Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.631/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_631/2013

Urteil vom 16. Januar 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Sascha Daniel Patak,
Beschwerdeführerin,

gegen

1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2. Y.________,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Nichtanhandnahmeverfügung (einfache Körperverletzung, Urkundenfälschung, Betrug
),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 17. Juni 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ erstattete am 23. Mai 2012 bei der Staatsanwaltschaft I des Kantons
Zürich Strafanzeige gegen Dr. med. dent. Y.________. Sie macht geltend, sie
habe sich zu Dr. Y.________ in Behandlung begeben, um sich sog. Veneers
anbringen zu lassen. Dabei handelt es sich um Keramikschalen, welche mit
Spezialkleber auf die zuvor leicht angeschliffenen Zähne geklebt werden. Später
habe sich ergeben, dass anstelle der vereinbarten Veneers Teilkronen oder sogar
Vollkronen eingesetzt worden seien, wofür die Zähne viel mehr als für Veneers -
teilweise fast vollständig - abgeschliffen würden. Dies stelle einen massiven
Eingriff in ihre körperliche Integrität dar und erfülle den Tatbestand der
vorsätzlichen schweren Körperverletzung. Am 12. Juni 2012 ergänzte X.________
ihre Strafanzeige und führte aus, Dr. Y.________ habe bewusst Veneers auf die
Rechnungen und auf alle anderen Unterlagen geschrieben, womit zusätzlich die
Tatbestände der Urkundenfälschung und des Betruges erfüllt seien.

B.

 Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich erliess am 17. Januar 2013 eine
Nichtanhandnahmeverfügung. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht
des Kantons Zürich am 17. Juni 2013 ab.

C.

 Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, die
Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft sowie den Entscheid des
Obergerichts des Kantons Zürich aufzuheben und die Sache an die
Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.

D.

 Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde
abzuweisen. Y.________ reichte keine Vernehmlassung ein, und das Obergericht
des Kantons Zürich verzichtet darauf. X.________ wurde das Replikrecht gewährt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen
und des Bundesstrafgerichts (Art. 80 Abs. 1 BGG). Anfechtungsobjekt ist einzig
der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Juni 2013. Soweit die
Beschwerdeführerin die Aufhebung der staatsanwaltlichen
Nichtanhandnahmeverfügung verlangt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

1.2. Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer
vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur
Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Nach Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG wird der Privatklägerschaft ein rechtlich geschütztes
Interesse zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung
ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die
Privatklägerin bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei
Nichtanhandnahme oder Einstellung der Strafuntersuchung wird auf dieses
Erfordernis verzichtet. In diesen Fällen muss im Verfahren vor Bundesgericht
aber dargelegt werden, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid
inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann, sofern dies (etwa
aufgrund der Natur der untersuchten Straftat) nicht ohne Weiteres aus den Akten
ersichtlich ist (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; 137 IV 219 E. 2.4; je mit Hinweisen).
Hinsichtlich allfälliger Zivilansprüche äussert sich die Beschwerdeführerin
lediglich in der Strafanzeige vom 23. Mai 2011 (recte : 23. Mai 2012). Dort
führt sie aus, dass sie wünsche, am Verfahren beteiligt zu sein und "weiter
[...] Schadensersatzansprüche sowie Genugtuung vorgesehen" seien (Strafanzeige
datiert vom 23. Mai 2011, S. 3). Damit hat sie - in diesem Verfahrensstadium -
ihre Zivilansprüche ausreichend geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin ist zur
Beschwerde legitimiert.

2.

2.1. Die Vorinstanz erwägt, dass die Staatsanwaltschaft zu Recht keine
Untersuchung wegen schwerer Körperverletzung eröffnet habe. Hinsichtlich des
Tatbestandes der einfachen Körperverletzung habe die Beschwerdeführerin bereits
im Frühling 2011 genügend konkrete Kenntnis über das Abschleifen und die
Veränderung der Zähne gehabt, um einen entsprechenden Strafantrag zu stellen.
Bereits in einem Schreiben an die Beschwerdegegnerin 2 vom 11. März 2011 habe
die Beschwerdeführerin erwähnt, dass sie stark unter der Veränderung der Zähne
leide, wobei auch von möglichen "bleibenden Schäden" die Rede gewesen sei. Auch
in einer anderen, am 12. Mai 2011 gegen die Beschwerdegegnerin 2 gerichteten
Strafanzeige wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses habe die
Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass die Behandlung nicht  lege artis
 durchgeführt worden sei. Somit sei der am 23. Mai 2012 sinngemäss gestellte
Strafantrag nicht rechtzeitig erfolgt.

2.2. Die Beschwerdeführerin rügt, sie habe erstmals aufgrund der im März 2012
erstellten Röntgenbilder erkennen können, dass Kronen anstelle von Veneers
aufgesetzt worden seien. Damit sei an ihr eine komplett andere, viel invasivere
Operation ausgeführt worden als vereinbart. Der alleinige Umstand, dass die
Behandlung aus ihrer Wahrnehmung ästhetisch unbefriedigend gewesen sei und sie
unter Schmerzen gelitten habe, begründe noch keine Kenntnis der Straftat. Die
dreimonatige Antragsfrist habe daher nach Erstellung und Erläuterung der
Röntgenbilder zu laufen begonnen, so dass die Strafanzeige am 23. Mai 2012
rechtzeitig erfolgt sei.

