Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.58/2013
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_58/2013

Urteil vom 8. April 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Rüd,
Beschwerdeführerin,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfacher, teilweise gewerbsmässiger Betrug; Urkundenfälschung; Willkür etc.,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
4. September 2012.

Sachverhalt:

A.
Die Anklage wirft X.________ vor, verschiedene Versicherungen sowie
Sozialversicherungsbehörden betrogen zu haben.

B.
Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte X.________ am 4. September 2012
zweitinstanzlich wegen mehrfachen, teilweise gewerbsmässigen Betrugs,
Urkundenfälschung und der Entziehung der Beitragspflicht gegenüber einer
beruflichen Vorsorgeeinrichtung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15
Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren. Von den Vorwürfen der
Brandstiftung und der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst sowie des
gewerbsmässigen Betrugs zum Nachteil verschiedener Versicherungen sprach es sie
frei.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und sie sei vom Vorwurf des mehrfachen, teilweise
gewerbsmässigen Betrugs und der Urkundenfälschung freizusprechen. Die Sache sei
zur neuen Festsetzung des Strafmasses sowie der Kosten- und
Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für die zu Unrecht
verfügte Untersuchungshaft sei ihr eine angemessene Entschädigung und
Genugtuung auszurichten. Eventualiter sei das Strafmass wegen Verletzung des
Beschleunigungsgebots zu reduzieren.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt
willkürlich festgestellt und Art. 146 StGB falsch angewendet. Diese Bestimmung
verlange, dass ein Mensch und nicht eine juristische Person oder
öffentlich-rechtliche Institution irregeführt werde. Der irrende Mensch -
vorliegend der jeweilige Schadenssachbearbeiter - werde durch den Irrtum zur
verfügenden Person, indem er die Zahlung der Versicherungsleistung visiere bzw.
akzeptiere. Die geschädigte Versicherung gelte bei Versicherungs- und
Sozialversicherungsbetrug als Dritte. Weder dem angefochtenen Entscheid noch
der Anklageschrift lasse sich entnehmen, welche Personen durch die
inkriminierten Handlungen in einen Irrtum versetzt worden seien und dadurch
eine Vermögensdisposition zulasten der jeweiligen Versicherung getroffen
hätten. Der Betrugstatbestand sei daher nicht erfüllt (Beschwerde, S. 4 f.).
Die Beschwerdeführerin macht ferner eine Verletzung von Verfahrensrechten
geltend. Sie habe das Recht, Fragen an Belastungszeugen zu stellen. Es hätten
daher alle angeblich in einen Irrtum versetzten Versicherungssachbearbeiter von
der Staatsanwaltschaft befragt werden müssen. Die Vorinstanz habe ausgeblendet,
dass Zahlungen nicht nur aufgrund von Täuschungshandlungen, sondern aus anderen
Gründen oder Kulanz erfolgt sein könnten. Nur eine entsprechende Befragung der
Mitarbeiter hätte über die Zahlungsmotive Klarheit gebracht. Die Anklageschrift
verletze ausserdem den Anklagegrundsatz. Sie genüge den qualitativen und
quantitativen Anforderungen nicht und verstosse gegen das Recht auf ein faires
Verfahren sowie auf Waffengleichheit. Sie sei mit 196 Seiten zu ausführlich,
enthalte zahllose Belanglosigkeiten, Unterstellungen und Beleidigungen, sei
jedoch in anderen Fragen unvollständig (Beschwerde, S. 6).

1.2 Die Vorinstanz erwägt, die Täuschung der SUVA ergebe sich bereits daraus,
dass diese ihre Taggeldleistungen gestützt auf den wahrheitswidrig deklarierten
Lohn berechnet und ausgerichtet habe. Wer einer Versicherung auf einem für sie
bestimmten Schadenmeldeformular einen unrichtigen Lohn mitteile, könne nicht
ernsthaft behaupten, es sei unklar, wer worüber getäuscht worden sei (Urteil,
S. 42).

