Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.51/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_51/2013

Urteil vom 12. März 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, 8004 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung; Beschleunigungsgebot,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
vom 19. November 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ wird vorgeworfen, am 6. Dezember 2006 mit einem ca. 30 cm langen
Küchenmesser auf Y.________, von dem er 5 Gramm Kokain für Fr. 350.-- kaufen
wollte, eingestochen zu haben. Y.________ erlitt eine Verletzung hinter der
Achsel etwa auf der Höhe der Brustwarze (Stichkanal rund 10 cm), eine ca. 2 bis
3 cm tiefe Wunde im Bereich Brust/Oberbauch sowie einen oberflächlichen Schnitt
am Oberarm. Die Verletzungen waren nicht lebensgefährlich. X.________ entriss
Y.________, bevor er auf ihn einstach, den zuvor ausgehändigten Betrag von Fr.
400.-- und setzte sich nach der tätlichen Auseinandersetzung mit dem Kokain ab.
Zudem wird ihm zur Last gelegt, am 4. Juli 2006 einen Einbruchdiebstahl verübt
zu haben.

B.
Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 3. April 2008
schuldig der versuchten vorsätzlichen schweren Körperverletzung, des mehrfachen
Diebstahls sowie der Sachbeschädigung. Es verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland aus dem Jahre 2007 und unter Anrechnung
der ausgestandenen Polizei-, Untersuchungs- und Sicherheitshaft von 480 Tagen.
Zudem hielt es fest, dass X.________ gegenüber Y.________ dem Grundsatze nach
schadenersatzpflichtig ist. Im Übrigen verwies es Letzteren auf den Zivilweg.
Die von X.________ erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht
des Kantons Zürich am 21. Oktober 2010 ab.

C.
Das Bundesgericht beurteilte den Schuldspruch wegen Diebstahls vom 6. Dezember
2006 als bundesrechtswidrig. Es hiess die Beschwerde am 7. Juli 2011 im
Verfahren 6B_994/2010 teilweise gut, hob das Urteil des Geschworenengerichts
auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zur neuen Entscheidung an das
Geschworenengericht zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es
darauf eintrat.

D.
Das Geschworenengericht des Kantons Zürich überwies den Fall gemäss Art. 453
Abs. 2 StPO an das Bezirksgericht Winterthur. Dieses verurteilte X.________ am
12. Juli 2012 wegen versuchter schwerer Körperverletzung, Diebstahl und
Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 ¼ Jahren als Zusatzstrafe zum
Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland aus dem Jahre 2007 und
unter Anrechnung der ausgestandenen Polizei-, Untersuchungs- und
Sicherheitshaft von 480 Tagen. Vom Vorwurf des Diebstahls vom 6. Dezember 2006
sprach es ihn frei.
Auf Berufung von X.________ bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am
19. November 2012 den Schuldspruch und die ausgefällte Freiheitsstrafe.

E.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und die Sache sei zur neuen Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Strafzumessung. Das Gericht habe
unter anderem die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters zu
berücksichtigen. Die Vorinstanz habe zu Unrecht die Konsequenzen des
Strafmasses auf das ausländerrechtliche Verfahren bzw. sein Aufenthaltsrecht
nicht in Rechnung gestellt. Eine Privilegierung gegenüber Schweizer Straftätern
sei nicht gegeben, da diese ohnehin keine aufenthaltsrechtlichen Folgen zu
befürchten hätten (Beschwerde, S. 6 f.).

1.2 Die Vorinstanz erwägt, ausländerrechtliche Folgen der Strafe könnten keinen
Einfluss auf die Strafhöhe haben. Das Gericht habe eine tat- und
täterangemessene Strafe festzusetzen. Zu bewerten sei insbesondere das
Verschulden des Täters. Eine Strafreduktion auf zwei Jahre, um die Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung nicht zu gefährden, würde zu einer unzulässigen
Privilegierung ausländischer Täter führen (Urteil, S. 15).

1.3 Gemäss Art. 47 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des
Täters zu. Er beurteilt die Beweggründe, das Vorleben sowie die persönlichen
Verhältnisse des Schuldigen. Es liegt im Ermessen des Sachrichters, in welchem
Umfang er die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren, worunter auch die
Strafempfindlichkeit fällt, berücksichtigt. Das Bundesgericht greift nur in die
Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder
unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen
beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch
gewichtet hat (BGE 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1; je mit Hinweisen).

1.4 Die Strafzumessung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Sie enthält die
wesentlichen Tat- und Täterkomponenten und die nachvollziehbaren Schlüsse. Der
Beschwerdeführer macht sinngemäss eine erhöhte Strafempfindlichkeit wegen der
drohenden Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung geltend. Ein
Widerrufsgrund dieser Bewilligung liegt vor, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr
als einem Jahr ausgesprochen wurde (BGE 135 II 377 E. 4.2). Die zuständige
Behörde berücksichtigt bei ihrer Verhältnismässigkeitsprüfung namentlich die
Schwere des Verschuldens, den Grad der Integration, die Dauer der bisherigen
Anwesenheit sowie die dem Betroffenen und seiner Familie drohenden Nachteile
(a.a.O. E. 4.3). Die ausländerrechtlichen Folgen, welche dem Beschwerdeführer
allenfalls treffen könnten, drohen jeder ausländischen Person, die zu einer
Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wird. Sie führen nicht ohne
weiteres zu einer Strafminderung (Urteile 6B_829/2010 vom 28. Februar 2011 E.
5.4; 6B_892/2010 vom 22. Dezember 2010 E. 3.3 mit Hinweisen). Der
Beschwerdeführer legt nicht dar, dass er wegen einer besonderen
Strafempfindlichkeit ungleich schwerer getroffen wird als andere ausländische
Personen, weshalb sich eine Strafreduktion nicht begründen lässt.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots. Das
Bundesgericht habe in seinem Rückweisungsentscheid festgehalten, bis zur
Zustellung des begründeten Urteils des Geschworenengerichts am 9. September
2009 liege keine Verfahrensverzögerung vor. Ab diesem Datum bis zum neuen
Entscheid der Vorinstanz am 19. November 2012 seien jedoch mehr als drei Jahre
vergangen. Dies sei strafmindernd zu berücksichtigen (Beschwerde, S. 7).

2.2 Das in Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK festgeschriebene
Beschleunigungsgebot verpflichtet die Behörden, das Strafverfahren
voranzutreiben, um den Beschuldigten nicht unnötig über die gegen ihn erhobenen
Vorwürfe im Ungewissen zu lassen (BGE 133 IV 158 E. 8; 130 IV 54 E. 3.3.1; 124
I 139 E. 2a; je mit Hinweisen). Entscheidend für die Beurteilung der
Angemessenheit der Verfahrensdauer ist eine Gesamtbetrachtung des konkreten
Einzelfalls (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3; 124 I 139 E. 2c). Von den Behörden und
Gerichten kann nicht verlangt werden, dass sie sich ständig einem einzigen Fall
widmen. Zeiten, in denen das Verfahren stillsteht, sind unumgänglich. Wirkt
keiner dieser Zeitabschnitte stossend, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (
BGE 130 IV 54 E. 3.3.3; 124 I 139 E. 2c).

2.3 Die Vorinstanz hält zutreffend fest, es seien seit dem
Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts keine stossenden Zeitspannen zu
verzeichnen gewesen, in denen keine Verfahrenshandlungen stattgefunden hätten
(Urteil, S. 13 f.). Eine gewisse Verfahrensverlängerung ist auf die Abschaffung
des Geschworenengerichts und die Zuweisung des Falles an das Bezirksgericht
Winterthur zurückzuführen. Zudem reichte der Beschwerdeführer selber drei
Fristerstreckungsgesuche beim Bezirksgericht Winterthur ein, die zu
mehrmonatigen Verzögerungen führten. Insgesamt liegt nach dem
bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid keine überlange Verfahrensdauer vor,
weshalb sich - wie die Vorinstanz zu Recht erwägt - eine Strafminderung nicht
rechtfertigt.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von
vornherein aussichtslos erschien. Seiner finanziellen Lage ist mit
herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. März 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller