Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.523/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_523/2013

Urteil vom 10. September 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Meichssner,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Kosten- und Entschädigungsregelung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer,
vom 9. April 2013.

Sachverhalt:

A.

 Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg sprach X.________ mit
Strafbefehl vom 21. Dezember 2011 des Vergehens gegen das Waffengesetz und der
Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz schuldig und verurteilte ihn zu
einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 60.-- und einer Busse von Fr.
150.--. Zugleich widerrief sie zwei aufgeschobene Strafen aus früheren
Verurteilungen. X.________ erhob Einsprache gegen den Strafbefehl.

 Das Bezirksgericht Laufenburg sprach X.________ von der Anklage der
Widerhandlung gegen das Waffengesetz frei. Es verurteilte ihn wegen
Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz zu einer Busse von Fr. 150.--.
Auf den Antrag der Staatsanwaltschaft betreffend Widerruf des bedingten
Strafvollzugs trat es nicht ein. Die Kosten des Strafverfahrens wurden
X.________ auferlegt. Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und
X.________ erklärten Berufung.

B.

 Das Obergericht des Kantons Aargau sprach X.________ von der Anklage der
Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz frei und verurteilte ihn wegen
Widerhandlung gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu
Fr. 100.--. Es verzichtete auf den Widerruf des bedingten Strafvollzugs und
verlängerte die Probezeit aus den Strafbefehlen des Bezirksamts Laufenburg vom
12. November 2009 und 26. Mai 2010 um je ein Jahr. Das Obergericht auferlegte
die erstinstanzliche Urteilsgebühr im Betrag von Fr. 800.-- X.________ und nahm
die übrigen erstinstanzlichen Verfahrenskosten von Fr. 1'208.-- auf die
Staatskasse. Die zweitinstanzlichen Verfahrenskosten wurden je zur Hälfte
X.________ und dem Staat auferlegt. Für die Kosten seiner privaten
Rechtsvertretung im Berufungsverfahren wurde X.________ - ausgehend von einem
vollen Honorar von Fr. 3'061.70 - eine Parteientschädigung von Fr. 1'530.85
zugesprochen.

C.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei hinsichtlich der erstinstanzlichen Verfahrens- und Parteikosten
aufzuheben, es seien ihm die erstinstanzlichen Gerichtskosten im Betrag von Fr.
266.65 aufzuerlegen, und es sei ihm für das erstinstanzliche Verfahren eine
anteilmässige Parteientschädigung von Fr. 1'997.20 zuzusprechen. Eventuell sei
die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

 Das Obergericht des Kantons Aargau und die Staatsanwaltschaft
Rheinfelden-Laufenburg verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Umstritten ist allein die Verlegung der Kosten für das erstinstanzliche
Gerichtsverfahren. Die Vorinstanz nahm die Kosten der Stellungnahme des
Strassenverkehrsamts auf die Staatskasse, weil der Beschwerdeführer vom Vorwurf
der Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz freigesprochen wurde und
sich damit jene Verfahrenshandlung als unnötig erwies. Im Übrigen auferlegte es
dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten und sprach ihm keine
Parteientschädigung zu. Die Vorinstanz verwies zwar darauf, dass bei einem
Teilfreispruch in aller Regel eine anteilmässige Kostenverlegung zu erfolgen
hat. Nachdem aber keine klar voneinander zu trennenden Untersuchungs- und
Anklagepunkte gegeben seien, rechtfertige es sich, dem Beschwerdeführer
ausnahmsweise sämtliche Kosten aufzuerlegen, auch wenn ihn hinsichtlich des zum
Freispruch führenden Anklagesachverhalts kein prozessuales Verschulden im
engeren Sinn treffe.

1.2. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass ihm die
eingeholte Stellungnahme des Strassenverkehrsamtes überhaupt nicht und die
übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nur zu einem Drittel auferlegt
werden könnten. Er sei in einem von zwei Anklagepunkten freigesprochen worden.
Eine Analyse des erstinstanzlichen Urteils zeige, dass der Hauptaufwand nicht
im Zusammenhang mit dem ihm zur Last gelegten Vergehen gegen das Waffengesetz
entstanden sei, sondern auf dem Vorwurf der Widerhandlung gegen das
Strassenverkehrsgesetz beruhe.

2.

2.1. Gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO trägt die beschuldigte Person die
Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Sie trägt die Kosten nicht, die der
Kanton u.a. durch unnötige Verfahrenshandlungen verursacht hat (Art. 426 Abs. 3
lit. a StPO). Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person
freigesprochen, können ihr die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt
werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens
bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Fehlt es
an den Voraussetzungen für eine Kostenauflage und werden die Kosten ganz oder
teilweise auf die Staatskasse genommen, hat die beschuldigte Person in aller
Regel Anspruch auf eine entsprechende Parteientschädigung (Art. 429 f. StPO;
vgl. BGE 137 IV 352 E. 2.4.2 mit Hinweisen).

2.2. Die Vorinstanz hat die gesamten Verfahrenskosten der ersten Instanz - mit
Ausnahme der als unnötig erachteten Stellungnahme des Strassenverkehrsamts -
dem Beschwerdeführer auferlegt. Zur Begründung führte sie aus, es liege im
Hinblick auf die beiden Anklagesachverhalte ein einheitlicher
Sachverhaltskomplex vor, sodass eine Kostenaufteilung nicht möglich sei.

 Mit dieser Argumentation setzt sie sich nicht nur in Widerspruch zu ihrem
Vorgehen bei der Verlegung ihrer eigenen Kosten. Die Begründung ist auch
falsch. Der Beschwerdeführer wurde verurteilt, weil er, ohne im Besitz der
erforderlichen Bewilligung zu sein, Waffen getragen bzw. im Kofferraum seines
Wagens mit sich geführt hatte. Der andere Anklagesachverhalt, der zu einem
Freispruch führte, bezog sich auf das vermeintlich unzulässige Anbringen eines
Klebers auf der Frontscheibe seines Fahrzeugs. Diese beiden Vorwürfe lassen
sich klar auseinanderhalten. Sie beruhen auf unterschiedlichen Handlungen des
Beschwerdeführers, die - wie gerade der bisherige Gang des Verfahrens gezeigt
hat - einer getrennten Untersuchung und Beurteilung ohne Weiteres zugänglich
sind.

 Auch wenn eine präzise Aufteilung der auf die beiden Anklagesachverhalte
entfallenden Aufwendungen nicht möglich ist, durfte es die Vorinstanz bei
dieser Sachlage nicht dabei bewenden lassen, auf eine Ausscheidung der Kosten
und damit auch auf die Zusprechung einer Parteientschädigung zu verzichten. Für
das Berufungsverfahren hat sie denn auch eine dem Verfahrensausgang
entsprechende hälftige Kostenverlegung vorgenommen. Es ist nicht einzusehen,
weshalb eine analoge Regelung für das erstinstanzliche Verfahren nicht auch
möglich sein soll.

3.

 Die Beschwerde ist gutzuheissen, Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids ist
aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung über die Verlegung der Kosten
des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens und die Zusprechung einer
Parteientschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird im Rahmen des
ihr zustehenden Ermessens zu entscheiden haben, welche Kriterien sie bei der
Aufteilung der Kosten zur Anwendung bringen will. So kann sie etwa auf die
Anzahl und die Bedeutung der einzelnen Anklagesachverhalte, auf den darauf
entfallenden Aufwand, auf das Verhältnis zwischen den beantragten und den
ausgesprochenen Sanktionen oder Nebenfolgen sowie auf weitere Elemente
abstellen, die einerseits mit der Untersuchung und Beurteilung und andererseits
mit dem Ausgang des Verfahrens im Zusammenhang stehen.

4.

 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art.
66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine angemessene
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Ziffer 1 des Entscheids des Obergerichts des
Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 9. April 2013 wird aufgehoben und
die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr.
3'000.-- auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. September 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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