Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.503/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_503/2013

Urteil vom 27. August 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Bertisch,
Beschwerdeführerin,

gegen

Statthalteramt des Bezirkes Bülach,
Bahnhofstrasse 3, 8180 Bülach,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Wiederherstellung der Einsprachefrist (Nichtbeherrschen des Fahrzeugs usw.),

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 18. April 2013.

Sachverhalt:

A.

 Das Statthalteramt des Bezirks Bülach sprach X.________ mit Strafbefehl vom 6.
Februar 2012 der Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz schuldig und
verurteilte sie zu einer Busse von Fr. 350.--.

 Nach Ablauf der Einsprachefrist stellte X.________ am 13. März 2012 beim
Statthalteramt des Bezirks Bülach ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist und
erhob gleichzeitig Einsprache gegen den Strafbefehl. Das Statthalteramt des
Bezirks Bülach gab dem Begehren am 4. Mai 2012 nicht statt. Die von X.________
dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 18.
April 2013 ab.

B.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, die angefochtene
Verfügung sei aufzuheben, die Frist für die Einsprache gegen den Strafbefehl
vom 6. Februar 2012 sei wiederherzustellen und das gegen sie eröffnete
Strafverfahren sei einzustellen.

Erwägungen:

1.

 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und
des Bundesstrafgerichts (Art. 80 Abs. 1 BGG). Anfechtungsobjekt bildet die
angefochtene Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich. Soweit die
Beschwerdeführerin die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids oder des
Strafbefehls sowie die Einstellung des Strafverfahrens verlangt, kann darauf
nicht eingetreten werden.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss geltend, der angefochtene
Entscheid sei nichtig. Der Schriftenwechsel sei von Oberrichter A.________
geführt, der Entscheid aber von Oberrichter B.________ gefällt worden. Der
Wechsel in der Besetzung sei ihr nicht bekannt gegeben worden, "was wesentlich
für die Wahrung des Grundrechtsschutzes ist". Überdies sei der "Anspruch auf
ein durch Gesetz geschaffenes Gericht verletzt", wenn die Zusammensetzung des
Spruchkörpers im Verlauf des Verfahrens ohne hinreichende sachliche Gründe
geändert werde.

2.2. Nach Art. 331 Abs. 1 StPO teilt die Verfahrensleitung den Parteien u.a.
mit, in welcher Zusammensetzung das Gericht tagen wird. Diese Bestimmung
bezieht sich auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung und kann nicht unbesehen
auf das schriftliche Beschwerdeverfahren übertragen werden. Mit der Bekanntgabe
der voraussichtlichen Besetzung des Spruchkörpers soll sichergestellt werden,
dass die Parteien allfällige Ausstandsbegehren rechtzeitig stellen können
(Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts,
BBl 2006 1279 f. Ziff. 2.7.1). Unterbleibt die Mitteilung, kann dem
Betroffenen, der einen Ausstandsgrund erst im Rechtsmittelverfahren geltend
macht, nicht entgegengehalten werden, er habe seinen Anspruch verwirkt (Urteil
4A_217/2012 vom 9. Oktober 2012 E. 5.2, nicht publ. in: BGE 138 I 406). Die
Beschwerdeführerin macht keine Ausstandsgründe gegen Oberrichter A.________
oder Oberrichter B.________ geltend. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, was
sie mit ihrer Rüge bewirken will.

2.3. Ebenso wenig verständlich ist der Einwand, der Spruchkörper sei im Verlauf
des Verfahrens ohne hinreichende Gründe geändert worden. Die von ihr zitierten
Erwägungen des Bundesgerichts (Urteil 5A_429/2011 vom 9. August 2011 E. 3.2,
Urteil 4A_263/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 2.1.2) beziehen sich ausschliesslich
auf Konstellationen, in denen nach eröffneter Verhandlung ein Wechsel in der
Zusammensetzung des Kollegialgerichts erfolgte und einzelne Richter an den
Beweiserhebungen, andere aber an der Urteilsfällung mitwirkten. Im vorliegenden
Fall leitete Oberrichter A.________ den dem Entscheid vorausgegangenen
Schriftenwechsel. Der Entscheid selbst wurde in umfassender Kenntnis aller
Umstände und Akten von Oberrichter B.________ in dem vom Gesetz vorgesehenen
(Art. 397 Abs. 1 StPO) schriftlichen Verfahren behandelt. Von einer Änderung
des Spruchkörpers kann keine Rede sein.

3.

3.1. Es ist unbestritten, dass die Einsprache gegen den Strafbefehl nicht
innert der zehntägigen Frist von Art. 354 Abs. 1 StPO erhoben wurde.

 Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und
unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, kann sie die Wiederherstellung der
Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis
kein Verschulden trifft (Art. 94 Abs. 1 StPO). Ein Verschulden von
Hilfspersonen ist der Partei wie eigenes Verschulden anzurechnen (BGE 114 Ib 67
E. 2).

3.2. Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass sie an der Fristversäumnis kein
Verschulden trifft. Soweit die Ausführungen in der 22-seitigen
Beschwerdeschrift überhaupt verständlich sind, scheint die Beschwerdeführerin
die Auffassung zu vertreten, dass sie von der Rechtsschutzversicherung falsch
beraten wurde und deshalb nicht sie, sondern jene für die Fristversäumnis
einzustehen hat. Sie habe unmittelbar nach Erhalt des Strafbefehls Kontakt mit
ihrer Rechtsschutzversicherung aufgenommen, die Angelegenheit mit der
zuständigen Sachbearbeiterin besprochen und eine Vollmacht unterzeichnet. Die
Rechtsschutzversicherung habe die Erfolgsaussichten einer Einsprache als gering
erachtet und ihr geraten, den Strafbefehl zu akzeptieren. In der Folge habe sie
Busse und Kosten bezahlt. Erst im Zusammenhang mit dem Administrativverfahren
habe sie sich an einen Rechtsanwalt gewandt. Dabei habe sie erfahren, dass die
Rechtsschutzversicherung aufgrund des Anwaltsmonopols gar nicht berechtigt
gewesen wäre, Einsprache zu erheben.

3.3. Die Beschwerdeführerin hat nach Rücksprache mit ihrer
Rechtsschutzversicherung den Strafbefehl akzeptiert und auf eine Einsprache
verzichtet. Während die Rechtsschutzversicherung die Erfolgsaussichten als
gering einschätzte, scheint der jetzige Rechtsvertreter vom Gegenteil überzeugt
zu sein. Jedenfalls führt er verschiedene Entscheide an, die seine
Rechtsauffassung, wonach die Beschwerdeführerin am seinerzeitigen
Verkehrsunfall kein Verschulden trifft, stützen sollen. Darauf ist nicht näher
einzugehen, da im Rahmen des vorliegenden Wiederherstellungsverfahrens nicht
eine vorfrageweise Behandlung der Einsprache zur Diskussion steht, sondern
allein entscheidend ist, ob die Beschwerdeführerin an der Säumnis ein
Verschulden trifft.

3.4. Unbeachtlich ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, die
Rechtsschutzversicherung wäre auf der Grundlage des Anwaltsmonopols nicht
berechtigt gewesen, sie im Strafverfahren zu vertreten und Einsprache gegen den
Strafbefehl zu erheben. Gemäss Art. 127 Abs. 5 StPO ist die Verteidigung der
beschuldigten Person Anwältinnen und Anwälten vorbehalten, die nach dem
Anwaltsgesetz berechtigt sind, Parteien vor Gerichtsbehörden zu vertreten.
Diese Einschränkung gilt für die eigentliche Verteidigung, d.h. für die
Bestellung eines Rechtsbeistands zur Wahrung der Interessen der beschuldigten
Person, nicht aber für die allgemeine Rechtsberatung. Die
Rechtsschutzversicherung hat denn auch die Beschwerdeführerin im
Strafbefehlsverfahren nicht vertreten. Sie hat ihr aber aufgrund ihrer eigenen
Einschätzung der massgebenden Rechtslage empfohlen, den Strafbefehl zu
akzeptieren und auf eine Einsprache zu verzichten. Der Beschwerdeführerin hätte
es jederzeit freigestanden, eine Zweitmeinung einzuholen oder einen
Rechtsvertreter mit ihrer Verteidigung zu beauftragen. Sie hätte aber auch
selbst Einsprache erheben können, zumal die Einsprache gegen den Strafbefehl
durch die beschuldigte Person nicht näher zu begründen ist (vgl. Art. 354 Abs.
2 StPO). Die Beschwerdeführerin war somit ohne Weiteres in der Lage, während
der laufenden Einsprachefrist ihre Interessen zu wahren. Von einer
unverschuldeten Fristversäumnis kann keine Rede sein. Auch wenn ihre
Entscheidung, auf die Einsprache zu verzichten, von der durchaus
nachvollziehbaren Einschätzung durch die Rechtsschutzversicherung
mitbeeinflusst war, leidet sie doch an keinem schwerwiegenden Mangel, sodass
sich die Beschwerdeführerin heute damit abfinden muss (vgl. auch Urteil 6B_622/
2012 vom 1. November 2012 E.1).

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. August 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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