Untersuchungs- oder der Sicherheitshaft dem nicht
entgegensteht, untersteht die beschuldigte Person mit dem Eintritt in die
Vollzugsanstalt dem Vollzugsregime (Art. 236 Abs. 4 StPO). Den Vollzug von
Strafen und Massnahmen bestimmen insbesondere die Art. 74 ff. und 372 ff. StGB.
Art. 381 StPO begründet die Legitimation der Staatsanwaltschaft zur Ergreifung
von Rechtsmitteln nur im Rahmen der StPO (Art. 379 StPO). Nach BGE 139 I 51
kommt ihr aus sachlichen Gründen - jedenfalls in einem bestimmten Umfang (unten
E. 1.3) - ebenso die Verantwortung für die gleichmässige Durchsetzung des
Vollzugsregimes zu. Die Staatsanwaltschaft ist somit unabhängig von der
Ausgestaltung des in der Regel verwaltungsrechtlichen kantonalen Verfahrens
beschwerdeberechtigt. Ihr obliegt es, nach pflichtgemässem Ermessen Beschwerde
in Strafsachen zu führen.

1.3. Die Vorinstanz weist in der Vernehmlassung mit Recht darauf hin, dass für
den Straf- und Massnahmenvollzug und zu dessen Kontrolle im Kanton Aargau - wie
in den anderen Kantonen - spezialisierte Behörden zuständig sind. Der
Strafvollzug im Allgemeinen fällt nicht in die Verantwortung der
Staatsanwaltschaft.

 Die Staatsanwaltschaft nimmt als Strafverfolgungsbehörde in einem bestimmten
und von der Strafprozessordnung umschriebenen Bereich öffentliche
Sicherheitsinteressen wahr. BGE 139 I 51 betraf die Anwendung von Art. 62d StGB
und damit die Prüfung der Entlassung und der Aufhebung einer stationären
therapeutischen Massnahme. Hat der Täter eine Straftat im Sinne von Art. 64
Abs. 1 StGB begangen (vgl. BGE 139 IV 57), so ist gemäss Art. 62d Abs. 2 StGB
die Kommission aus Vertretern der Strafverfolgungsbehörden, der
Vollzugsbehörden sowie der Psychiatrie anzuhören. Sachverständige und Vertreter
der Psychiatrie dürfen den Täter nicht behandelt oder in anderer Weise betreut
haben. Die Kommission beurteilt ferner im Hinblick auf die Einweisung in eine
offene Strafanstalt und die Bewilligung von Vollzugsöffnungen die
Gemeingefährlichkeit (Art. 75a Abs. 1 StGB). Gemeingefährlichkeit ist
anzunehmen, wenn die Gefahr besteht, dass der Gefangene flieht und eine weitere
Straftat begeht, durch die er die physische, psychische oder sexuelle
Integrität einer anderen Person schwer beeinträchtigt (Art. 75a Abs. 3 StGB).
Vollzugsöffnungen bei gemeingefährlichen Tätern betreffen die öffentliche
Sicherheit. In diesem Rahmen ist die Beschwerdebefugnis der Staatsanwaltschaft
gestützt auf Art. 78 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG
anzuerkennen.

1.4. Die Staatsanwaltschaft nahm am kantonalen Verfahren nicht teil. Nach der
Rechtsprechung ist sie dennoch legitimiert, den vorinstanzlichen
Vollzugsentscheid anzufechten (BGE 139 I 51 E. 2.3; ferner BGE 135 I 63 E.
1.1.1 und 1.1.2).

 Es ist indessen systemwidrig, dass das Bundesgericht erstmals Rügen der
Staatsanwaltschaft zu beurteilen hat, die sich am kantonalen Verfahren nicht
beteiligte oder keine Möglichkeit zur Teilnahme hatte (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit.
a sowie Art. 99 BGG). Das kantonale Recht wird vorsehen müssen, dass die
Staatsanwaltschaft in geeigneter Weise an solchen Vollzugsentscheidungen
beteiligt wird (vgl. etwa Urteil 6B_94/2013 vom 3. Oktober 2013 E. 1.2 letzter
Absatz).

1.5. Soweit die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung von einer Bindungswirkung
des Rückweisungsentscheids vom 30. Mai 2012 ausgeht, ist festzustellen, dass
das Gutachten vom 15. Mai 2013 damals nicht Beurteilungsgrundlage bildete. Die
Vorinstanz stützt sich damit in massgebender Weise auf ein neues Beweismittel.

1.6. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz verletze mit der Bewilligung
"humanitärer Ausgänge" Art. 84 Abs. 6 StGB. Selbst unter Annahme einer
gesetzlichen Grundlage könnten diese Ausgänge nicht bewilligt werden, weil der
Beschwerdegegner von der Fachkommission zur Beurteilung der
Gemeingefährlichkeit von Straftätern (KOFAKO) und dem Amt für Justizvollzug
(AJV) aktuell als gemeingefährlich eingestuft werde. Die Vorinstanz stelle
kritik- und vorbehaltlos auf das Gutachten vom 15. Mai 2013 ab, obwohl dieses
allen früheren Gutachten und Einschätzungen diametral entgegenstehe. Darauf
dürfe auch deshalb nicht abgestellt werden, weil es sich ausschliesslich auf
ein rund fünfstündiges Gespräch mit dem Beschwerdegegner stütze.

2.2. Die Vorinstanz führt aus, das Verwaltungsgericht sei im
Rückweisungsentscheid vom 30. Mai 2012 (oben Bst. B) klar davon ausgegangen,
dass humanitäre Ausgänge zu gewähren seien. Das AJV habe inzwischen bei der IKS
Bostadel und dem betreuenden Psychologen neue Berichte eingeholt. Diese seien
erneut durchgehend positiv. Aus einem früheren Therapiebericht vom 23. April
2012 ergebe sich, dass die damalige Therapeutin von erheblichen Fortschritten
in der Entwicklung des Beschwerdegegners ausging und weitergehende
Vollzugslockerungen im Hinblick auf eine später mögliche Entlassung
befürwortete.

 Nach dem Gutachten vom 15. Mai 2013 bestünden heute aufgrund der
Therapiefortschritte keine (narzisstische) Persönlichkeitsstörung und keine
Hinweise auf eine Gefahr weiterer einschlägiger Straftaten im Falle von
Vollzugslockerungen. Der Beschwerdegegner gehöre "zu einer Gruppe von
Straftätern mit sehr schweren Delikten, denen es tatsächlich über die Jahre in
mühevoller Arbeit gelingt, durchgreifende Fortschritte in ihrer Einstellung
soweit zu machen, dass sie nicht nur formal die Verantwortung für ihre Taten
und die diese begünstigenden Eigenschaften und Verhaltensmuster übernehmen,
sondern dass sie sich darüber hinausgehend darauf einlassen, schädliche
Wertvorstellungen, innere Schemata und Dogmen zu hinterfragen und diese nach
therapeutischer Bearbeitung durch prosozialere oder zumindest sozial
unschädliche Werte und anzustrebende Ziele zu ersetzen" (Gutachten, Urteil S.
8). Es bestünden keine Bedenken gegen eine Fortführung der Resozialisierung im
Rahmen des offenen Strafvollzugs. Angesichts fehlender psychischer Störungen
und fehlendem Suchtverlangen werde das Risiko für ein Fehlverhalten im Sinne
von Entweichungen bei Vollzugsöffnungen oder neuen Straftaten als sehr gering
eingestuft. Es sei "eindrucksvoll gelungen zu zeigen, dass sich auch bei primär
scheinbar ungünstiger Behandlungsprognose hier eine durchgreifende Verbesserung
mit legalprognostischer Wirksamkeit erreichen lässt" (Gutachten, Urteil S. 9).

 Die Vorinstanz stellt fest, unter Berücksichtigung des ausführlichen und
schlüssigen Gutachtens bleibe unerfindlich, wie das AJV in seiner Stellungnahme
vom 22. Mai 2013 zum Schluss kommen konnte, dass dieses nichts an der
Richtigkeit der negativen Entscheide des AJV und des Regierungsrates ändere.

