Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.577/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_577/2013

Urteil vom 1. Oktober 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Pasquini.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Bleuler,
Beschwerdeführer,

gegen

1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2. A.Y.________,
3. B.Y.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Roman Stieger,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Vorsätzliche Tötung; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 25. April 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ wird beschuldigt, C.Y.________ im Schlafzimmer gewürgt und mehrfach
mit dem Messer derart gestochen und geschnitten zu haben, dass dieser aufgrund
der Durchtrennung von Halsblutgefässen verstarb.

B.

 Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ zweitinstanzlich
wegen vorsätzlicher Tötung und mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz
zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Es ordnete eine stationäre
therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB an. Zudem verpflichtete es
X.________ zur Bezahlung einer Genugtuung an B.Y.________ und A.Y.________ von
je Fr. 20'000.--, zuzüglich Zins.

C.

 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das angefochtene Urteil
aufzuheben und ihn vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung freizusprechen. Er sei
mit einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.-- zu
bestrafen, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. Auf die
Genugtuungsbegehren der Privatkläger sei nicht einzutreten. Für die erlittene
Haft sei ihm eine Genugtuung von Fr. 200.-- pro Tag zuzusprechen. Ferner
ersucht X.________ um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Beweiswürdigung
(Art. 9 BV) vor. Er stellt sich auf den Standpunkt, ein Suizid von C.Y.________
könne nicht ausgeschlossen werden.

1.1. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234 mit Hinweisen). Willkür liegt
vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung
oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für
die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4; je mit
Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar und substanziiert begründet
werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65
E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E.
4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit Hinweisen).

1.2. Die Vorinstanz hält fest, das Bezirksgericht Zürich, 9. Abteilung, gelange
nach einer sorgfältigen Beweiswürdigung zum Schluss, der angeklagte Sachverhalt
sei erstellt. Sie verweist auf dessen Ausführungen und wiederholt bzw. ergänzt
gewisse Punkte. Sie setzt sich eingehend mit den Indizien für die Täterschaft
des Beschwerdeführers und seinen Vorbringen auseinander. Die Vorinstanz erwägt,
es würden keine Zweifel daran verbleiben, dass der Beschwerdeführer
C.Y.________ die tödlichen Verletzungen zugefügt habe (Urteil S. 12-20 E. 4.4
f., erstinstanzliches Urteil S. 11-44).

1.3. 

1.3.1. Soweit der Beschwerdeführer einzig seine Sicht der Dinge vorträgt, ohne
zu erörtern, inwiefern das vorinstanzliche Urteil auch im Ergebnis willkürlich
sein soll, erschöpfen sich seine Ausführungen in appellatorischer Kritik.
Darauf ist nicht einzutreten. Dies ist der Fall, wenn er vorbringt, die
Vorinstanz messe den Aussagen des Polizeibeamten D.________ ein Gewicht zu, das
sachlich nicht gerechtfertigt sei (Beschwerde S. 7 f. Ziff. 2.1.6.2 und S. 12
Ziff. 2.1.6.6), oder wenn er einwendet, es sei offensichtlich falsch, dass das
Fehlen von "Probierschnitten" gegen einen Suizid spreche (Beschwerde S. 11).

1.3.2. Die Vorinstanz verweist auf die erstinstanzliche Zusammenfassung und
Analyse der Aussagen des Beschwerdeführers. Sie hält ergänzend fest, aufgrund
seines psychischen Zustands an der Hafteinvernahme sei er zwar nicht in der
Lage gewesen, vernünftige Antworten zu geben. In "seiner Welt" seien die
Äusserungen aber authentisch gewesen, da er kaum in der Lage gewesen sein
dürfte, rational gesteuert zu antworten. Die Aussagen des Beschwerdeführers
seien insofern bemerkenswert, als daraus Hinweise zu entnehmen seien, wonach er
C.Y.________ mit seinem Messer attackiert habe, während nichts darauf hindeute,
dass sich dieser selbst getötet habe. Mit den Äusserungen des Beschwerdeführers
lasse sich kein Geschehensablauf in Einklag bringen, wonach sich C.Y.________
habe suizidieren wollen, was der Beschwerdeführer versucht habe zu verhindern
(Urteil S. 15 f. E. 4.4.6). Mit dieser differenzierten Beweiswürdigung setzt
sich der Beschwerdeführer nicht substanziiert auseinander. Er beschränkt sich
auf die Darlegung seiner Sicht der Dinge und dem bereits bei der Vorinstanz
vorgebrachten Argument, seine Aussagen an der Hafteinvernahme seien nicht
verwertbar (Beschwerde S. 8-10 Ziff. 2.1.6.3 und S. 12 Ziff. 2.1.6.6; Urteil S.
8 f. E. 3.1 f.). Darauf ist nicht einzutreten.