1.3 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern,
jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig
irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu
einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am
Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe
bestraft (Art. 146 Abs. 1 StGB).

1.4 Die inkriminierten Handlungen richteten sich gegen juristische Personen.
Deren Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben
(Art. 55 Abs. 1 ZGB). Sie verpflichten diese sowohl durch den Abschluss von
Rechtsgeschäften als durch ihr sonstiges Verhalten (Abs. 2).
Die Vorbringen der Beschwerdeführerin gehen an der Sache vorbei. Welche
natürlichen Personen für die jeweilige juristische Person handelten, ist
unerheblich soweit feststeht, dass diese irregeführt oder in ihrem Irrtum
arglistig bestärkt worden ist und sich dadurch am Vermögen geschädigt hat. Die
Schädigung der in Frage stehenden juristischen Personen ist vorliegend
unbestritten und manifestiert sich in den Vermögensdispositionen zugunsten der
Beschwerdeführerin. Es bestehen keine Anzeichen, dass Zahlungen nicht allein
wegen Täuschungshandlungen, sondern aus Kulanz erfolgt wären, was die
Beschwerdeführerin lediglich behauptet, jedoch nicht begründet. Die
Schuldsprüche der Vorinstanz verletzen kein Bundesrecht.

1.5 Die Vorinstanz verletzt auch die Verfahrensrechte der Beschwerdeführerin
nicht, da sie ihren Schuldspruch nicht auf Aussagen der handelnden Organe oder
Mitarbeitenden der Versicherungsgesellschaften, sondern auf die von der
Beschwerdeführerin zum angeblichen Nachweis ihrer Forderungen eingereichten
Unterlagen abstützt. Aus denselben Gründen verstösst die Anklageschrift nicht
gegen den Anklagegrundsatz.

2.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz unterstelle ihrer
Sachverhaltsfeststellung Tatsachen, welche die Anklage nicht behaupte
(Beschwerde, S. 6 f.). Sie legt jedoch nicht dar, inwiefern dies für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Darauf ist nicht
einzutreten.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin kritisiert die Strafzumessung. Die Vorinstanz bejahe
zwar eine Verletzung des Beschleunigungsgebots und erwähne, dieser sei mit
einer erheblichen Reduktion des Strafmasses Rechnung zu tragen. Tatsächlich
habe sie jedoch nur eine im Vergleich zur ersten Instanz um drei Monate
reduzierte Sanktion von 15 Monaten ausgesprochen (Beschwerde, S. 7 f.).

3.2 Gemäss Art. 47 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des
Täters zu. Er beurteilt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen
Verhältnisse des Schuldigen. Es liegt im Ermessen des Sachrichters, in welchem
Umfang er die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das
Bundesgericht greift nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den
gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich
nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte
ausser Acht gelassen beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres
Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1; je
mit Hinweisen).

3.3 Die Strafzumessung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Sie enthält die
wesentlichen Tat- und Täterkomponenten und die nachvollziehbaren Schlüsse. Die
Vorinstanz geht von einer Einsatzstrafe von 22 Monaten aus und schärft diese
aufgrund der zahlreichen schweren Delikte auf 30 Monate (Urteil, S. 50). Wegen
der Verletzung des Beschleunigungsgebots und der teilweisen
Geständnisbereitschaft der Beschwerdeführerin mildert sie die Strafe um die
Hälfte auf 15 Monate (Urteil, S. 52 f.). Damit hat sie die Strafe erheblich
reduziert. Dass die erste Instanz - bei leicht abweichenden Schuldsprüchen -
eine Strafe von 21 Monaten (nicht 18 Monate) ausgefällt hat, lässt die
vorinstanzliche Strafzumessung nicht als bundesrechtswidrig erscheinen.

4.
Die Beschwerdeführerin beantragt eine Entschädigung und Genugtuung für die
erstandene Untersuchungshaft. Mangels Begründung ist darauf nicht einzutreten.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. April 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller