Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.637/2013
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_637/2013

Urteil vom 19. September 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Bürgin,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Entschädigung im Strafverfahren,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Strafkammer, vom 4.
Juni 2013.

Sachverhalt:

A.

 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg stellte am 14. Januar 2013 das
Strafverfahren gegen X.________ wegen Steuerbetrugs, Widerhandlung gegen das
AHVG (SR 831.10) und das BVG (SR 831.40) sowie Urkundenfälschung gestützt auf
Art. 319 Abs. 1 lit. a, b und d StPO ein (Dispositiv-Ziff. 1). Die
Verfahrenskosten auferlegte sie dem Staat (Dispositiv-Ziff. 2). X.________
sprach sie keine Entschädigung und keine Genugtuung zu (Dispositiv-Ziff. 3).
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ beim Kantonsgericht Freiburg
Beschwerde. Er beantragte, Ziff. 3 des Dispositivs der Einstellungsverfügung
aufzuheben und ihm eine Entschädigung von Fr. 26'000.-- auszurichten.

B.

 Das Kantonsgericht hiess die Beschwerde am 4. Juni 2013 teilweise gut. Es hob
Ziff. 3 des Dispositivs der Einstellungsverfügung vom 14. Januar 2013 auf und
wies die Sache zur Festsetzung der Entschädigung an die Staatsanwaltschaft
zurück.

C.

 Die Staatsanwaltschaft führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, den
Entscheid vom 4. Juni 2013 aufzuheben und die von X.________ beantragte
Entschädigung zu verweigern.

Erwägungen:

1.

1.1. Zum Kreis der beschwerdeberechtigten Parteien zählt namentlich die
Staatsanwaltschaft (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG). Ihr steht das
Beschwerderecht uneingeschränkt zu (BGE 134 IV 36 E. 1.4.3). Sie kann die
Entschädigung für die private (Urteil 6B_168/2012 vom 27. August 2012 E. 2 und
3) wie die amtliche Verteidigung anfechten (Urteil 6B_611/2012 vom 19. April
2013 E. 2, zur Publikation vorgesehen).

1.2. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid.
Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide, die weder die
Zuständigkeit noch Ausstandsbegehren betreffen (Art. 92 BGG), ist die
Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig, wenn sie einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a), oder wenn die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(lit. b).
Ein Rückweisungsentscheid bewirkt in der Regel keinen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Eine Ausnahme
von dieser Regel ist gemäss der Rechtsprechung u.a. zu machen, wenn eine
Behörde durch einen Rückweisungsentscheid gezwungen wird, eine ihres Erachtens
rechtswidrige Verfügung zu treffen (BGE 133 V 477 E. 5.2.2 mit Hinweisen). Dies
ist namentlich der Fall, wenn die Grundsatzfrage, ob eine Entschädigung
auszurichten ist, durch den angefochtenen Entscheid verbindlich beantwortet und
die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft angewiesen wird, über die Höhe der
Entschädigung zu entscheiden. Darin liegt für die Staatsanwaltschaft ein nicht
wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, auch
wenn ihr im angefochtenen Entscheid keine Anweisungen hinsichtlich der
Bemessung der Entschädigung erteilt werden (vgl. Urteil 1B_160/2012 vom 20.
September 2012 E. 1.2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weshalb
der Beschwerdeführerin die Beschwerdelegitimation zuzuerkennen ist.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin rügt, das Kantonsgericht habe sich auf die
Feststellung beschränkt, dass in der Einstellungsverfügung die Verfahrenskosten
dem Staat auferlegt worden seien. Entsprechend habe es bei der Beantwortung der
Entschädigungsfrage nicht mehr geprüft, ob der Beschwerdegegner die Einleitung
des gegen ihn geführten Strafverfahrens bewirkt oder dessen Durchführung
erschwert habe. Es verkenne, dass der Grundsatz, wonach zwischen dem Entscheid
über die Verfahrenskosten und jenem über das Entschädigungsgesuch eine logische
Übereinstimmung bestehen muss, nicht absolut sei. Sie habe in ihrer
Stellungnahme im vorinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen, dass die
Verfahrenskosten aufgrund der Mängel der Untersuchung (das
Wirtschaftsstrafgericht habe sich ausserstande gesehen, den Fall und die Akten
im Zustand, wie sie ihm vom Untersuchungsrichter überwiesen worden seien, zu
beurteilen und die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen) dem
Staat auferlegt worden seien. Die Steuerverwaltung des Kantons Freiburg habe
dem Beschwerdegegner im Dezember 2007 Nachsteuern und eine Busse auferlegt. Das
Ergebnis des von der Steuerverwaltung durchgeführten Verfahrens zeige deutlich,
dass der Beschwerdegegner in schuldhafter und widerrechtlicher Weise gegen Art.
124 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte
Bundessteuer (DBG; SR 642.11) verstossen habe.

2.2. Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person
freigesprochen, können ihr die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt
werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens
bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Unter
den gleichen Voraussetzungen kann auch die Entschädigung für die Ausübung ihrer
Verfahrensrechte verweigert oder herabgesetzt werden (Art. 430 Abs. 1 lit. a
StPO). Es gilt der Grundsatz, dass bei Auferlegung der Kosten keine
Entschädigung auszurichten ist, während bei Übernahme der Kosten durch die
Staatskasse die beschuldigte Person Anspruch auf Entschädigung hat (BGE 137 IV
352 E. 2.4.2 mit Hinweisen).

2.3. Der Beschwerdeführerin ist zwar beizupflichten, dass der zuvor erwähnte
Grundsatz nicht absolut ist (vgl. BGE 137 IV 352 E. 2.4.2). Insbesondere
verschafft ein nicht gerechtfertigter Verzicht auf eine Kostenauflage, obschon
die betroffene Person die Einleitung des Strafverfahrens rechtswidrig und
schuldhaft bewirkt hat, keinen Anspruch auf eine Entschädigung (Urteil 6B_331/
2012 vom 22. Oktober 2012 E. 2.8). Dass solche besonderen Umstände vorliegend
gegeben sein könnten, ist jedoch nicht ersichtlich. Die Einstellungsverfügung
der Beschwerdeführerin vom 14. Januar 2013 enthält im Kosten- und
Entschädigungspunkt keinerlei Begründung. Aber auch die im vorinstanzlichen
Verfahren nachgeschobene Begründung rechtfertigt keinen Verzicht auf eine
Entschädigung. Der Tatbestand des Steuerbetrugs setzt den Gebrauch von
gefälschten, verfälschten oder inhaltlich unwahren Urkunden voraus (Art. 186
Abs. 1 DBG). Der blosse Hinweis, der Beschwerdegegner sei wegen
Steuerhinterziehung verurteilt worden, sagt nichts darüber aus, inwiefern er
das gegen ihn geführte Verfahren wegen Steuerbetrugs, Widerhandlung gegen das
AHVG und das BVG sowie Urkundenfälschung rechtswidrig und schuldhaft veranlasst
haben könnte. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Gründe
rechtfertigen keine Abweichung vom Grundsatz, wonach die beschuldigte Person
für ihre Aufwendungen angemessen zu entschädigen ist, wenn das Verfahren gegen
sie eingestellt wurde (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO).

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art.
66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegner wurde nicht zur Stellungnahme
aufgefordert. Ihm sind im bundesgerichtlichen Verfahren keine Kosten erwachsen,
weshalb ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

 Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen
ausgerichtet.

3.

 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. September 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben