Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.50/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_50/2013

Urteil vom 4. April 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Kratz-Ulmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. René Schwarz,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland, Hermann Götz-Strasse 24, 8401
Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
vom 22. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ fuhr am 8. Juli 2011 einen Lieferwagen auf der Hauptstrasse
ausserorts in Waltalingen. Bei einem Überholmanöver überschritt er die
zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nach Abzug der Messtoleranz um 31
km/h.

B.
Das Bezirksgericht Andelfingen verurteilte X.________ wegen grober Verletzung
der Verkehrsregeln zu einer bedingten Geldstrafe von 11 Tagessätzen zu je Fr.
30.-- und einer Busse von Fr. 300.--. Auf Berufung von X.________ hin
bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich das erstinstanzliche Urteil.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, ihn vom Vorwurf der
groben Verkehrsregelverletzung freizusprechen und wegen einfacher
Verkehrsregelverletzung angemessen zu bestrafen.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen grober
Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG. Er bestreitet in subjektiver
Hinsicht, rücksichtslos gehandelt zu haben.

1.2 Nach Art. 90 Ziff. 2 SVG macht sich strafbar, wer durch grobe Verletzung
von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft
oder in Kauf nimmt.

Der objektive Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist erfüllt, wenn der Täter
eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die
Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die
Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung
gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung
oder Verletzung voraus. Subjektiv erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses
oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres
Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Diese
ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner
verkehrsregelwidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann aber
auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht. Die Annahme einer groben
Verkehrsregelverletzung setzt in diesem Fall voraus, dass das Nichtbedenken der
Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 131
IV 133 E. 3.2; 130 IV 32 E. 5.1; je mit Hinweisen).

1.3 Nach der Rechtsprechung begeht ungeachtet der konkreten Umstände objektiv
eine grobe Verkehrsregelverletzung, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf
Strassen ausserorts um 30 km/h oder mehr überschreitet (BGE 124 II 259 E. 2c;
121 IV 230 E. 2c). Grundsätzlich ist von einer objektiv groben Verletzung der
Verkehrsregeln durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf ein
zumindest grobfahrlässiges Verhalten zu schliessen. Die Rücksichtslosigkeit ist
ausnahmsweise zu verneinen, wenn besondere Umstände vorliegen, die das
Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen lassen (Urteile 6B_104/
2012 vom 26. September 2012 E. 2; 6B_283/2011 vom 3. November 2011 E. 1.2 und
1.4; 6B_563/2009 vom 20. November 2009 E. 1.4.2). Dies wurde beispielsweise
bezüglich eines Fahrzeugführers angenommen, der die während einer Woche
geltende, örtlich begrenzte Geschwindigkeitsreduktion übersehen hatte (Urteil
6B_109/2008 vom 13. Juni 2008 E. 3.2; vgl. auch Urteil 6B_622/2009 vom 23.
Oktober 2009 E. 3.5). An dieser Rechtsprechung ist entgegen der Kritik des
Beschwerdeführers (Beschwerde S. 7 f.) festzuhalten.

1.4 Der Beschwerdeführer fuhr 31 km/h zu schnell, weshalb objektiv von einer
groben Verkehrsregelverletzung auszugehen ist. Die Vorinstanz verneint zu Recht
besondere Umstände, welche sein Fehlverhalten in subjektiver Hinsicht
relativieren könnten (Urteil S. 9-11). Gemäss dem angefochtenen Entscheid war
der ortskundige Beschwerdeführer in Eile, da er einen Geschäftstermin
wahrnehmen wollte. Ab Ortsende Gisenhard bot sich ihm eine Möglichkeit, das vor
ihm fahrende Cabriolet zu überholen. Obschon dieses nach der mit 50 km/h
signalisierten Innerortszone zügig beschleunigte, entschloss er sich zum
Überholmanöver und setzte dieses mit einer Geschwindigkeit von 111 km/h fort.
Die Vorinstanz führt zutreffend aus, der Beschwerdeführer habe damit rechnen
müssen, das vor ihm fahrende Cabriolet werde nach Beendigung der Innerortszone
von Gisenhard auf die erlaubten 80 km/h beschleunigen. Er hätte daher nicht zum
Überholen ansetzen dürfen. Jedenfalls hätte er den Überholvorgang spätestens
abbrechen müssen, als ihm bewusst wurde, dass das Fahrzeug vor ihm zügig
beschleunigte (Urteil S. 9 f.). Indem er das Überholmanöver mit der übersetzten
Geschwindigkeit von 111 km/h fortsetzte, offenbarte er ein rücksichtsloses
Verhalten.

1.5 Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, überzeugt nicht. Gute
Witterungs-, Strassen- und Verkehrsverhältnisse stellen keine besonderen
Umstände dar, welche die objektiv grobe Verkehrsregelverletzung subjektiv in
milderem Licht erscheinen lassen (Urteil 6B_283/2011 vom 3. November 2011 E.
1.4; Beschwerde S. 6 und 9).

Im Urteil 6B_622/2009 vom 23. Oktober 2009 (E. 3.5) ging es um eine
Geschwindigkeitsüberschreitung in einer 60 km/h-Zone, die optisch einer
Ausserortsstrecke glich, wobei die Geschwindigkeitsbeschränkung Teil von
Massnahmen eines Verkehrsberuhigungskonzepts bildete. Zu beurteilen war eine
gefahrene Geschwindigkeit von 89 km/h bzw. eine Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h. Der Beschwerdeführer fuhr bei ähnlichen
Strassenverhältnissen mit einer Geschwindigkeit von 111 km/h. Er kann aus dem
zitierten Entscheid nichts zu seinen Gunsten ableiten (Beschwerde S. 4 und 6).

Der Beschwerdeführer kann sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen
(Beschwerde S. 5 f.). Die Vorinstanz verneint eine Verletzung von Art. 35 Abs.
7 Satz 2 SVG durch den überholten Fahrzeugführer, da dieser seine
Geschwindigkeit unabhängig vom Überholmanöver aufgrund der weggefallenen
Geschwindigkeitsbeschränkung erhöhte (Urteil S. 9 f.). Selbst wenn jener
pflichtwidrig während des Überholvorgangs zu beschleunigen begonnen hätte,
vermöchte dies die massive Geschwindigkeitsüberschreitung nach der
Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen (vgl. dazu BGE 96 I 766 E. 7; Urteil 6A.4
/2006 vom 27. Februar 2006 E. 3).

1.6 Der Schuldspruch wegen grober Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90
Ziff. 2 SVG ist bundesrechtskonform.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. April 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Kratz-Ulmer