Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.54/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_54/2013

Urteil vom 23. August 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Theo Kuny,
Beschwerdeführer,

gegen

1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz,
2. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Benno Wild,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Gefährdung des Lebens,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer, vom 30.
Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.

 Am 24. November 2008 kam es um ca. 16.00 Uhr in der Wohnung von Z.________
zwischen dem Eisenleger Y.________ und X.________, dem Vater von Z.________, zu
einer verbalen und gewalttätigen Auseinandersetzung. Die Staatsanwaltschaft des
Kantons Schwyz klagte Y.________ wegen Körperverletzung (er habe den schutz-
und wehrlos am Boden liegenden X.________ mit Stahlkappenschuhen getreten) und
Gefährdung des Lebens an.

 Nach der Anklageschrift hielt sich Y.________ in der Küche auf, als X.________
überraschend eintraf, um seine Tochter zu besuchen. Y.________ forderte ihn auf
zu gehen. X.________ reagierte mit Schimpfworten und beleidigenden Äusserungen,
worauf ihn Y.________ gegen einen Wandschrank und den Heizkörper stiess, so
dass X.________ zu Boden fiel. Nachdem er sich erhoben hatte, packte ihn
Y.________ mit überkreuzten Händen am Halsabschluss seiner Kleider und zog
diese zusammen. "Nach ca. 5 bis 10 Sekunden oder womöglich noch länger ohne
Luft, sackte X.________ zu Boden, da ihn seine Kräfte verliessen, evtl. liess
er sich intuitiv fallen, in der Annahme, (Y.________) lasse ihn los, was auch
geschah."

B.

 Das Kantonale Strafgericht Schwyz verurteilte Y.________ am 24. November 2011
wegen Gefährdung des Lebens zu einer bedingten Geldstrafe von 270 Tagessätzen
zu Fr. 100.-- (unter Anrechnung von drei Tagen Untersuchungshaft) mit einer
Probezeit von zwei Jahren. Im Übrigen sprach es ihn frei.

 Auf Berufung von Y.________ und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft
sprach ihn das Kantonsgericht Schwyz am 30. Oktober 2012 von Schuld und Strafe
frei und verwies die Zivilforderungen auf den Zivilweg.

C.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das
obergerichtliche Urteil aufzuheben, Y.________ wegen Gefährdung des Lebens zu
verurteilen, diesen in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils zu einer
Genugtuung von Fr. 1'000.-- und einer Parteientschädigung von Fr. 400.-- zu
verpflichten sowie eventualiter die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerdeführer, der im kantonalen Verfahren Zivilforderungen gestellt
hatte, ist als Privatkläger gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur
Beschwerde gegen das freisprechende Urteil berechtigt (vgl. BGE 137 IV 246 E.
1.3.1).

2.

 Der Beschwerdeführer macht eine widersprüchliche und willkürliche
Sachverhaltsfeststellung geltend. Diese sei reine Spekulation, widerrechtlich
und aktenwidrig. Die Begründung sei mangelhaft und verletze das rechtliche
Gehör.

2.1. Die Beweiswürdigung ist willkürlich, wenn sie unhaltbar ist oder mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht (BGE 135 I 313 E. 1.3). Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid nur auf, wenn er nicht bloss in der
Begründung, sondern im Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung
ebenfalls vertretbar oder zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 138 I 305
E. 4.3; 134 I 140 E. 5.4).

 Die Vorwürfe des Beschwerdeführers sind offenkundig unbegründet. Die
Vorinstanz setzt sich mit dem subjektiven Sachverhalt differenziert
auseinander. Von Willkür kann keine Rede sein.

2.2. Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV muss sich die Begründung nicht mit allen
Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen
ausdrücklich widerlegen. Sie muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen,
von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid
stützt (BGE 138 IV 81 E. 2.2; 136 I 229 E. 5.2).

 Die Vorinstanz begründet ihre Entscheidung bezüglich des umstrittenen
subjektiven Sachverhalts eingehend (vgl. BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17). Eine
Verfassungsverletzung ist nicht ersichtlich.

3.

 Gemäss Art. 129 StGB wird bestraft, wer einen Menschen in skrupelloser Weise
in unmittelbare Lebensgefahr bringt.

3.1. Nach der zutreffenden Annahme der Vorinstanz wird eine unmittelbare
Lebensgefahr bei Würgevorfällen grundsätzlich angenommen, wenn punktförmige
Stauungsblutungen an den Augenbindehäuten vorhanden sind. Solche wurden sowohl
im Bericht des Spitals als auch im Gutachten festgestellt. Nach der
Rechtsprechung ist in der Regel bereits von einer unmittelbaren Lebensgefahr
auszugehen, wenn der Täter das Opfer stranguliert, ohne ihm ernsthafte
Verletzungen beizufügen und ohne, dass das Opfer ohnmächtig wird (BGE 124 IV 53
E. 2; Urteil 6B_87/2013 vom 13. Mai 2013 E. 3.1). Die Vorinstanz bejaht den
objektiven Tatbestand zu Recht.