1.3.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz würdige das
Obduktionsgutachten willkürlich. Sie lasse ausser Acht, dass der Experte die
beiden Geschehnisvarianten hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit in eine
Rangordnung gestellt habe. Er favorisiere die Selbstbeibringung der tödlichen
Verletzungen (Beschwerde S. 7 Ziff. 2.1.6.1 und S. 12 Ziff. 2.1.6.6).

 Die Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz erwägt, mit Ausnahme der im
Obduktionsgutachten vage in den Raum gestellten These der Selbstbeibringung
spreche nichts für einen Suizid. Soweit diese These darin als nicht
ausgeschlossen bzw. als eher wahrscheinlich bezeichnet worden sei, sei dies
durch die grösstenteils später und mit einer breiteren Erkenntnisgrundlage
erhobenen Beweismittel klar widerlegt (Urteil S. 20 E. 4.5, vgl. auch Urteil S.
12 f. E. 4.4.2 und Obduktionsgutachten, kantonale Akten HD act. 8/3).

1.3.4. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz erachte das
Ergänzungsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin als überzeugend, obwohl es
nicht nachvollziehbar darzustellen vermöge, weshalb die Selbstbeibringung nicht
wahrscheinlicher sei (Beschwerde S. 10 f. Ziff. 2.1.6.4 und S. 12 Ziff.
2.1.6.6).

 Die Rüge erweist sich als unbegründet. Gemäss Ergänzungsgutachten sind die
sich in der Halsregion beidseitig und vorn sowie im Wangen- und
Unterkieferbereich rechts befindlichen Stich- sowie Schnittverletzungen gut
vereinbar mit einer fokussierten Zufügung von scharfer Gewalt, wie sie z.B. bei
einem auf dem Bett liegenden und fixierten Opfer erfolgen kann. Eine solche
geometrische Konstellation schildere der Beschwerdeführer in seinen Aussagen
(Ergänzungsgutachten, kantonale Akten HD act. 8/12 S. 2 f.). Bereits daraus
geht hervor, dass der Ergänzungsgutachter im Gegensatz zum Obduktionsexperten
nicht nur über die neue Erkenntnis verfügte, dass der Beschwerdeführer das
Opfer gewürgt hatte, sondern seinem Gutachten unter anderem auch die weiteren
Schilderungen des Beschwerdeführers zu Grunde legen konnte. Die Vorinstanz
erwägt, der Ergänzungsgutachter stufe die tiefen Schnitte in der linken Hand
von C.Y.________ als typische Abwehrverletzungen ein, die mutmasslich dadurch
entstanden seien, dass das auf dem Rücken liegende Opfer seine linke Hand der
messerführenden Hand des Beschwerdeführers entgegengestreckt habe. Präzisierend
hält der Sachverständige fest, beim Beschwerdeführer fehlten Verletzungen, die
dieser mit grosser Wahrscheinlichkeit hätte erleiden müssen, wenn die
Handverletzungen beim Opfer durch ein Herauswinden des Messers im Rahmen eines
Rettungsversuchs entstanden sein sollten (Ergänzungsgutachten S. 3). Die
Vorinstanz führt aus, ebenfalls auf eine Fremdbeibringung deute hin, dass der
Hemdkragen von C.Y.________ durchschnitten bzw. -stochen gewesen sei. Bei einem
sich Suizierenden sei kaum davon auszugehen, dass er den frei liegenden Hals
verfehle. Viel eher sei auch dieses Beschädigungsbild geradezu typisch für die
Situation eines Angriffs (Urteil S. 13 f. E. 4.4.3). Diese Erwägungen sind
selbst dann nicht zu beanstanden, wenn Kleiderdurchstiche auch bei
Selbstaggression vorkommen könnten.

1.4. Insgesamt ergibt sich aus der Beschwerde nicht, inwiefern die
vorinstanzliche Beweiswürdigung willkürlich sein soll.

2.

 Die Anträge zur Strafe und zu den Zivilforderungen begründet der
Beschwerdeführer einzig mit dem beantragten Freispruch (Beschwerde S. 13 Ziff.
2.2.2-2.2.6). Darauf ist nicht einzutreten.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge
Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der
finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Beschwerde S. 13 f. Ziff. 2.4; Art. 65 Abs.
2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentge ltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Pasquini

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