2.3. Art. 84 Abs. 6 StGB enthält die Rahmenvorschrift zum Hafturlaub. Die
Einzelheiten der Urlaubsgewährung richten sich nach kantonalem Recht und den
für den Kanton jeweils massgebenden Konkordatsrichtlinien (Urteile 6B_774/2011
vom 3. April 2012 E. 1 und 6B_368/2008 vom 4. September 2008 E. 3.3.1). Die
kantonalen Behörden verfügen im Strafvollzug über ein weites Ermessen. Die
Nichtbewilligung von Urlaub oder Ausgang muss sich auf ernsthafte und objektive
Gründe stützen (Urteil 1P.622/2004 vom 9. Februar 2005 E. 3.3).

2.3.1. Der Beschwerdegegner wird nach der letzten Einschätzung der KOFAKO vom
8. November 2010 "noch immer als gemeingefährlich" eingestuft (Entscheid des
Regierungsrats vom 27. März 2013 E. 3.3.3). Aufgrund dieser Einstufung ist die
persönliche Freiheit des Beschwerdegegners von Gesetzes wegen massiv
eingeschränkt. Vollzugslockerungen bedürfen der Rechtfertigung (Urteil 6B_368/
2008 vom 4. September 2008 E. 3.3.3).

2.3.2. Gemäss § 61 Abs. 1 der kantonalen Verordnung über den Vollzug von
Strafen und Massnahmen (Strafvollzugsverordnung, SMV/AG) vom 9. Juli 2003
können gemeingefährlichen Straftätern Vollzugslockerungen nur bewilligt werden,
wenn sie nicht oder nicht mehr als gemeingefährlich beurteilt werden, oder der
Schutz der öffentlichen Sicherheit oder besonders gefährdeter Dritter durch
wirksame begleitende Massnahmen ausreichend sichergestellt werden kann. Für die
Ausgangsbewilligung sind die Konkordatsrichtlinien für die Urlaubsgewährung im
geschlossenen Vollzug der Institutionen Bostadel, Hindelbank, Lenzburg und
Thorberg vom 2. November 2007 zu berücksichtigen. Ein Urlaubsgesuch wird
abgelehnt, wenn Fluchtgefahr besteht oder eine Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit zu befürchten ist (§ 70 SMV).

 Die SMV/AG und die Konkordatsrichtlinien unterscheiden zwischen Sach- und
Beziehungsurlaub. Ausgänge können demgegenüber aus therapeutischen,
pädagogischen oder humanitären Gründen bewilligt werden. Sie dauern maximal
fünf Stunden. Es handelt sich wie beim Urlaub um Vollzugslockerungen im
Hinblick auf die Vorbereitung auf das Leben in Freiheit, weshalb für die
Gewährung von Ausgängen auch jene Voraussetzungen erfüllt sein müssen, welche
für die Gewährung von Urlaub erforderlich sind (Urteil 6B_368/2008 vom 4.
September 2008 E. 3.2). Nach Ziff. 1 lit. c Abs. 2 der Konkordatsrichtlinien
wird eingewiesenen Personen, bei denen auch mit restriktiven Auflagen der
Gemeingefährlichkeit nicht genügend begegnet werden kann, kein Ausgang gewährt.

2.3.3. Gemäss Art. 84 Abs. 6 StGB ist dem Gefangenen zur Pflege der Beziehungen
zur Aussenwelt, zur Vorbereitung seiner Entlassung oder aus anderen Gründen in
angemessenem Umfang Urlaub zu gewähren, soweit sein Verhalten im Strafvollzug
dem nicht entgegensteht und keine Gefahr besteht, dass er flieht oder weitere
Straftaten begeht.

 Nach der Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen
Strafgesetzbuches ersetzt Art. 84 StGB die früheren unübersichtlichen und
lückenhaften Vorschriften durch klare Grundsätze, die für alle Vollzugsformen
der Freiheitsstrafe gelten. Art. 84 Abs. 6 StGB "nennt die Grundformen des
Gefangenenurlaubs: Urlaub zur Pflege der Beziehungen zur Aussenwelt, Urlaub zur
Vorbereitung der Entlassung sowie Urlaub aus besonderen Gründen (namentlich zur
Verrichtung unaufschiebbarer persönlicher, existenzerhaltender oder rechtlicher
Angelegenheiten, für welche die Anwesenheit des Eingewiesenen ausserhalb der
Anstalt unerlässlich ist) " (BBl 1999 2119).