3.2. Die Rechtsmedizin unterscheidet drei Arten von Strangulationen, nämlich
das Erhängen, das Würgen mit den Händen und das Erdrosseln. Beim Erdrosseln
wird der Druck auf den Hals durch den Zug an den Enden eines Stranges und damit
durch Zuziehen einer Schlinge erzeugt ( BURKHARD MADEA, Praxis der
Rechtsmedizin, 2. Aufl. 2007, S. 155). In der zu beurteilenden Sache handelt es
sich um eine Form des Erdrosselns. Dabei ist zu beachten, dass die vom
Beschwerdegegner angewendete Methode aus dem Kampfsport nicht mit dem
gefährlicheren Zuziehen einer Schlinge gleichzusetzen ist. Sie erlaubt es dem
Täter, den Griff zu dosieren und kontrolliert einzusetzen. Zu vergleichbaren
Haltegriffen im Kampfsport führt der erwähnte Autor aus, die Folge sei die
gewollte, innerhalb weniger Sekunden eintretende Handlungsunfähigkeit. Werde
der Druck zu lange aufrecht erhalten, könne es zu Todesfällen kommen. Über
Jahrzehnte wurde lediglich ein einziger Todesfall beim Judo-Sport gemeldet (
MADEA, a.a.O., S. 169).

 Der Beschwerdegegner behauptet, in einer solchen Art und Weise verantwortbar
und kontrolliert vorgegangen zu sein.

3.3. Zu beurteilen ist der subjektive Tatbestand.

3.3.1. Eine Tatbestandserfüllung gemäss Art. 129 StGB erfordert direkten
Vorsatz bezüglich der unmittelbaren Lebensgefahr. Eventualvorsatz reicht nicht.
Vorausgesetzt ist eine Gefahr für das Leben. Eine Gefahr bloss für die
Gesundheit genügt nicht. Unmittelbar ist die Gefahr, wenn sich aus dem
Verhalten des Täters direkt die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der
Todesfolge ergibt. Skrupellos ist ein in schwerem Grade vorwerfbares, ein
rücksichts- oder hemmungsloses Verhalten (BGE 133 IV 1 E. 5.1; Urteil 6B_87/
2013 vom 13. Mai 2013 E. 3.4).

 Zu beachten ist, dass vorsätzlich nur handelt, wer die Tat mit Wissen und
Willen ausführt (Art. 12 Abs. 2 StGB). Damit stellt das Gesetz klar, dass das
blosse Wissen um die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung nicht genügt.
Der Täter muss die Verwirklichung wollen ( NIGGLI/MAEDER, in: Basler Kommentar,
Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, NN. 22 und 42 zu Art. 12 StGB).

3.3.2. Nach den massgebenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art.
105 Abs. 1 BGG) hatte der Beschwerdegegner glaubhaft dargetan, er habe aufgrund
seines in verschiedenen Ausbildungen in Kampfsportarten erworbenen Wissens
annehmen können, dass keine Gefahr eintreten würde. Der Beschwerdeführer hatte
das Bewusstsein nicht verloren (Urteil S. 12).

 Die Vorinstanz nimmt ein Wissensmanko bezüglich der objektiv erstellten
Lebensgefahr an und verneint das Willenselement des Vorsatzes. Der
Beschwerdegegner habe den Beschwerdeführer während des Streites die Polizei
rufen lassen. Eine Lebensgefährdung sei nicht die Zielrichtung des glaubhaft
gemachten Beweggrundes gewesen. Dieser bestand darin, den Beschwerdeführer nur
so kurz und fest zu strangulieren, als es zur Unterbindung der Gegenwehr, um
ihn vor die Tür stellen zu können, nötig, aber nicht gefährlich schien (Urteil
S. 12 f.). Davon ging nach dem Eventualstandpunkt der Anklage auch der
Beschwerdeführer aus, als er sich in der Annahme fallen liess, der
Beschwerdegegner lasse ihn los, was auch geschah (Urteil S. 2; oben Bst. A).
Die vorinstanzliche Beurteilung verletzt kein Bundesrecht.

3.4. Es ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass es sich um eine heikle
Abgrenzung handelt. Doch führt die Abweisung der Beschwerde entgegen seiner
Ansicht nicht zu einer "Lizenz zum Würgen", so dass der Beschwerdegegner "von
nun an sein Würgen jederzeit ausführen" könne, er habe "es ja im Griff"
(Beschwerde S. 13). Der Beschwerdegegner ist durch das Strafverfahren gewarnt,
einen Sozialkonflikt nicht mit einer Kampfsportsituation zu verwechseln und
gefährliche Haltegriffe inskünftig zu unterlassen. Er hatte denn auch
eingeräumt, es hätte nicht so weit kommen sollen (Urteil S. 9).

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG)

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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