Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.614/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_614/2013

Urteil vom 29. August 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg, Postfach 1638, 1701 Freiburg,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. A.X.________,
2. B.X.________,
3. C.X.________,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Gruber,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Entschädigung (Tod des Beschuldigten),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Strafkammer, vom 28.
Mai 2013.

Sachverhalt:

A.

 Rechtsanwalt Patrik Gruber war seit dem 27. Juni 2007 Verteidiger von
D.X.________. Nach Anklageerhebung starb D.X.________ am 5. Juni 2011. Das
Wirtschaftsstrafgericht stellte am 19. September 2011 fest, dass das
Strafverfahren gegen D.X.________ hinfällig geworden war, und auferlegte die
Verfahrenskosten dem Staat.

B.

 Rechtsanwalt Patrick Gruber reichte im Auftrag der Erbengemeinschaft
D.X.________ am 29. Dezember 2011 die Kostenliste ein. Das
Wirtschaftsstrafgericht setzte am 13. September 2012 die Entschädigung auf Fr.
14'362.20 fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft wies
das Kantonsgericht am 28. Mai 2013 ab.

C.

 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg erhebt Beschwerde in Strafsachen.
Sie beantragt, das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben und der
Erbengemeinschaft die Entschädigung zu verweigern oder sie eventuell
herabzusetzen.

Erwägungen:

1.

 Das Entschädigungsbegehren wurde nach der (formlosen) Einstellung des
Verfahrens am 29. Dezember 2011 beurteilt. Die Strafprozessordnung ist
anwendbar (vgl. BGE 137 IV 352 E.1.2).

 Zum Kreis der beschwerdeberechtigten Parteien zählt namentlich die
Staatsanwaltschaft (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG). Ihr steht das
Beschwerderecht uneingeschränkt zu (BGE 134 IV 36 E. 1.4.3; 139 I 51 E. 2.3).
Sie kann die Entschädigung für die private (Urteil 6B_168/2012 vom 27. August
2012 E. 2 und 3) wie die amtliche Verteidigung anfechten (Urteil 6B_611/2012
vom 19. April 2013 E. 2).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe D.X.________ bewusst einzig im
Zusammenhang mit der E.________ AG ein widerrechtliches und schuldhaftes
Verhalten vorgeworfen. Als Verwaltungsrat habe er es trotz bestehender
Überschuldung unterlassen, die obligationenrechtlich vorgeschriebene
Zwischenbilanz zu erstellen und den Richter zu benachrichtigen. Die
unterlassene Überschuldungsanzeige (Art. 725 OR) sei kausal für die Eröffnung
des Strafverfahrens gewesen. Dieses prozessuale Verschulden genüge, um eine
Entschädigung zu verweigern oder herabzusetzen.

2.2. Die Vorinstanz anerkennt einen Anspruch der Erbengemeinschaft auf
Parteientschädigung und verneint einen Verweigerungs- oder Herabsetzungsgrund.
Einerseits präjudiziere der Kostenentscheid des Wirtschaftsstrafgerichts den
Entschädigungsentscheid. Andererseits sei D.X.________ in fünf Fällen wegen
Misswirtschaft und in sechs weiteren Fällen wegen verschiedener anderer Delikte
zur gerichtlichen Beurteilung überwiesen worden. Die Staatsanwaltschaft mache
einzig im Zusammenhang mit einem Misswirtschaftsvorwurf ein in zivilrechtlicher
Hinsicht vorwerfbares Verhalten von D.X.________ geltend. Im Hinblick auf die
Anzahl und Schwere der übrigen Vorwürfe erscheine dieser Vorwurf als dermassen
unbedeutend, dass eine Herabsetzung oder Verweigerung der Entschädigung
stossend erschiene.

2.3. Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person
freigesprochen, können ihr die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt
werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens
bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Unter
den gleichen Voraussetzungen kann auch die Entschädigung für die Ausübung ihrer
Verfahrensrechte verweigert oder herabgesetzt werden (Art. 430 Abs. 1 lit. a
StPO). Die Verlegung der Verfahrenskosten präjudiziert die Entschädigungsfrage.
Werden der beschuldigten Person Kosten auferlegt, ist ihr keine Entschädigung
auszurichten, während sie bei Übernahme der Verfahrenskosten durch die
Staatskasse Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene
Ausübung ihrer Verteidigungsrechte hat. Darauf wurde die Beschwerdeführerin
bereits in BGE 137 IV 352 E. 2.4.2 (S. 357) hingewiesen.

2.4. Das Wirtschaftsstrafgericht auferlegte die Kosten des eingestellten
Strafverfahrens dem Staat. Der Entscheid wurde rechtskräftig, so dass nach der
Rechtsprechung ein Anspruch auf Entschädigung besteht.

 Die Beschwerdeführerin wendet zu Unrecht ein, dass beim Tod der beschuldigten
Person die Kostenverlegung die Entschädigungsfrage nicht präjudizieren kann,
weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kostenauflage an die Erben
fehlt. Die fehlende Möglichkeit, Verfahrenskosten beim Tode der beschuldigten
Person dem Nachlass aufzuerlegen, beruht auf einer bewussten Entscheidung des
Gesetzgebers. Sind die Voraussetzungen für die Kostenauflage an einen anderen
(privaten) Verfahrensbeteiligten nicht erfüllt, hat sie der Staat zu tragen
(Thomas Domeisen, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung,
2011, N. 11 zu Art. 426 StPO).

 Zu den Kosten des Strafverfahrens zählen nicht nur die (amtlichen)
Verfahrenskosten (Art. 422 StPO), sondern auch die (privaten) Aufwendungen für
die angemessene Ausübung der Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO).
Können beim Tode der beschuldigten Person die Verfahrenskosten nicht dem
Nachlass auferlegt werden, kann dieser auch nicht mit den Aufwendungen für die
angemessene Ausübung der Verteidigungsrechte belastet werden (vgl. Cédric Mizel
/ Valentin Rétornaz, in: Commentaire Romand, Code de procédure pénale suisse,
2011, N. 7 zu Art. 429 StPO). Es besteht keine Veranlassung, vom Grundsatz
abzuweichen, dass bei der Übernahme der Verfahrenskosten durch die Staatskasse
die beschuldigte Person bzw. deren Nachlass Anspruch auf Ersatz der
Verteidigungskosten hat.

2.5. Die Vorinstanz begründet einlässlich, dass die Voraussetzungen für eine
Verweigerung oder Herabsetzung der Entschädigung nicht gegeben sind. Wie
bereits das Wirtschaftsstrafgericht erachtete sie den Einwand der
Beschwerdeführerin als nicht entscheidrelevant, D.X.________ sei seinen
Aufsichtspflichten als Verwaltungsrat nicht nachgekommen und habe in
zivilrechtlich vorwerfbarer Weise keine Überschuldungsanzeige eingereicht. Auf
die zutreffenden Erwägungen kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 StPO), zumal
die Beschwerdeführerin keine neuen Argumente vorbringt.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen. Es sind weder Gerichtskosten zu erheben (Art.
66 Abs. 4 BGG) noch Parteientschädigungen zuzusprechen. Den Beschwerdegegnern
sind vor Bundesgericht keine Kosten entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen
ausgerichtet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. August 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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