 Einen "humanitären Ausgang" als solchen kennt das StGB nicht. Urlaub darf nur
in der gesetzlich bestimmten Form bewilligt werden. Entsprechend unterliegen
"Ausgänge" den Voraussetzungen von Art. 84 Abs. 6 StGB. Davon geht der Sache
nach auch das massgebende kantonale Recht aus (oben E. 2.3.2).

2.3.4. Der Strafvollzug muss gemäss Art. 74 StGB die Menschenwürde achten und
darf die Rechte des Gefangenen "nur soweit erforderlich" beschränken (vgl. BGE
124 I 203 E. 2b). Art. 74 und 75 StGB schreiben einen auf Humanität und
Wiedereingliederung ausgerichteten Strafvollzug vor ( BENJAMIN F. BRÄGGER, in:
Basler Kommentar, Strafgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 11 zu Art. 74
StGB). Damit bezieht sich das Strafgesetzbuch insbesondere auf Art. 7 und 10
Abs. 2 BV.

 Bei Gemeingefährlichkeit stehen Sicherung durch Strafvollzug und
Resozialisierungsanspruch mit den entsprechenden stufenweisen
Vollzugslockerungen und dem damit einhergehenden Risiko in einem unaufhebbaren
Spannungsverhältnis. Dieses spiegelt sich auch in den konventionsrechtlichen
Bestimmungen wieder, wenn Art. 5 Ziff. 1 Satz 1 EMRK das Recht auf Freiheit
garantiert und Art. 2 Ziff. 1 Satz 1 EMRK den Staat und insbesondere die
Judikative verpflichtet, das Recht auf Leben jedes Menschen aktiv zu schützen
("obligation positive"). Der EGMR betrachtet den Schutz der Gesellschaft als
eine der wesentlichen Funktionen des Strafvollzugs, indem er Rückfalltaten und
damit weitere Schädigungen verhindert. Gleichzeitig anerkennt er der
Wiedereingliederung dienende Vollzugslockerungen ("sorties temporaires") auch
bei Schwerverbrechern (Urteil der Grossen Kammer in Sachen  Mastromatteo gegen
Italien vom 24. Oktober 2002, Req. 37703/97, Ziff. 67 ff., 72; Recueil des
Arrêts et Décisions, 2002-VIII; vgl. JOHANNES KORANYI, Europäische Standards
für die Öffnung des Strafvollzugs, Baden-Baden und Zürich/St. Gallen 2012).

2.4. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, welche der drei
Grundformen des Gefangenenurlaubs mit den humanitären Ausgängen gemeint ist.
Art. 84 Abs. 6 StGB bestimmt die zulässigen Formen des Urlaubs und deren
Voraussetzungen. Er kann nicht in pauschaler Weise angeordnet werden.
Einerseits muss jeder Urlaub für sich genommen zulässig und begründet sein und
andererseits kann nicht zum Vornherein die Anzahl und Dauer der Urlaube
festgeschrieben werden. Das lässt sich erst nach Kenntnis von Zweck und
Umständen beurteilen. Sollen Ausgänge "aus therapeutischen, pädagogischen oder
humanitären Gründen" (oben E. 2.3.2) bewilligt werden, müssen diese in der
individuell-konkreten Vollzugskonzeption im Rahmen von Art. 84 Abs. 6 StGB
begründet sein.

 Urlaube sind dem Gefangenen nur zu gewähren, "soweit sein Verhalten im
Strafvollzug dem nicht entgegensteht und keine Gefahr besteht, dass er flieht
oder weitere Straftaten begeht" (Art. 84 Abs. 6 StGB). Gefährlichkeit sowie
Flucht- und Wiederholungsgefahren müssen im Einzelfall sorgfältig geprüft
werden (vgl. Urteile 6B_655/2013 vom 10. September 2013, 6B_774/2011 vom 3.
April 2012 und 6B_368/2008 vom 4. September 2008). Die Beurteilung der
Fluchtgefahr beinhaltet keine psychiatrische Fragestellung (Urteil 6B_774/ 2011
vom 3. April 2012 E. 3.1). Die Gemeingefährlichkeit ist Rechtsfrage (Urteil
6B_368/2008 vom 4. September 2008 E. 3.3.3). Allerdings lassen sich
gerichtspsychiatrische und juristische Fragestellungen in der Praxis nicht
reinlich trennen. Klar ist, dass der forensischen Begutachtung die zentrale
Aufgabe zukommt, die psychische Verfassung des Probanden als wesentliche
tatsächliche Entscheidgrundlage abzuklären und prognostisch einzuschätzen.

2.5. Art. 75a StGB schreibt besondere Sicherheitsmassnahmen bei
Vollzugsöffnungen wie namentlich der Gewährung von Urlaub vor. Unter die
"Vollzugsöffnungen" fallen auch "Ausgänge", für die das StGB keine Sonderregeln
kennt. Die Kommission nach Art. 62d Abs. 2 StGB beurteilt im Hinblick auf die
Bewilligung von Vollzugsöffnungen die Gemeingefährlichkeit des Täters, wenn a)
dieser ein Verbrechen nach Art. 64 Abs. 1 StGB begangen hat, und b) die
Vollzugsbehörde die Frage der Gemeingefährlichkeit des Gefangenen nicht
eindeutig beantworten kann. Beide Voraussetzungen a) und b) sind gegeben.

 Die KOFAKO unterstützte die Empfehlung der IKS Bostadel am 8. November 2010.
Darauf stützte sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. Mai 2012
(S. 8 f. und S. 17). Die Vollzugsbehörden lehnten die Ausgänge wiederholt ab
(oben Bst. B). Die Vorinstanz verneint humanitären Ausgängen entgegenstehende
Umstände aufgrund des Führungsberichts der IKS Bostadel sowie von
Therapieberichten und gestützt auf das erwähnte Gutachten, obwohl die
Vollzugsbehörden die Sache völlig anders einschätzen. Unter diesen
Voraussetzungen wäre eine erneute Beurteilung durch die KOFAKO erforderlich
gewesen. Therapieberichte und psychiatrische Gutachten können die gesetzlich
vorgeschriebene Beurteilung der Fachkommission nicht ersetzen (zur Tragweite
von Therapieberichten Urteil 6B_227/2013 vom 3. Oktober 2013 E. 1.3).

2.6. Wie die Beschwerdeführerin vorbringt, stützt sich das Gutachten wesentlich
auf ein 5,5-stündiges Gespräch mit dem Beschwerdegegner (Gutachten S. 2, 15
ff.). Der Gutachter folgt einer klinisch-intuitiven Methode, deren
prognostische Aussagekraft als vergleichsweise gering eingeschätzt wird ( HEER,
in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 69 zu Art. 64 StGB).
In der Praxis gebräuchliche Prognoseinstrumente zieht er - soweit ersichtlich -
nicht heran. Die von der Vorinstanz zitierten Aussagen des Gutachtens, auf
welche sie sich stützt (oben E. 2.2), sind kaum justiziabel. Sie zeugen von
einem therapeutischen, statt gutachterlichen Rollenverständnis gegenüber dem
Probanden.

