Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.609/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_609/2013

Urteil vom 12. November 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (Vorsätzliche grobe Verletzung der Verkehrsregeln),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 2. Mai 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ fuhr am 1. April 2012 mit seinem Personenwagen auf einer
Hauptstrasse ausserorts mit 142 km/h und überschritt die zulässige
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h damit um 62 km/h.

B.

 Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland verurteilte X.________ am 25. Mai
2012 mittels Strafbefehl wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer
Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 100.--.

 Auf Einsprache hin bestätigte das Bezirksgericht Andelfingen am 3. September
2012 den Schuldspruch gegen X.________ und reduzierte die Geldstrafe auf 78
Tagessätze zu Fr. 100.--. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft
Winterthur/Unterland Berufung ein, die sie auf die Strafzumessung sowie die Art
der Sanktion und ihres Vollzugs beschränkte.

 Am 2. Mai 2013 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich X.________ zu
einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu Fr. 100.--.

C.

 Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 2. Mai 2013 sei aufzuheben und das
Verfahren zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei
durch das Bundesgericht in der Sache zu entscheiden. X.________ ersucht um
Gewährung der aufschiebenden Wirkung.

 Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Zürich verzichten
auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe eine unvertretbar harte
Strafe ausgefällt. Seine Beschwerde richtet sich sowohl gegen die Anzahl
Tagessätze als auch gegen deren Höhe.

1.2. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin in die Strafzumessung nur ein,
wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat,
wenn sie von nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche
Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch
ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 mit Hinweis). Dieser
Ermessensspielraum kommt dem Gericht auch bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe
zu (BGE 134 IV 60 E. 6.5.2; Urteil 6B_792/2011 vom 19. April 2012 E. 1.4.3).

1.3.

1.3.1. Die Bemessung der Tagessatzanzahl richtet sich nach dem Verschulden
(Art. 34 Abs. 1 StGB). Dabei gelten die Grundsätze der Strafzumessung nach Art.
47 ff. StGB (BGE 134 IV 60 E. 5.3). Das Bundesgericht hat diese allgemeinen
Strafzumessungskriterien wiederholt ausführlich dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4
ff. mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden.

1.3.2. Die Vorinstanz berücksichtigt im Rahmen der Tatkomponente hinsichtlich
des objektiven Verschuldens zu Lasten des Beschwerdeführers insbesondere dessen
massive Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 62 km/h und den
Umstand, dass er in einer Rechtskurve mit seinem Fahrzeug nahezu auf die
Gegenfahrbahn geriet. Zu seinen Gunsten erwägt sie, dass die Sicht gut, der
Strassenbelag trocken, die Strasse an der fraglichen Stelle übersichtlich und
das Verkehrsaufkommen nicht übermässig waren. Bezüglich des subjektiven
Verschuldens würdigt die Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer
eventualvorsätzlich handelte und keine Gründe ersichtlich waren, die sein
Verhalten erklärten oder sein Verschulden verringerten. Gestützt auf diese
Erwägungen setzt die Vorinstanz eine hypothetische Einsatzstrafe von neun
Monaten fest. Hinsichtlich der Täterkomponente gewichtet sie die fehlende
Einsicht und Reue neutral und die einschlägigen Vorstrafen massiv
straferhöhend. Sie erläutert auch die persönlichen Verhältnisse und erwägt,
dass aus diesen nichts Wesentliches für die Strafzumessung abgeleitet werden
kann.

 Damit nimmt die Vorinstanz auf alle wesentlichen Strafzumessungsfaktoren Bezug
und begründet die Anzahl Tagessätze der ausgesprochenen Geldstrafe ausreichend.
Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei unverhältnismässig, wenn die zweite
Instanz eine derart viel höhere Strafe ausspreche als das erstinstanzliche
Gericht (Beschwerde, S. 3), ändert daran nichts. Die Vorinstanz ist nicht an
die vorangehende Strafzumessung gebunden und verfügt selbst über ein weites
Ermessen. Weshalb sie von der erstinstanzlichen Strafe deutlich abweicht, legt
sie nachvollziehbar dar. Einerseits erachtet sie die von der ersten Instanz
angewandten Strafmassempfehlungen der Oberstaatsanwaltschaft als untauglichen
Anhaltspunkt, weil es konkret um einen Wiederholungstäter geht (Urteil, S. 7).
Andererseits verneint sie im Gegensatz zur Vorinstanz Einsicht und Reue des
Beschwerdeführers (Urteil, S. 9). Und schliesslich gewichtet sie die
einschlägigen Vorstrafen stark straferhöhend (Urteil, S. 10), während deren
Wertung im erstinstanzlichen Urteil unklar blieb.

 Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die Vorinstanz bei der
Bemessung der Anzahl Tagessätze von nicht massgebenden Kriterien ausgegangen
sein, wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen oder bei deren
Beurteilung ihr Ermessen überschritten oder missbraucht haben soll. Seine
diesbezüglichen Vorbringen enthalten entweder allgemeine Ausführungen zur
Prozessgeschichte oder sie beschränken sich auf pauschale Kritik am
vorinstanzlichen Urteil.

1.4.

1.4.1. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach den persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich
nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und
Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB).
Das Bundesgericht hat die Berechnung der Tagessatzhöhe anhand der
Einkommensverhältnisse in BGE 134 IV 60 E. 6.1 ausführlich dargestellt. Hierauf
kann verwiesen werden.

 Ist ein Urteil zu begründen, hat der Richter auch die für die Zumessung der
Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten (Art. 50 StGB).
Besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung werden unter
anderem gestellt, wenn die ausgesprochene Strafe ungewöhnlich hoch oder
auffallend milde ist (BGE 134 IV 17 E. 2.1 mit Hinweisen).

1.4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe das
Nettoeinkommensprinzip missachtet, indem sie bei der Bemessung der
Tagessatzhöhe sein Vermögen miteinbezogen habe (Beschwerde, S. 3 und 5). Die
Vorinstanz verweist in Bezug auf die Tagessatzhöhe vollumfänglich auf die
Begründung des erstinstanzlichen Gerichts. Dieses sei bei der Berechnung
korrekt nach dem Nettoprinzip vorgegangen (vorinstanzliches Urteil, S. 12). Den
erstinstanzlichen Erwägungen ist indes keine konkrete Berechnung der
Tagessatzhöhe zu entnehmen (vgl. Urteil vom 3. September 2012, S. 11 f.). Ein
aktuelles Berechnungsformular findet sich in den Akten nicht. Vorhanden ist
lediglich eines aus dem Jahr 2007. Weder den Akten noch den beiden Urteilen
lässt sich entnehmen, wie die Berechnung der Tagessatzhöhe erfolgte.

 Da die Vorinstanz den erstinstanzlichen Ausführungen nichts beifügt und auch
ein aktuelles Berechnungsformular fehlt, das die Bemessung anhand konkreter
Zahlen nachvollziehen liesse, ist nicht erkennbar, ob Vorinstanz und
erstinstanzliches Gericht das Nettoeinkommensprinzip korrekt angewandt haben.

1.4.3. Mit 360 Tagessätzen hat die Vorinstanz auf eine hohe Anzahl erkannt.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darf in solchen Fällen bei der
Berechnung der Tagessatzhöhe insbesondere bei vermögenslosen Tätern mit kleinem
und mittlerem Einkommen nicht ohne Weiteres nur von den Tageseinnahmen
ausgegangen werden. Mit zunehmender Dauer der Abzahlung einer Geldstrafe
steigen die wirtschaftliche Bedrängnis und damit das Strafleiden progressiv an.
Regelmässig erscheint deshalb eine Reduktion um 10 - 30 Prozent angebracht (BGE
134 IV 60 E. 6.5.2; Urteil 6B_313/2013 vom 3. Mai 2013 E. 2.1; je mit
Hinweisen).

 Ob und inwiefern die Vorinstanz bzw. das erstinstanzliche Gericht die
bundesgerichtliche Rechtsprechung bei der Bemessung der Tagessatzhöhe
berücksichtigt haben, ist ihren Urteilen nicht zu entnehmen.

1.4.4. Das Urteil erweist sich in Bezug auf die Tagessatzhöhe als mangelhaft
und nicht nachvollziehbar begründet, weshalb es an die Vorinstanz
zurückzuweisen ist (Art. 112 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 BGG).

2.

 Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. Ziffer 1 des Urteils vom 2. Mai
2013 ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung bzw. nachvollziehbaren
Begründung bezüglich der Tagessatzhöhe an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im
Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.

 Der Beschwerdeführer wird im Umfang seines Unterliegens kostenpflichtig (Art.
66 Abs. 1 BGG). Im Umfang seines teilweisen Obsiegens hat ihm der Kanton Zürich
für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird sein
Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich vom 2. Mai 2013 wird hinsichtlich Ziffer 1 aufgehoben und die
Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

 Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- auferlegt.

3. 
Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. November 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Schneider

Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler

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