2.3. Gemäss Art. 31 StGB erlischt das Antragsrecht nach Ablauf von drei
Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten
Person der Täter bekannt wird, was auch die Kenntnis der Straftat voraussetzt.
Solange aufgrund der Sachlage unklar ist, ob überhaupt ein Delikt begangen
wurde, kann die Frist nicht zu laufen beginnen. Die Antragsfrist beginnt mithin
erst, wenn der berechtigten Person die objektiven und subjektiven
Tatbestandselemente bekannt sind. Die Antragsfrist kann erst beginnen, wenn die
berechtigte Person diese Umstände kennt. "Bekannt" im Sinne von Art. 31 StGB
sind Tat und Täter nicht schon, wenn die antragsberechtigte Person gegen
jemanden einen Verdacht hegt. Erforderlich ist vielmehr eine sichere,
zuverlässige Kenntnis, die ein Vorgehen gegen den Täter als aussichtsreich
erscheinen lässt und die antragsberechtigte Person gleichzeitig davor schützt,
wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden (Urteile des
Bundesgerichts 6P.13/2007 vom 20. April 2007 E. 5.1; 6B_210/2008 vom 5. August
2008 E. 1.1; 6B_396/2008 vom 25. August 2008 E. 3.3.3; je mit Hinweisen). Was
die betroffene Person wusste, ist eine Tatfrage (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; Urteil
des Bundesgerichts 6B_100/2013 vom 17. Juni 2013 E. 1.2; je mit Hinweisen). Ob
ihre Kenntnis ausreichend ist, um einen Strafantrag stellen zu können, ist
hingegen eine Rechtsfrage.

2.3.1. Die Beschwerdeführerin beklagte sich im Frühling 2011 über die
"Veränderung der Zähne" und mögliche "bleibende Schäden". Ebenfalls erwähnte
sie, dass die Behandlung nicht  lege artis durchgeführt worden sei. Entgegen
den Erwägungen der Vorinstanz kann allein daraus nicht der Schluss gezogen
werden, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt ausreichende Kenntnis darüber
hatte, dass ihre Zähne zur Einsetzung von Teil- oder Vollkronen angeblich
beinahe vollständig abgeschliffen wurden. Auch die Befestigung von Veneers
bedingt nämlich eine "Veränderung" der Zähne. Wie jede andere zahnärztliche
Behandlung kann diese unsachgemäss erfolgen und zu Leiden und bleibenden
Schäden führen. Über die konkret durchgeführte Behandlung besagen derartige
Aussagen nichts. Sie lassen nicht auf eine sichere und zuverlässige Kenntnis
einer Straftat im Sinne von Art. 31 StGB schliessen.

2.3.2. Bereits im Verfahren vor der Staatsanwaltschaft reichte die
Beschwerdeführerin zwei Kostenvoranschläge (vom 20. September und 1. November
2010) und eine Rechnung (vom 14. Dezember 2010) ein. Offeriert wurden die
"Rekonstruktion des Oberkiefers mittels 2 Kronen und 12 Veneers" sowie "2
zusätzliche Veneers im Unterkiefer Zahn 42, 32". Fakturiert wurden acht "Veneer
indirekt", fünf "VMK mit Porzellanstufe oder Vollkeramik" und fünfzehn "prov.
Kunststoffkronen direkt". Insgesamt wurden somit acht Veneers und zwanzig
Kronen in Rechnung gestellt. Dem stehen die vierzehn Veneers und zwei Kronen
der eingereichten Offerten gegenüber. Daraus ergibt sich, dass insgesamt
achtzehn Kronen mehr und sechs Veneers weniger als ursprünglich offeriert in
Rechnung gestellt wurden. Zur Frage, wann die Beschwerdeführerin von der
Rechnung vom 14. Dezember 2010 Kenntnis erhielt, hat die Vorinstanz keine
Feststellung getroffen. Ebenfalls hat sie sich nicht mit der Frage
auseinandergesetzt, ob aufgrund dieser Rechnung die Beschwerdeführerin eine
ausreichende Kenntnis über die behauptete Tat erlangt hat, um einen Strafantrag
stellen zu können. In diesem Punkt genügt der angefochtene Entscheid den
Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht. Die Sache ist zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

3.

 Zu den Tatbeständen der Urkundenfälschung und des Betrugs erwägt die
Vorinstanz, dass die Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Strafanzeige zu
wenig substanziiert waren. In der Beschwerdebegründung würde eine detaillierte
Auseinandersetzung mit der Rechnung vom 14. Dezember 2010 sowie ein Vergleich
mit den offerierten Leistungen fehlen, und es werde nicht dargelegt, wie die
Beschwerdegegnerin 2 sich unrechtmässig bereichert haben soll. Die
Beschwerdeführerin wendet ein, dass Veneers abgemacht und abgerechnet worden
seien. Jedoch seien Teil- und Vollkronen eingesetzt worden. Die Rechnung
entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten und sei verfälscht. Die
Beschwerdeführerin verkennt, dass in der beanstandeten Rechnung zwanzig Kronen
aufgeführt wurden (siehe oben, E. 2.3.2). Ihre Sachverhaltsdarstellung, wonach
Veneers anstelle von Kronen fakturiert wurden, ist nicht nachvollziehbar. Damit
vermag sie den vorinstanzlichen Schluss, wonach ein ausreichender
Anfangsverdacht zur Eröffnung einer Strafuntersuchung nicht bestand, nicht zu
erschüttern. Zu Recht bestätigt die Vorinstanz in diesem Punkt die
Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft.

4.

 Die Beschwerde ist in Bezug auf den Tatbestand der einfachen Körperverletzung
teilweise gutzuheissen. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache
zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen ist die
Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Der Beschwerdeführerin sind reduzierte Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Der Kanton Zürich hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine angemessene Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Der
Beschwerdegegnerin 2 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihr im
bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der angefochtene Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Juni 2013 wird in Bezug auf den
Tatbestand der einfachen Körperverletzung aufgehoben und die Sache zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Der Beschwerdeführerin werden Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- auferlegt.

3. 
Der Kanton Zürich hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Januar 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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