2.6.1. Nach den Anlasstaten von 1993 und 1994 (oben Bst. A) ist der
Beschwerdegegner gemeingefährlich (Art. 75a Abs. 3 StGB). Gegenüber dem
Gutachter führte er zum ersten Verbrechen aus, er sei auf das Opfer
"zugegangen, ca. einen Meter vor ihm sei er stehen geblieben und habe dann die
entsicherte Waffe abgeschossen". Zudem hatte er die Waffe durch das Gebüsch
verdeckt auf einen Passanten angelegt. Der "sei dann aber weggegangen". Beim
zweiten Verbrechen tötete er die Filialleiterin, nachdem es zuvor zweimal "zu
einer Ladehemmung gekommen" war (Gutachten S. 23 und 26). Beide Male war er von
einem Kollegen begleitet. Im ersten Fall ging es um ein Auto für einen
Raubüberfall und im zweiten um Geld, jeweils zwecks Heroinbeschaffung. Den
Autobesitzer erschoss er, um eine Diebstahlanzeige zu verhindern, die
Filialleiterin, weil er vergessen hatte, sich zu maskieren. Es handelt sich um
Verdeckungsmorde aus nichtigem Anlass. Beim ersten Mord ist der
Beschwerdegegner sich "wie eine Maschine vorgekommen", und dass er beim zweiten
Mord die Maschinenpistole in der Hand hatte, "sei ein Zufall gewesen, eine Art
Automatismus" (Gutachten a.a.O.). Der Beschwerdegegner vermag somit auch nach
zwanzig Jahren seine Handlungsverantwortung nicht zu erkennen. Wird er beim
Wort genommen, ist er zu einer Impulskontrolle ausserstande.

2.6.2. Der Gutachter betrachtet es als auffällig, dass der Beschwerdegegner
"nicht dazu neigte, hier etwa Empathie oder Betroffenheit zu betonen, auch
zeigte er keine ausgestaltete Demonstration von Reue" (Gutachten S. 44). Der
Gutachter interpretiert dieses Verhalten nicht als bedenklich. Er nimmt
vielmehr an, hätte der Beschwerdegegner lediglich taktisch gehandelt, hätte er
betont, wie bestürzt er über das zugefügte Leid gewesen sei. Er habe sich auf
ein kritisches Hinterfragen seiner damaligen Gedankengänge und
Entscheidungsprozesse eingelassen. Demgegenüber hatte die KOFAKO festgehalten,
trotz jahrelanger therapeutischer Behandlungen gehe aus den vorliegenden
Therapieberichten nicht eindeutig hervor, ob eine tiefgründige Einsicht in die
problematischen und deliktrelevanten Problembereiche seiner Persönlichkeit
stattgefunden hatte (verwaltungsgerichtliches Urteil vom 30. Mai 2012 S. 11).

2.6.3. Der Gutachter erwähnt, dass die beteiligten Betreuer, Behörden und
Therapeuten immer wieder darauf hinwiesen, dass nicht sicher beurteilt werden
könne, ob die vom Beschwerdegegner gezeigten prosozialen Verhaltensweisen einer
authentischen positiven Veränderung entsprechen oder nur im Sinne guter
Anpassungsfähigkeit als angelernt zu betrachten sind. Nach Ansicht des
Gutachters ist diese Gegenthese "nicht haltbar, da nicht belegbar". Die Frage
"latent gefährlicher Einstellungen oder unterdrückter Verhaltensmuster" sei
auch deshalb wenig sinnvoll, da sie im gesicherten Haftrahmen ohne Lockerungen
nicht verifizierbar sei, sondern lediglich Raum für spekulative Mutmassungen
lasse (Gutachten S. 50). Mit dieser Zurückweisung entzieht sich der Gutachter
dem Zweck der Begutachtung. Die Legal- oder Gefährlichkeitsprognose gehört zu
den (umstrittenen) Aufgaben der forensischen Psychiatrie. Es geht um die
Einschätzung über die Wahrscheinlichkeit eines individuellen Verhaltens in
einem bestimmten zeitlichen und situativen Kontext ( HEER, a.a.O., NN. 60, 65,
69 ff.). Die Erforschung der Täterpersönlichkeit, insbesondere ihrer
Gefährlichkeit, ist das zentrale Problem. Individuelle Kriminalprognosen sind
Wahrscheinlichkeitsaussagen über das künftige Legalverhalten von Personen. Es
gibt prinzipiell keine sicheren Prognosen und damit keine einfachen Ja/
Nein-Antworten (Urteil 6B_368/2008 vom 4. September 2008 E. 3.2 mit Hinweis auf
HEINZ SCHÖCH, Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 12. Aufl., Berlin 2008, NN.
28 und 145 vor § 61 StGB). Das ist bekannt. Trotz prinzipieller Problematik
müssen Gerichte unter Beizug der gesetzlich vorgeschriebenen Begutachtungen die
Legalprognose vornehmen.

2.7. Das Verwaltungsgericht hielt in seinem Urteil vom 30. Mai 2012 (S. 17)
fest, die ablehnende Argumentation des Regierungsrats würde im Ergebnis dazu
führen, dass bei gemeingefährlichen Straftätern die Gewährung von begleiteten
Ausgängen gänzlich ausgeschlossen wäre. Das widerspreche Art. 84 Abs. 6 StGB
sowie § 61 SMV/AG (oben E. 2.3.2) und wäre mit dem Sozialisierungsziel von Art.
75 Abs. 1 StGB nicht vereinbar.

 Es ist ohne Weiteres einsichtig, dass die fraglichen humanitären Ausgänge
Resozialisierungsbemühungen unterstützen und Haftschädigungen entgegenwirken
sollen. Auch ist nicht zu verkennen, dass die KOFAKO im Jahre 2010 empfahl,
Ausgänge aus humanitären Gründen zu gewähren, aber (im Gegensatz zum Gutachter)
auf Vollzugsöffnungen zu verzichten (verwaltungsgerichtliches Urteil vom 30.
Mai 2012 S. 17). Mit adäquaten Sicherungsmassnahmen lässt sich das Risiko
begleiteter Ausgänge grundsätzlich verantworten. Es muss aber dargelegt werden,
dass sich mit Ausgängen unter strenger Bewachung der erwähnte Effekt erzielen
lässt und nicht lediglich ein zusätzliches Risiko für die Allgemeinheit
geschaffen wird. Das ist im Einzelfall individuell-konkret zu begründen. Es
genügt nicht, dass sich in den Akten solche Hinweise auffinden lassen. In jedem
Fall muss die aktuelle Einschätzung der Fachkommission in den für die
Vollzugsbehörden massgebenden Rahmenbedingungen enthalten sein.

2.8. Die Rahmenbedingungen für die Ausgänge (oben Bst. C) belegen, dass die
Vorinstanz von der zitierten Unbedenklichkeitserklärung des Gutachtens (oben E.
2.2) nicht überzeugt ist. Wie die Beschwerdeführerin vorbringt, steht die
Unbedenklichkeitserklärung in "diametralem" Gegensatz zu der Einschätzung der
KOFAKO, welche sogar empfahl, auf die Bezeichnung "Vollzugsöffnungen" zu
verzichten, während nach dem Gutachten "bei entsprechenden schrittweisen
Lockerungen" "keine Bedenken gegen eine Fortführung der Resozialisierung im
Rahmen des offenen Strafvollzugs" bestehen (Gutachten S. 63).

 Mit der Unvereinbarkeit der Beurteilungen von Fachkommission und Gutachter
setzt sich die Vorinstanz nicht auseinander. Das Heranziehen des
unspezifischen, im Gesetz nicht erwähnten Begriffs der "humanitären Ausgänge"
birgt die Gefahr in sich, dass die strengen Kautelen für die
Vollzugslockerungen in Vergessenheit geraten, nicht beachtet oder übersehen
werden. Es droht "Betriebsblindheit" dergestalt, dass Fragen im Sinne einer
Erwartung interpretiert und vor allem Fragen nicht gesehen werden, die der
Unbefangene sehen und stellen würde (vgl. BGE 131 I 113 E. 3.4). Eine
unstrukturierte Vorgehensweise erhöht das immanente Risiko.

2.9. Das Bundesgericht kann die Sache nicht abschliessend entscheiden. Auf das
Gutachten kann in dieser Form nicht abgestellt werden. Massgebend ist weiterhin
die Beurteilung der KOFAKO vom 8. November 2010. Die Vorinstanz wird zunächst
der Beschwerdeführerin Gelegenheit geben müssen, ihren Standpunkt darzulegen.

3.

 Die Beschwerde ist gutzuheissen, das Urteil aufzuheben und die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Es sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen und der
Beschwerdeführerin keine Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege ist
gutzuheissen. Sein Rechtsvertreter ist aus der Bundesgerichtskasse zu
entschädigen (Art. 64 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau vom 30. Mai 2013 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2. 
Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird
gutgeheissen.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners, Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner, wird
aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Dezember 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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